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Geschichtenspiel Teil 45

**st
Oberaffentittengeiles Geschreibsel! *zugabe*
*********ynter Frau
9.825 Beiträge
In diesem Leben?
Es war einer dieser heißen Frühlingstage, die sich wie Sommer anfühlten. Chloé hatte einen der eher umkämpften Plätze an „ihrem“ See ergattert und ließ ihre Beine bis zum Knie im Wasser baumeln. Keiner der üblich verwunschenen Orte, die es hier auch gab, mit verborgenem Sitz inmitten des Schilfs oder zwischen den teils ausgewaschenen Wurzeln alter Bäume, sondern ganz profan, eine abgelegene und in die Jahre gekommene Betonplatte, die in ihren Glanzzeiten wohl eine Rampe für kleine Boote gewesen war.
Ein Teil war nun hinuntergebrochen und ragte in einer recht schiefen Ebene ins Wasser. Man konnte dort relativ bequem - in fast jeder Körperhaltung - stundenlang verharren und die sich vom Wind kräuselnde Oberfläche des Sees im Blick haben, nah und fern zugleich. Und von dem leicht erhöhten Standort blickte man durch die verschlungenen Wasserpflanzen in Richtung Grund. Unter der zerbrochenen Platte schwappten kleine Wellen.

Sie träumte vor sich hin, genoss die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut und die erfrischende Kühle des Wassers. Wildbienen bei der Arbeit summten ihr ein Lied, Wasserläufer lieferten sich Wettrennen über die Seeoberfläche, die eine oder andere Ameise kletterte über ihre Arme und ab und zu öffneten sich im Nass unvermittelt Löcher in Fischmaulgröße um Insekten, die der trügerisch ruhigen Wasseroberfläche zu nahe gekommen waren, zu verschlingen.

Nichts so sehr wie ihre Freiheit zurück, wünschte sie sich. Frei, ihren Traum zu leben, vom kleinen Häuschen über dem blauen Meer, mit dem Mann ihres Herzens. Frei, zu tun, was ihr in den Sinn kam. Frei zu sein, zu lieben, auch ihre Lust zu leben. Frei zu sein, zu gehen, wohin sie wollte.

Der Kummer über die schon viel zu lange andauernde Situation hatte sich wie ein schwarzes Tuch über ihr Wesen gelegt und drohte es zu ersticken. Sie brauchte einfach ihre tägliche Dosis blau. Die Weite des Himmels, dessen Azur sich im stillen Gewässer spiegelte. Himmel oben wie unten. So sollte es sein. Nicht Himmel und Hölle, wie es war. Das satte Blau, ihre Augen tranken es, während sich das noch pistazienfarbene Frühlingsgrün der Pflanzen sich wie Balsam auf ihre Seele legte. Das gab ihr immer wieder die Kraft, dem Dunkel zu trotzen.

Wie sie so dasaß und versonnen das Seelenblau der Ferne genoss, bemerkte sie nicht, wie sich ihr durch das Wasser etwas Schlängelndes näherte. Erst als das Tier eines ihrer Beine berührte, schrak sie zusammen und gefror in ihrer Haltung. Eine lange schwarze Schlange wand sich um ihre Wade und Reptilienaugen schienen sie über ihr Knie hinweg anzustarren und dabei zu hypnotisieren.
Rühren konnte sich Chloé nicht, doch ihr Kopf lief auf Hochtouren. Eine Schlange – hier? War sie giftig? Würde sie zubeißen? Wo sie doch schon bei normalen Wespenstichen hochallergisch mit heftigen Schwellungen reagierte und in den Tagen danach Ähnlichkeit mit Quasimodo, dem unglücklichen Glöckner von Notre Dame, aufwies. Würde die Schlange sie lähmen und als Beute auf den Grund des Sees in ihr Schlangennest ziehen?
Im Geiste ging sie die heimischen Arten durch, denn sie glaubte nicht, dass eine tropische in dem kühlen Gewässer den Winter überleben könnte. Glänzend schwarz und elegant wirkte sie. Das Schuppenkleid an ihrer Haut wirkte warm. Alles an diesem Reptil war seltsam. Wäre der Gedanke nicht so absurd, man könnte sie für eine Göttin halten. Keine Aspis Viper, auch keine Kreuzotter. Eine Ringelnatter kam ihr den Sinn, doch waren die nicht eher flohfarben?

„Hab keine Angst Mädchen.“ Zischelnd sprach das seltsame Wesen nun zu ihr und beruhigend wirkten diese Worte. Sie brachten längst verschüttete Saiten in ihr zum Klingen.

„Ich werde dir kein Leid zufügen, denn davon trägst du schon genug in dir. Im Gegenteil – ich werde dir Glück bringen. So lange schon beobachte ich, wie das schwarze Tuch dich im Würgegriff hält. Es wird dich bald erstickt haben. Nicht nur durch das Wasser wird es mir zugetragen. Selbst die winzigsten Geschöpfe hier – wie diese kleine Spinne in deinem Haar - kommen zu mir und bitten mich, dir zu helfen. Sie können deinen Kummer nicht mehr mitansehen.
Erkennst du mich denn nicht, Chloé? Ich bin die gute Unke, Sagen und Märchen erzählen von mir. Doch wir waren einst Freundinnen. In einer Zeit, in der noch an mich geglaubt wurde. In einem anderen Leben.“

In Chloé glomm eine Erinnerung aus längst vergangenen Tagen auf. Sie sah ein kleines Mädchen auf einer Treppe sitzen, die ihr Schüsselchen mit Milch sowie die darin eingetunkten Kekse mit einem freundlichen Wesen teilte und den Eltern nichts von der seltsamen Freundin, welche unter der Türschwelle lebte, erzählt hatte. Der Freundin, die in manch kalter Winternacht auch unter ihrer Decke schlief und ihre Sorgen teilte.

