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Dirtytalk & Kopfkino
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Bildergeschichten

Tja,
ich merke, dass auch ich etwas länger brauche, um in das Bild reinzukommen. Deshalb habe ich auch noch nicht kommentiert. Könnte aber noch kommen. Also beides. Meinung und Deinung.
Ich habe da auch meine Probleme ....

Ev
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Themenersteller 
Sorry,
ich war ziemlich krank in den letzten Tagen, daher hab ich mich hier und auch sonst ziemlich rar gemacht. Wenn man mit einem All-Inclusive-Virus auf der Nase liegt, hat man meistens nicht viel Lust, in Foren herumzuhüpfen. : )

"Papa, weißt Du noch?" Eine sehr anrührende Blickweise auf dieses Bild, lieber https://www.joyclub.de/my/2105850.thehidden.html.

Wir waren klein, ganz klein, Enrico, Fabio, Isabella und ich. Saßen zu Deinen Füßen, lauschten Deinen Geschichten, oh, wie waren wir stolz auf Dich, weil Du so mutig gewesen bist, hierher zu gehen, ganz allein, so jung und ohne Angst.

Und jetzt sitzt die Angst im Nacken seiner Kinder, die nicht mit der Krankheit ihres Vaters zurechtkommen. Die Angst, ihn zu verlieren, erst in seinem Gedächtnis, dann irgendwann ganz. Das Leben geht weiter, und doch schmerzt dieser Verlust. Oder ist es umgekehrt? Schmerzt dieser Verlust, und dennoch geht das Leben weiter? Beides mag stimmen, und zu beiden Sichtweisen hat mich Deine Geschichte angerührt. Danke!

Niemand auf der Straße kennt den alten Herrn, niemand weiß dass er Fritz Wagner heißt, aus Deutschland kommt und hier, in dieser kleinen italienischen Stadt Erinnerungen und glücklichen Zeiten nachläuft.

Schade, dass man nicht mehr über seine Erinnerungen erfährt, lieber Kamasutra2016. Dein Bericht hat mich sehr neugierig gemacht... : )
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Themenersteller 
Prioritäten
"Was kostet dieses Tässchen?"

Ungeduldig klingt seine Stimme, er stellt diese Frage nicht zum ersten Mal. "Na? Willst du nichts verkaufen?"

Mein Blick gleitet über seine Erscheinung. Die Kleidung bunt zusammengewürfelt, viel zu warm für den Tag. Das alte Gesicht, das viele Geschichten erzählt. Keine davon mag so wirklich geschehen sein, aber alle erscheinen sie als wahr, so als trüge er seine Geschichte in der leicht geschwollenen Nase, in den tiefen Furchen seines Gesichts, in den zusammengekniffenen Augen. Seine Haut zu Markte tragen. Das ist es, was mir einfällt und ich frage mich, warum. Denn dass dieser Mann sich nicht verkauft, ist deutlich erkennbar. Und doch... so offen, wie seine Gefühle erkennbar sind, scheint es für mich richtig zu klingen.
Unwirsch wirkt er, und das scheint nicht nur auf die fehlende Antwort bezogen. Er fühlt sich nicht wohl. Beinahe ruppig versieht er hier, auf dem Flohmarkt seine Einkäufe. An einem Ort, an dem ansonsten Müßiggang, Entspanntheit den Ton vorgibt.

Ich verstehe die Antwort nicht, die man ihm gibt. Sie scheint ihn nicht zu besänftigen. Er grummelt etwas vor sich hin, das nicht besonders höflich zu sein scheint. Der Blick der Frau hinter ihm deutet darauf hin. Nun kramt er in einer seiner Jackentaschen. Das Gesuchte findet er dort nicht; er flucht und greift in die nächste Tasche, zerrt einen Geldschein heraus.

"Drei könnte ich dafür kriegen. Ganze drei im Set. Ihr Halsabschneider." Und doch wirft er den Geldschein auf den Tisch, als würde er ihm nichts bedeuten. Die Tasse steckt er ein, das Angebot auf ein Stück Papier lehnt er nachlässig winkend ab.

Schon dreht er sich um und geht in einem eigenartig schwankenden Gang weiter. Nein, betrunken ist er nicht. Nur alt und allein. Die Einsamkeit begleitet ihn; sie hüllt ihn wie eine Glocke ein und sorgt dafür, dass alle anderen auf Abstand bleiben. Er tut mir nicht leid. In seiner Skurrilität liegt mehr Würde als in dem konsternierten Blick der Frau, die ihm immer noch nachschaut, wie er da so herdackelt. So gänzlich in seine eigene Welt versunken.

Auch ich schaue ihm nach und beginne breit zu grinsen: Am Eiscafé setzt er sich hin und winkt mit seiner Tasse. Es gibt einen kleinen Eklat, denn er will unbedingt, dasss ihm sein Espresso in seiner Tasse serviert wird. Der Besitzer wird gerufen. Er hört sich das aufgeregte Geschnatter seiner Bedienung an und zuckt mit den Schultern.

"Was solls denn?", fragt er. "Der Kunde will seinen Espresso in dieser Tasse, dann soll er ihn halt aus dieser Tasse bekommen. Avanti!" Das junge Ding schaut irritiert zwischen dem alten Mann und ihrem Chef hin und her. Da könne ja jeder kommen, insistiert sie. Und er breitet die Arme aus. Diese typische italienische Geste. "Na dann bringt eben jeder seine Tasse mit. Da spare ich Geld an Geschirr, oder? Zerbrech dir nicht deinen hübschen Kopf. Wenn ich sage, der Herr bekommt seinen Espresso in seiner Tasse, dann bekommt er ihn in seiner Tasse."

