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Der Wagenmeister

Der Wagenmeister
Hallo zusammen,

ich habe mich nun erstmals an einer "eigenen" Kurzgeschichte versucht und möchte gerne eure Meinungen dazu wissen. Ich freue mich auf eure Rückmeldungen, Kritik, Anregungen...

@**d: sollte mein Text hier nicht richtig sein, bitte an die richtige Stelle verschieben. Danke.



Der Wagenmeister

Es war Montagmorgen und sein Wecker klingelte um genau 7:00 Uhr, so wie jeden Morgen, laut und schrill. Das Geräusch ging ihm auf die Nerven, doch alle anderen Wecker, die er im Laufe der Jahre ausprobiert hatte, waren zu leise für ihn. Die hörte er einfach nicht. Also musste er diesen ertragen.

Er schwang die Beine aus dem Bett und schlürfte ins Bad. Dort nahm er zuerst einmal eine kalte Dusche um wach zu werden. Nachdem er sich die Zähne geputzt und sich rasiert hatte, zog er seine Arbeitskleidung an. Diese bestand aus einem dunklen Anzug, weißem Hemd und grauer Krawatte, so wie schon seit Jahren. Genau genommen waren es 27 Jahre, die er bereits für das noble Hotel in der Altstadt seines Heimatorts arbeitete.

Er ging in die Küche und kochte sich einen starken Kaffee. Während er darauf wartete, dass das Wasser durch die Maschine lief, schaute er auf das Foto, welches auf dem Küchentisch stand. Es zeigte seine Tochter, als sie noch klein war. Gerade zur Schule gekommen war sie an dem Tag der Aufnahme. Stolz strahlte sie in die Kamera. 10 Jahre war das nun schon her, doch er konnte sich noch genau an den Tag erinnern. Es war ein heißer Sommertag gewesen. Auch heute sah alles nach einem solchen Tag aus, doch nichts war mehr so wie früher. Damals waren sie eine glückliche Familie gewesen, zumindest hatte er das gedacht. Aber offenbar hatte er sich geirrt, denn wenig später reichte seine Frau die Scheidung ein, weil sie nicht mehr glücklich mit ihm war. Jedenfalls hatte sie das gesagt. Bis heute wusste er nicht was genau schief gelaufen war, aber es machte keinen Sinn mehr darüber nachzudenken, denn es war zu spät noch etwas daran zu ändern.

Als der Kaffee endlich fertig war, goss er sich eine große Tasse ein und setzte sich einen Moment an den Tisch. Er nahm das Foto in die Hand und fragte sich, wie seine Tochter nun wohl aussah. Anfangs hatte er sie nach der Trennung noch regelmäßig gesehen, doch auch das war schon Jahre her. Seine Ex-Frau hatte einen anderen Mann kennengelernt und war mit diesem und ihrer Tochter fortgezogen, 800 km weit weg. Zu Beginn hatte er sich noch bemüht, sie zu besuchen, doch nach und nach war dies immer beschwerlicher geworden. Seine Briefe bleiben immer öfter unbeantwortet und wenn er anrief war sie oft nicht da, sondern unterwegs mit ihren Freundinnen.

So saß er hier allein in seiner kleinen 2-Zimmer-Wohnung. Sein Blick fiel auf die Küchenuhr und mahnte hin, sich auf den Weg zu machen, da er sonst seinen Bus verpassen würde. Also stellte er das Foto an seinen Platz zurück und machte sich auf. Wie immer fuhr er mit der gleichen Linie und stieg an der gleichen Haltestelle aus und das schon seit 27 Jahren. So lange arbeitete er bereits in dem Hotel.
Es war eines der vornehmsten Häuser der Stadt und er war hier der Wagenmeister. Seine Aufgabe war es, die Fahrzeuge der Gäste für diese in die Tiefgarage zu fahren wenn sie anreisten bzw. wieder bereitzustellen wenn diese abreisten. Er ging durch den Personaleingang in das Gebäude und begrüßte seine beiden jungen Kolleginnen mit Namen. Sie jedoch hatten nur ein kurzes „Hallo“ für ihn übrig, was seine Stimmung nicht gerade hob. Er stempelte ein und ging nach draußen um mit seiner Schicht zu beginnen. Der Himmel war bereits wolkenlos blau und einen Augenblick genoss er die Wärme der ersten Sonnenstrahlen in seinem Gesicht bevor er in die zum Hotel gehörende Tiefgarage ging. Hier war es kühl und eher dunkel. Langsam schritt er den Gang entlang bis zu dem Fahrzeug, das er suchte. Der Gast wollte bald abreisen und daher fuhr der das Fahrzeug vor den Eingang. Gerade rechtzeitig, denn die Gäste, ein Ehepaar mittleren Alters, kamen heraus. Der Manager des Hotels erklärte ihnen, dass der Wagenmeister bereits ihr Auto geholt habe und wünschte ihnen eine gute Heimreise. Keiner der drei beachtete ihn. Das ärgerte ihn, denn er fand, dass ein kurzer Gruß oder ein „Danke“ schön gewesen wären. Aber die meisten Gäste und auch seine Kollegen nahmen ihn kaum noch wahr, zumindest kam es ihm so vor. Niemand sprach ihn mit seinem Namen an und manchmal dachte er, dass selbst seine Kollegen diesen vergessen hatten. Dabei stand er auf seinem auf Hochglanz polierten Namensschild, dass er am Revers seines Anzugs trug. Doch für alle war er immer nur „der Wagenmeister“.

Dabei konnte er noch viel mehr als nur Autos von A nach B fahren und er wollte auch noch viel mehr vom Leben. Sein Traum war es einmal mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Wahrscheinlich würde es für immer ein Wunsch bleiben, da er nicht den Mut dazu fand. Solange fuhr er daher weiter Autos in die Tiefgarage und wieder heraus, tagein tagaus.

Er hatte viel zu tun und so verging der Vormittag rasch. Wie oft hatte er den Hotelmanager nun schon zu einem Gast sagen hören, dass „der Wagenmeister“ seinen PKW sofort hole. Langsam konnte er es nicht mehr hören. Konnte ihn nicht ein einziges Mal jemand mit seinem Namen ansprechen? Er war doch immer noch ein Mensch, aber keinem außer ihm schien das bewusst zu sein. Da hörte er es auch schon wieder und eilte Richtung Tiefgarage um den Gast nicht warten zu lassen.

