“Schwertgesang”
Akaya Unagi und Chiko Tanakra sind Brüder im Geiste. Westlich der großen Stadt Osaka leben sie in einer kleineren Ansiedlung. Die beiden Samurai ertüchtigen schon seit über zwei Stunden angestrengt und ununterbrochen ihre Kampffertigkeiten, halten nun jedoch einen Moment inne um den schönen Sonnenaufgang zu genießen. Muskulös und kraftstrotzend die Oberkörper, trainiert und ausdauernd die Beinmuskulatur, sehnige Arme und kräftige Hände. Spezielles
Glanzspray welches Akaya und Chiko zum
einreiben ihrer Körper benutzen verleiht der Haut einen samtenen Schimmer. Die Köpfe, bedeckt mit einem kurzgeschorenen Pelz schwarzer Haare, wenden sich erwartungsvoll der blinzelnden Sonne zu. Augenpaare, mit einem leichten
Grünstich behaftet saugen die wärmenden Sonnenstrahlen auf. Die morgendliche Kühle verfliegt. Ein Moment der Entspannung, selten für Mitglieder der Leibwache des großen Daimyos Hattori Hanzo. Im ewigen Streit der Fürsten untereinander, dem Kampf der großen Häuser um mehr Macht und Einfluss sind solche Augenblicke eher selten. Das Land der aufgehenden Sonne ist zerstritten und geteilt im Ringen um das Shogunat. Hass und sich wiederstrebende politische Richtungen treffen oft genug mit blanker Gewalt aufeinander.
Schon bald wenden sich die beiden Kämpfer wieder ihrem täglichen, harten Üben zu, Klingen kreuzen sich, schlagen aneinander. Finten und schnelle Ausweichbewegungen, einstudierte Angriffsschritte und die hohe Technik des Schwertkampfes lösen sich ab. Ein wilder, feuriger und faszinierender Wirbel, ohne irgendwelche
Schönheitsfehler oder Unsicherheiten.
Unagi und Tanakra nennen eine unglaubliche Disziplin und hochentwickelte Kampftechnik ihr Eigen, scheinen eine brennende Gefährlichkeit
auszuströmen, die hohe Kunst des Samurai Schwertgesangs bringt ihr Blut in Wallung. Bis zur Erschöpfung werden sie auch heute trainieren. Daimyo Hanzo duldet nur die Besten in seiner Garde, elitäre Auserwählte die seine Farben vertreten dürfen. Der greise Fürst, hoch in den Siebzigern, ist der viertmächtigste Daimyo im Lande, eine Stellung die der alte Stratege weiter halten und sogar noch ausbauen möchte. Macht hat eben kein
Verfallsdatum. Dazu benötigt er eine starke und gut ausgebildete Armee. Die beiden Hauptleute Unagi und Tanakra wissen dies ebenso und möchten ihren Rang nicht abtreten müssen.
Schwertgesang, das hohe Lied von wirbelndem Stahl, funkenschlagenden, klirrenden Begegnungen von Metall, dem Zischen der durchschnittenen Luft, dem Stöhnen kämpfender Männer und den typischen Eindringgeräuschen in weiches Fleisch.
Einige Kilometer entfernt in einem kleinen, abgelegenen Gasthaus. Ein Dutzend schwarzgekleidete Männer ist gestern Abend hier angekommen. Der Geruch von Gewalt und Brutalität entspringt ihrer Gewandung. Drachenköpfe sind auf den Handrücken tätowiert. Alle anderen Gäste haben das Haus schnellstmöglich verlassen. Einige der fremden Männer sitzen schon unten im Gastraum, andere tummeln sich noch in den warmen
Gästebetten.
Der Anführer der Truppe, ein wuchtiger Mann mit der Figur eines Sumo – Ringers ruft die letzten seiner Gefolgsleute ungeduldig aus den Kammern.
