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Geschichtenspiel Teil 45

*********ested Mann
435 Beiträge
na da will ich mich mal um deine Wörter kümmern

Umgestaltung

Welcher Scherzbold hatte sich das ausgedacht? Als er die wissenschaftliche Lektüre über Toiletten auf dem kleinen Bücherregal in der Managertoilette entdeckte, da wo sonst eher leichte Literatur und Vergnügliches stand, war er ein wenig verwundert.

Richard Neudecker „Die Pracht der Latrine. Zum Wandel öffentlicher Bedürfnisanstalten in der kaiserzeitlichen Stadt“. Was machte das hier und warum hatte jemand einen Aufkleber mit „Benutzerhandbuch“ darauf angebracht? Warum stand an der Toilettentür „taris xylosphongio“, hing über der Toilettenbürste ein Schild mit „Xylospongium“ und hatte jemand den Bürstenkopf durch einen Schwamm ersetzt? All dies zeugte von einigen Veränderungen, die seit seinem letzten Besuch stattgefunden haben mussten.

Es war ihm schon komisch vorgekommen, dass statt der normalen Toiletten – Icons, jemand in altdeutscher Schreibschrift ein Schild mit „Zu den Aborten“ angebracht hatte. Das hatte er zu diesem Zeitpunkt aber noch als ungewöhnlichen Scherz abgetan. Das dies alles aber zwischen 7.00 und 8.00 Uhr stattgefunden haben musste war mehr als erstaunlich. Noch erstaunlicher war es, dass statt des Waschbeckens, dass sich noch beim Betreten der Toilette an seinem rechtmäßigen Platz, nebst kontaktloser Chrom-Armatur befunden hatte, nun eine Waschschüssel und ein Holz-Zuber mit einer Holzkelle standen. Wer konnte, in der Zeit, in der er seinen Darm erleichtert hatte, das Waschbecken abgeschraubt und die Wandanschlüsse verputz haben? Ihm schwindelte, das ging doch nicht mit rechten Dingen zu. Er halluzinierte.

Ab in sein Büro und erst einmal einen Schluck zur Beruhigung. Raaah, was war das? Sein grandiosen Eckbüro, mit der Nur-Glas-Front und dem Blick aus dem zweiundfünfzigsten Stock, war kaum wiederzuerkennen. Die beiden verbleibenden Wände waren rosarot gestrichen. Irgend ein Idiot hatte die Rückenlehne seines Chefsessels mit Zebrafell überzogen und seinen Schreibtisch durch ein Monster von einem Tisch aus Ebenholz ersetzt. Wilde Muster waren in die Platte geschnitzt und die Greifen, die die Platte hielten, hatten glitzernde Edelsteinaugen.

Durchatmen, gaaaaanz ruhig und tief atmen. Beruhige dich, dein Schrank mit der Bar ist immer noch an seinem gewohnten Platz, der Rest ist Wahnvorstellung. Er goss sich großzügig ein. Erst einmal einen Racke Rauchzart und eine Zigarette. Das erste Glas gleich hier im Stehen und mit einem weiteren auf zur Dachterrasse im vierundfünfzigsten.

Bei Dachterrasse fiel ihm ein, dass er heute bei der neuen Vorstandsvorsitzenden vorsprechen musste, einer Mafalda irgendwas. Komischer Name und komische Frau. Er hatte sie heute schon sehr früh, mit irgendeinem länglichen Gegenstand in der Hand, durch die Gänge wandeln sehen. Sie war aus Richtung der Dachterrasse gekommen und fiel ihm deshalb wieder ein.

Vielleicht war er auch ein wenig abgelenkt von ihrer Erscheinung gewesen. Schwarzes wallendes Haar, schwarzer, dreiviertellanger Mantel und wirklich sexy Beine in hohen Stiefeln. An ihr Gesicht konnte er sich nicht wirklich erinnern. Doch, es war bleich gewesen, mit rotem Lippenstift und funkelnden, grünen Augen. Diese Augen hatten ihm wirklich gefallen. Bei Augen war er sonst sehr kritisch aber ihre Katzenaugen waren irgendwie sehr ansprechend gewesen. Er lächelte bei diesem Gedanken. Er hatte gerne und lange in diese Augen geblickt.

Egal, jetzt erst einmal mit dem Whisky zu einer Beruhigungszigarette aufs Dach. Doch auch hier, statt der gewohnten Betonwüste - Dschungel. Ernsthaft ein Dschungel? Was war mit ihm los? Alles nur Einbildung. Genauso wie die Kobra im Gras vor ihm. Alles nicht real. Erst einmal einen Zug und einen tiefen Schluck.

Der plötzliche Schmerz überzeugte ihn vom Gegenteil. Die Kobra hatte ihn ins Bein gebissen. Jedenfalls ließen dieser unglaubliche, lodernd brennende Schmerz und zwei Löcher in seiner Anzughose keinen anderen Schluss zu. Er fixierte die Schlange, die sich aber nicht mehr für ihn zu interessieren schien. Interessanterweise hielt er noch immer das Whiskyglas in der Hand. Er stellte es vorsichtig auf einen Baumstumpf und zog die Hose hoch. Zwei blutende Löcher und ein höllischer Schmerz. Er brauchte Hilfe.