Als er den Wagen erreicht hatte, musste er lächeln. Das war wirklich ein Traumauto, schnittig und schnell. Er stieg ein und sog den Ledergeruch ein, was für ein herrlicher Duft. Man merkte sofort, dass alles noch ganz neu war. Er startete das Cabrio und lauschte einen Augenblick dem Brummen des Motors. Der Klang gefiel ihm und das Lenkrad fühlte sich gut an in seinen Händen. Langsam fuhr er den Audi A5 aus der Tiefgarage heraus in Richtung Eingang, doch diesmal parkte er nicht davor, sondern fuhr weiter. Kurz nahm er das überraschte Gesicht des Hotelmanagers wahr und fragte sich, was er da eigentlich tat. War er verrückt geworden? Sicher lenkte er das Fahrzeug zur nahe gelegenen Autobahn. Diese führte Richtung Norden, bis zur Küste hinauf. Wie lange war er schon nicht mehr am Meer gewesen? Das musste ewig her sein. Nun wusste er was er wollte und trat das Gas herunter. Sofort beschleunigte der Wagen. Da es herrliches Wetter war, ließ er das Verdeck hinunter und genoss die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht. Er löste seine Krawatte und ließ diese davon fliegen. Der Fahrtwind dröhnte in seinen Ohren und er lachte laut auf. Seit langem wieder fühlte er sich richtig lebendig, spürte das Blut in seinen Adern pochen.

Nach einer Stunde war er an seinem Ziel angekommen. Er parkte und ging zielsicher die wenigen Schritte bis ans Meer. Sein Blick schweifte über den Horizont und er empfand eine innere Ruhe wie schon lange nicht mehr. Er wusste, dass ihn dieses kleine Abenteuer seinen Job kosten würde, aber das war ihm egal. Er hatte Einiges gespart und würde damit eine Zeitlang über die Runden kommen und dann würde er sich eine andere Stellung suchen, einen Job in dem man ihn zu schätzen wusste. Und er würde sich seinen Traum vom Fallschirmsprung verwirklichen. In diesem Moment fühlte er sich wieder jung und lebendig. Sein Entschluss stand fest. Er ging zurück zum Wagen und machte sich auf den Rückweg ins Hotel…
Me 2
*********ld63 Frau
8.551 Beiträge
https://www.joyclub.de/my/3918059.cd1971.html:

Zunächst mal: gelungene Pointe!*top*
Der letzte Part, als der "Wagenmeister" in die große Freiheit fuhr, hat mich wirklich schmunzeln lassen!

Du hast die Tristesse seines Alltags sehr gut rübergebracht, auch wenn ich finde, dass dieser Teil zu lang geraten ist. Dein Protagonist bleibt dabei sehr farblos. Vielleicht hätte es der Geschichte gut getan, ihm ein paar Eigenheiten zuzugestehen, die ihn unverwechselbar machen, wie zum Beispiel: Er trinkt jeden Morgen nur aus einer bestimmten Tasse, weil...

Zum Aufbau:
Es war Montagmorgen und sein Wecker klingelte um genau 7:00 Uhr, so wie jeden Morgen, laut und schrill.
Achte darauf, wie du deine Geschichte beginnst. Wenn sie den Leser nicht nach den ersten Sätzen fesselt, liest er meist nicht weiter. In dem Anfangssatz wiederholst du dich mit 2x "Morgen", und er klingt etwas banal. Das würde ich umformulieren.

Dort nahm er zuerst einmal eine kalte Dusche, um wach zu werden.

Kommas sind wichtig, um den Text zu gliedern! Da fehlen einige...
Zweites Beispiel:

Bis heute wusste er nicht, was genau schief gelaufen war, aber es machte keinen Sinn mehr, darüber nachzudenken, denn es war zu spät noch etwas daran zu ändern.

Solche Schachtelsätze sind nicht nur schwer lesbar, sie verlieren auch ihre Aussagekraft.
Lieber mehrere, kurze Sätze formulieren.

Das gilt auch für Absätze: Ein paar mehr Absätze hätten dem Text gut getan. *g*

Dreiviertel des Textes beschreibt, wie dein Protagonist sich für die Arbeit vorbereitet. In dieser Ausführlichkeit ist das etwas langatmig. Mich hätte mehr interessiert, was ihn bewegt, was er denkt, was er für ein Mensch ist. Das könntest du noch ein wenig herausarbeiten.

*blume* Into
eyes002
******ace Mann
15.986 Beiträge
Gruppen-Mod 
Die zwei Seiten
einer Medaille kommen hier deutlich zutage, wie ich finde. Die zwei Seiten sind die beiden Ebenen eines Textes. Die handwerkliche und die Gefühls (Meta-)Ebene. Ich versuche einmal, nachzuvollziehen, was ich beim lesen mitbekommen habe.
Zuerst: Bei mir läuft den ganzen Vormittag der Nachrichtensender. Wenn ich ihn auf Lautlos stelle, ist der Text, den ich zu lesen habe, so komplex, dass ich mich konzentrieren muss.
Lese ich, lasse den Fernseher laut und weiß hinterher nicht, was lief, war der Text gut.

