Der alte Sonderling Teil 07 Autor Kamasutra
Sie liegt im spätsommerlichen Abendlicht, malerisch und auch verrufen, als Touristenhochburg bekannt und negativ behaftet in der Kriminalstatistik des Landes. Salerno, eine 135.000 Seelenstadt. Sanft schlagen die Wellen des Golfes an die Gestade und umspülen die Füße der letzten Badegäste. Niemand der unbefangenen Touristen ahnt, dass inmitten der bekannten Urlaubsregion, der Amalfitanischen Küste mit der wunderbaren Küstenstraße, das Verbrechen zuhause ist.
Orte wie Sorrento, Positano, Amalfi, Paestum, Agropoli und Praiario, zum großen Teil noch römischen Ursprungs klingen bekannt in unseren Ohren und laden zum Verweilen ein. Verbreiten typisches Flair und Ambiente.
Und während das südländische Leben seinen Lauf nimmt, die Urlauber die Strände verlassen und in die Läden und Ristoranti stürmen, schaut in Salerno ein einsamer Mann aus dem großen Panoramafenster seiner feudalen Villa.
Die Villa liegt am Hang, über der Via Salvatore Allende, unweit des Torre di Vicentino. Ein großer Pool bildet den Blickfang des parkähnlichen Gartens. Nicht weit entfernt ein Fußballplatz, Lärm erklingt und der laute Schrei „goal“.
Es scheint dort gerade ein Spiel stattzufinden. Zur anderen Seite etwas weiter weg der Yachthafen Marina D Arechi . Auch dort ist der einsame Mann zuhause, bzw. seine beindruckende Yacht.
Der einsame Mann ist ein schlanker, aber kräftig wirkender Endfünfziger. Sein graumeliertes, kurzes Haar umfließt seinen markanten Kopf gleich flüssigem Silber. Die römisch wirkende Adlernase betont sein männliches Gesicht. Alles an ihm wirkt markant, männlich, ja geradezu herrisch. Ein Mann der es gewohnt ist, Befehle zu erteilen, zu bestimmen und zu führen! Ein Mann der gefährlich wirkt und den man nicht zum Feind haben möchte!
Ein Mann der den großväterlichen Wein, Obst und Gemüsehandel schon lange umgestellt hat auf Waffenhandel, Geldwäsche und illegale Transporte. Die alten Geschäftszweige laufen nur noch zur Tarnung nebenher.
Ein Mann dessen Gesicht Selbstherrlichkeit, Gewaltbereitschaft und Verderbtheit ausdrückt!
Designerkleidung umschmeichelt seinen braungebrannten Körper, eine weiße Leinenhose, ein kurzärmeliges Leinenhemd, in einem kräftigen Rot.
An den Fingern blinken teure Ringe und am Handgelenk protzt eine teure Rolex. Um den Hals eine prächtige Goldkette. Nachdenklich wirkt der Mann, erscheint weit weg zu sein mit seinen Gedanken und nimmt den wunderschönen Panoramablick gar nicht wahr.
Und als er sich nun schwungvoll umdreht, zielstrebig die Hausbar im Hintergrund des Salons anstrebt, erkennen wir ihn endlich.
Franco Battipaglia, ein bekannter Mann in Salerno, Neapel und der Region Campania und weit darüber hinaus. Ein Führungsmitglied der Camorra, des Clans D Agostino, man munkelt ein Sgarrista oder sogar ein Santista, welches den Rang eines Unterbosses oder gar Stellvertreter des Clanführers bedeutet.
Battipaglia nippt an seinem Wein, ein edler Roter, und mit einer fließenden Bewegung holt er sein Handy aus der Hosentasche. Per Kurzwahl wählt Franco seinen Gesprächspartner an, bellt ein kurzes „ Vieni qua“ und zwei Minuten später erscheint seine rechte Hand Enzo im Salon.
„Siediti.“ Gehorsam lässt sich Enzo in den tiefen Sessel fallen.
„Si, Don Franco.“ Respektvoll schaut Enzo seinen Capo an.
„Erinnerst du dich noch an die Deutschpolin die damals zu viel wusste und versuchte daraus Kapital zu schlagen?“ Franco schaut seinen besten Mann an.
„Si, Capo, ich erinnere mich,“ eifrig nickt Enzo mit dem Kopf, „aber das Thema ist ja erledigt.“
Nachdenklich schaut Franco Battipaglia und nickt langsam.
„Si, esatto, pero…….. era una figlia.“
Franco trinkt noch einen Schluck Wein, „ es gab eine Tochter, was ist aus der eigentlich geworden?“
„Verschwunden,“ verlegen windet sich Enzo, „ein Poliziotto kam dazwischen, feuerte wie wild auf unsere Männer, verwundete und tötete drei und verschwand im Dunkel der regennassen Nacht. Das Balg nahm er mit.“
Ein böser Zug legt sich über das harte Gesicht von Franco, sichtlich ungehalten und unzufrieden ist er.