Doch als er zurück in das Gebäude wollte war die Glastür verschwunden. Hinter ihm war nur noch mehr Dschungel und ein tiefes Grollen. Nicht nur ein Grollen. Die Geräusche kamen aus mehr als einer Richtung und klangen nach ziemlich großen Tieren. Als der erste Jaguar in seinem Blickfeld auftauchte, begann er zu schwitzen. Die schwarzen Großkatzen kamen langsam näher und er hatte das Gefühl, dass sie genauso real wie die Kobra seien könnten.

Er begann in die gegenüberliegende Richtung zu hinken. Die Raubtiere folgten geduldig. Wussten sie doch, dass er mit dieser Verletzung nicht entkommen würde. Da eine Felswand. Er begann zu klettern, obwohl sein Bein ihn peinigte und immer wieder versagte. Zusätzlich begann sein Kopf mehr und mehr zu schmerzen. Felswand, Geländer, Felswand, Knurren, Schmerzen, der Blick aus dem 54sten Stockwerk, der Fall.

Mafalda lächelte und nippte am vor ihr abgestellten Whisky, als sie beobachtete wir Harry F. über die Brüstung und das Geländer kletterte. Es war offensichtlich nicht leicht, aber er wirkte gehetzt. Erst als er das Geländer überwunden hatte, wirkte er zufrieden und nur bei seinem Sturz hatte er ein wenig irritiert geblickt.

Nun ja, diese überarbeiteten Manager. Ihre Schwester Minerva würde das entspannter angehen. Jetzt erst einmal ein kleines Nickerchen auf ihrer schicken Bürocouch. Diese Führungszauber waren immer ein wenig anstrengend.
*******tia Mann
5.162 Beiträge
Wirklich eine zauberhafte Chefin ...
Führungsqualitäten der besonderen Art. Krass! *wow*
Gebückt, doch nicht gebeugt
*********Joe62 Mann
184 Beiträge
Dieser Beitrag wurde als FSK18 eingestuft.
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Der Tag der Wahrheit
Dann komme ich hier einmal mit ein wenig Kunst *zwinker*


Seit vielen Wochen war Clara bereits am üben. Sie hatte sich für das neue Ballett am Staatstheater beworben. Es sollte Romeo und Julia in einer modernen Aufführung gespielt werden. An manchen Tagen fragte sie sich, ob sie sich eventuell zu viel zugetraut hatte. Sich für die Hauptrolle zu bewerben war schon immens. Wieder einmal sah sie sich kritisch ihre Tanzbewegungen im Spiegel an. Ihr Trainer trat hinter sie an den Spiegel. Die Sprünge waren ihm wieder einmal nicht sauber genug. Noch einmal sollte sie diese Übungen absolvieren. Ihre Füße schmerzten. Seit mehreren Stunden arbeitete sie ohne Pause. Kurz dehnte und streckte sie sich, bevor sie die Choreografie noch einmal tanzte. Jetzt war wenigstens Bodo zufrieden und entließ sie, damit sie ausruhen konnte.

Robert war für die Rolle des Romeo bereits engagiert worden. Mit ihm wollte sie unbedingt spielen, das war schon lange ihr Traum. Er war der meistumschwärmte Star am Theater. Er war groß, sehnig und sah verdammt gut aus. Vor allem dann, wenn sie seine Muskeln unter dem Shirt und den enganliegenden Hosen arbeiten sah. Seinen sexy Körper an ihrem spüren, ja das weckte ihre Phantasie und ließ sie den Mann wieder einmal durch ihre rosarote Brille sehen.
Mit dem Intendanten sollte Robert gemeinsam die Julia bis Ende nächster Woche wählen. Verflixt! So viel Zeit war das nicht mehr! Die Aufregung stieg mit jedem Tag.

Zu Hause angekommen prüfte Clara erst einmal den Briefkasten und fand zu ihrer großen Freude den Brief mit der Einladung zum Vorsprechen darin vor. Aufgeregt las sie die wichtigsten Informationen mehrmals durch. Beim Blick auf das Datum stellte sie fest, dass sie bereits am nächsten Vormittag vortanzen sollte. Alarmiert sah sie sich das Datum nochmals und nochmals an. So kurzfristig! Das kam ihr komisch vor. Ein Blick auf den Poststempel sagte ihr, dass der Brief fast zwei Wochen auf dem Weg zu ihr war.

Ihr wurde übel. Der Magen verkrampfte sich. Schnell eilte sie zum Abort. Vor lauter Aufregung wird sie wohl die kommende Nacht wieder mehr in diesem Kämmerchen verbringen anstatt zu schlafen. Das Vortanzen kann ja heiter werden.

Nach vier Stunden Schlaf wachte sie am nächsten Tag einigermaßen fit auf. Sie frühstückte einen doppelten Espressi und verschiedene Beruhigungs- und Stärkungspillen bevor sie sich auf den Weg zum Theater machte. Im Theater waren bereits einige Kolleginnen dabei sich an der Stange aufzuwärmen. Clara legte ihre Kleidung ab und gesellte sich in ihrem Trainingsanzug zu ihnen. Einige der Frauen schauten verbissen auf die anderen. Miteinander reden war nicht möglich. Dafür herrschte eine zu große Stutenbissigkeit. Schließlich wollte jede hier gewinnen.

