"Triumph für B.O.C"
Bertram Otto Clasen, kurz von allen B.O.C gerufen wühlt in seiner Vergangenheit, die edle Zeit seiner höchstpersönlichen Triumphe. Als junger Mann rezitierte B.O.C fließend Goethes
Erlkönig , heute reicht es gerade noch für die Schlagzeile der Bild. Sein altersschwaches Radio dröhnt hingebungsvoll und mit voller Lautstärke "Born To Be Wild", auch eine Reminiszenz an längst vergangene Tage. Genau wie die Erinnerung an die "Easy Rider" Filme und die längst verblichene Tatsache das auch Bertram Otto in jungen Jahren die Straßen unsicher gemacht hatte. Oft genug brummte B.O.C unter Einfluss von
Zwetschgen Wasser und ähnlichen Antriebsstoffen, mit seinem geliebten Zündapp Krad, durch die Stadt und das benachbarte Umland, sorgsames
herumlavieren um etwaige Polizeikontrollen und sonstige Störeinflüsse war zwingende Notwendigkeit. Aber das ist goldene Vergangenheit und
selbstbewusst wendet sich B.O.C seinem, für uns ,
skurril anmutenden Alltag zu.
Ein prüfender Blick seitens des Rentners über das notwendige Handwerkzeug. Kladde, Bleistift, Anspitzer, Bunderwehr Feldstecher und natürlich die aktuelle Tagesflasche Grand Marnier, samt frisch gespültem Schwenker. Alles da und somit kann die tägliche Beobachtung des Straßengeschehens starten. Die Insektenkolonien in den Bäumen, rechts und links seines Wohnzimmerfensters nehmen keinerlei Notiz von den Eskapaden des Ruheständlers. Gelassen krabbeln, wuseln und krauchen sie ihres Weges, knabbern an den in bunten Herbstfarben schillernden Blättern und achten höchstens auf gefährlich wirkende Spinnen, welche ihre Netze tückisch zwischen den Zweigen verteilen.
B.O.C stützt seine Ellbogen auf das weiche Kissen und setzt den Feldstecher ans Auge. Heben und
senken , schwenken nach rechts und nach links, nichts entgeht den wachsamen Blicken des Bertram Otto Clasen. Auch nicht das Menschen Gewusel an der naheliegenden Kreuzung wo ein dämlicher Fahrradfahrer es doch tatsächlich geschafft hat, den Papierkorb, welcher die wartenden Fahrgäste an der Bushaltestelle der Linie 132 zur Sauberkeit ermuntert, platt zumachen. Und wie könnte es anders sein, der Dumm Batz ist niemand anders als B.O.Cs Lieblings Mitmieter und Hassfreund Rickmann. Rickmanns blaues Auge ist deutlich im Fokus des Feldstechers zu bewundern und B.O.C gönnt sich, aufgrund des amüsanten Ereignisses, gleich einen dreifachen Marnier. Eine
Rettungsmannschaft , bestehend aus drei ehrenamtlichen Hilfssanitätern, bemüht sich bereits um den angeschlagen wirkenden Rickmann. Der Zusammenstoß mit dem Papierkorb findet genauso Beachtung und Niederschrift in B.O.Cs denkwürdiger Kladde, wie die lautstark geführte Diskussion des Ehepaars Wichmann, die auf dem täglichen Gang zum Aldi Markt, ihre Einkaufsstrategie lebhaft erörtern. Allerdings sind die Wichmanns heute etwas später unterwegs als gestern. Und dann ist da noch die dralle Blondine, von schräg gegenüber, die auch an kalten Herbsttagen noch Frühlingsgefühle erwachen lässt und geschickt ihr Wäschereck auf Balkonien aufstellt. Auch dies wird gewichtig vermerkt und der Bleistift kratzt unermüdlich über weißes Papier. Der Anblick der blonden Schönheit ermutigt B.O.C zu drei, vier weiteren Likörchen, womit der fallende Pegel der Marnier Flasche ins Gleichgewicht mit dem steigenden Blutalkoholpegel des passionierten Ruheständlers kommt. Und dann wird B.O.C eine derbe Unterlassung bewusst, eine dringende Notiz in eigener Sache. Ali, der türkische Kiosker, muss ihm unbedingt warme
Einlagen für seine Pantoffel besorgen, nichts ist unangenehmer als kalte Füße. Eine weitere bemerkenswerte Notiz in B.Ö.Cs hochwichtiger, im edlen Mahagonidesign, glänzender Kladde. Noch einige weitere höchst interessante Unwichtigkeiten finden Eintrag in Bertrams Schriften, wie z.B. die Witwe Schumacher, die ihren viel zu dicken Dackel Waldi, im Bollerwagen spazieren fährt. Oder der arbeitslose Toni, der als Straßenmaler unsinnige, wohl magische Symbole, aufs Pflaster malt. Triumphierend stellt unser fideler Rentner und Sensationsjäger, anhand Strichlistenchecks, den Verzehr des zwölften Marnier fest, als ihn eine unwiderstehliche Müdigkeit überfällt und er sang und klanglos zum Mittagsschläfchen einnickt.
Kamasutra 08.10.2018