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Dirtytalk & Kopfkino
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Urlaubsgeschichten

**********gosto Frau
16.056 Beiträge
**********henke:
irgendwo in der Mitte steht: Mr und Mrs Kamelienschenke + 2.

Mathilde ist sauer, dafür hat sie nicht bei der Hochzeit ihren Familiennamen behalten

*haumichwech*
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Bangalore
Bangalore ist ein Moloch, acht Millionen Einwohner, Staus überall und zu jeder Tageszeit – hier machen wir nur Station, um in den Fernbus nach Pondichery zu wechseln und um eine Nacht in normalen Betten schlafen zu können. Wieder verlasse ich mich auf die Empfehlung des Taxifahrers und wir steigen in einem Hotel ab, das sämtliche Maßstäbe sprengt: für den Preis von umgerechnet 10 € bekommen wir ein Doppelzimmer mit 2-Meter-Bett und Flatscreen-Fernseher. Als ich ihn einschalte – ich erwarte um die Tageszeit so was wie das „Philosophische Quartett“ – hüpfen lustige Toons von Nickelodeon über den Bildschirm und ziehen meine Kinder sofort in ihren Bann.

Mama und Papa können sich einen Moment mit sich beschäftigen und tun es auch.

Nachmittags erkunden wir die Einkaufsmeile in der Innenstadt – es ist ein wenig wie der Kurfürstendamm, nur ohne Bäume in der Mitte. In einem ziemlich noblen Laden mit mehr Angestellten als Quadratmetern erhandle ich für Mathilde eine morgenblauen Sari, ich warte auf den Moment, an dem sie uns einen Modelvertrag anbieten, denn wir verbringen Stunden in diesem Paradies und probieren ein wunderschönes Stück nach dem anderen. Die Kinder dürfen auf den Schultern der Angestellten reiten und auf dem Drehstuhl des Inhabers Karussell fahren. Für uns gibt es Koppi und Tschai, für die Kinder Mirinda.

Im Hotel ist ein Reisebüro und sie haben ein Shuttle zum Busbahnhof, also buche ich abends schnell die Reise nach Pondichery, dort ganz in der Nähe ist das einzige feste Ziel unserer Reise: Auroville, eine Mischung aus Planstadt und Kommune, deren ständige Einwohner ein Grundeinkommen für das Leben in der Stadt beziehen, sofern sie sich irgendwie einbringen. In unseren heimatlichen Leipziger Indienladen hatten Mathilde die Adresse von zwei dort lebenden deutschen Aussteigern bekommen, bei denen wir eine Woche bleiben wollen.

Die Nacht ist schön ohne das flap-flap-flap des Deckenventilators, leise summt das Klimagerät. Mein Sohn schnarcht das Kleinkinderschnarchen. Die Blätter des Nem-Baumes vor dem Fenster zeichnen mit der Straßenlaterne Schatten an die Zimmerdecke. Im Bad tropft der Wasserhahn, zu laut, um es ignorieren zu können, zu leise, um mich unter dem Laken hervorzutreiben. Dieses Land zieht mich in seinen Bann, aber auf eine andere Art und Weise als Afrika. Seine Musik wandert nicht in meine Hüften, seine Speisen sind nicht urgewaltig. Das ist mir hier zu sehr Kopf und nicht Bauch.

Natürlich verrate ich Mathilde meine Nachtgedanken nicht. Am nächsten Morgen bringt uns die Motorradrikscha des Hotels zum Busbahnhof und dort wartet ein Coach, ein Reisebus der vorletzten Generation, mit Klo und Pantry auf uns. An den Fenstern sind Gardinen, nein keine für den Sonnenschutz, sondern weiße, mit Spitzen und in die Gänge ragen von der Wagendecke herunter Bildschirme wie im Flugzeug. Das denkt auch der Fahrer, das wir eine Flugzeug sind, denn als es losgeht, hält er wie ein Flugkapitän seine Begrüßungsrede, kurz in Englisch und lang in Kannada, der Sprache des Bundesstaates. Es fehlen nur die Stewardessen, die die Notausgänge zeigen.
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Auroville
„Im Tank sind Fische!“

Mein Sohn hockt auf der Abdeckung der Regenwasserzisterne von Manfred und Gerd und schaut gespannt zu, wie Manfred den Deckel öffnet und platschend in den Speicher taucht.

„Die Fische fressen die Insektenlarven und sorgen dadurch für weniger Mücken. Wir nehmen das Wasser ja nicht zum Trinken.“

In Manfreds und Gerds Haus ist alles Öko. Schränke, Tische, Stühle, Betten – alles steht mit den Beinen in flachen Schälchen, die mit duftendem Öl gefüllt sind. So können Termiten nicht ans Holz und Ameisen nicht in die Nasen der Schläfer gelangen. Das Regenwasser aus der Zisterne ist für Dusche und Klospülung. Rund um das Haus sind kleine Wassergräben – so breit und tief wie ein Blumenkasten vom Balkon, in ihnen wohnt eine ungiftige Wasserschlange, die andere Schlangen und Ratten abschreckt.

Außerdem hat das Haus Solarstrom, aber keine Batterie und deswegen halten Manfred und Gerd einen Kühlschrank für verzichtbar, sie sind sowieso den ganzen Tag in der Stadt unterwegs und machen sich nützlich.