Nach und nach wurden es weniger Tänzerinnen, bis nur noch Clara da war und auf die Bühne gerufen wurde. Sie sollte das „Bedroom Pas de deux“ zusammen mit Robert tanzen. Sie atmete ihre Nervosität weg und ließ sich auf ihren Tanzpartner ein. Nach dem Tanz nickte der Zuschauer und sah den Tänzer fragend an. Robert gab dem Intendanten seine Zustimmung. Dieser atmete erleichtert auf und rief Clara zu sich. Schwer atmend hielt sich diese an der Rückenlehne der Theaterbestuhlung fest und hörte sich seine wohlwollenden Worte an.


Schöööön! Das muss aber auch eine Fortsetzungsgeschichte werden! *ja*
Gebückt, doch nicht gebeugt
*********Joe62 Mann
184 Beiträge
Geschichten aus Pandemistan
Vorneweg: Bitte seht es mir nach. Aber heute ging mir so vieles durch den Kopf. Da brauchte ich ein wenig Ablenkung und habe deshalb noch etwas zum Tagesgeschehen geschrieben.


Süße Klänge ertönten über den schneebedeckten Bergen von Pandemistan. Ein rosaroter Sonnenuntergang rief die kleinen Kinder der Abermillionen Arbeiter von den Straßen in die Häuser. Den ganzen Tag über hatte sie ein alter Karrache mit schlohweißen Tentakeln in allen Sprachen der Vögel, der Säugetiere und der Fische unterrichtet. Die Kids der Abschlussklassen hielten ihre Zeugnisse an den Näpfen. Sie sollten sich noch einmal ausruhen. Am nächsten Tag würde es losgehen.

Der kleine Covid, ein süßes, rundlich geratenes Kind, musste frühmorgens vor Sonnenaufgang noch einmal zum Vorsprechen in die Schule kommen.
„Covid, nun ist es soweit. Du bist der Erste, den wir in die weite Welt hinaus schicken. Schau mal hier auf die Karte. In dieses Land musst Du zuerst. Da wohnen gar viele Tiere, die nur auf zwei Beinen gehen. Schau, dass Dich eines davon fürstlich bewirtet. Nutze die Zeit und gründe eine Familie.“
Der kleine Covid blickte zum alten Karrache empor, der ihm mit seiner tiefen Stimme regelrecht Angst einjagte. Er sah ihn heute zum ersten Mal in der Realität. Bislang gab es immer nur den langweiligen Fernunterricht. Der alte Lehrer brauchte die Napfstützen und die hohe Rückenlehne seines Thrones, um nicht davon zu kullern, als er Klein-Covid einen Wink gab auf dass dieser den Raum verlassen sollte. Covid nickte, schnappte sich das kleine Navigationssystem aus der Hand des Karrachen und rollte zur Tür hinaus.

Als die Sonne erwachte kullerte Klein-Covid bereits durch das hohe Gras am Fuße der Stadt. Die Richtung stand fest. Er brauchte erst mal ein Taxi. Es wäre egal, um welche Art von Lebewesen es sich handeln würde. Soweit die Theorie. Voller Aufregung hielt der kleine Covid Ausschau. Da hüpfte auch schon etwas durchs Gras. Nicht gerade gewaltig groß. Aber aus der Perspektive vom kleinen Covid schon.
Covid machte einen Satz, wie er ihn im Sportunterricht gelernt hatte, und kullerte entlang der schleimigen Höhlenwand in die finsteren Winkel der Nase des Taxi-Tieres. Sogleich kam ihm die Sache komisch vor. Ihm wurde schlecht. Das Taxi hüpfte, schlug Haken, rannte, blieb abrupt stehen. Wer war denn für so eine unbequeme Konstruktion verantwortlich? Später sollte sich herausstellen, dass der kleine Covid bei seinem ersten Transportmittel voll daneben gegriffen hatte. Ein Springmaus! Nicht zielführend.
Nachdem Covid ein paar mal torkelnd durch die Adern der Springmaus gerutscht war musste er raus. Er kitzelte die Maus am Gaumen. Die Maus nieste. Schon sauste der kleine Kerl auf einem winzigen Tröpfchen hinüber zu einem Storch, der wegen des Niesens auf die Maus aufmerksam wurde. Noch während der Storch die Springmaus verschlang kullerte Klein-Covid bereits in den Nasenlöchern des Vogels herum.
Wenig später, Covis schlief seelenruhig in der bequemen Storchenleber, hob das Federvieh ab und zog zusammen mit einer unüberschaubar großen Verwandtschaft über grässlich hohe, kalte Berge.

Jenseits von Schnee und Eis landeten die Störche in einem Reisfeld. Covid konnte es kaum glauben. Nach so kurzer Reisedauer sollte er schon am Ziel sein? Sein Navigationsgerät zeigte es ihm an. Also nichts wie raus. So ein Storch ein nettes Taxitier. Aber außer der Leber war nichts bequem an ihm. Und zu fressen gab es auch nichts. Und dieses ständige Geklapper mit dem Schnabel. Das willst Du nicht hören, dachte sich Covid , als er an einem Wassertröpfchen angenapft aus dem Storch flutschte.
Am Boden kroch gerade ein Gürteltier vorüber. Nichts wie rein in das fette Ding, dachte sich Covid. Auf direktem Weg vom Storch in die Nase des Gürteltieres erledigte er den Umstieg in Windeseile.
Ach wie war es hier schön warm. Und zu essen gab es auch genug. Mehr als genug. Und überall so hübsche Zellorinen. Die waren auch noch willig. Das erkannte Covid sehr schnell. Kaum war sein rundes Bäuchlein gefüllt, da ging er auch schon forsch zum Angriff über. Er amüsierte sich den ganzen Tag lang mit den Zellorinen, machte Kinder was das Zeug hielt, verlor alsbald den Überblick und war froh, als das Gürteltier sich endlich schlafen legte.
Covid schlich sich ans Nasenloch. Eben blickte er noch in die wunderschöne, vom Mond erhellte Landschaft, da gab es einen mächtigen Schlag. Ein Zweibeiner zog dem Gürteltier eins über. Oh weh. Die Zellorinen wirbelten wild durcheinander. Sie schrien vor Angst.