Entschuldigend klopft er dem alten Mann auf die Schulter, dann wendet er sich noch einmal an seine Angestellte. "Und der geht aufs Haus, weil du dich so angestellt hast."

Sie wird rot und eilt ins Café.
Mit der Tasse.

Der Besitzer redet noch eine Weile mit dem alten Mann. Sie lachen, reichen sich die Hände, und schon sitzt der Mann wieder allein. Die befremdeten Blicke bemerkt er nicht. Vielleicht will er sie auch nicht bemerken. Die Sonne strahlt ihm ins Gesicht, es ist ein warmer Tag.

Noch immer blickt der Mann so, als wäre die gesamte Welt gegen ihn, als ihn endlich sein Espresso in seiner Tasse erreicht.

Zufrieden nickt er, nippt an seinem Getränk. Die Haltung wie ein König, nur eben ohne Gefolge. Er lehnt den Kopf zurück - und da sehe ich das Lächeln auf seinem Gesicht. Winzig nur. Kaum erkennbar und genau so schnell wieder weg, wie es erschienen ist.

Sommer, Sonne. Und mitten im Gedränge ein Espresso aus der eigenen Tasse.

Manchmal braucht's eben nicht mehr.
Me 2
*********ld63 Frau
8.541 Beiträge
Ein anrührendes Portrait und wundervoll erzählt, liebe indivisuelle!

Ich mag diese leisen Töne und deine Gabe, Menschen aufmerksam und liebevoll zu beobachten, sehr! *love* Ganz besonders vielleicht diese Stelle:

Die Einsamkeit begleitet ihn; sie hüllt ihn wie eine Glocke ein und sorgt dafür, dass alle anderen auf Abstand bleiben. Er tut mir nicht leid. In seiner Skurrilität liegt mehr Würde als in dem konsternierten Blick der Frau, die ihm immer noch nachschaut, wie er da so herdackelt. So gänzlich in seine eigene Welt versunken.

Und der Schluss dieser Geschichte ist wirklich klasse! *bravo*
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
Indivisuelle
Dann dir gute Besserung und danke für deine tolle Geschichte *danke* *gutebesserung*
Me 2
*********ld63 Frau
8.541 Beiträge
Neues Bild - neue Geschichte!
Habe heute die Ehre, ein neues Bild einstellen zu dürfen und hoffe, das Foto kann euch inspirieren!

Lasst euch von der Muse küssen und ran an die Tasten! *kuss2*
wow
das Bild bietet viel Raum für Fantasie... echt inspirierend, Into *g*
Verdammnis voraus?
Es war immer die Angst da. Die Angst vor der Treppe, der Dunkelheit. Dort hinab zu gehen. Jeden Tag, immer wieder, selbst bei Tageslicht.

Was mag da unten lauern, wohl versteckt in den Schatten der Winkel und Ecken, gebaut aus düsterem Stein, aus gegossenem Beton, gestärkt mit Stahlschienen, glattgeschliffen, unpersönlich, kalt und dunkel?

Unter dem Erdgeschoss, tief in den Boden gebaut, auf Höhe der Wurzeln, im Erdreich, in die Unterwelt hinein, nicht gerade den Göttern nah, eher bei den Dämonen, vor denen man sich gerne im lichten Tagewerk versteckt, die man weniger willkommen heißt als dramatische Träume, die man ein oder zweimal im Jahr träumt und die man schnell wieder vergisst.

Wer mag da gerne hinunter steigen? Welch Menschenseele springt dort vergnügt hinab? Hält sich dort auf, länger als nötig? Auf wen oder was trifft man dort?

Vielleicht ist einem der Gedanke an üble Fabelwesen fern, hat nie zum eigenen Weltbild gehört, also ist man ja geschützt vor solcherlei Wesenheit, doch von den Rassegenossen, wer geht da freiwillig hinunter? Wie muss der denken, welche Farbe muss so eine Seele haben, die diesen dunklen Ort aufsucht?

Auf wen treffe ich dort, in diesem kalten Keller, tief unter der Erde? Ist es tatsächlich Menschenreich, das ich betrete, sobald ich mich vorwage, das Sonnenlicht weit hinter mir, die Wärme des Tages vergessend?

Ich atme tief durch, denn dies ist mein Schicksal: Ich komme nicht umhin. Ich muss. Ich muss gehen, Freunde, geliebte Menschen, nun sei es so. Für jeden kommt einmal der Tag, oder auch die Nacht.

Die Sonne sinkt, nach und nach verlassen mich all jene, die über den Tag an meiner Seite standen. Der Eine hierhin, der Nächste dorthin. Nach unten aber, da muss ich allein gehen. Muss das Fährniss wagen.

Ich bin heute halt mit dem Auto zur Arbeit gekommen. Und das steht in der Tiefgarage. Wenn ich heim will, muss ich da runter.
Me 2
*********ld63 Frau
8.541 Beiträge
https://www.joyclub.de/my/2105850.thehidden.html, du Schelm! *lol*

Ich fand es spannend, konnte richtig mitgehen und war schon fast (!!) ein wenig ergriffen, als mich der letzte Satz komplett ernüchterte... *umfall*

*bravo*
U-Bahn Kind
"Schon wieder dieses Kind! Was ist das bloß für eine Welt, in der Kinder zum Betteln geschickt werden?"