Chloé lächelte und die Angst war verflogen, selbst das Dunkel schlug einen Zipfel zurück. Seitdem waren viele Menschenleben vergangen.

„Chloé, du warst in deinen Leben immer gut zu mir. Es ist Zeit für Revange. Mit meiner goldenen Schlangenkrone werde ich dir nun drei Wünsche erfüllen. Erst die beiden, die du aussprichst und schließlich den letzten, der aus deinem tiefsten Herzen kommt. Sprich also, was kann ich für dich tun?“

„Ich möchte, dass Drachenblut durch meine Adern fließt. So wird nichts mir mehr Angst machen. Es wird mich stählern machen. Ich werde mich jedem Kampf mutig und voller Zuversicht stellen können, nie mehr verzagt sein. Niemand wird mich mehr verletzen können, denn Drachenblut versiegelt alle Wunden sofort und dauerhaft.“

„Gewährt! Dein zweiter Wunsch, Chloé.“

„Mein zweiter Wunsch, liebe Freundin, ist: Ich wäre so gern eine Zentaur-Frau. Wild, ungezähmt und frei möchte ich durch das Leben galoppieren. Jedes Hindernis - und sei es noch so hoch – einfach überspringen. Das wahre Leben spüren. Mich von wunderbarer Lust, Liebe und Sinnlichkeit ernähren, ohne die Beschneidungen von Besitzansprüchen. Aber dennoch mich in meinen Entscheidungen von Weisheit tragen lassen.

„Auch gewährt. Kommen wir nun zu dem Wunsch, den du schon so lange so tief in deinem Herzen trägst. Es ist der gleiche Wusch wie in allen deinen Leben. Der wie in einem Tresor verschlossen ist und den du nicht wagst auszusprechen. Du bist aber nun durch das Drachenblut und den Zentaur in dir bereit. Spürst du es?“

Chloé nickte und war sprachlos. Das dunkle Tuch in ihr hob sich - wie von Geisterhand berührt - an und von überall fiel Licht herein. Doch dürfte diese letzte Tür wirklich geöffnet werden? Denn dies betraf nicht nur sie allein, sondern auch ihn, den sie schon seit vielen Leben in ihrem Herzen hatte. Doch der bislang nicht wirklich eines für sie gezeigt hatte.
Liebe ließ sich nun mal nicht erzwingen, auch wenn man es sich noch so wünschte.

Die sanftmütige schwarze Ringelnatter lächelte. Chloés Handy klingelte. Fast widerwillig blickte sie auf das Display und las voller Überraschung seinen Namen.

„Geh schon ran und sprich mit ihm. Du wirst spüren, wie seine Gefühle für dich sind und die richtigen Schlüsse ziehen. Ich habe ihn auch nicht gefühlsmäßig manipuliert, versprochen und großes Unken-Ehrenwort! Ihm lediglich den Mut ins Herz gelegt, dich endlich anzurufen. Was ihr beide nun daraus macht…“.
Die Zauberunke nickte Chloé liebevoll zu und verschwand leise im Wasser.

Solange hatte sie nicht mit ihm gesprochen. So viel an Seelenmüll stand im Raum zwischen ihnen. Chloé hauchte ein leises „Danke“ an ihre Freundin in den Wind. Ihr Herz hüpfte und ihre Hormone tanzten Tango. Mit ihm sprechen, vielleicht ihn auch treffen und vielleicht …mehr. Oder nichts davon.
Die Alltagsgeräusche von Gesumme, zwitschernden Vögeln und plätschernden Wellenkrönchen unter der zerbrochenen Betonplatte kehrten zurück. Sie nahm einen tiefen Atemzug, spürte Souveränität. Sie fühlte sich stark und unabhängig, lächelte zuversichtlich und meldete sich.
@*********ynter
Danke für die liebe-und phantasievollen Unkenrufe!
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Guten Abend zusammen!

Heute wurde mir die Ehre erwiesen: Ich darf die neuen acht Wörter einstellen.

Sie lauten:

  • Hyäne
  • strikt
  • Anschluss
  • Lieblingsgericht
  • hinterlegen
  • reizvoll
  • blenden
  • unwissend