Auf einem Tisch mitten in einer dichten Zweibeineransammlung lag er nun im Nasenloch des Gürteltieres und wartete. Er musste raus. Eine hübsche Zweibeinerin mit langem, schwarzem Fell am Kopf interessierte sich für das Gürteltier.
Der Wind stand gut. Schwups, landete der nun halbstarke Covid in der Nase der Zweibeinerin. Und hatte Spaß und hatte Spaß und hatte Spaß. Seine Familie wuchs ins Unermessliche. Manchmal rannte er nach oben und kitzelte die Zweibeinerin am Gaumen. Seine Nachwüchse warteten bereits gespannt. Kaum stürmte warme Luft von den Lungen hoch, hüpften seine Kinder auf die kleinen Wassertröpfchen und verschwanden jubelnd, bereit für ihre Abenteuer.

Unbemerkt musste die Zweibeinerin das Land gewechselt haben. Das Navi zeigte fremde Gefilde an. Nicht mal einen Namen gab es für das Land. Keine Reisfelder, aber riesige Vierbeiner mitten im Gras und Zweibeiner mit Tierhautzweibeinerhosen. Wow! Was für eine Welt!
Covid wurde neugierig. Er packte ein Tröpfchen und machte sich davon. Er schwebte durch einen Raum, in dem die Zweibeiner lustig sangen und mit großen gelben Seen gegeneinander stießen. Das Land hieß wohl ‚A Prosit’ oder so. Pandemistan lag in weiter Ferne. Einer der Zweibeiner hatte ein fahl-weißes Tier ohne Beine vor sich. Das bewegte sich nicht. Aber es roch so gut. Covid wechselte das Taxi. Das weiße Tier hieß wohl ‚A Weiße’ und wurde im Land ‚A Prosit’ oft von den Zweibeinern verspeist. Das erkannte Covid sofort. Also abwarten. Und schon rutschte er zusammen mit der gelben Brühe aus dem gläsernen See und Teilen von der ‚A Weiße’ in den nächsten Zweibeiner.
Wieder war Party. Ach, wie sehr liebten ihn die Zellorinen.

Der Zweibeiner reiste in ein anderes fremdes Land, zwei flache lange Schnabelschuhe im Gepäck. Mit denen sauste er schneebedeckte Berge hinab. So manche Situation erschien Covid kritisch. Aber in den Adern des Zweibeiners war Party angesagt. So wie beim Zweibeiner selbst. Der feierte am Abend in diesem neuen Land namens ‚Basst scho’ eine ähnliche Party wie Covid.
„Raus! Raus!", befahl er in aller Fröhlichkeit seinen unzähligen Nachwüchsen, die sich mit jedem Atemzug des Zweibeiners verströmten, just als der sich in einem auf alt getrimmten Abort neben vielen anderen Zweibeinern erleichterte.

Bis zum Sommer feierte Covid eine Orgie nach der anderen. Dann kippte plötzlich die Stimmung. Gerade als es am schönsten war. Covid lebte inzwischen mal hier, mal da. Meist aber bei älteren Zweibeinern. Am liebsten dort, wo es eine Menge von denen gab. Die feierten keine Partys mehr. Die Zellorinen der alten Zweibeiner waren aber extrem gut drauf. Sagten seine Eltern nicht immer: je oller, desto doller?
Mitten in einer totgeilen Party knallte er mit seinen Näpfen in voller Fahrt an einen eisernen Stachel. Der saß nur kurz im Fleisch seines Zweibeiners. Aus dem Stachel flossen in großer Zahl wunderhübsche Partypuppen. Geile Mädels. Die Vakzinchen trugen Netzstrümpfe und kurze Röckchen. Leider waren sie, das merkte der gestandene Dramato-Swinger Covid sofort, alle lesbisch. Die Zellorinen ließen sich unbesehen auf die geilen Spiele der Vakzinchen ein. Doch jedes Mal, wenn Covid sich mit einer Zellorine vergnügen wollte, bei der zuvor ein Vakzinchen an den Proteinchen gedreht hatte, sah er alt aus. "Da gummst Du net rein!", riefen plötzlich die blöden Zellorinen.
So ein Mist, dachte sich Covid. Da muss etwas passieren.

