(sorry, ist etwas lang geworden
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Mädchenaugen träumten, Männeraugen schäumten
Der Gesandte des Hofes atmete und sein Atem war laut, nicht schweigsam. Sein Schnaufen war das einzige ihm hörbare Geräusch in einem Meer aus Stille und Augenpaaren.
Mädchenaugen, weit aufgerissen und selbstleuchtend wie Smaragde und Rubine, Zirkone, Opale und Turmaline, Heimat von Licht. Licht, das sich vor der Welt zu verstecken suchte und nun in den preziösen Gesichtern dieser Mädchen, wie in filigranem Geschmeide gefasst war.
Männeraugen, groß und des Wassers überdrüßig! Wütende Winterbäche schwollen rot in ihnen und drohten alles zu fluten.
Frauenaugen, aus denen Fürsorge und Mißgunst erst sprachen, dann schrien! Sorgen, um ihre Töchter und Söhne vermengten sich mit der Angst um ihre Gatten, Väter und Brüder. Der Sorge stand der Hass auf den Boten der schlechten Nachricht zur Seite. Der Hass schubste und stach mit tiefen Nadeln, die die Seelen pieksen. In ihren Augen aber, da war noch etwas andres, da war auch Liebe, die sich nicht zu verstecken suchte. Da war immer noch der alte Glanz, in dem sich der Gesandte so gut zu sonnen verstand in den Tagen der Leichte, als die Luft trug.
Nun stand er oder tanzte, oder irgendwas dazwischen, auf dem Parkett, welches sie eigens gewienert hatten für ihn. Der Gesandte, Inkarnat und Haus des Blauen Lichts, indes brach ab und fing sich, in der Luft auf einem Bein, schlingernd schlängelnd und letztlich stehend. Er fing von Neuem an.
Der Gesandte taumelte und stammelte aufs Geratewohl halbgar und unwirrsch Wörter, die so aneinander gereiht man noch nie gehört hatte und strich in manischer Manier seinen grünen Mantel glatt. Manie blitzte in seinen Augen, weswegen er sie damit beschäftigte dem Boden Muster zu entlocken, statt den Häuptern der Großen Familien ins Aug zu blicken.
Ein Umstand, der frevelhaft und feige zugleich war und der den Häuptern nicht zusagte. Es behagte ihnen nicht. Es nagte an ihnen. Sie taten sich schwer. Sie fragten sich. Sie wussten nicht, woran es lag an sich. Da war zum einen dieser Mangel an Respekt, denn der Gesandte hatte kein Auge und kein Wort übrig für den Aufwand, den sie betrieben. Sie hatten fürwahr groß aufgetischt und noch größer aufgefahren, waren mit Scherpen und Orden und Horden an Gefolge und Gesinde erschienen, beladen mit Geschmeide und der Väter Erbe aus Jahrhunderten.
Zum anderen wussten sie indes nicht was zu tun sei. Sie versuchten die Luft ihrer Lungen in Zaum zu halten, welche aber immer schneller ein- und ausströmte und ihre Stimmen an Kraft und Höhe zunehmen ließ. Ihre Köpfe schwollen an wie ungegerbte Blasen von Ziegen und glichen grotesken Karikaturen der Portraits der Vorfahren. Ihre geerbten Gesichtszüge entsagten gleichwohl der Kontrolle des Verstandes und des Anstandes und entgleisten dramatisch und gestenreich, verloren schließlich, ob der Groteske, die Contenance und das endgültig und boten letztlich ein Bild der Verheerung, als ob nächtens ein Wal im Sturm gestrandet wäre und an Land, der eigenen Schwere wegen, am Morgen aufgeplatzt und ausgequollen, zur Freude der Fischersleute. Gestrandete Buckelwale, armen Fischern Bückware zum kleinen Preis und kleinen Fleiß.
Die Frauen der großen Häupter sorgten sich um ihre Gatten, wie sie sich um ihre Töchter, allen Anschein nach zurecht, gesorgt hatten, als der Gesandte angekommen war.
Die Häupter der Großen Familien steckten die Köpfe zusammen und berieten und beratschlagten, doppelt und achtfach, während der Gesandte in Spuckweite einfach mal Rad schlug; offenbar hoffnungslos Meschugge.
Der Gesandte stand wieder aufrecht, abermals seinen Mantel glatt streichend, als die Häupter voneinander ließen und sich ihm zuwandten. Als einer von ihnen vortrat, ob aus Mut, ob aus Lospech, fiel ihm der Gesandte in das noch ungesprochene Wort und sprach also selbst. Als ob!!?
"Mir sagte man, wir seien Leuchtwürmer, jeder von uns, einzeln in Gläsern von Kinderhand gefangen und von Kinderhand zu Kinderhand gereicht und so weit voneinander entfernt, wie es die Sterne zu dem Blätterhaufen sind unter dem wir aufwuchsen…“
Mädchenaugen leuchteten und weinten, Frauenaugen tränten, Knabenaugen lachten und Männeraugen kniffen und ballten Fäuste. Der Gesandte stand reglos und fuhr einfach fort.
