Der Wagenmeister
Hallo zusammen,ich habe mich nun erstmals an einer "eigenen" Kurzgeschichte versucht und möchte gerne eure Meinungen dazu wissen. Ich freue mich auf eure Rückmeldungen, Kritik, Anregungen...
@**d: sollte mein Text hier nicht richtig sein, bitte an die richtige Stelle verschieben. Danke.
Der Wagenmeister
Es war Montagmorgen und sein Wecker klingelte um genau 7:00 Uhr, so wie jeden Morgen, laut und schrill. Das Geräusch ging ihm auf die Nerven, doch alle anderen Wecker, die er im Laufe der Jahre ausprobiert hatte, waren zu leise für ihn. Die hörte er einfach nicht. Also musste er diesen ertragen.
Er schwang die Beine aus dem Bett und schlürfte ins Bad. Dort nahm er zuerst einmal eine kalte Dusche um wach zu werden. Nachdem er sich die Zähne geputzt und sich rasiert hatte, zog er seine Arbeitskleidung an. Diese bestand aus einem dunklen Anzug, weißem Hemd und grauer Krawatte, so wie schon seit Jahren. Genau genommen waren es 27 Jahre, die er bereits für das noble Hotel in der Altstadt seines Heimatorts arbeitete.
Er ging in die Küche und kochte sich einen starken Kaffee. Während er darauf wartete, dass das Wasser durch die Maschine lief, schaute er auf das Foto, welches auf dem Küchentisch stand. Es zeigte seine Tochter, als sie noch klein war. Gerade zur Schule gekommen war sie an dem Tag der Aufnahme. Stolz strahlte sie in die Kamera. 10 Jahre war das nun schon her, doch er konnte sich noch genau an den Tag erinnern. Es war ein heißer Sommertag gewesen. Auch heute sah alles nach einem solchen Tag aus, doch nichts war mehr so wie früher. Damals waren sie eine glückliche Familie gewesen, zumindest hatte er das gedacht. Aber offenbar hatte er sich geirrt, denn wenig später reichte seine Frau die Scheidung ein, weil sie nicht mehr glücklich mit ihm war. Jedenfalls hatte sie das gesagt. Bis heute wusste er nicht was genau schief gelaufen war, aber es machte keinen Sinn mehr darüber nachzudenken, denn es war zu spät noch etwas daran zu ändern.
Als der Kaffee endlich fertig war, goss er sich eine große Tasse ein und setzte sich einen Moment an den Tisch. Er nahm das Foto in die Hand und fragte sich, wie seine Tochter nun wohl aussah. Anfangs hatte er sie nach der Trennung noch regelmäßig gesehen, doch auch das war schon Jahre her. Seine Ex-Frau hatte einen anderen Mann kennengelernt und war mit diesem und ihrer Tochter fortgezogen, 800 km weit weg. Zu Beginn hatte er sich noch bemüht, sie zu besuchen, doch nach und nach war dies immer beschwerlicher geworden. Seine Briefe bleiben immer öfter unbeantwortet und wenn er anrief war sie oft nicht da, sondern unterwegs mit ihren Freundinnen.
So saß er hier allein in seiner kleinen 2-Zimmer-Wohnung. Sein Blick fiel auf die Küchenuhr und mahnte hin, sich auf den Weg zu machen, da er sonst seinen Bus verpassen würde. Also stellte er das Foto an seinen Platz zurück und machte sich auf. Wie immer fuhr er mit der gleichen Linie und stieg an der gleichen Haltestelle aus und das schon seit 27 Jahren. So lange arbeitete er bereits in dem Hotel.