Ich bin also gerade fertig und weiß nicht, was im Fernseher lief. Also hat mich der Text gepackt. Das ist gut. ABER.... die handwerkliche Ebene und zwar die, die in die Meta-Ebene hineinspielt, hätte mich fast rausgeschossen. Und zwar wegen der (ich nenne sie so) Formulierungsfraktiuren. Der Text beginnt (ich lese ihn gerade zum zweiten Mal) recht holprig und ich staune, dass er mich doch wieder mitnimmt. Die Beschreibung des Weckers mutet an, als hätte er sich den Wecker nicht selbst ausgesucht; des "ertragens" wegen. Und man schlürft Kaffee oder Suppe, aber nicht ins Bad. Das ist wohl eher schlurfen. Dann kommt die Ungenauigkeit mit der Bekleidung. Ich las es so, dass der Protagonist seit 27 Jahren denselben Anzug trägt. Die Beschreibung "Bild / Tochter / Frau / Scheidung" liest sich im Grunde zu schwammig. Hier ist meine Neugier erwacht, weil ich diesbezüglich eine Aufdröselung erwünscht hätte, weil ich ein zutiefst detailversessener Mensch bin und gern Hintergründe erfahre. Zudem würde es dem Protagonisten bestimmt gut tun, ein wenig Selbstreflektion zu üben und über Gründe und Hintergründe nachzudenken. Das verleiht dem Charakter des Mannes Tiefe. Bis zu diesem Punkt erscheint der Protagonist flach, eindimensional, depressiv und er scheint aufgegeben zu haben. Und das ist der Punkt. Am Ende der Geschichte schöpft er Hoffnung obschon ALLES gegen ein Happy End spricht. Hier würde ich den Hebel ansetzen, denn diese 180Grad-Wende muss nachvollziehbar sein. Eine liebevolle Überarbeitung steht der Geschichte bestimmt super. Ein wenig mehr Details wünsche ich mir. Kleines Beispiel. Du schreibst:
Er schwang die Beine aus dem Bett und schlürfte ins Bad. Dort nahm er zuerst einmal eine kalte Dusche um wach zu werden. Nachdem er sich die Zähne geputzt und sich rasiert hatte, zog er seine Arbeitskleidung an.
Das, man verzeihe mir den Audruck, ist langweilig. Man kann eine Badsequenz aber durchaus nutzen, um Spannung zu erzeugen.
Gert zog geuält die Bettdecke zurück. Einen Moment lang sah er seine mageren Beine, die knöchernen Füße und das sich scharf unter der Haut abzeichnende Schienbein an, die morgens immer wie Fremdkörper schienen. Er stand auf und erst, als seine Füße den kalten Boden berührten, spürte er sich. Müde schlurfte er ins Bad, sah sich sein Gesicht im Spiegel an. Ausdruckslos und leer. Die sich scharf abzeichnenden Wangenknochen verliehen seinem Gesicht etwas totenkopfartiges. Aber das erschreckte ihn schon lange nicht mehr.

So würde ich es schreiben, aber das musst du ja nicht. ICh wollte nur verdeutlichen, dass man durchaus in kleinen Gesten Atmosphäre erzeugen kann, indem man in die Details geht *g*

Ansonsten: Ich freue mich auf die Überarbeitung.

Tom
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Wobei ich kurz augenzwinkernd anmerken möchte, dass mir die Vorstellung doch etwas schwer fällt, wie jemand ins Bad schlürfen kann. *haumichwech*

Man schlürft vielleicht seinen Kaffee oder einen Wein, aber ins Bad wird er wohl eher schlurfen. *zwinker*

(Der Antaghar)
******ier Frau
38.648 Beiträge
Ich schließe mich den Vorschreibern an:
Interessante Geschichte mit Potential, diese mit mehr Lebendigkeit auszufüllen,

etwas zu trocken, mehr im Stil eines Berichts,
langatmiger Anfang,
es fehlen einige wenige Kommas.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Nun hab ich die Geschichte gelesen und denke auch, dass da rein handwerklich mehr draus zu machen wäre. Aus meiner Sicht ist sie zu sehr wie ein Schulaufsatz geschrieben - etwas zu trocken und fast wie eine Art "Protokoll" oder Bericht. Und das ist schade, denn Substanz hat die Story.

Noch eine Kleinigkeit ist mir aufgefallen (abgesehen von einigen Komma-Fehlern etc.):

Er nahm das Foto in die Hand und fragte sich, wie seine Tochter nun wohl aussah.

Man kann so etwas leider häufig lesen, doch schauen wir es uns mal genauer an. Hat er sich, während er das Foto betrachtete, wirklich gefragt, wie seine Tochter nun wohl (heute) aussah? Hat er sich nicht vielmehr gefragt, wie sie nun wohl (heute) aussieht?

Wenn jemand denkst oder spricht, dann geschieht das normalerweise in der Gegenwartsform, zumindest in diesem Zusammenhang.

Ansonsten ein Kompliment zum Inhalt und zur Substanz der Geschichte - und gründliches Überarbeiten und geduldiges Feilen und Verbessern würde dem Text gut tun.

(Der Antaghar)
******s23 Frau
12.725 Beiträge
Habe heute in der Mittagspause gelesen und auch zu Ende gelesen *g*
Hat mir inhaltlich gut gefallen - besonders das überraschende Ende 👍🏻

Alles andere wurde schon geschrieben, ein bissle mehr Lebendigkeit wäre schön *g*
Schöne Geschichte!
In vielem stimme ich den Vorschreibern zu, doch gerade dieser Berichtstil passt für mich ganz gut zum Leben des Protagonisten. Da sind nur noch wenig bis keine emotionale Höhen in seinem jämmerlichen Leben. Von daher würde ich es lassen. Vielleicht könnte man die Sprache nach seinem Ausbruch emotionaler/sinnlicher/ bildhafter machen, um den Kontrast noch etwas zu erhöhen ....
*bravo* laf
Vielen Dank
…für das Lesen meiner Geschichte und die ausführlichen Anmerkungen.

Ich habe mich sehr über euer Lob gefreut, aber auch die Kritik ist für mich wichtig.

Es stimmt, dass der Anfang der Geschichte holprig und nicht besonders gelungen ist. Das ist für mich immer der schwierigste Teil. Ich sollte den Protagonisten noch besser herausarbeiten und dem Ganzen mehr „Leben einhauchen“. Auf die Kommasetzung muss ist mehr achten, da gebe ich euch Recht.

Eure Kritik ist durchaus berechtigt und ich werde versuchen, eure Anregungen umzusetzen und meine Geschichte in Ruhe überarbeiten. Natürlich wird der Wagenmeister dann auch nicht mehr schlürfen, sondern schlurfen *zwinker* …was zwei so kleine Punkte doch anrichten können…ich musste über die Bilder, die dadurch in meinem Kopf entstanden sind, doch herzlich lachen… *zwinker*
Überarbeitung
Hallo zusammen,

ich habe meine Geschichte in Ruhe überarbeitet und versucht, eure Anregungen umzusetzen. Ich freue mich auf eure Rückmeldungen.

Der Wagenmeister

Es war Montagmorgen und sein Wecker klingelte um genau 7:00 Uhr, so wie jeden Tag, laut und schrill. Alles war so wie immer und doch fühlte er sich irgendwie anders.

Er schwang seine stämmigen Beine aus dem Bett und schlurfte müde ins Bad. Dort nahm er zuerst einmal eine kalte Dusche, um wach zu werden. Mechanisch putzte er sich seine Zähne und rasierte sich. Der Anblick, der sich ihm im Spiegel darbot, erschreckte ihn. Hatte er schon immer so aufgequollene Wangen gehabt? Seit wann hatte er diese dunklen Ringe unter den Augen? Doch jetzt blieb keine Zeit, sich weiter Gedanken darüber zu machen, sonst würde er zu spät zur Arbeit kommen.

