Das willst Du nicht wissen
Vorneweg:
Mir macht das Schreiben im Augenblick so viel Spaß, dass ich gleich nochmal ne Geschichte zu den 8 Wörtern aufgeschrieben hab.
„Das willst Du nicht wissen!“
„Klar doch. Jetzt sag schon!“
„Nö, das willst Du wirklich nicht wissen!“
„Oh Mann, rück raus, was ist los?“
Manni saß beim dritten Pils. Seine Zunge löste sich. Er hatte eine große Sorge. Das merkte ich schon, seit wir uns vor einer halben Stunde und mitten in der Nacht in unserer Stammkneipe getroffen hatten.
„Ok!“
Pause
„Jetzt lass Dir nicht alles aus der Nase ziehen!“
Manni schaute mich mit einem traurigen Dackelblick an. Das musste ne echte Katastrophe gewesen sein, die ihn ereilt hatte. So kannte ich ihn nicht. Obwohl wir schon seit Jahrzehnten befreundet waren.
„Also, pass mal auf!“
„Ich passe auf!“
„Dann pass jetzt mal auf. Ganz genau!“
„Herrgott, ich pass doch verdammt nochmal auf!“
„Ich hab mich in so ein Portal eingeklickt.“
„Was für ein Portal denn?“
„Na, bei so einem Exquisit-Partner-Gedöns-Portal.“
„Einem Dating-Portal?“
„Ja, genau dort!“
„Warum denn, um Gottes Willen?“
„Wegen Single und Alleinsein und kuscheln und – naja – wegen toter Hose im unteren Stockwerk.“
Manni schaute traurig an sich hinab.
Pause.
„Und dann, Manni, erzähl endlich!“
„Ich hab mich schön gemacht.“
„Auf’m Foto?“
„Ja, aber nicht nur vor dem Spiegel. Ich hab auch geschummelt.“
„Hä?“
„Mit so ner Software.“
„Was’n für ne Software?“
„Photosoftware.“
„Und wo hast du geschummelt?“
„Bisschen hier, bisschen da.“
„Aha. Und dann?“
„Nix und dann. Garnix.“
„Es hat sich keine Frau gemeldet?“
„Nö, hat sie nicht.“
„Das ist normal.“
„Obwohl ich einen Oberkörper wie Schwarzenegger konstruiert hab. Und solche Oberarme.“ Manni deutete den weltmeisterlichen Umfang an.
„In diesem Portal suchen die Damen eher Hirn und Kohle anstatt Muckis. Das ist doch bekannt.“
„Mir nicht!“, grollte Manni.
„Und jetzt? Weiter?“
„Ich hab mir schon gedacht, dass ich etwas falsch gemacht hab. Hab auch gleich reagiert und die Bilder nochmal neu gemacht. Hab die Wohnung aufgeräumt, damit nicht wieder die Bierflaschen mit drauf sind. Und der blöde Wäscheberg. Hab mir nen Anzug angezogen. Mit Krawatte. Kein Softwareeinsatz, nur ein wenig am Bauch. Und ich hab reingeschrieben, dass ich ab und zu ein Buch lese.“
Ich hob die Augenbrauen. Letzteres war mir neu.
„Es hat gut geklappt. Ich bekam sofort eine Mail. Von einer verdammt heißen Schnecke.“
„Wow. Das hätte ich nicht gedacht. Gratulation.“
„Naja, pass auf jetzt!“
„Ich pass’ schon die ganze Zeit auf!“
„Date ausgemacht. Im Café. Blumen gekauft. Zehn superschöne rote Rosen für zweineunundneunzig. Beste Klamotten aus dem Schrank geholt. Noch ein kurzärmeliges Hemd von Camp David gekauft. Weißt Du, wie Dieter Bohlen. Extra die Socken ohne Löcher hervorgekramt, Frisur frisiert, frische Unterhose und noch ein wenig Parfüm an den Hals.“
Manni sank in sich zusammen und bestellte das nächste Pils. Mit zusätzlichem Schnaps.
„Das Café ist cool. Das große am Markt. Mit den vielen Stühlen draußen.“
„Wow! Und?“
„Die Schnecke kam. Ich dachte ich krieg Schnappatmung, Fieber und einen Infarkt im selben Augenblick. Schließlich war es auch ein wenig schwül. Auf jeden Fall eine bildhübsche Frau. Solche Hupen!“ Manni machte mit beiden Händen eine sehr ausladende Bewegung vor seiner Brust. Demnach hatte die Auserwählte mindestens Doppel-Z. „Ich hab sie zum Kaffee eingeladen. Musste dauernd auf die Beine schauen. Ellenlang. Und das blaue Röckchen, so kurz!“ Wieder deutete Manni zwischen Daumen und Zeigerfinger die Rocklänge an. Demnach hatte sich die Frau vertan und statt einem Rock einen Gürtel gewählt. „Das Gespräch war toll. Dieser süße Klang in ihrer Stimme. Diese vollen roten Lippen, der dezente Lidstrich. Die kleinen Nasenflügelchen, die sich bei jedem Wort mitbewegten. Ich hab ihr sofort alles erzählt. Von meinem Job, meinen Hobbys, meinem Haus, Stammkneipe, vom HSV, dass ich kochen und backen kann – naja, zumindest einen wunderbaren Pizzateig - aber nicht bügeln. Das ganze Programm eben.“
„Und sie?“
„Weiß ich nicht. Ich konnte nicht zuhören. Wegen dem Rock und der Hupen! Das hat aber nichts ausgemacht. Am Ende hab ich sie zu mir eingeladen.“
„Davon hast Du nichts erzählt!“
„Das erste Treffen war vorgestern. Das nächste gestern.“
Nun war ich doch gespannt wie ein Flitzebogen. Das war ja ne rasante Entwicklung.