Aber eines nach dem anderen:

Nach einer stundenlangen Fahrt hinter Spitzengardinen mit lärmenden Bollywood-Filmen aus den Bildschirmen an der Busdecke hatten wir das Dekkan, die zentralindische Hochebene hinter uns gelassen. Unterwegs durchmaßen wir zahlreiche Dörfer, die so auch hätten in Afrika stehen können, nur das hier die Frauen das Getreide nicht im Mörser stampften, sondern mit Handmühlen zerkleinerten. Wir waren in Pondichery angelangt, einer ehemaligen französischen Minikolonie auf dem riesigen indischen Subkontinent, und trotz der langen Zeit des Weggangs der Franzosen roch dort noch alles nach Frankreich – die Straßenschilder hatten Form und Farbe derer in Paris und in der Innenstadt waren sie zwei- , manchmal dreisprachig beschriftet: englisch, französisch und tamilisch. Die Polizisten trugen Képi wie Louis de Funès, die guten Restaurants trugen französische Namen.

Wir waren am späten Nachmittag angekommen und mit einem dieser schwarzen altertümlichen indischen Taxen mit Dreigangsschaltung nach Auroville gefahren, der Taxifahrer fand das Grundstück unserer Gastgeber mühelos, obwohl in der für 50.000 Menschen geplanten Stadt kaum mehr als 4000 Menschen leben, verstreut auf Grundstücke zwischen kleinen Hainen und Feldern. Manfred und Gerd empfangen uns wie normale Pensionsgäste und stellen uns die beiden anderen Gäste vor: Vijay, einen indischen Englischlehrer und seine englische Frau Samantha, sie ist so rothaarig wie im Bilderbuch. Vijay hat ein kleines japanisches Motorrad, er lädt uns ein, mit zum Strand zu kommen und so fährt er erst die Goldige und Mathilde, dann mich und meinen Sohn und schließlich seine Frau zum Golf von Bengalen. Eine Brise frischt auf und wir alle schauen stumm auf das Meer.
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Matrimandir
„Wir müssen zum Matrimandir!“

Mathilde begnügt sich nicht mit der sozialen Idee, die hinter Auroville steht und die ich sehr gut finde, sie möchte das Spirituelle. Der Matrimandir ist ein kugelförmiges Gebäude in der Mitte Aurovilles und steht mitten auf einer freien Fläche in der prallen Sonne, um hineinzugelangen, muss man schlangestehen. Mathilde wird sich natürlich nicht mit den profanen Beschwerden der Kinder abgeben, dafür ist Papmama zuständig, also ich. Bis hier war die Reise so schön, aber jetzt kommt wieder dieses Sinnesuche-Ding hoch und heute abend wird sie mir wieder erklären, wie sehr sie meine „Geerdetheit“ bewundert, um sich anschließend umzudrehen und einzuschlafen.

Wie schön wäre die Welt ohne diesen Kram oder wenn die einzige Religion Tantra wäre...

Nachdem wir aus der Schweigekugel raus sind, wie sie die Kinder treffend getauft haben, sprudeln natürlich unsere Eindrücke über. Wir ernten nur den strafenden Blick von Major Mathilde, und weder die Goldige noch Ratgeb verstehen, warum Mama plötzlich so in sich gekehrt ist, allerdings kennen sie sie nach drei und fünf Jahren gut genug, dass sie sich jetzt, wie so oft, doch lieber an mich halten sollten. Ich erkläre den Kindern zum wiederholten Male, dass nicht jeder Stock aufgehoben werden sollte, denn er könnte plötzlich beginnen zu leben.

Jetzt taut Mathilde wieder auf, sie zeiht mich der Schwarzmalerei, nun, sie war ja auch nicht dabei, als sich in Burkina Faso unter dem Laubhaufen eine Hornviper Richtung Unterholz verkrümelte, nachdem der Fotograf wie ein übermütiger Schuljunge durch ihr Mittagsschlafnest gelatscht war. Wir sind hier in Tamil Nadu, hier sterben jährlich 300 Menschen an Schlangenbissen! Sie erlaubt Ratgeb, weiter Stöcke aufzuheben und in seine Sammlung aufzunehmen, mittlerweile verfügen wir schon über ca. 30 Stück.

Das schöne an der Pension bei Manfred und Gerd ist, dass wir selbst kochen können. Im Laden der Kooperative habe ich gegen Vorlage unserer zeitweisen Auroville-Mitgliedsbescheinigung Spaghetti, Zwiebeln, Öl und Corned Beef gekauft, Vijay und Samantha besuchen heute weitläufige Verwandte oder sind in einer der Bars, die im ansonsten trockenen Tamil Nadu auf pondicherischen Exklaven stehen. In Pondichery, einem Delhi direkt unterstehenden „Territorium“ ist Alkoholausschank erlaubt.

Während wir die Spaghetti schlürfen, sinne ich darüber nach, ob ich auch noch Indologe werden sollte, aber dieser Subkontinent ist noch um einiges komplexer als Afrika. Mir liegt das erdige, konkrete, kraftvolle näher, Indien ist subtil, filigran, fein... Trotzdem, ich füge zu meiner Sammlung ein Lehrbuch für Tamilisch hinzu, aber ich werde schon an der Schrift verzweifeln.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
**********henke:
Wie schön wäre die Welt ohne diesen Kram oder wenn die einzige Religion Tantra wäre...

*haumichwech*

Wie wahr!

stimmt Luccio zu *hi5*
****en Frau
18.645 Beiträge
Danke, lieber Kamelienschenke, dass du uns, mich mit auf diese Reise nimmst.
Ich folge dir wie in Trance...
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Nach Kerala
„Die besten ayurvedischen Massagen gibt es in Kerala.“

Vijay knetet Samanthas Schulterpartie, und ich weiß, wohin unsere Reise uns als nächstes führen wird, zumal wir in zwei Wochen wieder in Goa sein müssen, um den Rückflug zu bekommen. Im Moment sind wir am Golf von Bengalen, an der Ostküste und wir müssen auf die andere Seite, an die Südwestspitze Indiens.