„Nur nichts
überstürzen, Akushi-San“ murmelt einer der Schwarzgekleideten um unter dem gnadenlosen Blick des Truppführers gleich wieder zu verstummen. Auf ein Zeichen verschwinden die unheimlichen Gäste lautlos wie sie gekommen sind. Zurück bleibt ein verlassenes Gasthaus, ein toter Wirt und schleichende Angst. Die Gruppe macht sich auf den Weg zum Trainingsplatz der beiden Hauptleute. Sie zu töten ist die Aufgabe der Mörderschar im Auftrag des größten Konkurrenten von Fürst Hanzo. Das Ringen um das Shogunat ist erbarmungslos. Ein Abtrünniger, welcher seinen grausamen Lohn bereits erhielt, lieferte das nötige Wissen um den heutigen Aufenthaltsort. Nun ist die gedungene Schar unterwegs, fest entschlossen sich das Blutgeld zu verdienen und den beiden Hauptleuten der Hanzo Familie den Garaus zu machen.
Die beiden Hauptleute haben ihr umfangreiches Training beendet, erschöpft sitzen sie beim traditionellen Tee. Der Duft nach Minze erfüllt anheimelnd das Quartier und still genießen Unagi und Tanakra ihr belebendes Getränk. Trotzdem schläft ihre Wachsamkeit nicht, das Reich ist unruhig in diesen Tagen. Sie ahnen um die Gefahr eines Überfalls, ihr Instinkt, ihre Erfahrung warnt sie. Nach außen entspannt, sogar leicht schläfrig wirkend sind sie jedoch höchst wachsam. So entgeht den beiden nicht das leichte Geräusch als einer der behutsam heranschleichenden Angreifer auf einen herumliegenden Ast tritt, welcher mit einem leisen Knacksen unter seinem Fuß bricht. Als die Schwarzgekleideten aufgrund dessen nun eiligst Türen und Fenster einschlagen, ungeordnet hereinstürmen empfangen sie vorbereitete, in letzter Sekunde gewarnte Kämpfer.
Akaya Unagi und Chiko Tanakra, Meister des Schwertgesangs, schnellen geschmeidig, Sprungfedern gleich, hoch. Die tödliche Melodie, das Sirren und Sausen des Schwertes erhebt ihren Taktstock in geradezu meisterhafter und geübter Präzision. Sonnenlicht bricht sich in aufblitzendem Stahl, Männer stampfen und schreien. Körper wirbeln schattenhaft umeinander, tanzenden Raubtieren gleich. Scharfe Klingen lodern wie gefräßigen Flammen, gleichsam auf ihre Beute lauernd. Schlagen blitzschnell zu und treffen unausweichlich. Ein tödliches Ballett. Wut und Entsetzen spiegelt sich auf den blanken Gesichtern der Angreifer. Nur wenige Minuten dauert das ungestüme Gemetzel, dann ist der überraschende Überfall abgeschlagen. Die schwarzgewandeten Angreifer liegen tot am Boden, nicht einer hat überlebt. Die Hanzo Hauptleute Unagi und Tanakra bluten aus mehreren Wunden, ihre Kleidung ist zerrissen, schmutzig, von Blut besudelt, aber sie leben. Dienen weiterhin ihrem verehrten Daimyo und dessen wachsender Macht. Der Kampf um das Shogunat wird noch viele Opfer fordern aber Hanzos Erwartungen sind um ein wenig gestiegen.
Ein schwaches, siegesbewusstes Lächeln spielt um die Lippen der beiden Männer, derweil die Augen wachsam und ernst bleiben. Müde sind sie und nun vollkommen erschöpft.
„Glück gehabt, mein Freund, auf zu unserem Herrn, wir müssen Daimyo Hanzo-San von diesem dreisten Überfall berichten,“spricht Unagi mit fester Stimme.
Wie zwei flinke Schatten verlassen die Männer ihre Unterkunft, später am Tag werden sie einige ihrer Soldaten schicken um die Leichen fortzuschaffen.
Kamasutra 16.01.2020