Es war eines der vornehmsten Häuser der Stadt und er war hier der Wagenmeister. Seine Aufgabe war es, die Fahrzeuge der Gäste für diese in die Tiefgarage zu fahren wenn sie anreisten bzw. wieder bereitzustellen wenn diese abreisten. Er ging durch den Personaleingang in das Gebäude und begrüßte seine beiden jungen Kolleginnen mit Namen. Sie jedoch hatten nur ein kurzes „Hallo“ für ihn übrig, was seine Stimmung nicht gerade hob. Er stempelte ein und ging nach draußen um mit seiner Schicht zu beginnen. Der Himmel war bereits wolkenlos blau und einen Augenblick genoss er die Wärme der ersten Sonnenstrahlen in seinem Gesicht bevor er in die zum Hotel gehörende Tiefgarage ging. Hier war es kühl und eher dunkel. Langsam schritt er den Gang entlang bis zu dem Fahrzeug, das er suchte. Der Gast wollte bald abreisen und daher fuhr der das Fahrzeug vor den Eingang. Gerade rechtzeitig, denn die Gäste, ein Ehepaar mittleren Alters, kamen heraus. Der Manager des Hotels erklärte ihnen, dass der Wagenmeister bereits ihr Auto geholt habe und wünschte ihnen eine gute Heimreise. Keiner der drei beachtete ihn. Das ärgerte ihn, denn er fand, dass ein kurzer Gruß oder ein „Danke“ schön gewesen wären. Aber die meisten Gäste und auch seine Kollegen nahmen ihn kaum noch wahr, zumindest kam es ihm so vor. Niemand sprach ihn mit seinem Namen an und manchmal dachte er, dass selbst seine Kollegen diesen vergessen hatten. Dabei stand er auf seinem auf Hochglanz polierten Namensschild, dass er am Revers seines Anzugs trug. Doch für alle war er immer nur „der Wagenmeister“.
Dabei konnte er noch viel mehr als nur Autos von A nach B fahren und er wollte auch noch viel mehr vom Leben. Sein Traum war es einmal mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Wahrscheinlich würde es für immer ein Wunsch bleiben, da er nicht den Mut dazu fand. Solange fuhr er daher weiter Autos in die Tiefgarage und wieder heraus, tagein tagaus.
Er hatte viel zu tun und so verging der Vormittag rasch. Wie oft hatte er den Hotelmanager nun schon zu einem Gast sagen hören, dass „der Wagenmeister“ seinen PKW sofort hole. Langsam konnte er es nicht mehr hören. Konnte ihn nicht ein einziges Mal jemand mit seinem Namen ansprechen? Er war doch immer noch ein Mensch, aber keinem außer ihm schien das bewusst zu sein. Da hörte er es auch schon wieder und eilte Richtung Tiefgarage um den Gast nicht warten zu lassen.
Als er den Wagen erreicht hatte, musste er lächeln. Das war wirklich ein Traumauto, schnittig und schnell. Er stieg ein und sog den Ledergeruch ein, was für ein herrlicher Duft. Man merkte sofort, dass alles noch ganz neu war. Er startete das Cabrio und lauschte einen Augenblick dem Brummen des Motors. Der Klang gefiel ihm und das Lenkrad fühlte sich gut an in seinen Händen. Langsam fuhr er den Audi A5 aus der Tiefgarage heraus in Richtung Eingang, doch diesmal parkte er nicht davor, sondern fuhr weiter. Kurz nahm er das überraschte Gesicht des Hotelmanagers wahr und fragte sich, was er da eigentlich tat. War er verrückt geworden? Sicher lenkte er das Fahrzeug zur nahe gelegenen Autobahn. Diese führte Richtung Norden, bis zur Küste hinauf. Wie lange war er schon nicht mehr am Meer gewesen? Das musste ewig her sein. Nun wusste er was er wollte und trat das Gas herunter. Sofort beschleunigte der Wagen. Da es herrliches Wetter war, ließ er das Verdeck hinunter und genoss die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht. Er löste seine Krawatte und ließ diese davon fliegen. Der Fahrtwind dröhnte in seinen Ohren und er lachte laut auf. Seit langem wieder fühlte er sich richtig lebendig, spürte das Blut in seinen Adern pochen.
Nach einer Stunde war er an seinem Ziel angekommen. Er parkte und ging zielsicher die wenigen Schritte bis ans Meer. Sein Blick schweifte über den Horizont und er empfand eine innere Ruhe wie schon lange nicht mehr. Er wusste, dass ihn dieses kleine Abenteuer seinen Job kosten würde, aber das war ihm egal. Er hatte Einiges gespart und würde damit eine Zeitlang über die Runden kommen und dann würde er sich eine andere Stellung suchen, einen Job in dem man ihn zu schätzen wusste. Und er würde sich seinen Traum vom Fallschirmsprung verwirklichen. In diesem Moment fühlte er sich wieder jung und lebendig. Sein Entschluss stand fest. Er ging zurück zum Wagen und machte sich auf den Rückweg ins Hotel…