„Mir sagte man, dass es mehr Sterne in dem großen Meer über uns gibt, wie Sandkörner an allen Stränden hier auf Erden. Und die Sterne sind so weit voneinander entfernt, wie sie es zu uns sind.
Die Häupter den Großen Familien öffneten die Münder, rätselnd und verachtend zugleich, ob der Unerklärlichkeit der Worte, die sie vernahmen.
„Worauf willst du hinaus. Gesandtler? Was willst du uns sagen?“, sprach der junge Mann mit einer Stimme, die lieber sitzen geblieben wäre, im Kreise der Knaben oder wenigstens hinter der Väter Köpfe stehend versteckend.
Der Gesandte hüpfte vom linken auf das rechte Bein, wog sich und stand letztlich gleich einem Kranich da, der betrunken nach Hause gekommen ist und nicht mehr ins Nest darf. Die Locken fielen dem Gesandten vor das Gesicht. Ein Auge blitzte hindurch und sah den jungen Mann stehen, dem er ins Wort gefallen war und der sich offenbar Mühe gab öffentlich die zaudernde Stimme zu erheben, aber vielmehr noch sich einen Bart wachsen zu lassen. Der Bart jedoch machte ihn nicht diese Freude. Und so wie sein Bart war, war letztlich auch seine Courage beschaffen.
„Es gibt nichts als das Nichts. Im Nichts ist nichts als das Nichts und das ganze Sein auf einem Mal und es ist winzig klein das Sein, dass Augen es nicht sehen können. Das Sein entsprang auf dem Nichts und wird wieder zum Nichts. Letztlich ist alles was es gibt unendlich viel Nichts und ganz ganz wenig Sein. Die Leere ist die Regel, nicht die Ausnahme.“
„Meinst du den Thron? Du meinst doch den Thron! Er soll leer bleiben? Der Thron des Reiches soll vakant bleiben? Ist es das, was du uns zu sagen versuchst und nicht auf die Kette kriegst?“, das Oberhaupt nahm den Kopf hoch und atmete tief ein, um seiner Brust, die Geltung zu verleihen, die sie verdiente.
„Es gibt doch die Erbfolge. Die königliche Linie ist ausgestorben, das wissen wir alle!“, sprach das Oberhaupt der Großen Häupter, in die Runde nach Zuspruch umherblickend, als er fortsetzte. „In den Bullen des Großen Rates steht geschrieben, dass das Los einen der Unseren, der ehrbaren Magnaten des Reiches, wählen soll. Das Losglück soll entscheiden, auf das kein böses Blut aufkomme! Das ist die Ordnung des Reiches und der Welt!“
Beifall kam auf, gleich dem Geschnatter der Gänse, zur Gänze unangebracht, denn sie hatten nicht verstanden.
„Im Universum gibt es nur einen, der es verdiente König zu sein, in egal welchem Königreich. Es ist keiner der Euren und keiner der Meinen. Es ist ein Junge, den ich traf auf meinen Reisen und der wusste ohne zu meinen, der glaubte ohne zu denken und der sah ohne zu schauen. Er sieht mit dem Herzen, nicht mit den Augen, versteht ihr? Mmmh?“
Mädchenaugen träumten, Männeraugen schäumten, Knabenaugen fragten sich und Frauenaugen labten sich.
„Ihr habt euch in Schale geworden, tragt die kostbarsten Gewänder, Brokat und Gold und edle Steine, doch jede sorglose Blume auf dem Feld dort hinten ist viel kleiner als ihr, an Größe und an Bedeutung, trägt aber prächtigere Kleider. Und der Junge weiß das. Er weiß über das Nichts und das Sein und dem Sein seine hellscheinende Schönheit. Er stammt von einem anderen Planeten als unseren und er ist auf der Suche nach seiner Rose. Und da er sie für immer suchen wird, soll nicht einer von euch auf dem Thron Platz nehmen. Nicht du, nicht du, nicht du und auch nicht du!“
Der Gesandte stand nun aufrecht und blickte mit seinen Lapislazuliblauen, abyssalen Augen dem Oberhaupt in seine beißwilligen und drang flux in die Tiefe seiner Seele vor, um dort ein Kind zu finden, das weinte und das lachte, die eine Hand ausgestreckt, die andere zur Faust geballt.
Der Gesandte wandte sich jedoch ab und nun allen anderen zu, beide Augen offen und leuchtend wie Bengalos am Abend des Großen Spiels.
„Es soll keinen Thron geben, bis ihr lernt der kleine Junge zu sein. Wenn das passiert, wenn ihr der kleine Junge oder das kleine Mädchen geworden seid, werdet ihr fragen, Häh? Was ist ein Thron für eine Sache und für was ist das gut?