Ich bin schon megagespannt darauf, was Ihr daraus macht! ♥
Linsengericht
Es war ihr reizvoll erschienen, sich unwissend zu stellen,vor dieser Hyäne, ihn glauben zu lassen, sie hätte sich blenden lassen von seinen billigen Tricks und den Anschluss verloren an die Szene.
Dabei war sie strikt ihrem Grundsatz treu geblieben, alles im Tresor zu hinterlegen.
Er würde ihr das Rezept für ihr Lieblingsgericht niemals entreißen.
Das Einschreiben
Die Frau Hamm ist alt geworden, sagen die Leute. Früher, als der alte Hamm noch lebte, war sie ein ganz anderer Mensch. Sie hat sehr nachgelassen, sagen die Leute. Seit sie keine Aufgabe mehr hat, hat sie den Anschluss verpasst.
Jahrelang hat sie ihren kranken Mann gepflegt, und dann war es auf einmal aus. Es ist nicht mehr viel los mit der alten Hamm, sagen die Leute, aber bald sind wir auch an der Reihe. Es dauert nicht mehr lange, und dann liegen auch wir unter der Erde, wenn uns nicht zuvor die Hyänen gefressen haben.
Dabei kann sie noch froh sein, meint die alte Frau Schmies, dass man sie nicht ins Altersheim gesteckt hat. Wer weiß, was unsere Kinder einmal mit uns machen, wenn wir nicht mehr so können. Wer weiß, ob sie uns dann noch zu Hause haben wollen.
Die Hamm hat ja auch nichts zu vererben, lacht der alte Herr Koll, sonst würden die sich schon mehr um ihr armes, altes, krankes Mütterlein bemühen.
Du tust denen Unrecht, Opa, widerspricht die Tochter des alten Herrn Koll, die haben auch viel um die Ohren, die lassen sich nicht von irgendeinem Erbe blenden. Ihr Alten meint immer nur, es müsse sich alles um euch drehen. Opa hier und Opa da. Strikt und unerbittlich. Wir haben auch unsere Sorgen.
Ja, ja, winkt der alte Herr Koll ab, ihr habt auch eure Sorge, ihr jungen Leute. Aber bald nicht mehr, bald habt ihr keine Sorgen mehr.
Er ist manchmal ein richtiger Griesgram, entschuldigt sich die Tochter bei der alten Frau Schmies, wenn er nichts mehr zu Nörgeln und zu Mosern hat, dann ist er unglücklich. Könnte man das Murren essen, dann wäre es sein Lieblingsgericht.
• * *
Die alte Frau Hamm friert.
Den Kopf und die obere Partie der Schultern nach vorne gebeugt, schlurft sie zum Ofen hinüber, um ein paar Brikettstücke nachzulegen. Mit der Hand streicht sie über ihren Kittel, um den Kohlenstaub von den Fingern zu wischen.
Erschrocken zuckt sie zusammen, als es an der Haustür läutet.
Ein Einschreiben, sagt der Postbote, vom RWE. Sie müssen hier unterschreiben. Die alte Frau Hamm bittet ihn in die Küche. Ein Einschreiben? Für mich?
Warm haben Sie’s hier drinnen, sagt der Briefträger und reibt sich die Hände, schön warm. Das Wetter, lacht er, ist auch nicht mehr das, was es mal war. Nur Regen, im Frühling nur Regen, das ist alles andere als reizvoll.
Ein Einschreiben?
Die alte Frau Hamm bittet den Briefträger, am Küchentisch Platz zu nehmen.
Ja, ein Einschreiben, sagt der Postbote, vom RWE. Haben wohl die Stromrechnung nicht bezahlt, was, und jetzt stellen Sie sich unwissend, ha, ha, ha. Entschuldigen Sie, kleiner Scherz. Hier müssen Sie unterschreiben, ja, genau hier.
So, Frau Hamm, sagt der Briefträger und schaut dabei auf seine Armbanduhr, ich muss schon wieder weiter, es wird höchste Zeit.
Den Kopf und die obere Partie der Schultern nach vorne gebeugt, schlurft sie zur Anrichte, wo ihre Lesebrille in einer der Schubladen hinterlegt ist.
„Wichtiger Inhalt, keine Werbung“, steht auf dem Umschlag des Briefes, und: „Falls verzogen, mit neuer Adresse an Absender zurück“.
Mit zittrigen Händen reißt sie den Umschlag auf.
„Sehr geehrter Kunde … machen wir Sie darauf aufmerksam … Ihr Gebührenkonto … 87,40 Euro … zuzüglich Mahngebühr von 2,10 Euro … sollte bis zum … kein Zahlungseingang … genötigt … Elektrizitätsversorgung auszuschließen …“ – Trotz der Brille verschwimmt die Schrift vor ihren Augen, Tränen tropfen auf das Papier.
Der Heinz, vielleicht kann der Heinz helfen? – Ach nein, der Heinz hat schon genug am Hals mit den drei kleinen Kindern, nein, ihren Sohn kann sie nicht fragen. Die jungen Leute, denkt die alte Frau Hamm, haben auch ihre Sorgen.
Mit erhobenem Kopf und nach hinten gedrückten Schultern steuert die alte Frau Hamm auf ihr Wohnzimmer zu, schreitet entschlossen zu dem Schrank, der noch von ihren Eltern stammt. Eine echte Antiquität, sagt der Heinz, wenn er an Weihnachten mit den Enkeln und seiner Hilde zu Besuch ist, sowas findet man heute nicht mehr.
Die alte Frau Hamm öffnet die oberste Schubladen, schiebt die drei Tafeln Schokolade für die Enkel zur Seite und auch die Bilder, die sie für „die liebe Oma“ gemalt haben. Alle hat sie aufgehoben, alle. Mit sicherem Griff greift sie nach dem silbernen Kästchen, der Schatulle, ihrem Hochzeitgeschenk. Die ist ein Vermögen wert, hatte ihr Mann damals gesagt, die Intarsien sind echte Halbedelsteine aus Idar-Oberstein. Nein, nicht die Schatulle. Nicht ihr Hochzeitsgeschenk.
Ohne näher hinzuschauen, nimmt die alte Frau Hamm schließlich den Schmuck aus dem Kästchen, stopft ihn in ihre Manteltasche.
Eine halbe Stunde später steht sie vor dem Schaufenster des neuen Geschäftes in der Stadt. An- und Verkauf. Tageshöchstpreise. Guten Tag, die Dame, wie darf ich Ihnen zu Diensten sein. Der Herr in dem neuen Geschäft ist sehr freundlich. Etwas jünger als ihr Heinz, vielleicht, sehr gepflegt, sehr höflich, alte Schule. Guten Tag, die Dame.
Der freundliche Herr betrachtet das kleine, silbrig glänzende und glitzernde Häufchen, das die Frau Hamm aus der Manteltasche gegriffen und auf den Tresen gelegt hat. Das hier brauche ich nicht mehr, sagt sie.
Er greift das größte Stück, eine silberne Brosche, betrachtet sie von allen Seiten mit einer Juwelierlupe. Ein sehr schöne, filigran gearbeitete Brosche, sagt der freundlich Herr, ein Erbstück?
Die alte Frau Hamm nickt. Sie lag nur herum, ich brauche sie nicht mehr, ich trage keinen Schmuck, in meinem Alter nicht mehr.
Eine sehr feine Arbeit, sagt der Herr und legt die Brosche auf eine Waage. Die ist bis auf ein tausendstel Gramm genau, lacht er, ein Präzisionsinstrument.
Leider, fügt er wenig später hinzu, ist die Brosche aus Silber, nicht aus Gold. Gold ist im Moment sehr teuer, sagt er, die Nachfrage nach Silber hingegen sehr gering. Trotzdem zahlen wir Tageshöchstpreise.
Das ist ja schön, entgegnet die alte Frau Hamm, die im Moment nicht so recht weiß, was sie sagen soll. Die Brosche, sagt der freundliche Herr schließlich, würde ich nehmen, den übrigen Schmuck nehmen sie wieder mit, der hat keinen Wiederverkaufswert.
Was ist die Brosche denn Wert, fragt die alte Frau Hamm, ich meine, sie ist ja sehr alt, aus dem 19. Jahrhundert.
Tja, antwortet der Händler und räuspert sich, der Materialwert läge bei 25 Euro, und ja, es ist eine sehr schöne, filigrane Arbeit, so dass ich Ihnen 40 Euro anbieten kann. Mehr ist nicht drin. Wie gesagt, es ist kein Gold.
Es dauert einige Minuten, bis die alte Frau Hamm ihre Sprache wiedergefunden hat. Ich hatte, sagt sie schließlich mit ruhiger Stimme, nicht mit mehr gerechnet. Sie lag ja nur herum.
Den Kopf und die obere Partie der Schultern nach vorne gebeugt, schlurft die alte Frau Hamm nach Hause.
Die Schatulle holen.
Das Hochzeitsgeschenk.
• * *
Kaum hat der Herr Bell am Abend die Wohnungstür hinter sich geschlossen, wird er auch schon von seiner Frau in Beschlag genommen.
Augen zu, sagt sie mit geheimnisvoll verführerischem Unterton, dabei hat er nicht einmal die Schuhe ausgezogen und seine Jacke an die Garderobe gehängt. Herr Bell seufzt, als ihn seine Frau ins Wohnzimmer dirigiert und sanft in den Sessel schubst. Und ja nicht schummeln, sagt sie, schön die Augen geschlossen halten, bis ich es dir gestatte.
Herr Bell weiß, dass es keinen Sinn haben würde, gegen diese sicherlich aus kindlicher Freude und Liebe motivierte Attacke zu opponieren.
Und?
Was und?
Fällt dir nichts an mir auf?
Nein. Was sollte mir auffallen?
Du kennst doch das neue Schmuckgeschäft in der Stadt, sagt Frau Bell, dieses neue Lokal mit An- und Verkauf …
Noch ehe sie den Satz zu Ende führen kann, ist ihrem Mann der Schrecken in die Glieder gefahren. Bist du wahnsinnig, oder haben wir im Lotto gewonnen?
Beruhige dich, entgegnet Frau Bell, du wirst aber nie darauf kommen, was diese über 150 Jahre alte Brosche gekostet hat.
100 Euro? Herr Bell schätzt vorsichtig.
Eine derart wunderschöne Antiquität für 100 Euro?, säuselt seine Frau, nie im Leben! Aber ehe du noch blasser wirst: Nicht mal 90 Euro, exakt 89,50 Euro. Ist das nicht der Wahnsinn?
89,50 Euro? – Bist du sicher?
Absolut. Da musste ich doch zugreifen, oder was meinst du?
Ja, das musstest du.
Ehe es ein anderer getan hätte.