"Meine Füße sind eingeschlafen. Das Kribbeln ist eklig. Aber ich darf mich nicht bewegen, hat Onkel Marek gesagt, sonst gibt es heute Abend kein Essen. - Oh, da kommt wieder die Frau. Die ist gestern und vorgestern auch schon vorbeigelaufen."

"Die arme Kleine, und das im Winter. Stundenlang regungslos in diesem zugigen U-Bahnschacht knien. Na ja, zum Glück sitzt sie direkt vor dem Lüftungsscchacht, aus dem etwas wärmere Luft kommt."

" Vielleicht gibt sie mir heute etwas. Sie schaut mich immer so traurig an. Vielleicht hat sie auch ein Kind und es ist krank oder gestorben. Dann würde ich gerne mit ihr mitgehen und am Tag auf das Kind aufpassen, dass es wieder gesund wird und am Abend mit ihnen zusammen Suppe essen und Brot."

" Vielleicht gebe ich ihr heute etwas. Aber wahrscheinlich bekommt sie das Geld sowieso wieder alles abgenommen. Olaf hat erzählt, dass manche von den Kindern sogar Gliedmaßen gebrochen kriegen oder geblendet werden, dass sie mehr Mitleid auslösen und dem Capo mehr bringen. Grausam sowas!"

"Und dann würde ich mit ihrem Kind in die Schule gehen und Lesen und Schreiben lernen. Mein schönes Bilderlernbuch von Mama hat der Capo weggenommen. Das brauche ich jetzt nicht mehr. Schlaue Kinder bekommen nicht soviel in den Becher, hat er gesagt und es in den Mülleimer auf der Autobahnraststätte geworfen."

" Gebe ich ihr Geld, bekommt sie es abgenommen - kaufe ich ihr etwas zu Essen, kriegt sie auch Ärger, weil sie zu wenig abliefert. Am liebsten würde ich sie mitnehmen. Platz genug wäre im Kinderzimmer fürein zweites Bett und Sarah würde sich über eine Spielkameradin sicher freuen."

" Die Frau macht ihre Handtasche auf. Jetzt schnell nach oben schauen und traurig lächeln. So geben sie mehr, hat Marek gesagt."

" Schöne Idee, aber wer weiß, wo ihre Eltern sind oder was das Jugendamtsagen würde. Ich erkundige mich erst Mal bei Rita, die schafft beim Jugendamt. Vielleicht ist die Kleine auch morgen noch da."

" Oh, ein blauer Schein! Danke! Wie sie schön zurücklächelt. Heute Abend bekomme ich sicher zwei Teller Suppe.
Ich wäre aber doch lieber mit der netten Dame mitgegangen!"

*********2016 Mann
2.250 Beiträge
"Pusteblume"
Diese Geschichte beginnt heute und endet in der Vergangenheit!
Aber endet sie wirklich?
Sie erzählt eine Lebensepisode der Bridget Baumann, einer der letzten freien Journalistinnen in einem, medienpolitisch fast perfekt angepassten Staat.

Bridget betritt die leergefegten Räume. Das Polizeisiegel an der Eingangstür hat sie geknackt.
Im Halbdunkel liegt ihre ehemalige Redaktion vor ihr, der Strom ist abgestellt.
Nur das, durch die Fenster, einfallende Tageslicht erhellt verlassene Räume, stille Flure und vereinsamte Büros. Mutlos und flach hallen ihre Schritte auf dem blanken Laminat.
Ihr Blick wirkt verloren und mutlos, ihre blonden Haare wehen sanft im Durchzug. Irgendwo muss
ein Fenster offenstehen.

Ab einem gewissen Zeitpunkt wurde Bridgets freie und objektive Berichterstattung, ihre
Bürgerinformation, über dass was die Menschen bewegt, besorgt macht, verzweifeln lässt, den Offiziellen
im Lande, der Regierung und den plangesteuerten Medien Moguls lästig und unbequem.
Gegenmaßnahmen wurden eingeleitet.
TV und Radiostationen bekamen dezente Hinweise sich zu distanzieren, Print Medien gaben sich
unzugänglich!
Aus Bürgerkreisen und dem Lager der Gleichgesinnten kamen Glückwünsche und Blumengrüße.
Dankeschön in Form von Schokolade und Pralinen. Anerkennung und Lob via Brief und Mail.

Bridgets Gedanken verharren in der Vergangenheit, sie sieht ihre Mitarbeitercrew vor sich.
Schwitzend und schuftend in den hell erleuchteten Räumen. PCs summen, Schreibmaschinen
klicken, Telefone klingeln. Die Luft atmet Betriebsamkeit und Hektik, ihre Mitarbeiter stehen unter Stress.
Aber sie sind glücklich und zufrieden. Kommt doch immer mehr die Wahrheit über die Probleme im
Lande ans Licht. Asylanten und Emigranten, Altersarmut und ein marodes Versorgungssystem, für alle
ist Geld da, aber selten für die, welche zeitlebens in die Kassen eingezahlt haben.
Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Kindergärten und Schulen ohne ausreichendes Personal.
Kaputte Straßen, Brücken und viel zu hohe Steuern, die Themen nehmen kein Ende.
Und die mediale Gleichschaltung lässt nur eine bereits vorgeformte Meinung zu, alles andere landet
ganz schnell in irgendwelchen extremen Ecken, rechts, links oder auch mal quer durchs Knie.