Im Internetcafé von Auroville schaue ich aufs Konto und stelle beruhigt fest, dass ein Inlandsflug das Budget nicht sprengen wird. Neben dem Internetcafé ist gleich ein Reisebüro.

„Ich möchte nach Kerala fliegen!“

Pondichery hat nur einen Flughafen für Charterflüge, ich muss einen Linienflug von Chennai nach Thiruvananthapuram nehmen. Während ich leise die Aussprache von Thiruvananthapuram übe, sucht die freundliche und kompetente Angestellte einen günstigen Flug heraus.

„Sie können morgens fliegen, dann sind sie mittags in Thiruvananthapuram und können noch weiter.“

„Gibt es einen Bus nach Chennai?“

„Ja, aber der Busbahnhof ist am anderen Ende der Stadt und Chennai ist riesig. Nehmen sie ein Taxi!“

Ein Taxi für 150 km, na ja, ein Europäer kann sich so was wohl leisten.... Sie kann meine Gedanken lesen und meint:

„Ein Taxi ist nicht teuer, in Chennai müssten sie auch eines nehmen, um vom Busbahnhof zum Flughafen zu kommen und von hier aus fahren sie direkt dorthin. Es dauert nur unwesentlich länger.“

Ich glaube ihr, vielleicht sind ja Überlandfahrten noch günstiger als die Taxen in der Stadt, ich reiche ihr die Kreditkarte und sie drückt mir nach einigem Druckergeratter und Kugelschreibergestreiche vier Tickets in die Hand.

„Vorn an der Straße ist ein Taxistand, fragen sie dort.“

Sie hat recht, an der Straße nach Pondichery stehen drei Hindustan Ambassadors, geräumig wie Londoner Taxen und ich werde schnell mit dem ersten Fahrer handelseinig. Er verspricht, dass er pünktlich 3 Uhr morgens am übernächsten Tag vor dem Grundstück von Manfred und Gerd warten wird. Ich bin mir dieses Mal nicht sicher, ob alles so läuft wie vorgesehen.
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Ich hatte ...
... heute einen aufregenden Tag, ich komme mit den individuellen "Dankes" nicht hinterher.

Deshalb hier im Thread: *danke* für alle Komplimente. Morgen früh kommt eine neue Episode.
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Air India
„Wollen Sie nicht-vegetarisches Essen bestellen?“ hatte die freundliche Dame aus dem Reisebüro gefragt. Nein, so dringend brauche ich es doch nicht und ich verneine. Sicher wäre es schön gewesen – so wie es mit dem vegetarischen Essen auf den anderen Flügen ist – das Essen als erstes zu bekommen, aber ... nein. Ovo-vegetarisch reich aus, ich kann mir schon denken, was es da gibt.

Aber eins nach dem anderen.

Natürlich hatte das Taxi pünktlich 10 vor drei vor der Tür gestanden und gelichthupt. Die Kinder hatten wir in Sachen schlafen gelegt und trugen sie jetzt im Halbschlaf ins Taxi, luden unsere zwei Rücksäcke ein und überließen uns dem entspannten Fahrer. Unsere Reise in den heraufdämmernden Morgen ging auf der Küstenstraße nordwärts, die Schaumkämme der Wellen immer in Sicht, solange, bis wir scharf links abbogen und am Südrand Chennais entlang für fast eine Stunde zum Flugplatz fuhren.

Auf dem Flughafen ging alles mit gewohnter Professionalität vonstatten, die terrorismusgefahrerfahrene indische Polizei ließ jeden Passagier auf sein aufgegebenes Gepäckstück zeigen, die beiden herrenlosen Koffer wurden aussortiert. An einem langen Tisch standen auf der einen Seiten bestimmt 25 Polizisten und Polizistinnen nebeneinander, jeder Reisende durfte sich ihnen gegenüber aufstellen, sein Handgepäck auf dem Tisch entleeren und unter den Augen der Beamten wieder einpacken.

Ruck-zuck war die Maschine beladen, emsige Arbeitskräfte ersetzten langsame Transportbänder und wir starteten, erst die Sonne im Rücken und dann zu unserer Linken.

Kaum in der Luft, rollklapperten die Trolleys durch den Gang und das Essen wurde serviert. Wir konnten uns aussuchen, ob es „Fried-Rice“ mit oder ohne Ei geben sollte, die Kinder hatten es nicht schwer, sich zu entscheiden.

Die 700 km zwischen Chennai und Thiruvananthapuram sind in einem Airbus 319 schnell überwunden und es war noch nicht Mittag, als wir in der Hauptstadt Keralas ankamen. Vijay und Lonely Planet hatten der Stadt nichts besonders sehenswertes zugewiesen und die Hotels sollten teuer sein – also marschierten wir zu viert zum Taxistand und handelten den Preis für eine Fahrt nach Alappuzha, 150 km entfernt aus. In Alappuzha beginnen die Backwaters, eine Reihe von Lagunen und Kanälen, die parallel zur Küste verlaufen und auf denen in der Ära vor Eisenbahn und LKW auf Kähnen Reis transportiert wurde. Diese Reiskähne – sie heißen Kettuvallam – rotteten vor sich hin, bis in den 1970er Jahren ein findiger Unternehmer die Idee hatte, sie zu Hausbooten umzubauen. Sie waren mit Mannschaft zu mieten und genau das wollten wir als nächstes tun.

