Meinereiner - die ersten Tage
Als ich meinen Nachnamen das erste Mal in meinem Leben gehört habe, dachte ich auch erst an einen üblen Scherz meiner Eltern. Aber ich habe sehr schnell begriffen, dass meine Eltern nicht die geborenen Komödianten waren, sondern zu der Sorte Menschen gehörten, die mich gleich mit der harten Realität des Lebens konfrontierten. Ja, von der ersten Minute meines Erdbewohnerlebens wurde mir klar zu verstehen gegeben, in was für eine harte, brutale und manchmal auch sehr ungerechte Welt ich mich begeben hatte. Und wegen eines solchen Lebens schwamm ich tatsächlich einst mit Millionen von Spermien um die Wette...Die ersten neun Monate meiner ganz frühen Jugend verbrachte ich zunächst im Bauch meiner Mutter, bevor ich schließlich am 21.12.1971 in Essen an der Ruhr als frisch gepresster Junge auf diese Welt- und somit in das Leben meiner bis dahin sehr glücklichen Eltern plumpste.
Ich staunte nicht schlecht über diesen Empfang. Es war ein Geheule, ein Geknutsche und ein Gelächter in dem Saal. Der einzige Mensch der in dem Augenblick die Beherrschung und die völlige Ruhe bewahrte, war ich. Und zum Dank dafür dass ich der ruhigste im Saal war, verprügelte mich diese Frau Hebamme. Okay, sie verprügelte mich nicht direkt. Sie gab mir einen Klaps auf meinen wohlgeformten Schwabbelhintern. Aber warum? Ich hatte doch nix angestellt. Es war schon sehr ungerecht von ihr, ihre angestauten Aggressionen gleich an ein kleines armes- völlig unschuldiges Kind auszulassen. Am liebsten wäre ich der Hebamme mit meinem nackten Hintern ins Gesicht gesprungen und hätte ihr ein La Paloma ins selbige gepupst. Ich tat es jedoch nicht und hoffte auf den Gerechtigkeitssinn meiner Eltern. Doch meine Eltern sahen tatenlos bei der Prügelprozedur dieser Hebamme zu. Sie schienen sich sogar darüber zu ergötzen. Das war zuviel des Bösen und ich schrie aus voller Kehle los. Und noch immer wartete ich darauf, dass sich einer meiner Elternteile für den Schlag auf mein nacktes Hinterteil revanchiert.
Na gut… meine Mutter lag im Bett und sah ziemlich fertig aus. Aber niemand hat behauptet, dass eine Geburt ein Kinderspiel sei. Zumindest mein Vater der neben dem Bett meiner Mutter saß und ihre völlig verschwitzten Pfötchen hielt, hätte einschreiten, mich verteidigen- und unsere- aber vor allem meine Ehre retten können. Schließlich war ich sein genetisches Meisterwerk, sein Dreiminutenspaß, sein ganzer Stolz und seine zukünftige Investition. Aber er tat es nicht. Und von Amnesty International hatte ich zu dieser Zeit noch nichts gehört. Sonst wäre denen auch gleich ein Brief ins Haus geflattert. Aber wenn ich mich recht erinnere und zurückdenke, konnte ich damals auch noch gar nicht schreiben. Ich konnte nicht mal weglaufen, geschweige der Hebamme hinterherlaufen um ihr eine zu verpassen. Verdammt, ich war damals schon sehr wehrlos. Da war man als frisch gepresstes und gesundes Baby mit sämtlichen Gliedmaßen ausgestattet und konnte mit denen rein gar nichts anfangen. Wer hatte sich so einen Misst nur ausgedacht? Egal…
Auf jeden Fall wurde ich noch Tage nach meiner Geburt wie eine Trophäe rumgezeigt und rumgereicht. Jeder der meine Eltern irgendwie kannte, wollte mich irgendwie mal irgendwann auf den Arm nehmen. Bei manchen dieser Leute habe ich das Gefühl, dass sie das noch heute gerne tun. Ich meine, dass mit dem „auf den Arm nehmen“. Nur anders, wenn Sie verstehen was ich meine.
Oh ja, ich war als Baby sehr begehrt. Alle fanden sie mich niedlich, putzig und so „ach wie süß“. Dabei sah ich aus wie ein zu klein geratenes und lebendig gewordenes Michelin-Männchen. Ich hatte keine Haare am Körper, keine Zähne in der Schnute, war nicht blass sondern weiß und unzählige Wellen aus Babyspeck zierten meinen Körper. Jetzt, so nach fast 37 Jahren mutiere ich wieder zu dieser Art Michelinmännchen. Nur heute ist es nicht mehr so einfach Leute zu finden, die mich als süß bezeichnen. Die, die heute noch in aller Öffentlichkeit behaupten mich süß zu finden sind von mir bezahlt, laufen mit einem weißen Stock, einer Armbinde und einer dunklen Brille durch die Gegend oder haben eh keinen guten Ruf mehr zu verlieren.
Damals haben sich sehr viele Menschen gerne mit mir ablichten lassen. Auch alleine befand ich mich ständig im Focus irgendwelcher Kameras. Heute hat sich auch das geändert. Die Zahl derer die mich heute freiwillig fotografieren wollen, ist sehr gering geworden. Vielleicht liegt es ja daran, dass man eine Luftaufnahme von mir machen muss, wenn man ein Ganzkörperfoto von mir besitzen möchte. Das ist den Leuten wahrscheinlich einfach nur zu teuer.
Im Großen und Ganzen waren die ersten Tage als Baby trotz Hebamme recht nett. Wenn aber auch sehr anstrengend. Mir wurde sehr viel Liebe entgegen gebracht und zur Geburt meiner Person gab es richtig viele Geschenke. Diese Geschenke sah ich damals einfach mal als eine Art „Wiedergutmachung“ für den Klaps und die anstrengende Zeit an. Gut, manche würden sagen, dass die Geschenke auch schon eine Art „Bestechung“ gewesen sein könnten. Dem widerspreche ich aber auf das Schärfste. Denn ich war damals nicht bestechlich und ich bin es auch heute nicht. Nur das ich mir meine Unbestechlichkeit heute gut bezahlen lassen.
Hoffe, Euch hat die kleine Kurzgeschichte von mir gefallen!
Seid gegrüßt
Daniel