Nachdem der erste Minister, aufgrund ihrer Enthüllungen seinen Hut nehmen musste setzten die
Vorwürfe ein. Ihre sogenannten Kollegen schießen gegen die freie Redaktion, die Politik klopft
wilde Sprüche und aus Regierungskreisen kommen unmissverständliche Ermahnungen.
Stopphand ist angesagt, System triumphiert über Demokratie!

Bridget und ihre Redakteure, ihre Reporter und Ermittler, ihre Kundschafter die Bürger auf
der Straße befragen, was wirklich abgeht im Lande machen weiter. Lassen sich nicht stoppen.
Zeigen Missstände an und auf. Zivilcourage und Meinungsfreiheit, die Worte hängen als
Wanddekoration in Bridgets Chefbüro. Sie sind der Schlüssel und der Antrieb der freien Redaktion.
Und natürlich das Geld, welches Pierre, der geheimnisvolle Geldgeber aus dem Wallis zuschießt.

Dann kam der große Knall, maßlos verärgert werden Gummiparagraphen dazu genutzt die Redaktion
auszuschalten. Mitarbeiter werden unter Druck gesetzt, abgeworben, mit großen Geldsummen gekauft
und zum Schweigen verdonnert.
Pierre stirbt bei einem tödlichen Autounfall mit Fahrerflucht.
Das Geld versiegt, der Druck wird immer stärker.
Die Crew schrumpft immer mehr und zum Schluss sitzt Bridget ganz alleine da. Immer noch versucht
sie zu berichten, aufzuklären, zu informieren.
Aber sie steht auf verlorenem Posten, das System hat gewonnen.
Und nun ist die Redaktion geschlossen, der Verfassungsschutz hat die Türen dicht gemacht und
Bridget ist eine Persona non grata!

Kein Hund wird mehr ein Stück Brot von ihr annehmen. Journalistisch gesehen ist sie mausetot, und
ansonsten fristet sie ihr Leben von dem wenigen was ihr geblieben ist.
Bridget ist zu prominent um sie wegzusperren, also wird sie zur Außenseiterin und bedauernswerten
Närrin erklärt, die sich in ihren Vorstellungen hoffnungslos verirrt hat.
Ein Mittel welches blendend funktioniert und die Menschen vergessen schnell.

Gestern war Bridget noch die Aufklärerin der Nation, heute ist sie nur noch eine Pusteblume.
Und doch, wie Bridget da so im Eingangsbereich ihrer ehemaligen Redaktion steht, es regt sich
noch Widerstand, angeschlagen ja, aber nicht gebrochen. Zumindest nicht ganz!
Ein wenig Restenergie stahlt die junge, blonde Frau noch aus.
Gibt es ihn noch den objektiven , unbeeinflussten Journalismus?

Kommt Bridget zurück wie Phönix aus der Asche, oder sind die blanken Böden, leeren Räume Signale
für den Ausverkauf der eigenen Meinung?

Wie gut das wir alle in einem Land leben, wo die Uhren nicht so ticken........Oder????

Kamasutra 03/2018
Me 2
*********ld63 Frau
8.541 Beiträge
Lieber Kamasutra2016, ich mag ja sehr, was du schreibst - meistens, jedenfalls! - aber bitte: bevor du es hier einstellst, bearbeite es vorher!

*fluester* das mit den Absätzen geht garnicht!! *sorry*

Danke! *love*
Jup!
Das kann ich auch in dem eher traurigen Bild sehen.
Die verhauene Formatierung passiert mir, wenn ich das Pamphlet auf einem anderen Gerät geschrieben habe und es mir per Mail selbst zugeschickt habe. Dann muss ich es ganz neujoy formatieren.
Beruhigend, dass das nicht nur mir passiert!


*top* laf
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
Into
Ich weiß auch nicht woran das liegt.
Habe den Beitrag gestern vom Papier direkt in den Thread geschrieben, dann Vorschau eingesetzt, alles normal und Absätze wie sie sein sollten.
Dann auf Antwort speichern und die Geschichte War verzogen.
Werde mich um Besserung bemühen, es stört mich nämlich auch selbst.
*wink*
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Themenersteller 
Als Tipp:
Lass den Browser seine eigenen Zeilenenden finden. Sobald Du die Entertaste als Zeilenende benutzt, wird er sie auch nach der Vorschau so einsetzen. Dadurch verschiebt sich das natürlich.

ich nutze die Enter-Taste grundsätzlich nur, wenn ich einen Absatz machen will.

Dann passiert mir noch nicht einmal dann eine fehlerhafte Zeilenumsetzung, wenn ich den Text aus einem anderen Programm hier hereinkopiere.
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Themenersteller 
Ich atme tief durch, denn dies ist mein Schicksal: Ich komme nicht umhin. Ich muss. Ich muss gehen, Freunde, geliebte Menschen, nun sei es so. Für jeden kommt einmal der Tag, oder auch die Nacht.

Die Sonne sinkt, nach und nach verlassen mich all jene, die über den Tag an meiner Seite standen. Der Eine hierhin, der Nächste dorthin. Nach unten aber, da muss ich allein gehen. Muss das Fährniss wagen.

ich dachte die ganze Zeit: Meine Güte, welche Dramatik kann man aus diesem Bild ziehen? Es ist ein tolles Bild, und auch ich habe schon Gedanken dazu in meinem Kopf. Aber so gruselig ist es doch gar nicht?

Und dann das Ende:

Ich bin heute halt mit dem Auto zur Arbeit gekommen. Und das steht in der Tiefgarage. Wenn ich heim will, muss ich da runter.