So sah unser Essen ungefähr aus: http://www.airlinemeals.net/ … dia/trv-to-bom-may-2016/aa1e

Und das ist ein Kettuvallam: https://de.wikipedia.org/wiki/Kettuvallam
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Da freu ich mich schon drauf, demnächst mit euch auf einem Kettuvallam unterwegs zu sein!

meint

Luccio *boogie*
eyes002
******ace Mann
15.981 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ein Schnürboot?????
Autsch... okay, ich kann schwimmen. Das ginge noch, aber dieses.... das ....ääääh also.... man kann ja weder "Essbares" noch "Nahrungsmittel" oder "Verpflegung" sagen bei dem Anblick. *wuerg* Wie du den Flug überlebt hast, ist mir schleierhaft.....


Tom
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Kettuvallam
Die Verköstigung auf unserem Flug sah besser aus. Außerdem habe ich einen "Stahlmagen" ;-)

Gesagt – getan. Der Taxifahrer brachte uns bis direkt an die Anlegestelle und zeigte uns noch die verschiedenen Ausbaustufen der ehemaligen Lastkähne. In der Nobelklasse sind sie über 10 m lang, haben zwei Decks und sind für fünf bis zehn Personen, die Schlafräume sind klimatisiert. Auf dem anderen Ende der Skala sind die 7m-eine-Schlafkabine-Moskitonetz-Kähne angesiedelt. So einen chartern wir, für 24 Stunden, mit Skipper, Koch und Leichtmatrose/Küchenhelfer für 100 Dollar.

Diese Fahrt zählt zu den schönsten Erinnerungen, einmal musste auch ich mich um nichts kümmern. Der Koch sorgte diskret für Nachschub an alkoholfreien Getränken, Mathilde und ich saßen auf der Veranda auf dem Vorschiff, die Goldige spielte zu unseren Füßen und „My name is Ratgeb, I come from Germany“ – wie mein Sohn jeden informierte, der ihn auch nur einen Moment zulange anschaute –spielte mit dem Leichtmatrosen oder dem Skipper.

Es wurde sogar noch besser. Als ich meine kribbelnden Füße anschaute, stellte ich voller Schrecken fest, dass sie geschwollen waren und ich bei einem Elefantenähnlichkeitswettbewerb ganz weit vorn mitgespielt hätte. Mathilde, die Mannschaftsärztin, untersuchte fachkundig meine Beine und entschied, dass mich nichts gestochen habe, sondern dass die Mischung aus Streß, viel Wasser trinken und Schwitzen dafür gesorgt hätte, dass diese Ödeme meine Beine zierten. Als Therapie ordnete sie „Füße hoch und isotonische Getränke trinken“ an, zusätzlich beförderte sie aus ihrer geheimen Durchfallapotheke Salzstangen zutage und der Koch brachte mir ein Bier.

Für einen kurzen Moment konnte sich auch mein Sohn von seinem Spiel „Ich halte Stöcke ins Wasser und studiere die dadurch entstehenden Wellen“ losreißen, aber nur, um seiner Mutter zu verdeutlichen, dass auch er dicke Füße und deswegen Salzstangen...

Mittlerweile hatte der Koch auf einem zweiflammigen Gaskocher in einer Küche mit der Grundfläche eines Geschirrhandtuches ein leckeres Essen gezaubert. Ohne es zu wissen, hatte er mein Lieblingsgemüse Okra verwendet, ich langte kräftig zu, während der Rest der Mannschaft sich mit Reis und Nachtisch begnügte. Als der Koch abräumte – ich hatte auch noch das Okragemüse der anderen verputzt, damit er nicht traurig würde – schaute er mich in einer Mischung aus Mitleid und Bewunderung und sagte: „Sie sind so ein großer Mann, für sie muss ich was nicht-vegetarisches kochen!“ Ich jubilierte innerlich bei dem Gedanken an leckeres Tandoorihuhn, als er seine Ansprache mit: „Ich kaufe nachher ein Ei!“ beendete.

So tat er es dann auch, zu den Touren gehört das Anlegen auf kleine Inseln und das Besichtigen dortiger Tempel und Kirchen, und während wir uns eine winzige, bunt ausgemalte Kirche von Christen, die hier schon vor der Ankunft der Europäer siedelten anschauten, kaufte unser Koch auf dem Inselmarkt aus drei Ständen alles, was er für unser Abendessen und das morgige Frühstück brauchte. Es war nicht nur ein Ei.

Leise trieb uns der kleine Außenbordmotor durch die engen Wasserstraßen, mein Sohn durfte das Steuerrad des Schiffes in die Hand nehmen und drehen, meine Tochter hielt ihre goldenen Locken in die Sonne auf dem Vorschiff und spielte Mama mit ihrer Puppe. Mathilde las und ich notierte unsere bisherigen Ausgaben in mein graues Notizbuch. Frauen wuschen sich und die Wäsche am Ufer, natürlich züchtig im kompletten Sari, ein Entenhirt stakte an uns vorbei, und mein Sohn erzählte, dass er gerade eine Schlange habe schwimmen sehen.

„Wasserschlangen sind nicht angriffslustig“ sagte der Koch dazu und brachte das Abendessen. Es war noch leckerer als unser Lunch, dieses Mal langten auch die Kinder ordentlich zu und bald nach der kurzen tropischen Dämmerung verkrümelten sie sich fast von selbst unter das Moskitonetz. Der Skipper ankerte in der Mitte einer Lagune – hier gab es weniger Mücken als am Ufer und Langfinger hätten schwimmen müssen.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Hach, da wäre ich auch gern dabeigewesen! Hätte Stöcke ins Wasser gehalten und anderen bei der Arbeit zugeschaut! Traumhaft! *boogie*
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Ayurveda-Massage
Nein, ich habe nicht gut geschlafen. Allerdings fragt mich keiner danach, aber vielleicht sieht man es mir auch an. Das Bett in der Schlafkabine unter dem Moskitonetz war mit Mathilde und den Kindern schon voll, also legte ich mich auf den Bettvorleger, wickelte mich in ein Laken und hoffte, dass die Mücken ohne Plasmodium falciparum im Blut unterwegs sein sollten. Vielleicht war das meine erste BDSM-Erfahrung?