© Mercurio13
So traurig, so wahr, so wunderbar geschrieben ... *heul*
Zitat von *********rlan:
So traurig, so wahr, so wunderbar geschrieben ... *heul*

Herzlichen Dank. Ja, es ist zwar eine fiktive "Geschichte", aber eben sehr real und es war mir ein Herzensanliegen, auf die verschämte Altersarmut überall in unserer Nachbarschaft aufmerksam zu machen.
Zitat von *******o13:
die verschämte Altersarmut überall in unserer Nachbarschaft

Ja, haben denn diesen Menschen nicht mehr als Materie? Gilt nur Geld? Oder Besitz? Gibt es denn nicht mehr die Erinnerung daran, dass einst alte Menschen als Weise galten?
Bei Karl May vielleicht, aber bei uns eher nicht.
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
„B.O.C – Krisenmanagement“
Bertram Otto Clasen hat wieder einmal in frühester Morgenstunde seinen geheiligten Beobachtungsposten bezogen. Das Handwerkszeug liegt bereit, die Flasche Marnier steht bei Fuß und der große Schwenker wartet mit erwartungsvoll geöffnetem Mund. Erste Scheinwerfer blenden auf und tauchen die Straße in bleiches Licht. Die wenigen Berufspendler die es noch gibt, ansonsten liegt das Land still, wie gelähmt und langweilt sich durch den Tag. B.O.C wie ihn die Anwohner und seine Mitbewohner der Mietskaserne Moabit abgekürzt nennen hört im Radio die Frühnachrichten. Seit Wochen gibt es nur noch ein Thema. Pandemie und Krise.

