Auf...
... mehrfachen Wunsch hier eine "Urlaubsgeschichte", die gleichzeitig auch eine Familiengeschichte ist Kassa
„Wir fahren nach Kassa.“
Immer, wenn es das heißt, beginnen die Vorbereitungen. Kartoffelsalat wird zusammengerührt, Vadder macht Fischbuletten, Flaschen mit selbstgemachtem Orangen- und Mangosaft werden in die Kühltaschen gestellt und Mudder holt das Panthenol-Spray aus dem Kühlschrank. Badesachen werden eingepackt, Laken, die als Sonnensegel dienen können, kommen in die Taschen und das wenige Strandspielzeug für meine Schwester.
Wir stehen am Kai. Vor uns liegt still das Hafenbecken in dem Abfälle dümpeln. Die Erwachsenen tuscheln, Maria streitet leise mit Silke. Steffen, Rainer und ich suchen im Hafenbecken nach Anzeichen von Haien.
Plötzlich ist das falsche Wort für die Geschwindigkeit, mit der ein Boot in unser Sichtfeld gerät. Gemächlich nähert sich ein Kriegsschiff, von dem ich später erfahren werde, dass es ein umgebautes Torpedoschnellboot war. Das Schiff gleitet fast lautlos ins Hafenbecken, die Mannschaft wirft den Männern am Kai die Festmacherleinen zu und dreht bei.
Ich verstehe nichts von den französischen Worten, die über mich hinwegwallen, ich sehe Kopfschütteln und wildes Gestikulieren und schließlich springt der erste unserer Männer auf das Boot, andere folgen nach. Meiner Mutter wird die Hand gereicht, sie steigt wie ein Dame auf das Boot, ein großer afrikanischer Matrose macht mir Zeichen, dass ich auch auf das Boot springen soll. Zwischen Kaikante und Boot sind es fast ein Meter, als ich nach unten blicke, sehe ich zwischen den Fendern das dreckige Hafenwasser. Der Seemann reicht mir die Hand, ich nehme meinen ganzen siebenjährigen Mut zusammen und springe. Nun nimmt der Matrose meinem Vater meine Schwester ab, sie schwebt wie ein Engel mit Sommerkleidchen und Rattenschwänzchen durch die Lüfte und schließlich sind wir alle auf dem Schiff. Es gibt keine Reling, und es schwankt schon jetzt.
„Frauen und Kinder in die Kabine, die Männer halten sich an Deck fest!“ übersetzt Herr D. die Worte des Kapitäns, die Tür geht auf und wir kauern uns dicht an dicht auf den Boden, der Diesel beginnt zu brummen, das ganz Boot zittert, als wir von der Kaimauer zurückstoßen. Ich sehe die Hafeneinfahrt vorbeiziehen, sehe in der Ferne das Hotel in der Innenstadt und als das kleine Leuchtfeuer an der Molenspitze vorbei ist, beschleunigt der Maschinist auf volle Leistung. Durch die Tür weht kühlender Fahrtwind und die fünf Kilometer nach Kassa sind vorbei, bevor die Reise angefangen hat. Wir sind da.
Hier ist es einfacher. Wir müssen nur eine Eisenleiter hochklettern, um auf den Anlegesteg zu gelangen, die Kühltaschen tragen die Matrosen und wir marschieren los. Es geht eine kleine Anhöhe hinauf, als ich zurückblicke, sehe ich drei Wracks in der Bucht liegen und ich fühle mich wie Jim Hawkins. Links und rechts des schmalen Weges ist Busch, ich höre die Ermahnungen meiner Mutter wegen der Schlangen und dann lichtet sich das Gestrüpp. Es lärmt, es schrillt, es flattert.
„Schau mal, wie geschickt die Webervögel ihre Nester bauen!“ Herr S. zeigt nach oben in die Palmen. Ich kann es sogar von hier sehen: An der Nestkugel ist ein Tunnel angewebt.
„Durch diesen Tunnel passen Vögel, aber eine Schlange kommt da nicht rein.“ Das leuchtet mir ein, und wenn schon die Webervögel... Ich beschließe, vor Schlangen großen Respekt zu haben.
Die Palmengalerie mit den Webervogelnestern war nur ein Vorbote, ein Vorbote eines Strandes, der sich jetzt vor uns öffnet. Ich kneife die Augen zusammen, aber ich träume nicht. Das Wasser ist blau, der Strand weiß, am Ufer stehen kleine Hütten als Sonnenschutz, die Wellen sind mäßig – kein Vergleich mit dem dreckigen Strand gleich hinter unseren Block, wo wir nur einen kleinen Platz ohne Klippen haben und auf den der Atlantik trotzdem mit wilden Wellen einschlägt.
Hier will ich später mal wohnen, wenn ich groß bin.