Burt Reynolds - oder wie er meine Muse küsste
Ästhetik, Gästebett
besenrein, Schönheitsfehler
Brustpelz, Grünstich
jucken, Verfallsdatum
(L)locken, Glanzspray
Kult, ausströmen
triebhaft, überstürzen
Zeitgeist , einreiben
Ich sitze vor meinem Laptop und versuche krampfhaft aus den acht Wörtern, die ich auch noch eingestellt habe, sowie denen der letzten Woche, eine Geschichte zu schreiben. Doch mein Kopf ist wie leergefegt, besenrein sozusagen, wie einmal gründlich durchgekärchert. Ein leerer hoher Raum mit Parkettboden und einer großen Fensterfront mit weißen, dichtgewebten Gardinen. Es besteht kein Zweifel, die Räumlichkeit besticht durch ihre Ästhetik, Minimalismus pur, und ich befinde mich gerade dort, wo normalerweise unaufgeräumtes Chaos herrscht – einer Messibude gleich, aus dem sich die Aha-Momente speisen, die unter Umständen in Rekordzeit zu einer Idee wachsen.
Doch wo sind sie denn heute, die Ideen und die Musenküsse?
Ich schreite durch das Zimmer, denn seltsamerweise trage ich meine nicht gerade bequemen HighHeels. Ich bin vorsichtig auf ihnen unterwegs.
Ob ich sonst noch etwas anhabe, willst du wissen?
Was ist denn das für eine Frage samt triebhafter Intention? Also wirklich! Meine Empörung ist nur gespielt, ich mag deine eindeutige Zweideutigkeit und ertappe mich dabei, dass ich lächle. Wo steckst du eigentlich?
Die Vorstellung unserer Lippen im Spiel miteinander fehlt mir. Offensichtlich bist du gerade nicht hier, sonst fiele mir sicher etwas Schlüpfriges ein. Gut, das müsste dann vor dem Posten hier erst noch durch die innere Zensurbehörde, aber immerhin – ich hätte eine Geschichte.
Ruhig, nur nichts überstürzen. Noch ist ja Zeit.
Doch zurück zu deiner Frage. Keine Ahnung, ich weiß nicht, ob ich bekleidet wandle. Es tut nichts zur Sache. Wenn, dann etwas, das ich bewusst nicht auf meiner Haut spüre.
Darf man sich denn nicht nackt auf Stiletti oder mit nur einem Hauch von einem Nichts bekleidet durch seinen eigenen Geist bewegen?
Kurz flitzt Frank’n’Furter (aus dem Kult-Film) samt Korsett und dabei barfuß an mir vorbei. Und wird - süffisant grinsend – direkt und komplett von der leeren Wand verschluckt. Wieder so ein Gedanke, den ich nicht greifen und festhalten konnte. Verzweiflung macht sich allmählich in mir breit. Die Uhr tickt unbarmherzig.
Meine Schritte auf dem Holzboden hallen durch die Räumlichkeit. Ich laufe diesen weiten Raum ab. Meine Augen sehen weiße Wände, ich luge zwischen dem Store durch die Scheibe nach draußen. Vielleicht befindet sich ja außerhalb eine greifbare Idee?
Auf der anderen Seite des Glases zeigt sich ein weiterer Raum. Es ist zwar genauso hell dort wie bei mir im Zimmer, aber leider genauso leer. Meine Kreativität geht gegen Null. In Gedanken lasse ich jedes Wort einzeln auf meiner Zunge zergehen, wie ein imaginäres Sahnetoffee, warte dabei auf eine Reaktion meines Geistes. Auf einen Fluss von Bildern vor meinem inneren Auge, die einen kleinen Film ergeben, welchen ich dann nur niederzuschreiben brauche. Auf eine Emotion, vielleicht eine Liedzeile oder ein kurzes Musikstück, die in meinem Kopf hochpoppen und einen Text inspirieren.
Die kleinen Rädchen in meinem Gehirnskasten setzen sich in Gang. Ich spüre es. Sie bewegen sich jedoch nur schleppend und es knirscht allenthalben – wie bei altem Gebälk oder Sand im Getriebe.
Sie produzieren Müll. Belangloser Blödsinn, Blabla ohne Knalleffekt und lauwarme Erotik, die vor Klischees nur so vor sich hin tropft.
Nein, so was kann und will ich „hier“ nicht schreiben.
Vielleicht sollte ich mal über Kritisches nachdenken? Etwas, das dem Zeitgeist entspricht, z.B. über den Klimawandel und dem allseits hektischen Aktionismus, der in der politischen Riege vorherrscht seit Greta & Konsorten die Nachrichten eroberten?
Ich seufze und verwerfe. Das Thema ist ausgelutscht und mehrfach durchgekaut. Selbst ich mit meinem toleranten Grünstich kann es nicht mehr hören und schalte um, wenn es im TV läuft. Ich sinke frustriert auf den Boden. Ok, dann gibt es eben auch diese Woche keine Geschichte. Ende, Gelände. Es ist fünf vor Zwölf. Druck raus aus dem Kessel.
Was ist das? Meine Nase filtert einige wenige Duftmoleküle aus der Luft. Ich erkenne sie und es ist nicht das Aroma eines mit Gedankenfett eingeriebenen und mit Glanzspray gestylten haarlosen Adonis, sondern der von ausströmenden Ideen-Gas, inspiriert von ungewaxtem Körperhaar und dem zugehörigen persönlichen Touch.
Augenblicklich durchzuckt und durchdringt es mich. Im eben noch leeren Raum stehen, wie von Geisterhand dorthin gezaubert, meine breite Ledercouch
(OMG, was die schon alles gesehen hat – mit Haar und ohne!), eine weiße Bücherwand, die schier vor Buchstaben überquillt, sowie ein dicker Teppich, der klaglos das Geräusch meiner Absätze schluckt – ohne nach den Kalorien zu fragen.
Insiderwitz.
An den Wänden hängen schwarz-weiß Fotos, auf denen wir gemeinsam lachen und uns im Arm halten.
Kreuz und quer liegen die Ideen durcheinander, übereinander gestapelt, ohne jedes Ordnungssystem. Dazwischen einige Rosenblätter, ein seidiger roter Slip mit verräterischer Spur und zwei vergessene Sektgläser, über die ich fast gestolpert wäre. Chaos pur. Halleluja!
Ein Gedankenblitz elektrisiert mich und ich greife in die Kiste, die sich direkt vor mir materialisiert. Die gereifte Idee sprudelt geradezu über, sie reizt und lockt mich. Nein, ich werde nicht über deinen kuschligen Brustpelz schreiben, an den ich mich so gern schmiege und in dem ich mit meinen Fingern auf Dschungeltour gehe.
Burt Reynolds als Pseudo für den Mann ohne Schönheitsfehler, für den es einfach kein Verfallsdatum gibt und der nicht im Gästebett liegt, sondern sich lüstern auf dem Bärenfell räkelt, muss warten, auch wenn sein linker Arm dabei einen Krampf bekommt.
Etwas ganz anderes juckt mich gerade gehörig an höherer Stelle und ich kann es kaum erwarten, meinen geistigen Erguss in die Tasten zu hauen.
Welches Thema denn nun? Fragst du und meine Erinnerung deiner Stimme klingt augenzwinkernd, herausfordernd und ungeduldig.
Nicht heute, lass es uns noch ein wenig hinauszögern. Neue Wörter - neue Geschichte.