Das Salz war alle
Liebe Freunde, hier mal eine frühe Geschichte von mir - es muss also was zu kritisieren geben - ich freue mich auf Reaktionen.Es sollte sich hierbei um einen Romananfang handeln (lange vor "Bauxit") und hier sind meine Fragen zum Text:
1. Ist es ein Einstieg, der Lust macht auf mehr, d.h., ist ein Potential erkennbar oder geht das ganze in Richtung "Gähn, schon wieder eine Dystopie...."
2. Hat der Held erkennbare Wesenszüge, ist er (im Rahmen der Kürze) plastisch gezeichnet?
3. Sind systematische Fehler erkennbar? (Substantivierte Verben klein z. B.)
Das Salz war alle. Seine Vorräte waren aufgebraucht, der Verkauf hatte ihm erspart, die Ziegen selber schlachten zu müssen und er war zum Häuptling des Dorfes gewählt worden. Aber jetzt fehlte das Salz, und er allein wusste, wo er Salz holen konnte.
Dazu musste er die Zone überwinden, die 5 km nördlich des Dorfes begann. Die Zone war die verseuchte ehemalige Kreisstadt, in der eine schmutzige Bombe gezündet worden war. Dort lebte niemand mehr, man munkelte von katzengroßen mutierten Ratten und wilden Hunden, aber keiner war im Bilde, die Überlebenden fristeten als Sklaven der Dörfler aus der gesunden Zone ein klägliches Leben. Gerade gestern wieder hatte sein Nachbar zur Belustigung des Dorfes zwei Städter für warmes Essen eine „Schau“ liefern lassen, so sagten sie dazu, wenn sie Szenen aus Büchern oder Filmen oder einfach aus ihrer Fantasie spielen ließen. Den Mann hatten sie in ein Klempnerkostüm gesteckt, auf der Wiese bei Meyers hinterm Haus stand ein Sofa und eine alte Tür mitsamt Rahmen. Der Mann hatte sich vor die Tür gestellt, einen imaginären Klingelknopf gedrückt und „Dring-dring“ gerufen. Die Menge johlte, weil er das Geräusch der Klingel gut getroffen hatte. Die Frau, nur mit einem ausgewaschenen Bademantel bekleidet, öffnete die Tür in der Wiese und fragte mit gespielter Stimme: „Wer sind sie denn?“
Der Klempner (er war Betriebsdirektor gewesen) räusperte sich und sagte: „ Ich soll hier ein Rohr verlegen...“
Die Stadtfrau spielte ungekonnt die Laszivität und versuchte, mit Timbre in der Stimme „Dann kommen Sie rein, hier ist eine Menge Rohr zu verlegen.“ zu sagen, aber ihre Stimme krächzte nur. Die Menge johlte und buhte, aber die Spielregeln besagten, dass bei einer Unterbrechung des Spieles das Essen verfallen war und so spielten der Betriebsdirektor und die Musiklehrerin mühsam weiter.
Noch ein paar ungekonnte Dialoge spulten die beiden ab, dann öffnete die Frau ihren Mantel und sagte eine wenig zu theatralisch: „Hier können sie ihr Rohr verlegen.“ Anstelle sich sanft den Kitzler zu massieren, dabei die Augen leicht geschlossen zu halten und sich die Lippen zu lecken, zeigte sich wie für ein Kind auf ihren Schritt und riss die Augen weit auf. Dann streckte sie sich, die Beine leicht gespreizt, halb sitzend, halb liegend auf das Sofa, und der Klempner begann ihren Schritt zu lecken.
Am Schluss der Vorstellung hatten beide 8 von 10 möglichen Punkten bekommen, dafür hatte der Nachbar von der Fleischportion der beiden einen Zipfel abgeschnitten, ihn aber wieder bei der Frau auf den Teller gelegt, als sie ihm etwas ins Ohr flüsterte.
Nun, es half alles nichts, er musste Salz holen.
Im Keller lag sein alter Schutzanzug und seine Maske, die er gut pflegte seit dem Tag, als er sie das erste Mal brauchte. Er holte sein Gewehr mit der Nummer 726, ließ dreißig der kostbaren Patronen ins Magazin klicken und steckte eine weitere der verölten Schachteln in seinen Rucksack. Am Gürtel baumelte das Messer, mit dem er Draht schneiden konnte, hinten hakte er den Spaten ein, der im letzten Kampf gegen die Neider ihm als Axt gedient hatte. Vor ihm lag ein Marsch, der einen Tag oder eine Woche dauern könnte. Aber die Meeresspiegel stiegen immer noch und das Meer kam näher mit den Jahren. Er war nun fast 60 und er lebte schon seit zehn Jahren ohne Strom und ohne Telefon...