Bulgur tse Dung
Schier glitt er aus, als Bulgur Skrotum, der letztjährige Weltmeister im Käselaibrollen um Alma den Laib herumnavigierte. Welcher gschamte Depp hatte diesen Pferdeapfel auf der Almabtrieb- Friesenslalomstrecke fallengelassen? Klar, als Reingschmeckter , er war schließlich erst 22 Jahren hier im Berchdesgadner Land, und beherrschte die Sprache der Eingeborenen perfekt, doch sein Türkenschnäuzer und die lockigen schwarzen Haare ließen ihn im Dorf auffallen wie ein Gummibärchen auf einem Teller Weißwürstl.
Es war schon immer so.
Als vor zehn Jahren die Moorleiche gefunden wurde, war es den älteren Dutt- und Trachtenträgern sofort klar, dass nur er es gewesen sein konnte. Selbst noch als sich herausstellte, dass die Mumie schon mindestens 175 Jahre unter dem Misthaufen des Hofes gelegen hatte. Sogar als klar war, dass es sogar Dokumente im Gemeindearchiv gab, die einen verschwundenen Gsellsbärtonibauern auswiesen, spuckten ihre Augen noch Blitze, wenn er in den Dorfladen kam.
Zum Glück war und ist Bulgur ein gutmütiger Zeitgenosse. Obwohl seine Eltern, als er Sechs war, bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen, ist er nicht empfindlich oder depressiv. Vielleicht liegt das auch an seinen Pflegeeltern, die den lebhaften Jungen trotz seines Verlustes nicht wie ein rohes Ei behandelten, sondern seiner unbändigen Energie und seinem Temperament nur mit wachen Augen, lächelnder Geduld und dem geschickten Einsatz bei den vielfältigen Aufgaben auf dem Hof eine flexible und lebensfördernde Form schenkten. Was natürlich nur möglich war, weil sie zwar heimatverbunden und bodenständig, aber dennoch weltoffen waren und - wohl das Allerwichtigste: das Leben auf dem Hof liebten. So konnte er sein sonniges Gemüt bewahren, obwohl seine Wege im Dorf nicht mit Rosenblättern, nicht einmal mit Kaktusblüten gestreut waren.
Nur einmal, letztes Jahr, als er Weltmeister im Käselaibrollen wurde, hatten die Alteingesessenen ihm kurz anerkennend auf die Schulter geklopft und der Bürgermeister hatte ihn in den Stand eines Ehrenbürgers der Gemeinde gesetzt. Aufgrund seines Erfolges konnte sogar die Weltmeisterschaft heuer hier stattfinden und er ist des Heimvorteils wegen noch mehr Favorit, als er es schon vorher gewesen ist.
Nun gut.
Er konnte sich schon denken, warum die Streckenwächter den Pferdeapfel nicht beseitigt hatten. Erstens hatte sein Erfolg dem Sport einen riesen Auftrieb gegeben und tatsächlich schaffte auch der kräftige Sohn des Dorfmetzgers die Qualifikation. Wem nun die Sympathie der Dorfgemeinschaft galt, war ihm eigentlich klar: Der Würschteltoni soll ganz oben auf dem Treppchen stehen, wenn es nach den Hutschachteln und Gamsbockfederträgern geht!
Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass sie zu so unfairen Mitteln greifen würden. Geahnt hatte er es wohl schon, denn er bemerkte wohl, dass die Luft im Dorf gefror, als er eine Laib dänischen Esrom zu seinem neuen Sportgerät wählte. Der Würschteltoni jagt natürlich einen Allgäuer Emmentaler durch den Almabtrieb, wie es sich gehört. Jawoll!
Vielleicht deshalb hatte er den Zokl eine rauh gekämmte Wollfilzsohle spendiert. Die hat wie sein Käselaib wegen der vielen kleinen Löcher einen besseren Grip auch auf rutschigen Untergründen und rettet ihn gerade auch dieser misslichen Lage. Gibt ihm sogar noch einen Vorteil, denn wegen der kurzeitigen Unsicherheit gleicht der zusätzliche Griff von Bulgur die durch einen Stein veränderte Kurvenlage seines Esrom aus und er schafft es gerade noch so an Alma, der Leitkuh vorbei und dadurch mit noch größerem Speed uneinholbar in die Zielgerade.
Als er nun auf dem Treppchen steht, das angestrengt künstliche Lächeln Tonis links unter und neben sich fast schmerzhaft spüren kann und die verkniffenen Gesichter der festlich geschmückten Zwietrachtträger sieht, die ihm vor den laufenden Kameras natürlich begeistert Beifall klatschen müssen, unterdrückt er den Lachreiz und lächelt über sie hinweg zu seinen Pflegeeltern in der letzen Zuschauerreihe. Dass sie vor Stolz fast platzen und über das ganze Gesicht strahlen, ist der allergrößte Lohn für seine Mühen!