Schwups, reiste er mit einem Zweinbein, das in einem riesigen Blechwurm saß, zu seinen Söhnen und Schwiegersöhnen auf eine mächtig große Insel. In diesem Land ‚Howdoyoudo’ arbeiteten die fähigsten Verwandten daran, Viagranellen zu entwickeln, die es möglich machten, wieder mit den Zellorinen der Zweibeiner Spaß zu haben. Anfänglich ein Riesenerfolg. Covid vögelte sich die Näpfe wund.
Aber bald wurde das Überleben auch im Land ‚Howdoyoudo’ kritisch. Es hieß, dass man besser andere Taxis nehmen sollte. Die, ohne diese verdammten Vakzinchen in den Adern. Covid wusste in all seiner angevögelten Weisheit, dass er mit diesen Lesben nichts mehr zu tun haben wollte.
Also nix wie zurück zu den Gürteltieren.
Das war ein guter Gedanke.
Covid schlief erst mal erleichtert ein und träumte eine Runde von seinem ersten Mal im Gürteltier.
****59 Frau
3.150 Beiträge
Auf die Idee muss man erst mal kommen *lol* . Genial gemacht, Columbia Joe *bravo*
*****ree Frau
22.056 Beiträge
Das finde ich auch... Eine klasse Satire ... So ist der kleine Covid ja fast sympathisch. Aber die Lesben mag ich auch, sehr sogar *hutab*
*******blau Mann
3.624 Beiträge
Ippolito non dice di no
.

Ein Abort ist ein komischer Ort und ein noch komischeres Wort. Es vermengt ausgesprochen unangenehme Gedanken der Menschheit in fünf Buchstaben. Gedanken um immanente Bestandteile menschlichen Daseins, die seit jeher tagein, tagaus gedacht werden, aber äußerst selten ausgesprochen.

Umso erstaunlicher war es also, dass Ingeborg Jaworek ausgerechnet diesen Begriff nannte, während sie, in überraschender Aufregung, mit zappeliger Hand zum Ende des Flures zeigte. Frau Jaworek hatte gelauscht, taktiert und gelauert und ihren Nachbarn frontal bei offener Tür abgefangen; ihn kurzerhand gecastet für ihre Zwecke ohne Vorsprechen und Tralala.

Sie wusste, dass er sich nie verweigert zu helfen, wenn man ihn nur höflich danach fragte und war nun sichtlich erleichtert, dass ein Mann sich den Allibert im Badezimmer mal zur Brust nahm. Dessen Lampe ging nicht mehr, wenn nicht sogar ein schlimmerer Befund vorlag. Wer weiß?
Ist man ehrlich, lag in der Wohnung einiges im Argen. Die Tapeten hatten, bereits in hohem Alter, im Röhrenfernseher Helmut Schmidt den Bungalow zuqualmen gesehen und rochen noch immer danach. Die Gerätschaften stammten größtenteils aus der Kohlära und waren in einem - sagen wir mal - kritischen Gesamtzustand. Allerdings galt dies auch für Ingeborg Jaworek selbst.

Das Badezimmer war schon dermaßen rosarot, dass normale Augen unverzüglich Lepra oder suizidale Tendenzen entwickelten, aber das Örtchen toppte das nochmal locker. Das Örtchen war eine einzige verwunschene Bonbonniere.
'Wieviel Pink kann man schon mögen und wie viel ertragen?', fragte sich Ippolito, der eben zuvor, unter steigendem Druck, die Brille penibel und gönnerhaft mit suboptimalem Toilettenpapier ausgelegt hatte und nun das Muster der gehäkelten Deckchen bewunderte, welche die Ablage über dem Waschbecken zierten. Selbst der Deckel/'Rückenlehne' war in Häkelsaum gefasst und in Pink gekleidet. Wände und Decke dagegen waren offenbar darin versenkt worden und sich selbst überlassen.

Ippolito war das zuwider - das Ganze, nicht der rosentranvestierte Sanitärbereich - und das ging nicht gegen Frau Jaworek. Ippolito mied es nach Kräften andere Örtlichkeiten aufzusuchen als die seinen, was auf Reisen oft Schwierigkeiten verursachte, die nur mit einer Rückreise zu lösen waren. Es ist ihm aufs Äußerste unangenehm und manchmal unmöglich, sagen wir es so.

Die Sache, warum er jetzt hier saß, und nicht zwei Stockwerke höher und wenige Schritte den Flur runter, war diese. Der vietnamesische Chinese unten in der Straße hatte eine neue Bedienung, amüsanterweise eine freundliche Studentin aus Korea, wegen derer Ippolito dort gestern Abend gegessen hatte. Um genau zu sein wegen ihres Lächelns, als sie ihn herangewunken hatte, während er eigentlich zum afghanischen Supermarkt gewollt hatte. Wie angeklickt hatte er umgehend Platz genommen und so getan, wie wenn er hungrig wäre. Ihr Lächeln trug auch die Schuld, dass er ihr zuliebe ein todbringend scharfes Kohl-Gericht aus ihrer Heimat gegessen hatte, das sie so honigsüß vorher vorschlug. Das Verdauungssystem Ippolitos fand wenig Gegenliebe für diesen Vorschlag und erwies sich leider in dieser Hinsicht als miesepetrig und kulturell etwas intolerant.

"Herr Ippolito, könnten Sie mir danach noch kurz zur Hand gehen? Einen kleinen Gefallen noch?", rief Frau Jaworek halb höflich fragend, halb krächzend. Ingeborg Jaworek musste offennbar irgendwo im Flur stehen, dem Hall ihrer Stimme nach zu urteilen. Zu nahe. M tat den Teufel zu antworten. Nicht während des... 'Vorgangs' . Und dass sie zu allem Überdruß draußen vor der Tür stand, machte es auch nicht gerade einfach die Angelegenheit vollständig abzuschließen; mit allem drum und dran und pipapo. Frau Jaworek schien das nicht weiter zu stören, denn nichts hinderte die kleine alte Frau ihre kleine alte Liste vorzutragen, in der Wörter vorkamen wie Keller, Dachboden, Friedhofsamt, Penny, Teppich und Waschmaschine.
Freie Wahl! Na super...
Wenns dicke kommt, dann richtig!