Er war noch nie zu spät gekommen in all den Jahren. Genau genommen waren es 27 Jahre, die er bereits für das noble Hotel in der Altstadt seines Heimatorts arbeitete. Anfangs hatte ihm sein Job Spaß gemacht, aber jetzt musste er sich an vielen Tagen zur Arbeit zwingen. Er hatte keine Lust mehr auf das tägliche Einerlei, doch was blieb ihm schon anderes übrig.

Unmotiviert zog er seine Arbeitskleidung an und kontrollierte, ob alles richtig saß. Sein Hemd war strahlend weiß und der Anzug frisch gewaschen. Allerdings spannte die Hose ein wenig am Bund. Kritisch betrachtete er seinen mittlerweile stattlichen Bauch. Vielleicht sollte er endlich anfangen, Sport zu treiben. Vorgenommen hatte er sich das schon lange, konnte sich aber irgendwie nicht dazu aufraffen.

Er ging in die Küche und kochte sich einen starken Kaffee. Während er darauf wartete, dass das Wasser durch die Maschine lief, schaute er auf das Foto, welches auf dem Küchentisch stand. Es zeigte seine Tochter, als sie noch klein war. Gerade zur Schule gekommen war sie an dem Tag der Aufnahme. Stolz strahlte sie in die Kamera mit ihren blauen Augen und dem blonden Haar. Beides hatte sie von ihm, auch wenn sein Haar nun eher grau und schütter war. Gedankenverloren strich er sich über den Kopf.

10 Jahre war ihre Einschulung nun schon her, doch er konnte sich noch genau an den Tag erinnern. Es war ein heißer Sommertag gewesen. Auch heute sah alles nach einem solchen Tag aus, doch nichts war mehr so wie früher. Damals waren sie eine glückliche Familie gewesen, zumindest hatte er das gedacht.

Aber offenbar hatte er sich geirrt, denn wenig später reichte seine Frau die Scheidung ein, weil sie nicht mehr glücklich mit ihm war. Jedenfalls hatte sie das gesagt. Sie hatte ihm vorgeworfen, dass er nie Zeit für seine Familie hätte und nur an seine Arbeit denken würde. Entrüstet hatte er die Vorwürfe von sich gewiesen. Damals wollte er sich nicht eingestehen, dass seine Frau Recht haben könnte. Widerstrebend musste er jedoch zugeben, dass es tatsächlich so gewesen war. Wann immer ein Kollege krank wurde, sprang er ein, übernahm jede Wochenendschicht, die die anderen loswerden wollten. Wie viele Sonntagsausflüge hatten seine „zwei Frauen“ alleine gemacht während er arbeitete? Das waren viele gewesen, zu viele. Heute wusste er das, doch es machte keinen Unterschied mehr. Es war zu spät, um noch etwas daran zu ändern.

Als der Kaffee endlich fertig war, goss er sich eine große Tasse ein und setzte sich einen Moment an den Tisch. Er nahm das Foto in die Hand und fragte sich, wie seine Tochter nun wohl aussieht. Anfangs hatte er sie nach der Trennung noch regelmäßig gesehen, doch auch das war schon Jahre her. Seine Ex-Frau hatte einen anderen Mann kennengelernt und war mit diesem und ihrer Tochter fortgezogen, 800 km weit weg. Zu Beginn hatte er sich noch bemüht, sie zu besuchen, doch nach und nach war dies immer beschwerlicher geworden. Seine Briefe bleiben immer öfter unbeantwortet und wenn er anrief, war sie oft nicht da, sondern unterwegs mit ihren Freundinnen. Ob er es trotzdem noch einmal versuchen sollte?

So saß er hier allein in seiner kleinen 2-Zimmer-Wohnung. Sein Blick fiel auf die Küchenuhr und mahnte hin, sich auf den Weg zu machen, da er sonst seinen Bus verpassen würde. Also stellte er das Foto an seinen Platz zurück und machte sich auf. Wie immer fuhr er mit der gleichen Linie und stieg an der gleichen Haltestelle aus und das schon seit 27 Jahren. So lange arbeitete er bereits in dem Hotel.

Es war eines der vornehmsten Häuser der Stadt und er war hier der Wagenmeister. Seine Aufgabe war es, die Fahrzeuge der Gäste für diese in die Tiefgarage zu fahren, wenn sie anreisten bzw. wieder bereitzustellen wenn diese abreisten. Er ging durch den Personaleingang in das Gebäude und begrüßte seine beiden jungen Kolleginnen mit Namen. Sie jedoch hatten nur ein kurzes „Hallo“ für ihn übrig, was seine ohnehin gedrückte Stimmung nicht gerade hob. Er stempelte ein und ging nach draußen, um mit seiner Schicht zu beginnen.

Der Himmel war bereits wolkenlos blau und einen Augenblick genoss er die Wärme der ersten Sonnenstrahlen in seinem Gesicht, bevor er in die zum Hotel gehörende Tiefgarage ging. Hier war es kühl und eher dunkel. Langsam schritt er den Gang entlang bis zu dem Fahrzeug, das er suchte. Der Gast wollte bald abreisen und daher fuhr er das Fahrzeug vor den Eingang. Gerade rechtzeitig, denn die Gäste, ein Ehepaar mittleren Alters, kamen heraus. Der Manager des Hotels erklärte ihnen, dass der Wagenmeister bereits ihr Auto geholt habe und wünschte ihnen eine gute Heimreise. Keiner der drei beachtete ihn. Das ärgerte ihn, denn er fand, dass ein kurzer Gruß oder ein „Danke“ schön gewesen wären. Aber die meisten Gäste und auch seine Kollegen nahmen ihn kaum noch wahr, zumindest kam es ihm so vor. Niemand sprach ihn mit seinem Namen an und manchmal dachte er, dass selbst seine Kollegen diesen vergessen hatten. Dabei stand er auf seinem auf Hochglanz polierten Namensschild, dass er am Revers seines Anzugs trug. Doch für alle war er immer nur „der Wagenmeister“.

