„Turteltauben in der Anstalt“
Das Wochenende steht vor der Tür. Zwei Tage die unser adeliger Freund Bodo Quentin von und zu Ratzeburg, selbsternannter Honorarkonsul des hawaiianischen Inselparadieses, fest für ein intensives Techtelmechtel mit seiner Angebeteten eingeplant hat. Die blonde Mitvierzigerin Grit von Schnitzler – Quittenschreck vereint nicht nur unglaublich attraktive Weiblichkeit mit einem hohen Intellekt, nein sie ist einfach etwas Besonderes. Während Bodo Quentin abgeklärt, wenn auch mit einer gewissen erotischen Aufregung gewürzt sein Date plant, schwelgt Direktor Lachvogel in vorsichtig unterdrückten Rachegelüsten. Die glasklare Ansage seiner ehrenwerten Frau Gattin welche des Direktors Ausflug in die Welten einer außerehelichen Affäre in letzter Minute verhinderte tönt ihm noch eindrucksvoll in den Ohren. Da geht nichts mehr. Der Abfangjäger „erzürnte Ehefrau“ ist und bleibt wachsam und jedweder Avec Plaisir mit der blonden, nicht systemrelevanten Journalistin, ist dank Bodo in verbotenes Terrain verwiesen worden. Jedwedes, auch noch so verzweifeltes, Brainstorming des Direktors verpufft ergebnislos, Träume sind und bleiben Schäume. Derweil Direktor Lachvogel sich im desaströsen Tiefflug in seinem ureigenen Teufelskreis sinnbefreit abstrampelt tänzelt unser Bodo Quentin in weitaus höheren Sphären. Die blonde Grit hat ihm unmissverständlich ihre persönliche Wertschätzung erklärt und denkt noch gerne an die naturwissenschaftlichen und menschlichen Highlights der ersten Begegnung zurück. Der traute Spaziergang an den Ufern des Gengelbachs hat einen tiefen Eindruck hinterlassen, genauso wie die sachkundige Diskussion über die Paarungsrituale gewisser Krabbeltiere. Die jetzige Begegnung, so Bodos Plan, soll auf einer bunten Sommerwiese stattfinden. Mit der selbstlosen Hilfe gewisser Mitstreiter, namentlich zu erwähnen wären da Fidelius der geniale Bastler, Eick van den Poop der gewitzte Holländer und Melchior das treue Muskelpaket, entsteht der Plan eines intim angehauchten Picknicks. Ein besonderer Glanzpunkt ist die herzförmige, tiefrote Picknickdecke und der mit bunten Glockenblumen geschmückte Picknickkorb. Frei unter dem Motto einfach mal etwas anders hat Bodo sein heutiges Outfit gewählt. Die übliche rosarote Federboa darf natürlich nicht fehlen. Leger umschmiegt sie Hals und Schultern unseres Helden. Ein giftgrünes Baseball Käppi verleiht eine sportliche Note, der Dreitagebart freibeuterhafte Verwegenheit. Schwarze Edeljeans, grüne Jesuslatschen, sowie ein melonenfarbiges Seidenhemd verleihen den gewohnten weltmännischen Charme.
Derweil Direktor Lachvogel mit der sensiblen Bodycam hadert welche ihm seine fürsorgliche Gattin angeheftet hat und versucht der peinlichen Überwachung zu entgehen, bereitet sich Bodo Quentin auf den großen Moment des Wiedersehens gewissenhaft vor. Wohlformulierte Begrüßungsworte verankern sich in seinem Kopf, charmante Floskeln mischen sich mit wohlmeinenden Komplimenten. Auch die blonde Grit macht sich fein und wirft sich in Schale, bzw. in ein schrilles Sommerkleid. Sie mag diesen verrückten Bodo Quentin und solange sie hier verweilen muss, tut ein wenig Zeitvertreib ganz gut.
Ebenso wie sie das aufgeblasene Gehabe des Direktors ihre Person betreffend ganz köstlich amüsiert. Unaufhaltsam nähert sich die Stunde des Wiedersehens.
Und während Bodo Quentin voller Ungeduld schon locker eine halbe Stunde zu früh auf der Wiese eintrifft, voller Spannung die Vielfalt der Gräser bewundert, erscheint die Journalistin die übliche Viertelstunde später. Die wohldurchdachte Begrüßung Bodos verliert sich im hilflosen Gestammel des frisch Verliebten.
Dann jedoch läuft alles nach Wunsch. Im trauten Zwiegespräch über Krabbeltiere, seltsame Paarungsrituale, die Wunder der Natur and more finden sich zwei verwandte Seelen. Vertraut erscheinen die beiden Turteltauben welche sich genießerisch über den Inhalt des Picknickkorbes hermachen. Bester französischer Wein, Baguette und Käse, Parma Schinken und Melone sowie erlesene rote Trauben. Der, vom cleveren Fidelius, auf Akkubetrieb umgemodelte Kassettenrecorder verbreitet nostalgisches Ambiente und südländische Love Balladen. Keine Kosten und Mühen hat Bodo Quentin von und zu Ratzeburg gescheut um hier und heute einen bleibenden Eindruck zu erzielen und die gebremste Konkurrenz des Herrn Direktors endgültig auszuschalten. Im amourösen Gerangel um die neue Insassin der uns so vertrauten Anstalt für Besser- und Höhergestellte Vollverwirrte ist fast alles erlaubt.
Apropos Direktor Lachvogel… der aufmerksame Beobachter sieht ihn Endlosekreise laufend am Rande der großen Wiese. Nahezu verzweifelt im nutzlosen Kampf gegen die ihm angepasste Überwachung und erfüllt von banger Vorahnung ob der nächsten Gardinenpredigt. Die Überlegung in eine sogenannte Zweckohnmacht zu entfliehen nimmt in seinem Denken immer mehr Raum ein.
Kamasutra 03.06.2020