Moah! *aua* *top2*
Richtig gut gemacht, lieber https://www.joyclub.de/my/2105850.thehidden.html!

Deine Geschichte, lieber https://www.joyclub.de/my/748469.olove.html , hat mich sehr bewegt. Als sie endete, dachte ich nur: Hoffentlich finden die beiden zusammen. Hoffentlich nimmt sie Kontakt mit dem Jugendamt auf und darf das Kind in Pflege nehmen... Selten, dass eine Kurzgeschichte mir so real vorkommt. *hutab*

meine Lieblingsstelle:

" Dann würde ich gerne mit ihr mitgehen und am Tag auf das Kind aufpassen, dass es wieder gesund wird und am Abend mit ihnen zusammen Suppe essen und Brot."

Suppe und Brot! Und wir überlegen stundenlang im Restaurant, welches Menü uns heute schmecken soll und jammern vielleicht noch, dass nichts auf der Karte so richtig den Appetit anregt... *tuete*

Deine Geschichte, lieber Kamasutra2016, ist spannend geschrieben. Deine Fragen allerdings rufen immer wieder in mir den Wunsch hervor, Dich darum zu bitten, die Antworten zu geben. Es ist doch "Deine" Bridget, dann wirst Du doch wissen, wie es weitergeht?
Kommt Bridget zurück wie Phönix aus der Asche, oder sind die blanken Böden, leeren Räume Signale für den Ausverkauf der eigenen Meinung?
Kurz gesagt: Das schreit nach mehr, lieber Kamasutra! : )
*********ynter Frau
9.806 Beiträge
Das Verderben
„Eeeeeeelly“, wisperte es durch das duftende heiße Wasser und sie schrak unvermittelt hoch. Ihr Badewasser schwappte über den Rand und sie stieß einen Fluch aus. Seine Stimme hallte ohne Unterlass in ihrem Kopf, in einer Endlosschleife. „Elly, komm zu mir“, lockte er sie und mit gequälter Miene verstopfte sie ihre Ohren mit den Fingern und tauchte mit ihrem Kopf wieder unter, wünschte sich dort bleiben zu können. So lange es möglich war, hielt sie den Atem an.

Nach zwei Gläsern Rotwein und einer Tablette war er vorerst verstummt. Tief inhalierte sie den Rauch der Zigarette auf ihrem Balkon, um sich zu beruhigen, und starrte in die undurchdringliche Dunkelheit. Der Wind im kahlen Geäst flüsterte ihren Namen in seiner Stimmlage, das Plätschern des Wassers unten im Teich stimmte mit ein. „Elly“.
Die Sehnsucht nach ihm schlug schmerzhaft seine Krallen ihr Herz und doch wusste sie, dass es sie in ihr Verderben führen würde. Doch es gab kein Entrinnen, sie musste sich ihm stellen.
Sie zog sich an, stieg in ihren Wagen und fuhr endlos lange Kilometer in seine Stadt. Die Reifen sangen im Rhythmus: „Elly, Elly, komm". Es war gegen Mitternacht als sie den Ort erreichte und vor verschlossener Türe stand. Doch das hielt sie nicht auf. Sie kletterte über das schmiedeeiserne Tor und landete elegant wie eine Katze auf der anderen Seite. Der Kies knirschte warnend unter ihren Sohlen. „Flieh Elly“, raunten die Steine ihr zu, doch es war zu spät. Seine Macht über sie war unermesslich. Dunkel war es, unheimlich, doch das schreckte sie nicht. „Elly“, flüsterte die Nacht. „Ja, Darling, ich bin da“, hauchte sie.

Stille umfing sie als sie das Mausoleum betrat, es war nicht verschlossen. Einige Kerzen brannten, kürzlich hatte jemand den Blumenschmuck erneuert, blutrote Rosen lagen auf dem Boden, samtig, wunderschön und tot, wiesen ihr den Weg zu ihm. Sie wunderte sich nicht. Selbst jetzt und hier, gebot er noch immer über sie und all die anderen, ob draußen oder drinnen. Rief er auch nach ihnen? Fragte sie sich. War es zumindest das, was sie abhob?
Langsam und vorsichtig stieg sie die Sandsteinstufen zur Krypta hinab. Alles verdichtete sich, das Atmen fiel immer schwerer, ihr Herz raste, Schweißtropfen benetzten ihre Stirn. Lederne Riemen schienen sich um ihren Brustkorb zu legen und bei jedem Ausatemzug zogen sie sich fester zusammen. Mehrere Luftzüge streiften ihre Wangen und fuhren wie starre knöcherne Finger durch ihr blondes Haar. „Elly, Liebste, ich habe dich erwartet“, zischte es an ihrem Ohr. Angst lähmte sie. Alles in ihr schrie: „Zurück, zurück!“

Doch ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Der miese Verräter streckte sich seiner Stimme entgegen. So wie damals. So wie bei jedem Mal, wenn sie seinerzeit ein Date gehabt hatten. Sie war nicht mehr sie selbst, ihr Geist von seinem Zauber geknebelt und mundtot gemacht. Ihr Körper meisterlich verführt, benutzt und sich untertan gemacht. Sie wurde zu seinem willigen Instrument der Lust. Wie immer schon – seit dem ersten Mal. Bitte Darling, zeig dich mir und nimm mich – so wie früher. Bitte, verlass mich nicht.
Kälte. Trotz ihrer Jacke fror und zitterte sie. Ihr Atemhauch gefror in der Luft und die Stimme, die sie rief, wurde immer drängender. „Elly komm. Ich will dich, brauche dich - jetzt“.