„Und? Lief etwas?“
„Das ist es ja. Sie kam in einem kleinen Cabrio angedüst. Wieder mit nem extrem kurzen Rock. Kleines Geschenk in der Hand, ne Tafel Schokolade. Tolle Frisur. Die langen, schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Eine Bluse, die die Hupen nicht halten konnte. Ein Ausschnitt, in den ich beinahe reingefallen wäre.“
„Jetzt übertreibst Du aber.“
„Wir haben uns sofort auf die Terrasse gesetzt. Ich hol Kaffee und ein Fläschchen Sekt, mach den Sekt auf und gieße zwei Gläser ein. Sie trinkt in einem Zug das Sektglas aus und will gleich nochmal. Ich freu mich, dass ich endlich eine Frau treffe, die mit mir mithalten kann. Nach drei Gläschen wurde sie ganz schön locker. Der Rock, also das kurze Ding, rutschte hoch. Drunter...“
Pause, Manni starrte vor sich hin.
„Was’n?“
„Ja nix. Nix drunter. Verstehst Du. Voll nix. Keine Unterhose, kein Slip, kein Tanga. Einfach nix. Nicht mal Haare.“
„Puh!“
„Eben! So ging’s mir auch. Ich hab nur gestarrt. Plötzlich zieht sie sich aus. Ganz. Auch die Hochhackigen. Und rennt zum Pool.“
„Ach, hast Du deinen Aufblasbaren schon aufgestellt?“
„Hab ich. - Ich also nichts wie hinterher. Hab sogar vergessen die Unterhose auszuziehen. Deswegen hat sie mich ausgelacht.
„Weil Du sie noch anhattest? Oder wegen deinem schicken grauen Feinripp?“
„Ach, sei doch still! – Sie hat sich im Wasser vor mich hin gestellt und mich geküsst. Heiß. Mit Zunge.“
„Mit Zunge?“
„Mit Zunge! Ich durfte sogar ihre Hupen berühren. Knallhart. Nicht so weich und zart und beinahe pastös wie bei Elfriede. Dann legte sie sich auf meine grüne Luftmatratze mit dem gelben Styropor-Kissen und ließ sich von mir durch den Pool schieben. Ich schob am Fußende. Immer mit dem Blick ins Paradies und auf die Hupen. Dicke Hupen. Das glaubst Du nicht. Aber aus Plastik. Leider mit ein paar schlimmen Narben.“
Manni schüttelte sich.
„Und weiter?“
„Sie hat mich ausgefragt wegen dem Haus und meinen Kindern und ob ich eine Frau hätte und so. Ich hab ihr alles ehrlich erzählt. Dabei gingen die Beine immer weiter auseinander. Ich kann Dir sagen.... Das mit der Scheidung von Elfriede und den beiden Jungs hat sie ohne zu zucken aufgenommen. Auch dass ich jeden Monat fast mein ganzes Gehalt dafür hergebe. Und dann noch die Rate für’s Haus. Und so. Und meinen alten Opel könnte ich nicht so schnell ersetzen, wegen all der Belastungen. Man muss am Anfang einer Beziehung schließlich wissen woran man ist.“
Oh jeh, dachte ich und hatte bereits eine Idee, wie das Ganze ausgegangen sein könnte. Aber das i-Tüpfelchen kam noch.
„Auf einmal hüpft dieses messerscharfe Weib von der Luftmatratze und stellt sich vor mich hin. Küsst mich wieder und greift mir sofort ans Gemächt.“
„Du Glücklicher!“
„Von wegen. Ich war so überrascht, dass alles zusammenschrumpfte. Nichts ging. Obwohl ich eine halbe Stunde vorher meine letzte blaue Pille geschluckt hatte. Sie bemühte sich wirklich. Mann, das muss ich sagen. Ne halbe Stunde rieb sie dran rum. Oder ne ganze. Oder vielleicht auch nur fünf Minuten. Keine Ahnung. Aber es passierte nichts.“
Manni wurde leise und sagte dann keinen Ton mehr.
Ich stupste ihn an.
„Sie stieg aus dem Pool. Weist Du, was das für ein Ausblick ist, wenn eine nackte superscharfe Frau oben auf der Pool-Leiter steht und Du kannst von unten zu ihr hochblicken? Normalerweise wäre da kein Halten mehr. Normalerweise.“
Manni zuckte mit den Schultern und bestellte sich ein Pils. Mit Schnaps.
„Und?“
„Ich stand noch im Wasser. Sie zog sich an. Zumindest das Wenige, was sie von vornherein anhatte. Dann sagte sie Tschüss. Ich hab ihr noch nachgerufen was denn plötzlich los wäre. Natascha, rief ich, was hast Du denn? Da drehte sie sich um. Mit diesen Riesenhupen und dem Ausschnitt und dem kurzen Rock.“
Pause.
Ich sah zu ihm rüber. Fertig saß er auf seinem Barhocker und kippte das Bier in sich hinein. Den Schnaps gleich hinterher. Manni hob den Kopf. Traurig war er. Sehr traurig. Ich meinte sogar Tränen in seinen Augen zu sehen.
„Am Gartentor rief sie mir zu: 'Natascha will nix arme Mann mit nix auf Konto, der nicht mehr kann!' Dann ist sie verschwunden.“
Wir bestellten sofort zwei Pils und zwei Schnäpse.