Dabei konnte er noch viel mehr als nur Autos von A nach B fahren und er wollte auch noch viel mehr vom Leben. Sein Traum war es einmal mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Wahrscheinlich würde es für immer ein Wunsch bleiben, da er nicht den Mut dazu fand. Trotzdem ging ihm dieser Gedanke nicht aus dem Kopf. Bis es soweit war, fuhr er weiter Autos in die Tiefgarage und wieder heraus, tagein tagaus.

Er hatte viel zu tun und so verging der Vormittag rasch. Wie oft hatte er den Hotelmanager nun schon zu einem Gast sagen hören, dass „der Wagenmeister“ seinen PKW sofort hole. Langsam konnte er es nicht mehr hören. Konnte ihn nicht ein einziges Mal jemand mit seinem Namen ansprechen? Er war doch immer noch ein Mensch, aber keinem außer ihm schien das bewusst zu sein. Das enttäuschte und verletzte ihn auch ein wenig. Soviel hatte er getan für seinen Job, so oft zurückgesteckt. Und was war der Dank dafür?

Da hörte er es auch schon wieder und eilte Richtung Tiefgarage, um den Gast nicht warten zu lassen. Als er den Wagen erreicht hatte, musste er lächeln. Das war wirklich ein Traumauto, schnittig und schnell. Vor so einem hatte er selber auch schon oft geträumt. Er wusste aber, dass er sich das niemals würde leisten können.

Er stieg ein und sog den Ledergeruch ein, was für ein herrlicher Duft. Man merkte sofort, dass alles noch ganz neu war. Er startete das Cabrio und lauschte einen Augenblick dem Brummen des Motors. Der Klang gefiel ihm und das Lenkrad fühlte sich gut an in seinen Händen. Langsam fuhr er den Audi A5 aus der Tiefgarage heraus in Richtung Eingang. Doch diesmal parkte er nicht davor, sondern fuhr weiter. Kurz nahm er das überraschte Gesicht des Hotelmanagers wahr und fragte sich, was er da eigentlich tat. War er verrückt geworden? Was war nur los mit ihm?

Sicher lenkte er das Fahrzeug zur nahe gelegenen Autobahn. Diese führte Richtung Norden, bis zur Küste hinauf. Wie lange war er schon nicht mehr am Meer gewesen? Das musste ewig her sein. Ihn überkam die Sehnsucht nach dem Rauschen des Meeres in seinen Ohren und dem Geschmack der salzigen Luft auf seiner Zunge.

Nun wusste er was er wollte und trat das Gas herunter. Sofort beschleunigte der Wagen. Da es herrliches Wetter war, ließ er das Verdeck hinunter und genoss die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht. Wie unbeschwert er sich plötzlich fühlte, wie erleichtert vom Trübsal der letzten Monate. Er löste seine Krawatte und ließ sie davon fliegen. Der Fahrtwind dröhnte in seinen Ohren und er lachte laut auf. Er lachte so laut und so lange, bis sein Hals sich rau anfühlte. Seit langem wieder fühlte er sich richtig lebendig, spürte das Blut in seinen Adern pochen und das Leben in sich pulsieren.

Nach einer Stunde war er an seinem Ziel angekommen. Er parkte und ging zielsicher die wenigen Schritte bis ans Meer. Sein Blick schweifte über den Horizont und er empfand eine innere Ruhe wie schon lange nicht mehr. Er wusste, dass ihn dieses kleine Abenteuer seinen Job kosten würde, aber das war ihm egal. Sein Leben erschien ihm wieder lebenswert und ihm schwirrten tauschend Pläne durch den Kopf.

Er hatte Einiges gespart und würde damit eine Zeitlang über die Runden kommen und dann würde er sich eine andere Stellung suchen, einen Job in dem man ihn zu schätzen wusste. Und er würde sich seinen Traum vom Fallschirmsprung verwirklichen. Vielleicht würde er auch anfangen, Sport zu treiben oder in ferne Länder reisen. Wer wusste das schon. Die Zukunft hatte ihm noch so viel zu bieten. In diesem Moment fühlte er sich wieder jung und lebendig. Sein Entschluss stand fest. Er ging zurück zum Wagen und machte sich auf den Rückweg ins Hotel…
eyes002
******ace Mann
15.986 Beiträge
Gruppen-Mod 
Das, liebe cd1971,
ist wesentlich besser, als der Ursprungstext. Man merkt deutlich die Bearbeitung. Respekt. Und doch... du ahnst, dass dies ein Komma Aber-Satz ist *lol*
Aber wir diskutieren jetzt auf einem anderen Niveau. Der Beginn ist, man verzeihe meinen Anspruch, immer noch zu hölzern. Gerade hier:
Dort nahm er zuerst einmal eine kalte Dusche, um wach zu werden. Mechanisch putzte er sich seine Zähne und rasierte sich.
"Zuerst einmal" empfinde ich als Gerätebeschreibung. Zuerst den Nippel durch die Lasche ziehen, und mit der kleinen Kurbel ganz nach oben drehen......*zwinker*
Das nimmt dem Text die Lebendigkeit.

Wie wäre es so:
....schlurfte müde ins Bad. Er legte sich das Handtuch zurecht, nachdem er kurz daran gerochen hatte. Nichts nervte ihn mehr als stinkende Handtücher. Er drehte das Wasser auf (an?) und wartete geduldig und immer noch nicht richtig wach darauf, dass das Wasser heiß wurde. Als seine Gedanken gerade begannen, wieder träge zu werden, gab er sich einen Ruck und stieg in die Duschkabine.


Das Zähneputzen würde ich weglassen. Grund: Das Wort "mechanisch". Ein paar böse Kritiker hatten mir einmal vorgeworfen, dass ich in einer Passage schrieb: Die Frau stand einfach nur da. Sie kritisierte: Zweimal kann sie da kaum stehen, oder? *lol*
Heute bin ich immer noch ange(zensiert), aber verstehe den Wink. Und im böse zu bleiben: Wie anders als mechanisch soll er seine Zähne putzen? Ich weiß, du meinst eine Art mechanische Melancholie und Trägheit des Geistes, die sich in seinen erschöpften Bewegungen widerspiegelt. Aber da mir selbst nichts Gescheites dazu einfällt, würde ich es weglassen. Oder wir fragen Antaghar, der hat immer brillante Ideen *g*

