Eine Kurzgeschichte: SÜNDEN
Sünden"Ich habe gesündigt!"
"Alex? Bist Du das?"
"Ja, Pater."
"Alex, was... Du kannst mich doch hier nicht aufsuchen!"
"Ich habe wirklich gesündigt, Pater."
"Was soll der Blödsinn, Alex? Du bist ja noch nicht mal katholisch!"
Noch während der Pfarrer die letzten Silben aussprach, nahm er diesen eigenartigen Geruch wahr. Er überlegte für einen Augenblick und stellte dann fest, dass es im Beichtstuhl seiner Pfarrkirche tatsächlich brenzlich roch.
Während er selbst heraus rannte, in Richtung der Sakristei, aus der schon erste Flammenzungen leckten, verließ Alex in aller Ruhe das Gotteshaus. Zuvor bekreuzigte sie sich dem Altar zugewandt. Das hatte sie im Kino gesehen.
Von der Ecke der Kinomauer aus konnte man das Geschehen ganz besonders gut beobachten. Die Langsamkeit der hiesigen Feuerwehr war skandalös. Alex öffnete eine der mitgebrachten Bierdosen und trank daraus.
Der Pfarrer verließ die Kirche nicht auf eigenen Füßen. Ein junger, breitschultriger Feuerwehrmann trug ihn heraus. Dann legte er ihn auf den Grasstreifen vor der Friedhofsmauer und winkte die Rettungssanitäter zu sich.
Niemand achtete auf Alex und niemand bemerkte es, als sie kurz nach dem Krankenwagen Richtung Stadtmitte aufbrach.
Haben Sie eine Ahnung, wer so etwas getan haben könnte?"
"Ja, ich weiß es."
"Wer?"
"Es wurde mir in der Beichte anvertraut."
"Das heißt, dass sie es nicht sagen dürfen?"
"JA, so ist es."
"Hmm... Dumme Sache."
Der Kriminalkommissar, der es nicht für nötig befunden hatte, sich namentlich vorzustellen, hielt es auch nicht für nötig, sich zu verabschieden, bevor er das Krankenzimmer verließ. Er hatte Dienstschluss und fuhr direkt vom Krankenhaus zu einer kleinen Kneipe im Stadtkern. Darin traf er eine junge, sehr fröhliche Frau.
Alex hatte viel getrunken. Sie war sehr fröhlich.
In der Nacht starb der Pfarrer. Er starb nicht allein. Eine Krankenschwester war da und wartete auf den Bereitschaftsarzt. Sie roch aus dem Mund ein wenig nach Zwiebeln, denn sie hatte den Salat gegessen, den der Pfarrer nicht angerührt hatte.
"Sie sind Polizist, ja?"
"Ja."
"Aufregend!"
"Absolut. Ich ermittle gerade in der Brandstiftung von heute früh."
"Was für eine Brandstiftung denn?"
"Die Kirche wurde angezündet. Sie kommen wohl nicht von hier, was?"
"Nein."
"Hmm..."
Der Polizist ging zur Theke vor und bestellte sich ein weiteres Bier. Es war das dritte. Während er wartete, lächelte er Alex freundlich zu.
Alex hatte noch mehr getrunken. Sie fand viele sehr normale Dinge witzig. den Polizisten fand sie besonders witzig.
Der Barkeeper lachte, als er dem Polizisten das Bier gab. Alex fand, dass das Lachen ungekünstelt klang.
"Kennst Du sie denn?"
"Nein, ist heute zum ersten Mal hier. Ist süß, oder?"
"Ja, schon."
"Säuft mehr, als man ihr zutrauen würde."
"Ja?"
"Ja."
"Hmm..."
Der Wirt wischte die Theke ab und lachte noch einmal. Der Polizist nahm den ersten Schluck des Bieres während er zu Alex ging. Etwas Schaum blieb ihm an der Oberlippe hängen.
Als der Polizist bei Alex angekommen war, küsste diese ihm den Schaum von der Lippe. Der Polizist grinste, während er das Glas abstellte.
Der Wirt lachte ein drittes mal. Es klang noch echter, als die Male davor.
Alex küsste den Polizisten noch einmal. Der Wirt schwieg.
"Das ist schön."
"Was?"
"Wenn Du mich küsst."
"Wirklich?"
"Jaja. Wie heißt Du eigentlich?"
"Alexandra."
"Hmm... Alexandra?"
"Ja."
Alex lächelte und bewegte ihren Körper ein wenig im Rythmus der Musik, die aus den Boxen kam. Die Arme rührte sie dabei nicht.
Der Polizist rührte sich gar nicht. Aber er lächelte auch. Er lächelte noch mehr, als der Wirt zum vierten mal lachte. Dann hörte er auf zu lächeln. Sein Handy klingelte.
Alex lächelte weiter und bewegte sich weiter. Der Polizist hatte einen Klingelton, den sie kannte. Es war der Beginn von Mozarts Requiem.
"Tot?"
"Ja."
"Verdammt!"
"Wie bitte?"
"Wann ist er gestorben?"
"Vor einer Stunde in etwa."
"Hmm... Naja. Danke für den Anruf."
Der Polizist legte auf und kam zu Alex zurück. Er sagte nichts, aber er lächelte weiter.
Alex küsste ihn noch einmal. Sie küsst ihn auf eine Art und Weise, die sie im Kino gesehen hatte.
Der Polizist lächelte nach dem Kuss. Dann nahm er den Mantel und ging zur Theke. Dort bezahlte er.
Alex sah ihm nach. Sie bewegte sich nicht mehr.
"Sehen wir uns wieder?"
"Ich fahre Morgen weg."
"Wohin?"
"Nach Hause."
"Hmm..."
Der Polizist ging.
Alex hat ihn nie wieder gesehen.