Aus dem Lektorat eines Verlages
Wie vor geraumer Zeit versprochen, starte ich hier mal einen Thread, in dem es hauptsächlich um grammatikalische und stilistische Fehler, Ungereimtheiten, Stolpersteine oder Ungeschicklichkeiten von begeisterten Autorinnen und Autoren geht, die nur allzu gerne veröffentlichen würden und sich deshalb an einen Verlag gewandt haben.Schon bei den Briefen fängt es leider an: Ich habe manchmal Anschreiben auf dem Tisch, da verschlägt es mir die Sprache: In einem Brief von einer halben DIN-A-4-Seite z. B. zwanzig Rechtschreibfehler zu finden, geht ja noch (das ist heutzutage fast schon üblich, leider), doch das könnten ja auch alles Tippfehler sein, die in der Aufregung schon mal passieren können. Doch wenn einem da schon vor falscher Grammatik und üblen stilistischen Schnitzer die Haare zu Berge stehen, fällt es schwer, das Manuskript mit einem gewissen Wohlwollen zu lesen. (Nachher folgt mal ein reales Beispiel aus einem Brief.)
Aber der Lektor (also z. B. ich) ist ja kein Unmensch. Er sitzt also im Verlag, runzelt zwar leicht irritiert die Stirn, schlägt aber dennoch gespannt die erste Seite des Manuskripts auf, rückt die Lesebrille zurecht ... Und denkt: Ich lese wohl nicht richtig.
Bereits auf den ersten zwei, drei Seiten entdeckt er solche "Klöpse", dass er das womöglich mit Inbrunst und Herzblut geschriebene Werk eines vermeintlichen Genies sofort wieder zuklappt - und es unverrichteter Dinge von der Sekretärin mit ein paar netten, vorformulierten Zeilen zurück schicken lässt und nicht mal im Traum daran denkt, noch mehr Zeit für dieses Manuskript zu verschwenden.
Enttäuscht stellt die junge, hoffnungsvolle Autorin oder der von sich selbst so sehr überzeugte Autor dann womöglich fest, dass das Werk nicht mal richtig gelesen wurde (oder nur bis Seite 3), und sie fragen sich, warum Lektoren in Verlagen bloß immer solche Ignoranten sind.
Und der Lektor fragt sich, warum den Autoren ihr eigenes Werk nicht mal so viel wert ist, dass sie es mit einer gewissen Liebe und Sorgfalt verfassen und immer wieder so lange überarbeiten, bis alles einigermaßen sitzt und passt - und es mit gutem Gewissen aus den Händen gegeben und zu einem Verlag geschickt werden kann.
Auch das Schreiben bedarf eines gewissen Handwerks, hat mit Arbeit und Selbstkritik zu tun, mit Selbstzweifeln und immer wieder aufs Neue zu verbessern. Und das wird leider nur allzu oft vergessen. Viele halten sich, nur weil sie eine geile Idee hatten, für Schreiber von Gottes Ganden, die nicht mehr an sich arbeiten und schon gar nicht an ihrem Werk feilen müssen. Für manche der angebotenen Werke tut es mir dann richtig leid, denn sie hätten bessere, arbeitswilligere und selbstkritischere Autoren verdient gehabt - die Idee war nämlich wirklich richtig gut.
Nun noch ein reales Beispiel aus einem Anschreiben an einen Verlag (alle Rechtschreib-, Grammatik- und Stilfehler sind exakt so geschrieben gewesen), und das ist nicht mal ein besonders krasses Beispiel:
"... hiermit biete ich ihnen mein Erstlingsroman an, den sie sicher gern bringen werden, denn das Buch ist spannend. Weil meine Freunde alle meinen, es sei der Hammer, man kann es nicht mehr von der hand geben, ohne es gelesen zu haben.
Ich wünsche ihnen viel Spas beim lesen (* Anm. v. mir. es handelt sich um die traurige Geschichte eines langsamen und qualvollen Todes!) und gehe davon mal aus, das sie dieses Buch schnell veröffentlichen wollen. Die Unterlagen und den Vertrag schicken sie dann bald möglich an meine Anschriftsadresse oder meine Email ..."
Herrlich, nicht wahr? Das macht so richtig Laune!
Und nun stellt Euch mal vor, Ihr sollt jetzt das Werk dieses erwartungsvollen Autoren lesen und bewerten.
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So, das war die Eröffnung des Threads. Ich werde jetzt in loser Form immer wieder Beispiele oder kleine Geschichten, vielleicht auch mal Teile aus Gedichten bringen, und Ihr dürft Euch Gedanken darüber machen, was daran falsch oder ungeschickt oder auch nur schlicht unfähig sein mag, wo genau das Sprachgefühl fehlt, wo es an Kenntnisse der deutschen Grammatik mangelt und vor allem auch an stilistischem Fingerspitzengefühl - und ich werde es dann immer nach einer Weile zu erläutern versuchen.
Und ich versichere noch einmal extra, dass es alles ausschließlich real vorgekommene Sätze und Formulierungen aus Manuskripten sein werden. Und dass Tippfehler u. dgl. dabei nicht berücksichtigt sind, was wohl auch ein wenig unfair wäre).
Der Antaghar