„Ping – Pong und Pinguin“
Ping – Pong und Pinguin sind schon zwei seltsame Gesellen. Von Statur und Aussehen eher durchschnittlich und normal, verfügen sie jedoch über die ein oder andere bemerkenswerte Eigenart. Sie sehen sich sogar ein wenig ähnlich obwohl ihre Freundschaft eher einem Zufall zuzuschreiben ist. Jedoch schimmern die Locken bei dem einen in einem friedlichen melatenblond, der andere trägt dagegen ein stilvolles Friedhofsgrau. Beide verfügen allerdings über eine recht gewaltige Adlernase, auch altrömischer Zinken genannt.
Nicht etwa das dies ihre wirklichen Namen wären, die kennt hier niemand in der Schrebergartensiedlung „Grüne Laube“. Seit knapp drei Jahren leben die beiden Mittfünfziger hier, üben sich im zelebriertem
Weltschmerz und bezeichnen sich selbst als Auslaufmodelle, oder im heutigen Sprachgebrauch als nicht
systemrelevant. Es wird niemandem hier so ganz klar ob die beiden das System ablehnen oder ob das System die zwei Männer verstoßen hat. Aber beginnen wir von vorne, vom Anfang und berichten über die wenigen Dinge welche der Allgemeinheit hier über Ping – Pong und Pinguin bekannt sind.
Die Namen sind natürlich Spitznamen, sie rühren bei dem einen von der immer schwarz – weißen Kleidung her und seinem watschelnden Gang welcher in der Tat an besagten flugunfähigen Seevogel erinnert. Auch sprattelt er gerne mit den Armen wild hin und her, es gleicht dann sehr dem Flügelschlagen eines schnell dahinstolpernden Pinguins.
Der andere verdankt seinen Namen der einfachen Tatsache das er mindestens zehnmal am Tag seine Meinung ändert, eben wie ein hin und her geschlagener Ping-Pong Ball. Besonders die Themen Wetter, Sport, sowie die hohe Politik sind da geradezu
obligatorische Musterbeispiele. Außerdem soll er, in betrunkenem Zustand, versehentlich einen Ping – Pong Ball mit einem hartgekochten Ei verwechselt haben, so weiß wenigstens Malte Huber zu berichten.
Pinguin ist dazu noch ein reinblütiger
Narzisst, welcher seinen leidgeplagten Nachbarn des Öfteren mit seinen erotischen Selbstdarstellungen und egozentrischen Zügen ganz gewaltig auf die Nerven geht. Stundenlang steht er vor seinem großen Spiegel, begutachtet sich selbst und pflegt seine Ansprüche und Erwartungen. Hochstapelei und Prahlerei liegen ihm auch sehr gut und seinen 450 Euro Job im Getränkehandel verkauft er gerne als berufliches Highlight. Natürlich frönt er auch dem mehrmaligen
changieren, also dem wechseln oder tauschen von Kleidung oder notwendigen Accessoires.
Beide allerdings machen diese seltsamen Eigenschaften durch ein in der Regel charmantes und freundliches Auftreten und ein gerütteltes Maß an Hilfsbereitschaft wieder wett. So läuft das Miteinander in der Schrebergarten Kolonie zwar manchmal etwas seltsam und nervig, in der Regel jedoch in gutem Einvernehmen. Viele der Hobbygärtner hier
bemitleiden die beiden Männer als Außenseiter, andere betrachten sie einfach als Menschen die sich die Freiheit erlauben ihr eigenes Leben zu
skizzieren, weitgehend los gelöst von dem Hamsterrad in dem so mach anderer einen turbulenten Salto nach dem anderen schlägt.
Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischenliegen und die
Bringschuld ihres Lebenswandels werden sie irgendwann an ganz anderer Stelle einlösen müssen.
Auch heute ist wieder so ein besonderer Tag. Die Sonne strahlt über dem Areal der grünen Laube und allerorten wird fleißig gegärtnert und gewerkelt. Ping –Pong hat zwei leichtsinnige Kandidaten gefunden die er mit Begeisterung in eine lautstarke Grilltisch Diskussion rund ums Weltgeschehen verwickelt. Natürlich nicht ohne rund ein Dutzend Mal seine eigene Meinung zu ändern. Ein Umstand der bei den beiden Neulingen in besagter Gartengemeinschaft für leichte Verwirrung sorgt, den alten Hasen des Vereins allerdings ein breites Grinsen beschert.
Derweil frönt Pinguin seinen erotischen Trieben, wälzt enthusiastisch den Versandhauskatalog, Abteilung Männeroutfits und wechselt zum dritten Mal sein T-Shirt. Es verspricht ein launiger Nachmittag zu werden, auch gedankt dem Umstand das es anlässlich eines runden Geburtstages 100 Liter Freibier gibt. Dazu dann noch die leckeren Grillwaren von Metzger Schmittke.
Alle sind entsprechend wohlgelaunt und unsere beiden Titelhelden finden ausreichend Gelegenheit ihrem Leumund gerecht zu werden. Spät in der Nacht stolpern sie wieder in ihr umgebautes Blockhaus, während die meisten Vereinsmeier so langsam den Heimweg antreten.
Der letzte macht das Licht aus und dann versinkt die Schrebergartenkolonie in barmherziger Dunkelheit. Nur am Eingang brennt noch die Notbeleuchtung. Hin und wieder durchbrechen röchelnde Schnarch Geräusche die traute Ruhe in die sich die Grüne Laube einhüllt wie in einen schützenden Mantel.
Kamasutra 07.07.2020