Unwissend die Menschen sind und dumm noch dazu,“ mehr fällt Bertram nicht dazu ein. Strikt nach Fahrplan finden um 05.30 die ersten Likörchen ihren gewohnten Weg und fluten stürmisch Bertrams Innenleben. Sein Intimfeind und Hausgenosse Rickmann tappst voll vermummt aus dem Haus, eine Tüte Plastikmüll in der Hand. Aber der hat eh jeden Anschluss an Vernunft und logisches Denken verloren und dies schon seit langen Jahren. Dazu brauchte es noch nicht einmal einen Virus.

Ebenso wenig reizvoll ist der Anblick der ollen Steltzmann die immer noch ihren sexuellen Gelüsten nachgeht obwohl alle männlichen Wesen der Straße in den U-Boot Modus wechseln sobald sie auf der Bildfläche erscheint. Das eher schäbige als mondäne Ganzkörperkondom in welchen sie ihren verrunzelten Gammelfleisch Sonderangebotskörper gehüllt hat tut dem grausigen Anblick keinen Abbruch. In diesen Zeiten mit Abstandsregeln und Kontakverbot verringern sich ihre Erfolgsaussichten auf minus 500%.

Flugs werden die ersten sinnentleerten Bemerkungen des Tages notiert. Unschuldiges weißes Schreibpapier wird zum bedauernswerten Opfer verkrickelter Hieroglyphen.

Vermummter Vollpfosten entsorgt Sondermüll

Gammelfleisch ,Geschmacksrichtung zähes Truthahnsteak im Freilauf unterwegs

Danach ist erstmal Ruhe in der Grube und Bertram Otto Clasen bereitet sich sein Frühstück.
Spiegelei auf dünnen Speckscheiben angebraten, Kühlschrank temperiertes Landbrot dazu, ein Schwups Ketchup und natürlich Kaffee mit einem hohen Anteil Marnier Aroma. Als Test und Geschmacksverstärker, gerade vorher noch zwei Doppelte.
Bertram Otto Clasens Lieblingsgericht um diese frühchristliche Uhrzeit.

Gegen Mittag dann , als Bertram Ottos Lebensgeister schon langsam aber sicher Kurs auf den Stand der Trunkenheit nehmen, tritt das große richtungsweisende Ereignis des Tages ein.

Die drei alten Rentnerinnen und Witwen Constanze, Walburga und Elfriede, auch der Club der Schnatterenten geheißen unterschreiten den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand, bilden damit eine oppositionelle Gefährder Gruppe und lösen einen uniformierten Großeinsatz aus. Ordnungsamt und Polizei fahren in akribischer Pünktlichkeit auf. Die wenigen Passanten verharren erschrocken und suchen dem sich abzeichnenden Drama aus dem weg zugehen.

Von zwei Seiten rücken die uniformierten und bewaffneten Einsatzkommandos vor. Tumultartige Szenen brechen aus, die Straße übt den aufrührerischen Widerstand . Nur Bertrams selbstgemaltes Schild „Ich bin schon seit Jahren zuhause“ rettet ihn höchstwahrscheinlich. Er könnte das ja mit seinen gesammelten Notizen notfalls gewissenhaft hinterlegen.

Auch die Korona-Bier Werbung an der Wand seines Wohnraumes würde eventuelle Ordnungskräfte mit Sicherheit von Bertrams Lauterkeit überzeugen, ebenso wie die bereits wieder geleerte Likörflasche.

Antiterroreinsatz, kriminelle Demo wird aufgelöst, Personalien festgestellt, Haupt Täterinnen abgeführt.

Einer bissigen Hyäne gleich schießt der Reporter des Morgenblattes um die Ecke und sogleich eine Reihe von Fotos. In der Mainstream Presse, der Anordnung einseitiger medialer Berichterstattung folgend wird es wohl etwas anders beschrieben werden. Das sollte noch einen Dreifachen Tropfen wert sein.

Objektive Berichterstattung gewährleistet, neutrale Journalisten vor Ort

B.O.C wird auch gewiss diese Krise aussitzen und sich hocherhobenen Hauptes irgendwann wieder seinem gewohnten und ursprünglichen Einerlei widmen. Der gewissenhaften Dokumentation von hochwichtigen Alltags Geschehnissen anstatt einer Art Kriegsberichterstattung von einem zentralen Krisenherd.

Der Anstrengung ihren fairen Tribut zollend erfrischt sich Bertram Otto Clasen nochmals gründlich. Der Pegel der zweiten Tagesflasche fällt beträchtlich, genauso wie der fröhliche Zecher, welcher sich quasi vom Arbeitsplatz in die Ausnüchterungszelle katapultiert und in einen tiefen Schlaf fällt.


Kamasutra 29.04.2020
@*********2016
Und darauf einen Doppelten ... *hicks*
Mit solch einer spitz aber sehr ansprechend geschriebenen Geschichte lässt sich doch jede Krise meistern! *spitze*
Die Zeit der fehlenden Adjektive


"Willst du nicht bei mir bleiben?" Sie schaut Paul flehend an. Tine hatte sich sehr viel Mühe gegeben, dem gemeinsamen Hochzeitstag eine besondere Note zu verleihen. Sie wirkte sie äußerst reizvoll ihrem elegant geschnittenen kurzen Kleid. Der Duft ihres Parfums erinnerte an die Nacht, in der sie ihm ihre Jungfräulichkeit schenkte. Sie hatte Spargel gekocht, Pauls Liebligsgericht. Dampfend stand das königliche Gemüse auf dem liebevoll gedeckten Esstisch, der einer Schatzkammer glich und zu einem romantischen Abendessen einlud. Im Anschluss daran wollte sie sich Paul hingeben, bis tief in die Nacht hinein. Tine vermisste das gemeinsame Gespräch. Seine Berührungen und seine Küsse fehlten ihr schon lange.