*top* laf
*********trone Frau
901 Beiträge
Das letzte Vorsprechen
Mein letztes und siebzehntes Vorsprechen für heute, für die Zukunft und für alle Ewigkeit. Sechzehn Mal Lampenfieber, sechzehnmal Enttäuschung und Tränen. Zwölfmal bereits aus der ersten Runde rausgeflogen. All diese peinlichen, komischen, lustigen, traurigen und verzweifelten Momente.

Nun ist es vorbei.

Die erste Runde hatte ich letzte Woche Mittwoch an dieser Schule bereits geschafft, aber das juckt mich nicht mehr. „Wir sehen Sie dann am Montag.“ Während sich meine Konkurrenten mit billigem Sekt betranken und in Freudentränen ausbrachen, war ich schon auf dem Weg in die Jugendherberge.
Für dieses letzte Mal erarbeitete ich mir noch am selben Abend fix den gewagten Text des Fäkaliendramas „die Präsidentinnen“. Diese Inszenierung von Werner Schwab habe ich schon drei Mal bewundert und würde sie immer und immer wieder sehen. Heute ist meine Chance, dieses Stück ganz allein, unter meiner Regie zu spielen. Gleichgültig was alle von mir denken, oder ob ich für die finale Runde zugelassen werde.

Morgen fahre ich nach Hause. Ich entspanne mich. Alles an mir entspannt sich.

Drei Jahre lang Stippvisite auf den Probebühnen sämtlicher Hochschulen für Musik und Theater. Wien, Leipzig, Hannover, Essen, Stuttgart, Basel, Berlin, München, Rostock und Köln.

Endstation Hamburg.

Ich lehne an der roten Backsteinwand neben dem Haupteingang und blase den Rauch meiner Zigarette in dünnen Wolkenstreifen aus meiner Nase. Noch nie war ich vor einem Vorsprechen so wenig Aufregung zu spüren. Eigentlich gar keine.

Die Sonne wärmt mich an dem kalten Oktobertag und der salzig duftende Wind der Nordsee umspielt meine offenen Haare. Eigentlich ganz nett hier, denke ich, als ich meine Zigarette am Boden austrete.

Noch fünfzehn Minuten, es wird Zeit.

Mit mir warten etwa fünfzehn oder achtzehn Anwärter im Foyer. Einige gehen nervös auf und ab, andere sprechen in unterschiedlichen Lautstärken ganz verbissen ihren Text durch. Die zwei rothaarigen Zwillinge aus Köln lockern sich wie immer mit ihrem Qigong Schütteln auf.

Jan-Kasper schleicht um mich herum. Er hat wieder mal Opas Spazierstock als Requisite dabei und wirft mir einen kritischen Blick zu. Wir sind uns bereits in Berlin, Rostock und München begegnet. Ich rolle eine Dose Gulasch zwischen meinen Handflächen hin und her. Ich grinse ihn an. Er hat keine Ahnung was ich damit vorhabe und ich werde es ihm auch nicht sagen.

Die Tür zum Studio geht auf und heulend kommt Clarissa mit ihrem rosaroten Putzeimer und Besen rausgestürmt. Es ist erst ihr zweites Vorsprechen. Ich weiß, wie sie sich fühlt. Knapp vor der dritten Runde rausfliegen ist nicht schön.

Ein junger Mann, der im Türrahmen steht, ruft meinen Namen. Im Stechschritt mache ich mich auf dem Weg zur Bühne. Ich grüße kurz die Jury, stelle mein Stück vor und schnappe mir den Stuhl hinterm Vorhang, den ich bespielen werde.

"Und die Mariedl darf auf dem Fest hinten bei der Schank mithelfen …"* Die Worte sprudeln aus mir heraus und während ich stolz ins Publikum blicke und fest die Rückenlehne des Stuhls umgreife.

"… da stürmt ein feiner Herr hinein in das Fest und erzählt ganz erschreckt den vergnügten Menschen, daß der Abort verstopft ist, daß alle Aborte verstopft sind, daß die menschliche Jauche schon bis an den Abortrand heraufreicht …"*

Ich spüre diese unbändige Freude als ich diesen Text vorspreche. Jubelnd hole ich aus der imaginären Tiefe einer verstopften Toilette die Dose Gulasch hervor. Jauchzend vor Glück, dass die Scheiße endlich abfließen kann, liege ich halb auf der Sitzfläche des Stuhls der gefährlich wackelt. Meine Brüste hängen fast gänzlich aus meinem Ausschnitt, als ich mit den Armen erneut in die Tiefe greife. Ich stehe auf und trinke von meiner mit Wasser befüllten Flasche Parfüm, die ich aus der letzten imaginären Klomuschel heraus gepult habe. Feierlich erhebe ich das Fläschchen und proste der Jury zu. Es ist schließlich mein Abschied. Ich höre aus der Ferne einige Lacher und einen kurzen Szenenapplaus.
Das ist sehr gut. Das hatte ich noch nie.

