Nacht war's
Theo wachte mitten in der Nacht auf und lauschte, wollte herausfinden, was ihn geweckt hatte. Die Schlafzimmertür stand offen, und aus dem Wohnzimmer waren unterdrückte Laute zu hören, ein Schnaufen und Schniefen. War das Jamie, den das Fell juckte? Nein, aus dem Hundesessel neben Theos Bett drang leichtes Schnarchen. Der Hund war es jedenfalls nicht. Also doch?"Jorind?" Stille. Dann ein leichtes Tapsen, das sich entfernte. Er stand auf, ging ins Wohnzimmer und machte Licht. Niemand zu sehen. Er fand seine Frau im Bad. Sie kauerte auf der Fußmatte, den Rücken an die Badewanne gelehnt. Er hockte sich neben sie.
"Was ist?"
"Ich weine gar nicht. Das Wasser läuft mir einfach aus den Augen." Sie hob den Kopf. Tränen liefen ihr über die Wangen, Rotz aus der Nase. "Ich bin wach geworden, und mein Kopfkissen war ganz nass. Ich war so glücklich, so glücklich."
"Das verstehe ich nicht. Du warst glücklich, aber dein Kopfkissen war nass?"
"Ich hab von der Uni geträumt." Sie schniefte, tastete nach der Rolle Klopapier, die neben ihr lag, und schnäuzte sich energisch. "Ich hab dir doch mal erzählt, die Uni Gießen ist wie eine Blume angelegt, in der Mitte die Cafeteria und der Buchladen, drum herum die großen Hörsäle. Dann nach außen die Fachbereiche, Medizin, Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Sprachen, Musik. Aus der Luft muss das aussehen wie eine riesige Sonnenblume."
Sie atmete tief ein und aus. Das Erzählen beruhigte sie. "Ich hab geträumt, ich sitze wieder in der Cafeteria, wie damals so oft, und sage zu mir selbst: 'Du bist genau da, wo du sein willst, im Herzen der Wissenschaft, im Mittelpunkt der Welt.'"
Sie fing wieder an zu weinen, laut und keuchend. Theo war ja sowieso wach, sie brauchte nicht mehr leise zu sein. "Ich war so glücklich, so glücklich. Ich hab ja nicht gewusst, dass ich das Studium so teuer bezahlen muss." Sie krümmte sich, der Schmerz floss in Wellen durch sie hindurch. Theo drückte sie an sich und wiegte sie wie ein Kind. Er war nackt und fror jämmerlich.
Meist konnte sie nach einer solchen Nacht morgens wieder in die Schule. Sie hatte sich dann so weit gefangen, dass ihr nichts mehr anzumerken war. Im schlimmsten Fall ließen Augen und Nase auf eine Erkältung schließen.
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