Sag mir was Schönes! (rev)
„Sag mir was Schönes!“Sagst du mit deiner Nonchalance. Jetzt, da du auf dem Canapé kniest und über die Lehne gebeugt zu mir blickst, sehe ich deinen Hals vom Gästeblock aus und von hier erwischen ihn meine Augen ungeschützt. Meine Augen sind Jägersmänner. In Wäldern geboren und von Wölfen erzogen. Dein Hals ist aus Alabaster und geschnitzt von einem geduldigen Gott. Deine Füsse schauen mit kringelnder Sohle zurück. Kostbare Kleinode liebkosender Religionen. Deine Haare rieseln auf deine weichen weißen Brüste, wie damals der Sand am Strand meiner Träume, als du dich zu mir runter beugtest und mich küsstest.
„Sag mir was Schönes, wie vorhin...“
Vorhin, das war im Restaurant, als wir über den Niedergang der Politik sprachen, den Feminismus und das unausweichliche Schicksal der Demokratie in eine Tyrannis zu münden, um schließlich eine Brücke zu schlagen zur Odyssee und deinen Augen. Smaragdne Augenmeere, Heimat von Licht. Meere, die mich verschlingen, wenn ich nicht aufpasse oder überschwappen und mich ertränken, wenn ich nicht achtgebe.
Vorhin, das war, als noch Nachrichten im Chat Küsse in echt ersetzten. Als ich an den Sätzen feilte bis die Worte glitzernde runde Kieselsteine wurden, um dir zu gefallen. Als ich diese Worte nahm und sie in ein Mosaik bettete, um dir zu gefallen. Als du sahst, dass das Mosaik dir glich, um dir zu gefallen. Um dich hierher zu bringen. Um dich hier über das Canapé zu legen und deinen milchnen Hintern zu preisen.
„Sag mir was Schönes“
Du wiederholst dich und das macht es nicht besser. Meine Augen müssen von ihrer Weide runter. Sie jagen durch deine Wohnung. Ein echtes Gemälde, kein Kunstdruck, ein Flachbildfernseher, viel rot und viel schwarz, mehrere Pflanzen, die ausgewandert wären, wenn sie es könnten, eine Bluetooth Soundanlage und Sadé. Oder der Bolero, der wäre gut jetzt, aber wie komme ich jetzt dorthin? Was auch jetzt gut käme, wäre Hava Nagila. Ich liebe Klezmer, wenn es zur Sache geht, aber ich weiß einfach nicht, was ich dir jetzt noch Schönes sagen sollte. Ich habe dir Süßholz geraspelt, mit Händen geknetet und zum Kuchen verbacken. Ich erfand eine neue Sprache und dein Name wurde die Bezeichnung für Kuss. Mein Kopf ist leer jetzt. In ihm springen nur Wörter herum, deren Heimat Bahnhofstoiletten sind und sie tanzen alle Pogo.
Was Schönes, ich soll was Schönes sagen und das einzige, was mir einfällt ist der Vers eines alten Liedes.
„Du bist mein Regen!“ sprichst du laut mit dem aufkommenden Sturm in der Stimme. „Dein Regen?“
Du richtest dich auf und drehst dich, weiter aufrecht kniend, zu mir um.
„Was soll das heißen?“
Verflucht seien die Fee und ihre Drei Wünsche.
„Warum Regen? bin ich nicht mehr dein Sonnenschein? heute beim Essen, sagtest du noch mein kleiner Sonnenschein…“
Ok, jetzt aufraffen. Ich muss irgendwas sagen, am besten was Schönes. Schon wieder. Ich möchte dir am liebsten sagen: Schätzchen, in der Stunde der Hedonie spricht niemand mehr! Aber das wäre eine Gesprächstretmine. Einmal draufgetreten, flögen Gesprächsfetzen mir um die Ohren und um die ganze Welt und das würde das Ziel gefährden. Doch ich kenne die heilige Regel heißt: Niemals nicht das Ziel gefährden!
Also sag was Schönes verdammt! Erzähl ihr doch, wie dich ihre Worte gefangen haben, lange bevor es ihre Arme taten. Erzähl ihr, dass der erregendste Anblick gerade eben und das bei all dem Panorama, der Anblick ihres Nackens war, dessen blasse Haut sich zusammenzog, um Erlösung zu versprechen oder mich um den Verstand zu bringen.
„Regen! Ts ts ts…“
Du stehst jetzt auf dem Canapé und ich schaue zu deinen Augen nach oben. Vor den meinen deine Brüste. Das sind keine Bedingungen. Du springst auf den Perser, den du lieber Perserin nennst. Wie Du Gott lieber Göttin nennst. Auf dem Canapé bleibt der Abdruck deiner Füße und mir immer weniger Zeit. Sie rennt und du rennst in die Küche.
„Weil ich Durst habe“, rufe ich! „Ich bin weit gefahren über Meere und Ozeane, hab Wunder vollbracht und Wunder bestaunt. Ich bin gesegelt, gerannt und gelegen. Und kein trinkbares Wasser auffindbar, all die Zeit. Nur salziges Nass, das überall war und ich trank es, an Wassers statt. Und es betäubte mich und ließ mich nur weiter irren. Immerzu. Und dann kamst du, und dann kam Regen…“