Jeden Augenblick meiner Inszenierung genieße ich in vollen Zügen. Es läuft alles ganz genau so wie ich es möchte und fühle. Kein einziger Texthänger, denn all diese Sätze aus dem Textbuch sind mir vom ersten Lesen an, in Fleisch und Blut übergegangen. Meine Stimmung pendelt sich in eine leise Melancholie ein, als sich die Figur Mariedl davon träumt.

Ich komme auf dem Rücken zum Liegen. Meine Lippen formen Worte. Aus mir fließen die letzten Zeilen aus Mariedl's Monolog und ich fühle wie sich all dass, was imaginär an ihrem Körper klebt, in Goldstaub verwandelt. Mein Text endet hier. Eine Träne rinnt aus meinem linken Auge, als ich mich aufrichte und ein letztes Mal in die Jury schaue.




*Quellenangabe:
Schwab, Werner: Die Präsidentinnen. Drei Szenen [UA: Wien 1990]
Mariedl 2. Szene
In: Spectaculum 60. Suhrkamp, Frankfurt/Main 1995, S. 228 ff. Copyright Literaturverlag Droschl, Graz 1990
Nervenkrieg

Wie erleichtert war sie gewesen, als sie nach fast zweijähriger Abwesenheit wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt war und die Menschen dort zugewandt, freundlich und hilfsbereit erleben durfte. Die Monate vor der Wiedereingliederung hatte sie in Furcht und Aufregung verbracht, sich die finstersten Szenarien ausgemalt, die ihr überaktives Gehirn nur ersinnen konnte. Und deren gab es genügend. War doch der erste Versuch im Jänner kläglich gescheitert, weil sie damals ausgerechnet mit der Kollegin täglich konfrontiert gewesen war, die sie damals praktisch aus dem Büro des Oberarztes hinausgemobbt hatte, in dem sie zwölf Jahre gerne und auch gut ihren Dienst verrichtet hatte. Diese Kollegin, bei der sie sich jeden Morgen hatte melden müssen, hatte ihr unmißverständlich klargemacht, daß sie nun niemand mehr war, absolut niemand. Damit hatte sie nicht gerechnet gehabt und es hatte sie schwer getroffen.

Jetzt, beim zweiten Anlauf, war sie also darauf vorbereitet gewesen, als unterste in der Hirarchie ned amal ignoriert zu werden - und war dann positiv überrascht gewesen, wie anders es drüben in der Physikalischen Medizin, wohin man sie versetzt hatte, zuging. Die Frauen waren nett zueinander, es gab keine üblen Redereien, man scherzte und stöhnte gemeinsam, es war eine völlig andere Atmosphäre.

Allerdings empfand sie es anfangs als etwas komisch, beim Verlassen des Büros eine Gesichtsmaske aufsetzen zu müssen, sogar beim Gang auf den Abort ... was sich im nachhinein aber so manches Mal als durchaus wohltuend erwies, angeruchs der olfaktorischen Genüsse, die so mancher Patient dort zurückließ. Zwar hatte das Personal eine eigene Kabine, aber die war leider nicht umfassend abgedichtet.

Auch war die Rückenlehne des Bürostuhls irgendwie unbequem, aber nach einigem Herumruckeln und Dagegenhauen ließ auch diese sich in eine Position bringen, mit der sie leben konnte. Zuhause saß sie niemals auf Stühlen, auch das war ungewohnt. Daher nutzte sie jede Gelegenheit, Botengänge verrichten zu dürfen, auf denen sie auch die Kollegen und Kolleginnen aus der alten Abteilung wiedertraf, und überall freudig begrüßt wurde. Es tat ihr unglaublich gut, wieder unter Menschen zu sein und jeden Tag irgendwo ein kleines Schwätzchen halten zu können.

So vergingen die ersten Wochen in einem wohligen Dahingleiten, die Arbeitszeit wurde sukzessive aufgestockt, die Arbeit erwies sich als gut machbar, das alte Hirn funktionierte noch recht gut und sie schwebte auf rosaroten Wolken durch die heimischen Flure des alten Krankenhauses.

Bis sie eines Tages von ihrer direkten Vorgesetzten, welche für das Team Admin beider Abteilungen sowie der Niederlassung im Klinikum Innenstadt zuständig war, und die sie daher ebenfalls seit vielen Jahren kannte, in ihrem Büro aufgesucht wurde. Es war kein offizielles Vorsprechen, fühlte sich jedoch bereits nach knapp zwei Minuten genauso an. Die Vorgesetzte war nämlich keineswegs gekommen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen, so wie in den Wochen zuvor. An diesem Tag war sie gekommen, um ein heikles, gar kritisches, Thema vorzubringen. Man würde über sie reden, wurde ihr gesagt. Wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes. Sie hätte da wohl so eine bunte Hose getragen, das müsse sie bleiben lassen.

Betroffen blickte sie an sich hinunter. Ihre Hose war blau. Lediglich in ihrer ersten Woche hatte sie bunte Leggings getragen, diese aber bald gegen die blauen Lieblingshosen ausgetauscht, da diese große Taschen hatten, in die Maske, Transponder und Hausschlüssel ebenso hineinpaßten wie nach der Arbeit beim Spaziergang gefundene Steine, Holzstückchen und andere Schätze. Dieselbe Hose besaß sie auch in waldgrün und zog beide immer abwechselnd an, da sie weiters einen Gummizug hatten und so auch trotz der Gewichtszunahme bequem saßen. Im Sommer waren sie sehr praktisch als Gelsenabwehrhosen, da die blutrünstigen Viecher durch dünneren Sommerstoff einfach hindurchstachen, was ihnen aber bei diesen genialen Hosen nicht gelingen wollte.