Unser Koch hatte ein schmackhaftes Crossover-Frühstück bereitet – Rührei, Toast, Chutney, Dosa mit Honig, Idli – und ich zählte meine Wunden. Richtig klar über mein Aussehen wurde ich aber erst, als ich mich im Spiegel des ebenfalls handtuchgroßen Bades unserer Barke ansah: Die Mücken hatten unter meinen Augen Stich an Stich gesetzt und verquollen war noch ein Euphemismus für den Mann, der mich aus dem Spiegel anstarrte.

Nach zwei Stunden war alles vergessen. Zurück am Anleger in Alappuzha verabschieden wir uns von Skipper, Koch und Leichtmatrose, bedanken uns für eine wunderbare Erfahrung und wandeln gemächlich durch die einsetzende Wärme des Vormonsun-Morgens zu dem kleinen Hotel am Strand, dass uns der Koch empfohlen hat.

Dieses Hotel ist das bis dahin coolste unserer Reise, es wird von vier jungen Männern betrieben, die zusammen in einer Band spielen, ein Zimmer kosten zwei (2!) Euro und die Jungs lieben es, meinen Sohn auf den Schultern durch die Gegend zu tragen. Frühstück ist auf Zuruf – das heißt, sie sagen uns jeden Morgen, was sie sich vorstellen können, für uns zuzubereiten, wir bezahlen, und während wir Chai oder Kaffee schlürfen, rennt einer der Jungs zum Markt, kauft die Zutaten, während der andere schon mal die gusseisernen Pfannen anwärmt. Wenn nach dem Frühstück Flut ist, gehen wir baden.

Am zweiten Tag bringen uns die Jungs zu einer Massagepraxis. Der Inhaber erklärt einiges, unter anderem, dass die Massage eine Stunde dauert, welches Öl verwendet wird und dass wir uns ruhig parallel massieren lassen können, er hätte da jemand für die Kinderbetreuung.

Wir zögern nur kurz, und das nächste, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich durch zwei offene Türen und den Flur sehe, wie sehr Mathilde die Massage durch eine Frau genießt. Mein Masseur hat mit mir größere Schwierigkeiten, immer wenn er meine Schenkelinnenseiten massiert, regt sich bei mir einiges und er raunt mir ein „Relax!“ zu.

Als ich, gut eingeölt und neugeboren nach draußen komme, sehe ich Mathilde schon angeregt mit dem Inhaber schwatzen. Seine Kinderbetreuung war indisch: Er hatte meinen Kindern alte Spritzen gegeben, eine Schüssel mit klarem Wasser und ihnen gezeigt, wie sie Millimeter für Millimeter den Schmutz von seiner Honda abspritzen können. Sie waren mit Feuereifer eine Stunde bei der Sache und sind mächtig stolz auf das saubere Motorrad.

Diesen Tag beschließen wir am Strand, und er wird mir eine meiner unwiderruflichen Lebensweisheiten vermitteln: Lege Dich NIE nach einer ayurvedischen Ölmassage in die Sonne!

Glossar:
https://de.wikipedia.org/wiki/Dosa
https://de.wikipedia.org/wiki/Idli
https://de.wikipedia.org/wiki/Plasmodium_falciparum
also legte ich mich auf den Bettvorleger
Welch eine ungewöhnliche Reise!
Vielen Dank mitleiden, mitfreuen und miterleben zu dürfen.
Matamateo
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Ginger-Chicken
Ich brauche Fleisch! Wir sitzen in einem guten Restaurant am Hafen von Kochi, für indische Verhältnisse ist es gleich neben Alappuzha, wir wollen hier den Express zurück nach Goa erreichen.

Ich durchsuche die Karte. Die Kinder essen – wie sollte es anders sein, Egg-Fried-Rice, Mathilde nimmt Palak Paneer und ich entscheide mich für Ginger-Chicken. Während wir auf das Essen warten, schläft meine Sohn am Tisch ein, ich kann ihn gerade noch auffangen, als er einfach in sich zusammensackt und von seinem Stuhl rutscht. Wir brauchen unbedingt Urlaub vom Urlaub und wir beschließen, uns nicht alle Sehenswürdigkeiten von Kochi anzuschauen, sondern in Vasco da Gama, dem Warnemünde von Goa die letzte Woche am Strand abzuhängen.

Das Essen kommt. Bei den anderen sieht es gewohnt aus, ich bekomme einen Haufen weißen Reis, und eine silberne Schüssel mit einer fast schwarzen Soße, aus der zwei Hühnerbeine ragen. Es duftet himmlisch, nach Ingwer, nach Huhn, nach Habanero-Chillies... Ich häufe mir Soße und Geflügel auf den Reis, vermische in mit der Gabel mit der Soße und nehme einen ersten Bissen.

Das ist scharf! Während die durch den Reis abgeschwächte Soße meine Zunge entlang und brennend meine Speiseröhre hinabgleitet, schießt das Wasser in meine Augen. Ich nehme einen zweiten Bissen, und es brennt nicht mehr oberflächlich, ich habe das Gefühl, als ob sich meine Zunge von mir löst. Beim dritten Bissen sagt mir mein Verstand, dass ich das im Mund herumtaumelnde Stück Fleisch nicht mit herunterschlucken soll. Ab Bissen vier ist alles vorbei, ich spüre und schmecke nichts mehr, das Essen gleitet in meinen fleischhungrigen Magen, nur hin und wieder einer Schärfespitze wahrnehmend.