Paul nimmt nichts von alledem wahr, hört Tines Flehen nicht. Er macht eine ablehnende Handbewegung, erhebt sich von seinem Stuhl, und geht in Richtung der Ausgangstüre. Ohne ein Wort zu verlieren verlässt er die eheliche Wohnung.

Enttäuscht und tieftraurig blickt Tine ihm nach. Diese strikte Ablehnung frisst sie auf, lässt ihre Seele verkümmern, gibt ihr das Gefühl, eine schmutzige Hyäne zu sein, die er verachtet und mit der er nichts mehr zu tun haben will.

"Wieso lasse ich mich nur immer wieder blenden von ihm? Wieso halte ich mich an diesen seltenen Momenten fest, in denen er mich lieblos auf die Wangen küsst, als sei ich eine flüchtige Bekannte?" Tine ist müde. Sie ist so unendlich müde. Sie möchte aufhören damit, noch länger darüber nachzudenken.

Die ersten Jahre ihres Zusammenlebens waren von unbeschreiblicher Zuneigung geprägt und Pauls Aufmerksamkeit und sein Interesse an ihr schien grenzenlos. Jeden Morgen, bevor er zur Arbeit ging, hatte ihr auf dem Nachttisch einen Brief, in dem er ihr seine Liebe gestand, hinterlegt. Er trug sie allerorts auf Händen, las ihr jeden noch so kleinen Wunsch von den Augen ab. Nicht enden wollende Gespräche hatten sie geführt. Kein Weg war zu weit, keine Mühe zu groß.

Mit Victorias Geburt fing der seelische Bankrott ihrer Ehe an. Der Tochter alleine gehörten seither all die schönen Adjektive, kein einziges behielten die beiden für sich. Das Kind war inzwischen längst aus dem Haus. Mit ihm gingen auch die Eigenschaftswörter und kehrten nie wieder zurück in das Leben von Tine und Paul. Weder den Eheberatern noch den Psychologen war es gelungen, die Beiwörter zurückzuholen. Inzwischen war es zu spät. Während Tine sich ihrer erinnerte, hatte Paul vergessen, dass es sie gab.

Unwissend des Zeitpunktes seiner Rückkehr, löscht sie die letzte Flamme im Ofen, deckt den Esstisch ab und verbannt jeden noch so kleinen Gedanken an die ausfallende Hochzeitsnacht aus ihrem Gedächtnis. Hastig schminkt sie sich ab und tauscht das kleine Schwarze gegen das flauschige Graue. In der Küche schenkt sie sich ein Glas Wein ein und begibt sich damit lustlos ins Wohnzimmer. Mechanisch greift sie nach der Fernbedienung und drückt den Knopf, der sie am Leben hält.

Tom (the Sun)
prüfend
*********tMut Frau
2.123 Beiträge
*traurig*
**st
That's life, my dear! Gestern warst Du so sweet, heut ist' die Schokolade. Gestern war er potent. Heute ist's entweder sein Geldbeutel oder auch seine Karre.

Adjektiefgründiger Text, mein Lieber! *spitze*
Tja ... genau dafür gibt es den *joyclub*
*******ush Frau
1.264 Beiträge
Mein lieber QC!
Ich habe sie wiedergesehen, die Frau, der du so bitterlich hinterher trauerst. Und wenn du mich fragst: Sie ist eine Hyäne! Reizvoll vielleicht, sie kann einen mit ihrem guten Aussehen blenden, aber lass dir das von mir als deiner guten Freundin gesagt sein: Es sind alles Tricks und Kniffe, Smoke and Mirrors.

Als du sie damals kennengelernt hast, bist du ihr vollkommen unwissend begegnet, ahnungslos und naiv. Sie hat dich verzaubert, im Anschluss hat sie für dich auch noch gekocht und dir dein Lieblingsgericht serviert. Schon warst du ihr verfallen!

Du hast es für Schicksal gehalten, dass sie so perfekt zu dir passt, aber weißt du was? Es war alles Berechnung! Sie hat dich dazu gebracht, dein Herz bei ihr zu hinterlegen, aber sie hat es nie wieder heraus gerückt. Und nun stehst du da und kannst sie nicht vergessen, während sie schon längst ihr nächstes Opfer in den ehemals rot lackierten Klauen hält.

Dieses nächste Opfer ist der Bruder meiner Freundin, und ich erkenne das Muster wieder, das sie strikt einhält, vom ersten verführerischen Augenaufschlag bis hin zum Leibgericht. Bei dir ist sie elegant aufgetreten, eine Femme Fatale, bei ihm kommt sie sportlich und kumpelhaft daher, das ist der einzige Unterschied. Woher sie gewusst hat, dass du es elegant magst? Sie hat gründlich recherchiert. Genau wie bei ihrem neuen Spielball. Und genau so, wie sie es mit dir gemacht hat, wird sie auch ihn ausnehmen wie die sprichwörtliche Weihnachtsgans. Und hinterher wird auch er einsam und mit gebrochenem Herzen dastehen.

Ihr beide tut mir leid, aber so ganz unschuldig ist keiner von euch an der Misere. Was lasst ihr euch auch von den Äußerlichkeiten derart blenden? Aber so seid ihr Männer… Es sollte mir egal sein, denn du hast es dir selbst eingebrockt, aber das ist es nicht, weil du mein Freund bist. Und deshalb habe ich eine Idee, wie wir es ihr heimzahlen können. Beziehungsweise umgekehrt: Wir können sie dazu bringen, dass sie dir zurückzahlt, was sie dir genommen hat. Und wenn es funktioniert, dann vielleicht sogar inklusive deines Herzens.