Dann noch zwei Dinge. Ein vielleicht unwichtiges und ein wichtiges Ding. Das eher unwichtige: Du schreibst von einem schnittigen Wagen, einem Cabrio und dem "Brummen" des Motors, etwas später bist du sehr spezifisch bei Audi A5. Ein Wagenmeister, der seit 27 Jahren Luxuskarossen für ein Hotel jongliert, kennt jede Kiste in und auswendig. Das ist sein Job, das MUSS er wissen. Zur Authentizierung wäre es gerade hier angeraten, mit ein paar wenigen Details zu glänzen. Beispiel:

Der A5 sah bereits im Stand aus wie ein zum Sprung geducktes Raubtier. Zufrieden sah der Mann auf die silbern glänzende Karosse. Ein 2 Liter TFSi Multitronic. Zweihundertdreißig PS. Null auf Hundert in 7,6 Sekunden, gibt es nur mit Automatik. Audi versprach einen Verbrauch von 7,7 Litern innerorts, aber er kannte keinen A5-Besitzer, der unter 10 Liter kam. Verlogene Bande. Erst gestern hatte er seinen anderen Traumwagen hier. Ein BMW M4. Der allerdings hatte 431 Pferdchen unter der agressiven Haube. Es war ein beeindruckender Flitzer. Vier Sekunden auf 100 km/h. Und auch hier wollten die Ingenieure dem Käufer erklären, dass so eine Rakete mit nur 8,4 Litern auskommt. Und die Unterschieder, die der Mann jeden Tag im wahrsten Sinne erfuhr, wurden überdeutlich. Während der 2 Liter Motor ein sonores Brummeln von sich gab, merkte man dem BMW Sechszylinder in jeder Situation seine Sportgene an. Von einem sanftmütigen Brabbeln im Stand bis hin zu aufgeregtem Kreischen jenseits von 6000 Umdrehungen war alles dabei.
Aber den Mann interessierte das nicht. Es waren ja nicht seine Kosten und nicht seine Autos. Er fühlte nur die Faszination, die von potenen Fahr...... bla und so weiter....

Ich hoffe, du ahnst, wohin ich will. Das Detail authentifiziert das Wissen des Protagonisten. Er bekommt Konturen. Und zwar eine Kontur abseits der Depression, was sein Leben angeht.

Dann der für mich wichtige Punkt. Man nennt das Plot-Point. Eine Totalumkehr der Geschehnisse. Eben noch ist er depressiv, traurig, verzweifelt. Klaut ein Auto, gurkt herum. Dann hält er an, will die Konsequenzen auf sich nehmen, was auf Einsichtsfähigkeit schließen lässt, ferner will er sein Leben in die Spur bringen. WARUM? Was war der kleine Punkt, welches der Hebel im Hirn, der den Schalter auf die andere Seite gelegt hat?
Ich weiß nicht, wie es den anderen geht, aber für mich ist eine lapidare Beschreibung der Tatsache wenig wert. Die Nachvollziehbarkeit, die Gedankengänge, das Erkennen der Wahrheit/Weisheit das ist es, woran ich erkenne, wieviel Wert man der Geschichte beimisst *freu*
Und jetzt freue ich mich auf deinen nächsten Schritt *g*


Tom
******s23 Frau
12.725 Beiträge
Nur eine Idee...
... zu deinem Text. Wenn man zB. am Anfang ein wenig anders gestaltet.
Ansonsten gefällt mir die Neufassung *g* 👍🏻

Es war Montagmorgen und sein Wecker klingelte um genau 7:00 Uhr, so wie jeden Tag, laut und schrill. Alles war so wie immer und doch fühlte er sich irgendwie anders.

(Enervierend laut erklang das Schrillen des Weckers an diesem Montagmorgen - wie jeden Tag genau um 7.ooh - alles wie immer und doch, irgendetwas war anders als sonst.)
.
.
.

(Das Bette quietschte vernehmlich, als er seine stämmigen Beine müde aus dem Bett schwang und ins Bad schlurfte. Die kalte Dusche musste sein, um den Schlaf zu vertreiben. Danach, immer noch leicht im Tran, putzte er die Zähne und rasierte sich.....)

Er schwang seine stämmigen Beine aus dem Bett und schlurfte müde ins Bad. Dort nahm er zuerst einmal eine kalte Dusche, um wach zu werden. Mechanisch putzte er sich seine Zähne und rasierte sich.

Was lange währt
wird hoffentlich endlich gut.

Ich habe meine Geschichte nochmals überarbeitet und freue mich auf eure Rückmeldungen dazu.

Der Wagenmeister

Laut und schrill ertönte sein Wecker und riss ihn erbarmungslos aus dem Schlaf. Widerstrebend öffnete er die Augen und sah auf seine Uhr, die auf dem Nachttisch lag. Diese bestätigte ihm, was er sowieso schon wusste. Es war 7:00 Uhr, so wie jeden Morgen, wenn er aufstand. Alles war also wie immer und doch fühlte er sich irgendwie anders.

Er schwang seine stämmigen Beine aus dem Bett, das quietschend protestierte und schlurfte müde ins Bad. Noch schlaftrunken bemerkte er kaum die Kälte der Fliesen an seinen nackten Füßen. Eine kurze Dusche würde ihm hoffentlich helfen, wach zu werden. Während er darauf wartete, dass das Wasser warm wurde, nahm er sich ein Handtuch aus dem Regal und roch einen Moment lang daran. Es gab für ihn kaum einen schöneren Geruch als den von frisch gewaschener Wäsche.

Endlich hatte das Wasser die passende Temperatur erreicht und so stieg er unter die Dusche. Als er fertig war und sich abgetrocknet hatte, trat er ans Waschbecken, um sich die Zähne zu putzen. Der Anblick, der sich ihm im Spiegel darbot, erschreckte ihn. Hatte er schon immer so aufgequollene Wangen gehabt? Seit wann hatte er diese dunklen Ringe unter den Augen? Doch jetzt blieb keine Zeit, sich weiter Gedanken darüber zu machen, sonst würde er zu spät zur Arbeit kommen.

Er war noch nie zu spät gekommen in all der Zeit. Genau genommen waren es 27 Jahre, die er bereits für das noble Hotel in der Altstadt seines Heimatorts arbeitete. Anfangs hatte ihm sein Job Spaß gemacht, aber jetzt musste er sich an vielen Tagen zur Arbeit zwingen. Er hatte keine Lust mehr auf das tägliche Einerlei, doch was blieb ihm schon anderes übrig.