„Merde,“ flucht er dann los, „ das Gör dürfte mittlerweile 16, oder gar 18 Jahre sein, ich will nicht das die alte Geschichte wieder hochkommt, gerade jetzt geht das gar nicht, capisci?“
Francos Augen funkeln wütend und Enzo zieht schuldbewusst den Kopf ein.
Er war damals mit dabei gewesen und hatte die Operation geleitet und verbockt. Aber das Kind war nicht greifbar gewesen, der Poliziotto war einfach brandgefährlich und vollkommen überraschend aufgetaucht. Ein Schnellschiesser und gnadenloser Kämpfer und nur mit knapper Not war Enzo damals die Flucht gelungen, als einziger übrigens.
„Trovarli, Enzo, trovarli….,“ hart peitscht die Stimme Francos durch den Raum.
Luft scheint zu gefrieren obwohl es draußen noch sehr mild ist.
„Finde sie und bring sie her, du haftest diesmal mit deinem Kopf.“
Gefährlich leise klingen diese letzten Worte, dem Zischen einer wütenden Viper gleich, Sekunden vor dem tödlichen Biss.
Battipaglia ist knallhart, er will nicht wegen dieser uralten Sache in Not geraten, nicht jetzt wo Riesengeschäfte mit arabischen Kriegsparteien Millionen und Abermillionen Dollars in seine Kasse schwemmen werden.
ORTSWECHSEL!!!!!
Pullach! BND Zentrale ! Vier Tage später!
Ein im Abenddunkel liegendes Büro im zweiten Stock, nur das schwache Licht einer Schreibtischlampe und der Widerschein des PC- Monitors erhellen das erschöpfte Gesicht eines grauhaarigen Mittfünfzigers.
Kaffee und Kippen sortieren sich neben einem vollen Aschenbecher. Der Mann ist alleine, die Flure liegen still, die meisten sind schon im Feierabend und der Grauhaarige hat das Rauchverbot schon lange außer Kraft gesetzt.
Mal wieder, wie so oft in letzter Zeit. Auf dem großen Bildschirm flimmern Daten und Zahlen, Protokolle und Stellungnahmen. Ganz oben steht das Aktenzeichen. KR/Liefenthal 04/1988…
Müde streicht sich der Grauhaarige über die Augen, sein Blick wandert zu Wanduhr. 21.18 Uhr, das Abendessen mit seiner Frau kann er knicken.
Aber diese alte Geschichte macht ihn nervös, sein Instinkt bäumt sich auf, schlägt Alarm. Erst recht, seit er heute früh erfahren hat, dass sich italienische Camorristi rühren. In Verbindung mit einem Wahnsinns Waffendeal der den Kriegstreibern im Nahen Osten auf Monate Nachschub liefern soll. Und in Verkettung mit einem uralten Fall. Dieser vermaledeiten Akte, die da über seinen Schirm flimmert. Ein alter Freund könnte in größte Gefahr geraten, was zählt da ein Essen oder ein gemütlicher Abend zuhause.
Jan Kollmann zündet sich eine weitere Marlboro an, Kaffee gibt es nur noch einen Minischluck und die Flasche Scotch im untersten Schreibtischfach ist von Austrocknung bedroht.
Er muss handeln und das schnell, Leben schützen und jemandem zur Seite stehen den er über alles schätzt! Aber dieser Jemand ist für Kollmann momentan unerreichbar, nur er selbst kann ihn, Kollmann, kontaktieren. Aus Sicherheitsgründen war das so eingerichtet. Aber ahnt sein alter Freund die Gefahr?
Zum wohl zehnten Mal liest er die Akte durch, auf der Suche nach einem Hinweis, einem Fingerzeig, es muss diese Querverbindung hier irgendwo geben. Einen Namen braucht er, dann kann er den Mühlstein vielleicht noch stoppen bevor er unschuldiges Leben zu zermalmen droht.
Die letzte Zigarette verglimmt im Ascher, Kollmann ist mehr als müde, ehrlich gesagt trifft der Ausdruck fix und fertig zu. Mit langsamen Bewegungen zieht er sein Jackett an, ein Knopfdruck und die Lampe erlischt, derweil sein PC runterfährt.
Ein letzter Blick auf die Wanduhr, die Leuchtziffern dokumentieren 23.02 Uhr.
Ein endlos langer Tag neigt sich dem Ende zu und langsam fällt die Bürotür hinter Jan ins Schloss.
Im Dämmerlicht der Flurbeleuchtung glitzert das neue Namensschild, der Hausmeister hatte es endlich angeschraubt.
Jan Kollmann
BND / Abt. TE