Bist du interessiert? Dann komm heute Abend zu mir. Ich werde dir meine Idee erklären, und dann machen wir einen Plan daraus...

Es grüßt dich deine
DS

(c) Zoe B. Chainblush, 2.5.2020
**st
Gemein! Das schreit nach einer Fortsetzung. *top*
*******ush Frau
1.264 Beiträge
@***ve : Mal schauen, ob die Wörter, die wir morgen bekommen, für eine Fortsetzung brauchbar sind... *gg*
red
*******tee Frau
7.205 Beiträge
Vorwort:
Aus einer Rückführung mit meiner lieben Freundin entstand diese Geschichte.
Für mich eine ganz neue Erfahrung. *wow*



Der Liebestrank der Kräuterfrau

"Es ist leicht sich zu trennen, wenn die Seelen sich nicht begegnet sind."
(aus einem nordischen Märchen)


Eingehüllt von einem sinnlichen Duft aus Regentau und Wildkräutern lief Maya über die Wiese. Sie sammelte dabei allerhand wohltuende Pflanzen, die der Regen hatte sprießen lassen. Die grüne Landschaft war überhäuft mit den wertvollen, wohlriechenden Blumen, ebenso wie die vielen Stellen auf ihrem Weg hierher. Sogar dort, wo manch einer sie nicht vermutete, wie in der Nähe der Misthaufen der Höfe, am Wegesrand und am Ufer des Weihers, auf den Felder, in den Auen und im Wald fand sie sie.
Beim Pflücken zitierte sie in Gedanken ihre Heilwirkung:
´Spitzwegerich, auch Schöllkraut genannt, half gegen Hautkrankheiten und Löwenzahn schmeckte nicht nur gut im Salat, sondern besaß auch "Löwenkräfte", da es entgiftend und blutreinigend wirkte. Breitwegerich half bei Wasserblasen an den Füßen oder Händen.´
Maya besaß die Fähigkeit, allerhand nützliche Salben und Tinkturen herzustellen. Selbst für scheinbar unheilbare Fälle hatte sie als erfahrene Kräuterfrau eine Medizin. Bei Liebeskummer gab sie eine Tinktur aus Arnika oder Johanneskraut.
Sogar einen sehr wirksamen Liebestrank wusste Maya herzustellen. Ihr Wissen über die Kräuter hatte sie von ihrer Mutter, einer weithin bekannten Hebamme, und auch Maya half den Mägden bei der Niederkunft.

Die Dorfbewohner nannten sie liebevoll "Kräuterhexe". Sie war sehr beliebt. Besonders ihren schmackhaften Trank, den sie aus gemahlenen und gebrannten Eicheln aufbrühte, mochte jeder. Das heiße Gebräu verströmte einen aromatischen Geruch, schmeckte mit ein wenig Honig süß und bitter und weckte müde Geister. Nicht nur die einfachen Dorfbewohner suchten bei ihr nach Hilfe bei Krankheit oder Verletzung, auch edle Damen und Herren, sogar einige Rittersleute, kamen zu ihr, da ihr Ruf über ihre außergewöhnlichen Kenntnisse und Fertigkeiten weit verbreitet war.

Maya kam mit einem Korb voller duftender Kräuter für ihre Heiltränke und Salben von ihrem Spaziergang zurück.
Jetzt benötigte Sie nur noch aus ihrem kleinen Garten einige Rosenblüten, Petersilie und Lavendel. Und ein wenig von der seltenen Wurzel, die sie bei ihrem exotischen Gewürzhändler erworben hatte, Ingwerwurzel. Diese wirkte sehr stark aphrodisierend.
Und zum Abrunden ein Glas guten süßen Weines. Diese Zutaten benötigte sie für den bestellten Liebestrank, den der junge Ritteranwärter Heinrich heute abholen würde. Er war ganz versessen auf dieses Aphrodisiakum, kein Taler war ihm zu viel dafür. Er war davon überzeugt, dass der Liebeszauber ihn unwiderstehlich bei den Hofdamen machte.
Maya behielt für sich, dass er wohl auch ohne Zauberei bei den meisten seiner Liebschaften eine reizvolle Wirkung hatte. Seine blendende und stattliche Erscheinung ließ manch Maid in Ohnmacht fallen.
Heinrich war so unwissend, jung und unbeherrscht, dass er zur vollen Sicherheit sich lieber auf ihren Zaubertrank verließ. Sein jugendliches Gebären hinderte ihn, Anschluss bei den Hofdamen zu finden, die er begehrte. Er erntete eher ein Kichern unter vorgehaltener Hand von ihnen. Mit Hilfe des Liebesgebräu, „das so köstlich schmacked“ gelang es ihm, ihre Gunst zu erhalten.

Als der junge Heinrich in ihre Hütte am Dorfende neben dem Wald eintrat, roch es nach dem heißen Eichelgetränk und nach seinem Lieblingsgericht, Petersilienwurzel-Kräutersuppe mit geräucherten Mettwürsten, die sie extra für ihn besorgt hatte.