Vor dem kunstvollen schwarzen Gitter der Türe blieb sie stehen. Dahinter stand sein Sarg. Ein Strudel aus Luft erfasste sie, machte sie zur Sklavin im eigenen Leib. Sie drehte sich wie in einem lasziven Tanz zu einer imaginären Musik, streifte dabei Stück um Stück ihrer Kleidung ab. Ein sphärisches Röcheln erfüllte den Raum, steigerte sich zu einem Brausen. Es schien ihr als würde weit entfernt ein Champagnerkorken knallen und sein Lachen durch den Raum hallen. „Elly, tanz für mich. Elly, liebe mich. Elly, gib dich mir hin, schenk dich mir – ohne Wenn und Aber.“ Zufriedenheit lag in seinem Ton, lauernd auf mehr.

Elly lächelte. Vergessen alle Furcht. Nur er zählte, alles andere war gleichgültig. Als sie vollständig entblößt war, sprang das Schloss auf und sie huschte barfuß in die Krypta, legte ihre Hand liebevoll auf den seelenlosen Stein, so als wäre es der Körper ihres Geliebten. Streichelte und küsste ihn hingebungsvoll. Sogleich begann das tote Material unheilig zu pulsieren. Artig kniete sie sich mit gesenktem Blick. Der Deckel des Sargs sprang auf und ein milchig weißer Nebel waberte heraus, floss wie ein Wasserfall über den Rand und umhüllte sie vollständig. „Meine Elly“, flüsterte es.
Kalte Lippen legten sich auf ihre, geübte Hände strichen über ihre Haut und versenkten sich in sie. „Elly, verlass mich nicht“.

„Niemals!“ Flüsterte sie. Fremde, weibliche Präsenzen umfingen sie, zogen sie in einen Strudel aus Verlangen und Wollust. Unerhörte Dinge trieben sie immer höher, kitzelten das Letzte an Energie aus ihrem Leib heraus und schmolzen ihren schwächerwerdenden Willen wie Wachs in der Mittagssonne. Er dirigierte sein Orchester aus Sinnlichkeit und Eros. Seinen Körper an ihren gepresst, saugte er ihre Lebenskraft durch alle Poren aus ihr hinaus. Immer elender wurde sie, doch sie konnte und wollte sich nicht lösen, ihn nicht von sich stoßen und Gnade gab es für ihn nicht.
Sein war sie - für immer. In diesem Leben wie in den vergangenen oder künftigen.
In einem nicht endenden Orgasmus schüttelte sie sich wie im Fieber, ekstatisch wand sie sich und zeitgleich begann sie zu sterben. Bereitwillig schenkte sie ihm ihr Leben während sie freiwillig verging. Nur noch als Schatten ihrer selbst stand sie an seine Front gepresst als die Morgensonne rotglühend durch ein buntes Fenster die Szenerie erleuchtete und sie wie in Zeitlupe zu Staub zerfiel, den ein weiterer Luftzug durch den Raum verwirbelte.

*

Eine Bank am Neckarufer. Die Sonne scheint, es ist Nachmittag. Ein Mann sitzt dort und schaut erwartungsvoll in Richtung der Treppe. Er ist lüstern. Aufgeputscht durch sein Kopfkino. Er hat alles genau geplant, nichts dem Zufall überlassen. Heute wird es passieren. Eine schlanke Frau nähert sich ihm, sie strahlt ihn an. Das Ausmaß ihrer Unschuld überwältigt ihn. Viel zu tun. Er freut sich auf die Herausforderung. Wie immer. Wie weit wird er sie diesmal bringen?
Mit Kennerblick registriert er ihre erigierten Knospen unter dem körperbetonten roten Kleid und auch, dass sie - wie befohlen - keinen Slip trägt.
Sie ist es. Sie ist die Seine, jetzt schon. So wie immer.
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Themenersteller 
Wow.

Tief durchatmen. Eine verwirrende Geschichte. Nicht, weil sie verworren erscheint, sondern weil sie meine Sinne verwirrt. Du hast mich mitgenommen, in "seine" Stadt. Atemlos gemacht.

blutrote Rosen lagen auf dem Boden, samtig, wunderschön und tot, wiesen ihr den Weg zu ihm.


So wunderbar morbide und gleichzeitig aufregend. Danke!
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Themenersteller 
Abschluss
Die Dunkelheit zieht sich nur widerwillig zurück und überlässt der kahlen, überforderten Lampe im Untergeschoss gerade genügend Raum, dass man Schemen erkennen kann. Margaux ist nicht zum ersten Mal hier, aber es würde hoffentlich nie wieder notwendig sein, dieses düstere Gebäude aufzusuchen. Fest umklammert sie ihre Tasche und sieht sich in dem Treppenhaus um. Der Aufzug scheint mal wieder defekt zu sein. Also würde sie die Treppe nehmen müssen. Der saure Geruch von Kohl lässt sie flach durch den Mund atmen, dennoch wächst eine leichte Übelkeit in ihr heran. Direkt vor der Aufzugtür hat jemand eine Kerze abgestellt; daneben steht eine Vase mit Blumen. Billige Rosen aus dem Supermarkt, aber immerhin.

Hier also ist er gestorben, denkt sie und zieht die Lederjacke enger um sich. Er soll sich in den Aufzugschacht geworfen haben.

