Menschenjäger
Anno 1862…….
Khartoum, finster glänzende Perle am Zusammenfluss des blauen und des weißen Nils.
Sitz des Khedive, dem Statthalters des Padischah. Hauptstadt und Amtssitz des Machthabers im zerrissenen Sudan.
Europäische Offiziere der Kolonialmächte befehligen die einheimischen Askari, schwarze Truppenkontingente als Hilfssoldaten sollen die Politik der Türken und der Kolonialmächte durchsetzen. Bewaffnete Patrouillen trennen die glitzernden Innenstadtbezirke von den verkommenen und verarmten Viertel außerhalb und am Rande der Stadt.
Doch niemand schützt und kümmert sich um die abgelegenen Dörfer und Krals der schwarzen Eingeborenen. Dort herrschen die Menschenjäger, gewissenlose Banden aus den arabischen Staaten, welche ungestraft ihrem schrecklichen und anrüchigen Gewerbe nachgehen. Hunderte Dörfer werden überfallen, gebrandschatzt. Die Kräftigen und Jungen versklavt und verschleppt, die Alten, Kranken und Schwachen erbarmungslos getötet.
Mtombo und Mugawe, Vater und Sohn im Stamme der Bedscha, stehen vor ihrer Wachhütte, die sie zwischen dem, nicht weit entfernt liegenden Flussufer und ihrem, von Dornenhecken umgebenen Kral, errichtet haben.
Ein Feuer lodert hell im verschwindenden Tageslicht. Im großen Topf über der Feuerstelle brodelt eine kräftige Fleischsuppe.
Die Speere in der Hand betrachten Vater und Sohn nachdenklich die Wachhütte und das Feuer. Achtungsgebietend wirken ihre Gestalten, rote Gewänder bedecken ihre dunkle Haut und die eisernen Speerspitzen glänzen im Widerschein der Flammen und der untergehenden Sonne. Einige Bäume verdecken die Sicht auf die nahe Landestelle am Ufer des Nils.
Mtombo und Mugawe wissen das sie diese Nacht sterben werden. Aber sie wollen ein Zeichen setzen, ein Fanal des Widerstands. Ihrem Dorf, ihrem Volk einen Weg zeigen und dem menschenverachtenden Unheil der Sklavenjagd ein Ende bereiten.
Sie wissen die Menschenjäger werden kommen, wenn nicht heute dann morgen, aber sie werden kommen und auch ihr Dorf überfallen so wie es schon einigen Dörfern in der Nachbarschaft widerfahren ist.
Dunkel gleiten drei schwarz gestrichene Schiffsrümpfe durch die stillen Fluten des Nils, die Segel gerefft. Die schwarzen Schiffe nähern sich mit der Strömung, unterstützt mit leichten und fast unhörbaren Ruderschlägen. Nahezu geräuschlos verhalten sie an der Landestelle, nur ein leises Plätschern verrät den fallenden Anker. Angeworbene Bor Krieger drängen von Bord, geführt von arabischen Sklavenjägern. Die Bor sind Feinde der Bedscha und ahnen nicht, dass auch sie in einigen Wochen auf dem Markt von Faschoda als Sklaven verkauft werden sollen. Den Arabern ist nicht zu trauen und ihrem Anführer schon mal gar nicht.
Flinten und Pistolen, Säbel und blanke Klingen leuchten matt im Fackelschein. Vermummte und schwerbewaffnete Araber setzen sich, mit wehender Dschallabija, an die Spitze der Marschkolonne. Metall klirrt. Ochsen stapfen schwerbeladen daher. Schebahs, grobe Handschellen und Ketten werden in großer Anzahl mitgeführt. Speziell auf Schwarze abgerichtete Hunde geifern an starken Stricken.
Die gewissenlosen Menschenjäger unter der Führung des grausamen Amru ibn Malik erhoffen sich reiche Beute und viele Sklaven.
Härte und satanische Grausamkeit spiegelt sich in furchterregenden, bärtigen Gesichtern.
Hemmungslose Gier in gnadenlosen Augen.
Amru ibn Malik ist berüchtigt und gefürchtet in den Provinzen des Sudan. Der braungebrannte und brutale Araber wird von den Einheimischen als Sohn des Teufels bezeichnet. Tausende hat er schon verschleppt und getötet, geraubt und gemordet wie kein zweiter und sein Name verbreitet Furcht und Schrecken unter den afrikanischen Stämmen und den Askari des ägyptischen Vizekönigs.
Mtombo und Mugawe machen sich bereit, sie haben den heran nahenden Tod bereits erspürt. Die Marschgeräusche der Menschenjäger jagen Vater und Sohn einen kalten Schauer über die angespannten Körper. Der Tod schiebt ihnen seinen eisigen Atem entgegen! Die beiden Bedscha wollen mit ihrem Opfer zum Widerstand aufrufen.
Sie hoffen zwei oder drei der Sklavenjäger töten zu können, bevor sie deren Wut zum Opfer fallen. Die Tapferkeit der Bedscha soll die Menschenjäger vertreiben.
Sirrend zischen ihre Speere durch die warme Luft, finden ihr Ziel im schwarzen Herzen zweier Bor, die der Menschenjäger Schar, als Kundschafter, vorauseilen.
Zwei weitere Speere sirren in die dunkle Masse der Herannahenden.
Schreien, Fluchen und trampelnde Schritte von vielen Männern. Blitzende Säbel und gezückte Pistolen. Und dann sind die brutalen Sklavenjäger da, zerhacken die beiden tapferen Bedscha und umstellen blitzschnell das Dorf.
Brandfackeln entzünden Strohdächer und Dornenhecken. Hastende Gestalten, dröhnende Schüsse, im Feuerschein blinkende Klingen. Blut fließt, Gewalt tobt.
Angst frisst die Seelen der schlaftrunkenen Dorfbewohner und vereinzelte Gegenwehr wird gnadenlos zerschmettert.
Ein harmloses Dorf wird niedergemacht. Dutzende sterben, Hunderte werden gefangen, versklavt, streng gefesselt und gut bewacht zu den wartenden Schiffen geführt.
Eine erfolgreiche Jagd für Amru ibn Malik.
Die wenigen die entfliehen konnten, werden morgen die Totengesänge für Mtombo und Mugawe anstimmen!
Kamasutra 20.03.2018