„Oh, oh, welch köstlicher Geruch mir in die Nase steigt, gemischt mit dem Duft meiner Königin. Da gelüstet es mir nach Essen und nach dir, holde Pracht. Komm lass dich drücken! “

Maya stand am Herd und rührte in der Suppe, so dass sie sich nicht wehren konnte, als er sich von hinten an sie drückte, seine Arme um sie schloss, mit festem Griff ihre vollen Brüste packte und ihren Nacken küsste.
Ihr Verlangen brandete auf, als sie das vertraute Prickeln auf ihrer Haut fühlte, ausgelöst von seinem Kuss und sein ach so vertrauter Duft.
Sie wusste, dass er nicht nur wegen des Liebestranks zu ihr kam. Dieser Jüngling war ihr verfallen. Und er löste in ihr ihren mütterlichen Beschützerinstinkt aus. Immer wenn sie seine Nähe spürte, wurden ihre Knie weich, sie schmolz förmlich dahin bei seiner Berührung. Er übte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie aus. Obwohl sie einiges älter war als er, konnte sie sich dieser Wirkung seiner jugendlichen Kraft und Präsenz nicht entziehen.
Es war ihr nicht möglich, bei ihm strikt Arbeit vom Privaten zu trennen, er war einfach zu süß und köstlich, dieser junge Bursche. Es war eine intensive, kaum zu unterbindende Nähe, ja Gleichklang der Seelen zwischen ihnen, die sie verband. Wahrscheinlich übte sie auf ihn auch das Gefühl aus, "in den Mutterschoß zurückzusteigen und sich behütet und beschützt zu fühlen..." .
Sie lachte und versuchte sich ihm zuzuwenden, was ihr ohne sein Entgegenkommen nicht gelang. Er lockerte seinen Griff, drehte sie um und ihre Blicke trafen sich.
In diesem Moment wurde sie von der tiefen Traurigkeit, die in seinen Augen verborgen war, aufgesogen. Sie sah seine Angst und seine Panik, die ihn aufwühlten und die er zu unterdrücken versuchte. Trotzdem waren sie für Maya deutlich fühlbar.
Ihr Mund berührte sanft seine sinnlich weichen Lippen. Immer intensiver wurde die Berührung, immer fester die Umarmung, die sie beide einen Augenblick die Welt vergessen ließ. Er sog ihren Kuss ein wie einen rettenden Atemzug. Hielt sie fest, als ob diese innige Berührung seine Zuflucht war vor dem unsagbaren Schmerz im Außen. Ein Kuss, jenseits von Raum und Zeit, der sie dem Himmel nah brachte und ihre Seelen vereinte.

„Wie habe ich das vermisst“, stöhnte er und küsste sie inniger, drang mit seiner Zunge in ihren Mund ein. Sie keuchte auf vor Lust, hob sich ihm entgegen, verlor sich in dem Gefühl, das er in ihr auslöste. Überall war Hitze und Lust. Überall war Verlangen; Hunger. In diesem Augenblick waren sie Eins.

Einige Stunden später kniete der junge Heinrich, nur im Hemd gekleidet, neben ihrer Liegestatt, nahm eine feierliche Haltung an und sprach:
„Meine Königin, mein Herz schmerzt bei dem Gedanken, dass ich in einigen Tagen aufbrechen werde und dich, meine Holde, zurücklassen muss. Uns wurde befohlen, in den Heiligen Krieg gen Süden aufzubrechen.“ Er nahm einen langen Atemzug und sprach mit zitternder Stimme weiter: „Wir werden gegen die Gottlosen kämpfen! Ich werde diese Hyänen aufspießen und Euch eine Trophäe mitbringen, als Beweis für meine Hingabe und Liebe zu Euch! Bitte segnet mich und betet für mich!“

Heinrich gab ihr einen kleinen silbernen Kreuzanhänger, den er als Zeichen seiner Verbundenheit und als Schutz vor bösen Mächten bei ihr hinterlegte.
Maya drückte ihn ein letztes Mal lange an ihre blanke Brust, spürte sein raues Hemd, den schnellen Herzschlag ihres jungen Liebhabers, küsste ihn und zwinkerte eine Träne weg. Als sie ihre Augen für einen Augenblick schloss, blitzte kurz ein großes Feuer vor ihrem inneren Auge auf. Angst kroch nun auch in ihr hoch, sie sah das Grauen und den Tod. Seinen, Heinrichs, Tod. Der Gedanke, ihn nie wiederzusehen, stimmte sie unendlich traurig und ließ eine große, unbekannte Leere in ihr aufsteigen. Der ungestüme Ritter, der so liebe und warmherzige Heinrich, war noch viel zu jung und unerfahren, um in den Heiligen Krieg zu ziehen. Und dort Heldentaten zu vollbringen. Ihr Geliebter würde bald als junger Held sterben.

Adieu mein tapferer Rittersmann! Dachte sie mit Tränen in den Augen, als der junge Mann ihre Hütte ein letztes Mal verließ, ihr an der Tür einen langen, liebevollen Blick zuwarf, und dann aus ihrem Blickfeld verschwand. In diesem Augenblick wurde es in der Hütte still – totenstill.

Immer wächst und blüht Verlangen
Am Geliebten festzuhangen,
Ihm im Innern zu empfangen,
Eins mit ihm zu sein,
Seinem Durste nicht zu wehren
Sich im Wechsel zu verzehren,
Voneinander sich zu nähren
Voneinander nur allein

(Auszug aus „Das Lied der Toten“ Novalis)


03/05/2020 @*******tee
Me 2
*********ld63 Frau
8.584 Beiträge
Sehr intensiv, liebe @*******tee! *roseschenk*
*****e_M Frau
8.551 Beiträge
@*******tee

Mein Kompliment - sehr gefühlvoll und irgendwie wärmend!
red
*******tee Frau
7.205 Beiträge
Danke *love* ich freu mich sehr über eure Komplimente und Kommentare *freu*
@*******tee Führe doch bitte öfter rück, wenn daraus so Schönes entsteht.
@*******tee Wunderbar geschrieben, sehr gefühlvoll diese Melancholie der Romantik eingefangen ... Klasse! *spitze*
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