„Gaf ich chaaaf“ – oh Gott, ich kann mich nicht mal mehr artikulieren. Mathilde schaut mich in einer Mischung aus Spott und Mitleid an, meine Tochter fragt ihrerseits mit Tränen in den Augen, warum ich weinen würde und mein Sohn schaut mich mit dem gleichen Blick an, den er nach dem gepfefferten Tomatensandwich in Bangalore gezeigt hat – voller Entsetzen. Nun, ich muss da durch, ich wollte ja mitten im vegetarischen Kerala unbedingt Fleisch essen!

Ich überlebe, und am Nachmittag schauen wir uns das Treiben der Fischer an, die in Kochi auf eine ganz besondere Weise fischen: Große Senken werden an Wiegebalken ins Wasser getaucht und sind voller Fisch, wenn sie wieder angehoben werden, es geht sogar die Legende, dass Delphine den Fischern helfen, die Fische in die Netze zu treiben. (https://de.wikipedia.org/wik … fishing-net-20080215-01a.jpg)

Als wir am Abend auf dem Bahnsteig stehen, wundern wir uns über nichts mehr, dieses Mal hat der Zug auch ein wenig mehr Verspätung und eines der Laken in unseren Liegewagen hat Stockflecken – ich sollte meine Euphorie vielleicht ein bisschen zurückschrauben.
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Kinkenfisch
„Ich will Kinkenfisch!“

Seit wir es uns in einem der zahlreichen Strandhotels an der goanischen Küste gemütlich gemacht haben, nicht weit von den Ruinen 500jähriger portugiesischer Präsenz – Kirchen und Profanbauten, isst mein Sohn andere Speisen als gebratenen Eierreis. Er hat Kingfish für sich entdeckt – eine Makrelenart mit festem Fleisch, die im Restaurant des Hotels jeden Abend auf den Tisch kommen. Erst hatte er nur gekostet, als ich mir einen solchen 50-cm-Fisch genehmigte, jetzt bestellt er einen für sich und schafft davon eine ganze Menge.

Die Zimmer unseres Hotels sind kleine Bungalows, die über den Strand verteilt sind und von denen jeder Meerblick hat. Wenn wir morgens aufstehen, gehen wir baden, wir gehen baden, bevor wir unseren kleinen Mittagsimbiss nehmen, wir baden nachmittags und wir baden abends. Zwischendurch schauen wir den Fischern beim Einbringen ihres Fanges zu und helfen dann und wann, das große Netz an den Strand zu ziehen. Manchmal schreibe ich ein bisschen oder wir setzen uns an die Bar und trinken Cocktails.

In der Ferne ist der Hafen von Panaji zu sehen, geschäftig bewegen sich Kräne auf und ab, große und kleine Frachter laufen ein und aus, wir sehen viel, hören aber nur die Geräusche des Strandes.

Eines Tages, kurz vor dem Frühbad, treibt mich anschwellender Fluglärm vor die Tür. Ich schaue an den Himmel, und von Norden donnern zwei Flugzeuge heran, die ich bisher nur von Bildern kannte: Tu-142, die U-Boot-Abwehr-Variante des strategischen russischen Bombers Tu-95. Indien ist das einzige Land außerhalb von Russland, das diese Flugzeuge betreibt, lange schaue ich ihnen nach, wie sie auf Patrouille gehen und mein kerosinsüchtiges Herz tanzt. Dieser Anblick war besser als zwanzig Tempel!

Doch nach so vielen schönen Tagen heißt es Abschied nehmen. In einer Buchhandlung kaufe ich mir ein Malayalam- Lehrbuch und versuche mich an der Schrift, russisch habe ich schließlich auch gelernt, wir schicken Postkarten an Freunde und Familie und stehen am frühen Abend auf dem Rollfeld des Dabolim-Flughafens, zeigen auf unser Gepäck, leeren unser Handgepäck und sind dann doch froh, auf deutsch begrüßt zu werden und eine deutsche Zeitung lesen zu können.

Während wir zur Runway rollen, informiert uns der Kapitän nicht nur über den Flugzeugtyp. Er teilt uns mit, dass wir nicht in Dubai, sondern in Duschanbe in Usbekistan zwischenlanden werden, aus Gründen, die mit dem „11. September“ zu tun haben. Der dritte Golfkrieg kündigt sich an. Wir sind zurück in der Realität!
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Eine...
... Episode habe ich noch vergessen: Über Kathakali, ein ganz besonderes Theater. Heute Mittag ist sie fertig *g* .
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Kathakali
Bevor wir aus Kochi abreisten, beschloss Mathilde, dass auch Theater auf unserer Reise sein möge. Im Bundesstaat Kerala ist Kathakali sehr verbreitet. Katha heißt Geschichte, kali Darbietung oder Schauspiel.

Im Restaurant war uns eines der Theater besonders ans Herz gelegt worden – als ich das Banner des Hauptsponsors am Bühnenrand sehe, ist mir auch klar warum. Wir sind gespannt, und ich schaue mich um. Das Theater ist ein Dach auf Stelzen, während der Vorstellung werden die Seiten mit Wellblechen verschlossen, denn normalerweise finden Kathakali-Aufführungen nachts in Tempeln statt. Die Bühne ist nur leicht erhöht, die Reihen 1 bis 10 sind Stapelstühle, die zehn Reihen dahinter grob gezimmerte Bänke. Wir sitzen in Reihe fünf, ziemlich weit außen, damit die hinter uns auch etwas sehen können.