"Wollte nicht mehr leben. Die Geister machten ihm zu schaffen", hatte der Nachbar genuschelt, als die Kommissare ihn befragten. Auf die Frage, welche Geister das denn gewesen sein sollten, gab er keine Antwort. Lieber hätte er ihnen wohl die Tür vor der Nase zugeworfen, aber das ging nicht. Sie hatten ihm ihre Polizeimarken gezeigt, und er hatte sie nach einer ausgiebigen Prüfung anerkennend zurückgereicht. "Auf jeden Fall lief er jede Nacht auf den Flur und stöhnte. Rüttelte an der Fahrstuhltür." Der Mann machte eine entsprechende Bewegung am Kopf. "Als wäre er irre." Dann zuckte er mit den Schultern, lachte dreckig. "Vermutlich wars nur ein übler Trip."

Mehr hatten sie nicht herausfinden können. Die anderen Nachbarn hatten es vorgezogen, nichts gehört und nichts gesehen zu haben.

Unwillig macht sich Margaux daran, die Treppe hinaufzusteigen. Sie will nicht hier sein. Weiter oben, im ersten Stockwerk, streitet sich ein Pärchen. Es geht um seinen Alkoholkonsum und um ihr Fremdgehen. Sie will das nicht hören, aber die zwei sind so laut, dass jeder im engeren Umfeld genau erfährt, wie oft sie ihn betrügt und dass er deswegen trinkt. Man hört das energische Klopfen an der Wand. Vermutlich ein Nachbar, der nun brüllt, dass er seine Ruhe haben will. "Fick dich!" Die Antwort stammt von der Frau, und ihr Mann brüllt: "Soll er dich doch ficken, du lässt doch eh jeden drüber!" Geschirr zerschellt.

Sie will das wirklich nicht hören.

Im ersten Stockwerk sitzt ein Kind auf der Treppe. Es spielt ein Wurfspiel mit Kieselsteinen. Um diese Zeit gehört es eher ins Bett, denkt Margaux und nickt der Kleinen knapp zu. Sie hat noch zwei weitere Stockwerke vor sich.

Müllbeutel stapeln sich im Flur des zweiten Stockwerks. Einer ist aufgerissen und ein übler Geruch steigt von ihm aus. Maden kriechen aus dem Loch, Fliegen surren umher. Ihre Geräusche geben der ganzen Szene einen surrealen Touch, scheinen sie doch das Gebrüll des Paars zu übertönen. Aber nur solange man in der Nähe der Mülltüten ist. Danach setzt sich der Lärm wieder durch.

Margaux lässt den Gestank hinter sich und drückt im Vorbeigehen vorsichtshalber auf den Lichtschalter. Nicht, dass sie hier nachher im Dunkeln steht. Ihr graut vor der Dunkelheit. Endlich erreicht sie den dritten Stock und drückt auf die Klingel neben der Wohnungstür. Sie hört lautes Fluchen, dann rumpelt es. Scheinbar sieht es in der Wohnung nicht besser aus als auf dem Flur.
Nun mach schon auf, denkt sie sich und tritt von einem Bein auf das andere.

Der Lärm in der Wohnung im ersten Stock hat aufgehört, der Streit ist beendet. Nun folgt ein lautes, fast animalisches Stöhnen. Versöhnungssex. Auch das will Margaux nicht hören. Ihr letzter Sex liegt schon so lange zurück, dass die Geräusche für ein feuchtes Höschen sorgen. Energisch drückt sie noch einmal auf die Klingel. Die Tür wird aufgerissen.
Der Mann vor ihr scheint aus einem Lehrbuch für Klischees zu stammen. Unrasiert, fahle Haut und tiefe Ringe unter den Augen. Aus dem Mundwinkel hängt eine Zigarette. Das Unterhemd aus Feinripp ist unförmig und fleckig. Margaux wischt die Frage, wann es das letzte Mal eine Waschmaschine von innen gesehen hat, hastig fort und weigert sich ebenfalls, die graue Sporthose genauer unter die Lupe zu nehmen.

"Was!" Sein Ton ist unwirsch, schon fast unverschämt. Er bellt seine Frage eher wie einen Befehl. Sympathischer macht ihn das nicht gerade. Sie stellt sich ihm vor, teilt ihm ihr Anliegen mit. Wortlos lässt er sie in der Tür stehen, geht in eines der Zimmer. Eine Katze läuft über den Flur und faucht sie an. Margaux erwägt zurück zu fauchen, lässt es dann aber. Der Kerl sieht nicht so aus, als würde er Spaß verstehen, und sie braucht den Schlüssel zur Wohnung.

Schließlich kehrt er zurück und drückt ihn ihr in die Hand. "Den kannst du unten in den Briefkasten werfen, wenn du fertig bist. Die Miete ist bis übermorgen bezahlt, danach schmeiß ich alles raus."

"So lange brauche ich nicht", antwortet sie und dreht sich grußlos um. Noch zwei weitere Stockwerke, dann wird sie da sein. Da, wo sie eigentlich nie mehr hatte sein wollen.

Es hilft nichts.

Der Schlüssel knirscht, als sie ihn im Schloss umdreht. Kurz sammelt sie sich, bevor sie die Tür öffnet. Der Gestank einer Wohnung, die unvermittelt verlassen und seit Wochen nicht mehr betreten wurde, brüllt ihr entgegen. Rasch macht sie Licht und reißt die Fenster auf.