Unmotiviert zog er seine Arbeitskleidung an und kontrollierte, ob alles richtig saß. Sein Hemd war strahlend weiß und der Anzug frisch gewaschen. Allerdings spannte die Hose ein wenig am Bund. Kritisch betrachtete er seinen mittlerweile stattlichen Bauch. Vielleicht sollte er endlich anfangen, Sport zu treiben. Vorgenommen hatte er sich das schon lange, konnte sich aber irgendwie nicht dazu aufraffen. So wie er sich auch zu all den anderen Dingen, die er so gerne noch machen wollte, nicht aufraffen konnte.

Er ging in die Küche und kochte sich einen starken Kaffee. Während er darauf wartete, dass das Wasser durch die Maschine lief, schaute er auf das Foto, welches auf dem Küchentisch stand. Es zeigte seine Tochter, als sie noch klein war. Gerade zur Schule gekommen war sie an dem Tag der Aufnahme. Stolz strahlte sie in die Kamera mit ihren blauen Augen und dem blonden Haar. Beides hatte sie von ihm, auch wenn sein Haar nun eher grau und schütter war. Gedankenverloren strich er sich über den Kopf. Wie die Zeit verging.

10 Jahre war ihre Einschulung nun schon her, doch er konnte sich noch genau an den Tag erinnern. Es war ein heißer Sommertag gewesen. Auch heute sah alles nach einem solchen Tag aus, doch nichts war mehr so wie früher. Damals waren sie eine glückliche Familie gewesen, zumindest hatte er das gedacht.

Aber offenbar hatte er sich geirrt, denn wenig später reichte seine Frau die Scheidung ein, weil sie nicht mehr glücklich mit ihm war. Jedenfalls hatte sie das gesagt. Sie hatte ihm vorgeworfen, dass er nie Zeit für seine Familie hätte und nur an seine Arbeit denken würde. Entrüstet hatte er die Vorwürfe von sich gewiesen. Damals wollte er sich nicht eingestehen, dass seine Frau Recht haben könnte. Widerstrebend musste er jedoch zugeben, dass es tatsächlich so gewesen war. Wann immer ein Kollege krank wurde, sprang er ein, übernahm jede Wochenendschicht, die die anderen loswerden wollten. Wie viele Sonntagsausflüge hatten seine „zwei Frauen“ alleine gemacht während er arbeitete? Das waren viele gewesen, zu viele. Heute wusste er das, doch es machte keinen Unterschied mehr. Es war zu spät um noch etwas daran zu ändern.

Als der Kaffee endlich fertig war, goss er sich eine große Tasse ein und setzte sich einen Moment an den Tisch. Er nahm das Foto in die Hand und fragte sich, wie seine Tochter nun wohl aussieht. Anfangs hatte er sie nach der Trennung noch regelmäßig gesehen, doch auch das war schon Jahre her. Seine Ex-Frau hatte einen anderen Mann kennengelernt, war mit diesem und ihrer Tochter fortgezogen, 800 km weit weg. Zu Beginn hatte er sich noch bemüht, sie zu besuchen, doch nach und nach war dies immer beschwerlicher geworden. Seine Briefe bleiben immer öfter unbeantwortet und wenn er anrief war sie oft nicht da, sondern unterwegs mit ihren Freundinnen. Die Tatsache, dass er im Leben seines eigenen Kindes praktisch keine Rolle mehr spielte, schmerzte ihn. Ob er es noch einmal versuchen sollte Kontakt mit ihr aufzunehmen?

So saß er hier allein in seiner kleinen 2-Zimmer-Wohnung und dachte über sein Dasein nach. Immer öfter hatte er das Gefühl, dass das Leben an ihm vorbeizog. Wie oft hatte er sich schon vorgenommen, endlich etwas zu ändern und es doch nie getan. Was ihn davon abhielt, wusste er selber nicht so genau.

Sein Blick fiel auf die Küchenuhr und mahnte hin, sich auf den Weg zu machen, da er sonst seinen Bus verpassen würde. Also stellte er das Foto an seinen Platz zurück und machte sich auf. Wie immer fuhr er mit der gleichen Linie und stieg an der gleichen Haltestelle aus und das schon seit 27 Jahren. So lange arbeitete er bereits in dem Hotel.

Es war eines der vornehmsten Häuser der Stadt und er war hier der Wagenmeister. Seine Aufgabe war es, die Fahrzeuge der Gäste für diese in die Tiefgarage zu fahren, wenn sie anreisten bzw. wieder bereitzustellen, wenn diese abreisten. Er ging durch den Personaleingang in das Gebäude und begrüßte seine beiden jungen Kolleginnen mit Namen. Sie jedoch hatten nur ein kurzes „Hallo“ für ihn übrig, was seine ohnehin gedrückte Stimmung nicht gerade hob. Er stempelte ein und ging nach draußen, um mit seiner Schicht zu beginnen.

Der Himmel war bereits wolkenlos blau und einen Augenblick genoss er die Wärme der ersten Sonnenstrahlen in seinem Gesicht, bevor er in die zum Hotel gehörende Tiefgarage ging. Hier war es kühl und eher dunkel. Langsam schritt er den Gang entlang bis zu dem Fahrzeug, das er suchte. Der Gast wollte bald abreisen und daher fuhr er das Fahrzeug vor den Eingang. Gerade rechtzeitig, denn die Gäste, ein Ehepaar mittleren Alters, kamen heraus. Der Manager des Hotels erklärte ihnen, dass der Wagenmeister bereits ihr Auto geholt habe und wünschte ihnen eine gute Heimreise. Keiner der drei beachtete ihn. Das ärgerte ihn, denn er fand, dass ein kurzer Gruß oder ein „Danke“ schön gewesen wären. Aber die meisten Gäste und auch seine Kollegen nahmen ihn kaum noch wahr, zumindest kam es ihm so vor. Niemand sprach ihn mit seinem Namen an und manchmal dachte er, dass selbst seine Kollegen diesen vergessen hatten. Dabei stand er auf seinem auf Hochglanz polierten Namensschild, dass er am Revers seines Anzugs trug. Doch für alle war er immer nur „der Wagenmeister“.

Dabei konnte er noch viel mehr als nur Autos von A nach B fahren und er wollte auch noch viel mehr vom Leben. Sein Traum war es einmal mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Wahrscheinlich würde es für immer ein Wunsch bleiben, da er nicht den Mut dazu fand. Trotzdem ging ihm dieser Gedanke nicht aus dem Kopf. Bis es soweit war, fuhr er weiter Autos in die Tiefgarage und wieder heraus, tagein tagaus.