Die Vorstellung beginnt. Gemessenen Schrittes kommen die Darsteller – alles Männer – in schweren Kostümen, hohen Kopfaufsätzen und grell geschminkt auf die Bühne. Sie rollen mit den Augen, in die sie sich ein Pulver reiben, damit der Augapfel sich rötet, schreien und rufen hin und wieder Satzfetzen oder Worte und stehen ansonsten wie angenagelt. Zwei Trommler führen im Hintergrund die Handlung und singen beim Spielen. In unserem Stück steht ein Erklärer neben der Bühne und sagt uns, was gerade auf der Bühne passiert.

Inhalt der Kathakali-Stücke ist der Kampf der Götter gegen die Dämonen, und da es im Hinduismus von der einen Sorte bestimmt tausend und von der anderen wohl das hundertfache gibt, werden noch in tausend Jahren neue Kathakali-Stücke geschrieben werden können.

Meine Kinder reagieren weniger schreckhaft als erwartet, andererseits sehen die Trickfilmfiguren selbst in manchen KIKA-Trickfilmen furchterregender aus. Nach zwei Stunden ist alles vorbei, die Schauspieler verschwinden hinter der Bühne, werfen ganz offensichtlich alles ab und stecken den Kopf in einen Abschminkomaten, denn zehn Minuten später stehen sie schon am Ausgang und verteilen Autogramme. Mein Sohn hatte erkannt, dass „das der Mann mit dem grünen Gesicht“ ist, ich selbst wäre darauf nie gekommen. Vielleicht sollte mein Sohn später was mit Gesichtserkennung machen.

Ich gehe leer aus der Vorstellung. Ich bin zwar beeindruckt von den technischen Finessen der Darsteller – ich kann meine Augen nicht wie ein Chamäleon drehen - und von der gewaltigen Mystik, die hier in allem steckt, aber in meinem Herz bleibt nichts zurück. Zwei Jahre später fliege ich nach Guinea, und schon am ersten Abend, bei Musik aus der Konserve, wenigen Worten meiner Freunde und Fonio mit Fleisch-Blättersoße weiß ich, dass ich hierher gehöre, weil hier mein Herz wohnt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kathakali
Me 2
*********ld63 Frau
8.545 Beiträge
kamelienschenke:
Mein Sohn hatte erkannt, dass „das der Mann mit dem grünen Gesicht“ ist, ich selbst wäre darauf nie gekommen. Vielleicht sollte mein Sohn später was mit Gesichtserkennung machen.

Köstlich! *lol* *top*

Wie schade, dass die ungewöhnliche Reise schon zu Ende ist! Ich hätte gern noch viel mehr von den Düften und Farben Indiens und den Erlebnissen deiner Familie dort gelesen. Danke!

*roseschenk* Into
Doch nach so vielen schönen Tagen heißt es Abschied nehmen.
Danke, dass wir dich in dieses interessante Land begleiten durften auf Straßen fernab des Tourismus.
Guinea würde mich ja auch interessieren. 😉
Matamateo
**********henke Mann
9.666 Beiträge
In Guinea...
... bin ich ja nicht im Urlaub *zwinker*
eyes002
******ace Mann
15.981 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ach du...
das werde ich mir alles wohl nocheinmal geben. So ganz von vorn. Ich selbst habe keinerlei Fernweh, daher finde ich das alles ganz besonders spannend und danke sehr, dass es so plastisch geschrieben ist *top*


Tom
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Vielen Dank, lieber Kamelienschenke, für diesen Indien-Trip!

(Der Antaghar)
Kuba: von lateinamerikanischen Klängen in der Finsternis
Fortsetzung Kuba



….. schon die Busfahrten erforderten ein gewisses Maß an Leidensfähigkeit auf Kuba,aber erst recht so mancher Hotelaufenthalt.

So hatten wir am fünften Tag einen Stopp in Bayamo,wo sich unser Hotelkomplex in einem Flußdelta erstreckte. Wir wohnten in kleinen Häuschen, die sich schön in die mit vielen Pflanzen bewachsene Landschaft duckten.
Komfort durfte man nicht erwarten, es war alles einfachst, roch ein wenig nach Schimmel, die Türen schlossen nicht richtig und im Bad tropfte der Wasserhahn mit permanenter Boshaftigkeit. Aber „Hurra“, es gab Wasser; hatten wir auf Kuba nicht immer.

Sorgen bereiteten uns allerdings unsere Freunde aus dem Osten, wir erwarteten schon üble Motztiraden für den nächsten Tag.

Meine bessere Hälfte und ich beschlossen schon etwas früher als die anderen zum Essen aufzubrechen, damit wir uns in einer ruhigen Ecke verstecken konnten, da wir keine Lust auf weitere Monologe über Lebensläufe der Bekanntschaften von Lehrerin Rita hatten. Wir kannten noch nicht den der ersten Frau des Nachbarn. Diese hatte wahrscheinlich auch wieder Kinder, zu pflegende Eltern, alkoholkranken Chef………..und, und, und.


In froher Erwartung und recht hungrig fanden wir einen schönen Zweiertisch auf der ersten Etage des Haupthauses. Der Essraum war nicht gerade „up to date“, aber auch nicht ungemütlich mit den dunklen Holzmöbeln und den bunten Glasfensterchen.
Die Band baute ihre Equipment auf und der Buffettisch erfreute schon mit einer gewissen Opulenz.

Langsam füllte sich der Saal, wir gaben unsere Getränke auf und beobachteten die Musiker beim Aufbau. Ach ja, es würde ein schöner Abend werden, freute ich mich.. Wir bestellten wohlgelaunt ein Bier und einen Mojito. That`s Kuba.