Beißende Kälte strömt herein, aber auch klare, frische Luft. Margaux bleibt am Fenster stehen und holt tief Luft. Dann wagt sie es, den Blick durch das kleine Zimmer schweifen zu lassen. Wie lang war sie hier nicht mehr gewesen? Bestimmt zwei Jahre schon. Sie hatte sich versteckt, vor ihm. War einfach abgehauen und hatte alles hinter sich gelassen, nur damit er ihre Pläne nicht durchkreuzen konnte. Damit er sie nicht finden konnte.

Die Polizei hatte sie gefunden. Nachdem er "unter fragwürdigen Umständen" ums Leben gekommen war. Natürlich hatten sie sie befragt. Grund genug hätte sie dazu gehabt, ihm bei seinem letzten Gang zu helfen. Aber Gründe reichen nicht immer aus, und sie ist kein Mensch, der anderen ein Leid zufügen kann.
Ja. Froh ist sie durchaus, dass der Dreckskerl endlich tot ist. Dass er ihr nichts mehr antun kann. Aber das konnte er auch schon nicht mehr, nachdem sie abgehauen war. Nun aber ist die Zeit der Angst vorbei, endlich vorbei.

Und doch... während sie durch die Wohnung läuft, packt sie das Grauen wieder im Nacken. Nichts hat sich hier verändert in den zwei Jahren. Es sieht heruntergekommen aus. Aber die Tapeten sind immer noch die gleichen, und auch kennt sie noch jedes Möbelstück. Selbst ihre Bilder hängen noch an den Wänden im Flur. Er hat nicht eines abgenommen.

Vorsichtig öffnet sie die Schränke. Ihre Kleider hängen dort noch, ihre Hosen, ihre Blusen. In der Kommode sind feinsäuberlich ihre Dessous aufgestapelt, gleich neben den Feinstrumpfhosen. Im Bad stehen noch ihre Schminkutensilien, im kleinen Hygieneschrank findet sie ihre Tampons. Fassungslos schüttelt Margaux den Kopf. Es ist, als wäre sie nie weg gewesen.

Sie muss sich zusammenreißen. Sie holt ein Fußtreppchen aus der Abstellkammer (dort stehen Flaschen ihres Lieblingsweines. Mehr, als sie zurückgelassen hat, das weiß sie genau) und stellt ihn vor den Kleiderschrank. Ganz oben auf dem Schrank ist der Koffer. Und unter dem Koffer findet sie das, weswegen sie hier ist.

Ihre Geburtsurkunde. Ihr Pass. Die Kreditkarten, die Zugangsdaten für ihre Konten. Alle wichtigen Verträge und Dokumente. Sie hatte das alles versteckt, nachdem er anfing sie zu bedrohen. Sorgfältig packt sie die Papiere in ihre Handtasche. Schließlich setzt sie sich auf das Bett und denkt nach. Nein, sie will sich nicht erinnern. Sie überlegt lediglich, was sie sonst noch mitnehmen möchte. Die Kleider waren teuer, sie sind noch gut erhalten. Ebenso die Dessous, der Schmuck. Will sie die Bilder, die im Flur hängen?

Lange sitzt sie dort und wägt ab. So lange, bis sie die Kälte in der Wohnung nicht mehr aushält.

Sie gibt sich einen Ruck und steht auf.

Nein. Sie will nichts von all dem, was sie vor zwei Jahren zurückgelassen hat. Das alles hat sie nicht vermisst, und sie würde mit diesen Dingen die Erinnerungen mitnehmen. Und die will sie ganz bestimmt nicht.

Gewissenhaft schließt sie das Fenster, löscht das Licht. Gerne würde sie all den Schnaps aus den Flaschen in der Küche in der Wohnung verteilen und ein Streichholz fallen lassen. Nur: Das würde nichts bringen, außer dass das Kind da auf der Treppe seine Wohnung verliert.

Lautlos schließt sie die Tür und macht sich daran, die Treppe wieder herabzusteigen. Im ersten Stock ist Ruhe eingekehrt. Selbst der Versöhnungssex dauert bei dem Pärchen nicht lange. Das Kind ist fort, vermutlich gehört es zu ihnen.

Margaux schaut den Schlüssel noch einmal an, bevor sie ihn in den Briefkasten wirft. Ein letzter Blick wandert zu der Kerze, zu den Blumen.

Dann nickt sie und verlässt das Haus.

Endlich frei.
*********ynter Frau
9.806 Beiträge
Wow! *anbet*

Die Dichte der Gefühle überwältigt mich.
*top*
Phantastisch!
Zwei Mal ausgeliefert. Zwei Mal der Typ tot. Einmal befreit. Oder doch zwei Mal?

@ Nina
Das ist die Mutter aller Vampirgeschichten. Und dass die Männer lange Zähne beim Anblick schöner Frauen bekommen. *top2*

@ Indi
Nimm die Made aus meiner Nase! Lasse bitte,bitte in der nächsten Geschichte einen netten Mann das Treppenhaus putzen und ein Kind an der Hand einer lächelnden Mutter an mir vorbei laufen!
*spitze*
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Themenersteller 
Lasse bitte,bitte in der nächsten Geschichte einen netten Mann das Treppenhaus putzen und ein Kind an der Hand einer lächelnden Mutter an mir vorbei laufen!

Meinst Du, dass es sich in einer netten Umgebung leichter stirbt? *g
Nee,
aber die Zeit bis dahin wird mit solchen Bildern im Hirn weitaus angenehmer! *ja*
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Themenersteller 
Es gibt halt nicht nur Angenehmes auf der Welt... *taetschel*
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