Er hatte viel zu tun und so verging der Vormittag rasch. Wie oft hatte er den Hotelmanager nun schon zu einem Gast sagen hören, dass „der Wagenmeister“ seinen PKW sofort hole. Langsam konnte er es nicht mehr hören. Konnte ihn nicht ein einziges Mal jemand mit seinem Namen ansprechen? Er war doch immer noch ein Mensch, aber keinem außer ihm schien das bewusst zu sein. Das enttäuschte und verletzte ihn auch ein wenig. Soviel hatte er getan für seinen Job, so oft zurückgesteckt. Und was war der Dank dafür?

Da hörte er es auch schon wieder und eilte Richtung Tiefgarage, um den Gast nicht warten zu lassen. Als er den Wagen erreicht hatte, musste er lächeln. Das war wirklich ein Traumauto, schnittig und schnell. Von so einem hatte er selber auch schon oft geträumt. Er wusste aber, dass er sich das niemals würde leisten können.

Er stieg ein und sog den Ledergeruch ein, was für ein herrlicher Duft das war. Sein Blick streifte durch den großzügigen Innenraum. Man merkte sofort, dass alles noch ganz neu war. Er startete das Cabrio und lauschte einen Augenblick dem satten Brummen des Motors. Daran merkte man sofort die 354 PS, die der Aude A5 unter der Haube hatte. Er kam in nur 5,1 Sekunden von 0 auf 100. Wie gerne würde er das einmal testen.

Langsam fuhr er den Flitzer aus der Tiefgarage heraus in Richtung Eingang. Leise Musik kam aus den Lautsprechern. Plötzlich erkannte er das Lied von Markus. Unwillkürlich wurde er in seine Jugendzeit zurückversetzt. Das war immer sein Lieblingslied gewesen, ich will Spaß. Da klang es auch schon „..will nicht vernünftig sein…“. Wie oft hatte er sich damals bei diesen Zeilen geschworen, niemals so zu werden wie sein Vater. Sein Vater, für den nichts wichtiger war als Pflichterfüllung. Der seine Familie und Freunde darüber aus den Augen verloren hatte und schließlich im Alter von knapp 80 Jahren einsam und verbittert gestorben war. Nie hatte er so werden wollen, aber war er nicht auf dem besten Weg dahin?

Schon näherte er sich dem Eingang und sah dort bereits den Hotelmanager stehen, so wie immer. Doch plötzlich war nichts mehr so wie immer. Er wollte das Alles nicht mehr, wollte nicht so enden wie sein Vater. Noch hatte er die Gelegenheit dazu und so fasste er einen Entschluss.

Diesmal parkte er nicht vor dem Hotel, sondern fuhr weiter. Kurz nahm er das überraschte Gesicht des Hotelmanagers wahr. Sicher lenkte er das Fahrzeug zur nahe gelegenen Autobahn. Diese führte Richtung Norden, bis zur Küste hinauf. Wie lange war er schon nicht mehr am Meer gewesen? Das musste ewig her sein. Ihn überkam die Sehnsucht nach dem Rauschen des Meeres in seinen Ohren und dem Geschmack der salzigen Luft auf seiner Zunge.

Nun wusste er was er wollte und trat das Gas herunter. Sofort beschleunigte der Wagen. Da es herrliches Wetter war, ließ er das Verdeck hinunter und genoss die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht. Wie unbeschwert er sich plötzlich fühlte, wie erleichtert vom Trübsal der letzten Monate. Er löste seine Krawatte und ließ sie davon fliegen. Der Fahrtwind dröhnte in seinen Ohren und er lachte laut auf. Er lachte so laut und so lange bis sein Hals sich rau anfühlte. Seit langem wieder fühlte er sich richtig lebendig, spürte das Blut in seinen Adern pochen und das Leben in sich pulsieren.

Nach einer Stunde war er an seinem Ziel angekommen. Er parkte und ging zielsicher die wenigen Schritte bis ans Meer. Sein Blick schweifte über den Horizont und er empfand eine innere Ruhe wie schon lange nicht mehr. Er wusste, dass ihn dieses kleine Abenteuer seinen Job kosten würde, aber das war ihm egal. Sein Leben erschien ihm wieder lebenswert und ihm schwirrten tausend Pläne durch den Kopf.

Er hatte Einiges gespart und würde damit eine Zeitlang über die Runden kommen und dann würde er sich eine andere Stellung suchen, einen Job in dem man ihn zu schätzen wusste. Und er würde sich seinen Traum vom Fallschirmsprung verwirklichen. Vielleicht würde er auch anfangen, Sport zu treiben oder in ferne Länder reisen. Wer wusste das schon. Die Zukunft hatte ihm noch so viel zu bieten. In diesem Moment fühlte er sich wieder jung und lebendig. Sein Entschluss stand fest. Er ging zurück zum Wagen und machte sich auf den Rückweg ins Hotel…
**********henke Mann
9.667 Beiträge
Für...
... mich liest es sich immer noch nicht flüssig *snief*

Laut und schrill ertönte sein Wecker und riss ihn erbarmungslos aus dem Schlaf. Widerstrebend öffnete er die Augen und sah auf seine Uhr, die auf dem Nachttisch lag. Diese bestätigte ihm, was er sowieso schon wusste. Es war 7:00 Uhr, so wie jeden Morgen, wenn er aufstand. Alles war also wie immer und doch fühlte er sich irgendwie anders.

Laut klingelte der Wecker. Mist, schon wieder aufstehen, die Augen sind verklebt wie jeden Morgen. Sollte ich doch zum Arzt gehen, vielleicht ist es eine Bindehautentzündung? Schon um sieben, raus aus den Federn, Du fauler Sack.

Heute war ein anderer Tag. Etwas musste sich ändern. Wenn das so weiterging, dann würde er im Stehen sterben....
****Ann Frau
34 Beiträge
Zu Beginn möchte ich gern sagen, dass die Idee und die Pointe sehr gut sind. Auch die Zeichnung der Tristesse ist gut gelungen.

jetzt das aber: es ist immer noch eine Geschichte, die mit Abstand erzählt wird. Anfang klappt es gut mit der direkten Erzählweise, es verliert sich jedoch schnell wieder. Schachtelsätze und hätte- könnte- würde...
Die Geschichte verträgt mehr Intensität, auch, damit die Pointe nachher eine Loslösung bewirkt, ein lachen, eine Emotion beim Leser.
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