Oh, was war das? Der ganze Saal versank plötzlich in totale Finsternis und auch das schwache
Mondlicht schaffte es nicht durch die bunten Fensterchen. „ Na, das kann ja heiter werden, da hoffen wir mal, dass dieser Stromausfall nicht lange dauert. Ich habe Durst“ jammerte mein Göttergatte. Mit Hilfe des Handys wollte ich uns etwas Licht verschaffen, überlegte dann aber, das zu unterlassen. Wer weiß , wann man wieder aufladen konnte.

Wo war denn die Bedienung? Angestrengt lauschten wir in die Dunkelheit und versuchten irgendwo ihre Schatten zu erspähen, nichts. Sie hatten sich in Luft aufgelöst. Warum brachten sie nicht wenigstens Kerzen, Petroleumlämpchen oder ähnliches? Wir vermuteten, dass sie sich irgendwo versteckt hatten.

An dem großen Nachbartisch wurden Handys gezückt und sich damit beholfen. Es strömten immer mehr Menschen in den stockdunklen Saal.
„ Guantanamera, guajira Guantanamera………“ erscholl es aus der Dunkelheit. Die Band spielte unbeirrt auf , mit viel Leidenschaft und rythmischem Klatschen vorgetragen, begleitet vom Kreischen einer Dame, die in der Dunkelheit quer über den Tisch gestürzt war. Egal, Hauptsache zu lateinamerikanischen Klängen! That`s Kuba.


„Ich habe jetzt Durst“, knotterte mein Göttergatte wie ein sechsjähriger Knabe an der Quengelkasse des Supermarktes . „Ich habe Hunger“ gab ich contra und entdeckte kleine Irrlichter über dem Buffet. Ein Koch hatte tatsächlich eine Taschenlampe aufgetrieben und leuchtete nun von einem Buffetbehälter in den nächsten, um so wenigstens einen kurzen Eindruck zu vermitteln, was an essbarem vorhanden war. Einige machten sich mit ihren Handys auf zur Quelle dieses Lichts. Ich heftet mich an eine sehr resolute Dame und hielt mich an ihrem Handtaschenriemen fest.


Am Buffet nahm ich mir mutig von jedem nur kurz beleuchteten Behälter etwas auf meinen Teller und schlurfte damit zu meinem Platz zurück. Da ich in der Dunkelheit einige Male anstieß, war auf meinem Teller alles durcheinander geflossen.

Am Tisch befanden sich tatsächlich zwei Getränke. Das Personal hatte eine zweite Taschenlampe gefunden und kam mit einem Rollwagen mit Getränken vorbei. Wir bekamen nicht das, was wir bestellt hatten, aber in diesen Situationen darf man auch nicht zu kleinlich sein.

So , nun aber wollte ich endlich essen. Oh nein, das ging ja gar nicht. Was war das nur für ein fürchterlicher Geschmack, wie Hundefutter. Schenkt mir niemals „dinner in the dark“. Ich hatte wohl bei einem aus Innereien zubereiteten Cassoulet zugegriffen, welches nun sämtliche andere Speisen auf meinem Teller kontaminiert hatte.

Was mich wunderte, dass keiner der anwesenden Touris meckerte und alle es als gottgegeben hinnahmen. Ja, hatten sie schon die hiesige, gechillte Lebensart verinnerlicht? Lag es etwa an den kubanischen Klängen, am Mojito oder mischte man uns hier morgens heimlich Coca-Blätter ins Rührei.


Die Musik verstummte und eine junge Dame stand schweigend an unserem Tisch. „ Was will die Frau von uns, wer ist das?“ wollte mein Mann von mir wissen. „Weiss ich doch nicht, frag sie doch“ erwiderte ich übellaunig, da hungrig.
Die junge Frau blieb unbeirrt stehen und uns als dunkler Schatten erhalten. Sie rappelte dann mit einer Holzkiste. Da dämmerte es uns in der Dämmerung. Es war die Musikerin und sie beharrte wohl auf Trinkgeld, gerne etwas mehr, hatte schließlich unter erschwerten Umständen gespielt. That`s Kuba
„Ich kann doch gar nichts sehen, wie soll ich denn jetzt passendes Trinkgeld finden“ murrte nun mein Mann und kramte in seiner Hosentasche.


Und siehe da, plötzlich wurden wir geblendet. Das Licht erstrahlt , die Touris sprangen auf und klatschten begeistert, stehende Ovationen. Demütig wusste man Elektrizität wieder zu schätzen. Welch eine Errungenschaft für die Menschheit. Eine große Dankbarkeit breitete sich im ganzen Saal aus.

In unserem Häuschen, zur Bettruhe gerade angekommen, war es mit der Freude allerdings schon wieder vorbei. Der Strom hatte uns nur ein kurzes Intermezzo gegönnt. Aber immerhin waren wir schon im Haus und mussten nicht durch das feuchte Gras bei völliger Dunkelheit zur Unterkunft robben. Man wird irgendwie demütig und dankbar in diesem Land.
Nun gut, ich habe mich dann auch gar nicht mehr ausgezogen, geschweige denn geduscht . Waschen wird eh überbewertet und ist auch gar nicht so gut für die Haut.

Also warfen wir uns in Klamotten auf das Bett, atmeten noch mal die nach Schimmel duftende Luft tief ein und wünschten auch den vielen Mücken eine angenehme Nachtruhe. Sie waren wohl beleidigt, grüßten jedenfalls nicht zurück, denn sie hätten uns natürlich lieber lecker nackelig gesehen. War mir egal, ich musste auch hungrig ins Bett.
That`s Kuba.

Fortsetzung folgt......
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