Die Vorgesetzte sah nur das bedröppelte Gesicht ihres Gegenübers und meinte beherzt: 'Nun, Frau R., das ist jetzt aber kein Grund, in eine tiefe Depression zu versinken.'

Sehr einfühlsam, dachte sie sich. Perfekte Wortwahl einer Mitarbeiterin gegenüber, die sich wegen genau einer solchen Depression in der Wiedereingliederung befand, ihrer Ansicht nach nichts falsch gemacht hatte, und nun für die Wahl ihrer Hosen gerügt wurde.

'Was Sie für Pullover anziehen ist mir ja wurscht', fuhr die Vorgesetzte unbarmherzig fort, 'aber diese Hosen gehen garnicht. Ziehen Sie Stoffhosen an, so wie die anderen auch.'

Stoffhosen? Was glaubte die Person, aus was ihre Hose gearbeitet worden war? Aus gebrauchter Zahnseide???

Vorsichtige Argumentationsversuche ihrerseits, eben wegen Bauch und Gummizug und andere Hosen zu klein geworden, wurden von der Chefin harsch abgebügelt: 'Frau R., wir sind Ihnen entgegengekommen, Sie dürfen jetzt hier halbtags arbeiten, haben jeden Mittwoch frei, nun machen Sie mal kein Drama draus, orientieren Sie sich an dem was die anderen tragen, Sie sind doch intelligent, wir sind auch sehr froh, Sie nun in der Tagesklinik zu haben, da Sie hier sicher einiges werden bewirken können. Sie werden bald Patientenkontakt haben, da müssen Sie ordentlich aussehen.'

Sah sie nun unordentlich aus? War die Hose zerrissen, fleckig oder sonst in irgendeiner Weise auffällig? Nein, war sie nicht. Eine völlig normale, weit geschnittene, bequeme Stoffhose, in deren Taschen sich allerlei unterbringen ließ. Was bitte war an dieser Hose falsch???

Nachdem die Vorgesetzte wieder fort war, fiel ihr auch eine eindeutige Diskrepanz in der Logik auf, mit der man ihr soeben den Grund für die Kleidervorschrift erklärt hatte. Der Pullover sei wurscht (als ob es an dem ebenfalls etwas auszusetzen gäbe, aber man mal nicht so sein wolle???), aber die Hosen gingen garnicht? Was sieht denn der Patient, wenn er zur Türe hereinlinst und - coronabedingt - mit viel Abstand neben ihrem Schreibtisch stand? Den Pullover oder die Hosen? Richtig. Die Hosen konnte er garnicht sehen, die befanden sich nämlich unter dem Tisch. Weiters war des Patienten Begehr im allgemeinen ein Termin oder ein Rat, weil er sich nicht auskannte. Niemand würde das Büro betreten, um die Kleidung der Angestellten zu begutachten oder gar zu beurteilen, solange diese nicht angekleckert war oder in Fetzen vom Leibe hing, wie es bei den jungen Leuten ja eine Zeitlang modern gewesen war.

Genauso hatte es damals an ihrem früheren Arbeitsplatz auch angefangen. Zuerst war man jahrelang mit ihr hochzufrieden gewesen, der Medizinische Direktor höchstpersönlich hatte sie überredet, sich nach Ablauf des Zeitarbeitsverhältnisses fest anstellen zu lassen, sie war mit fast allen Leuten im Haus bestens ausgekommen, doch dann fusionierte die Firma, bzw. wurde feindlich übernommen, es kam ein neuer Chef, und auf einmal war alles anders. Ihre Kleidung war verkehrt gewesen, die Frisur sowieso, ihre Eßmanieren abscheulich und ihre Ausdrucksweise ordinär. Sollte es nun wieder so losgehen, nachdem sie ja nun auch hier die Abteilung und somit den Chef gewechselt hatte? War er es etwa, dem ihre Hosen so sehr ein Dorn im Auge waren, daß er die Vorgesetzte zu ihr geschickt hatte, um ausrichten zu lassen, daß sie sich anders zu kleiden habe?

Sie fühlte sich, als sei sie an einem hellen Sommertag fröhlich, von bunten Schmetterlingen umflattert, in einem warmen, freundlichen See geschwommen, vom romantisch schilfbewachsenen Ufer hatte Froschquaken herübergetönt und die Libellen gar putzige Kapriolen in der Luft vollführt - doch auf einen Schlag befand sie sich, von düsterer Landschaft umgeben, in einem moorigen Tümpel wieder, auf dessen Grund tückische Schlingpflanzen lauerten welche unablässig versuchten, nach ihr zu greifen und sie mit sich in die Tiefe zu ziehen.

Trotz regte sich in ihr: Denen werd ich's zeigen! Sie wollen einen anderen Kleidungsstil? Den können sie haben. Leider werden die Läden noch sehr lange geschlossen sein, das ist schade, sonst hätte sie gleich nach Feierabend in ihren Lieblings-Gruschtelladen fahren und sich ein entsprechendes Teil aussuchen können. So würde sie tiefer in die Tasche greifen müssen und sich online etwas Passendes bestellen. Waldgrün mit weit ausgestellten Hosenbeinen. Modern, also nichts dagegen zu sagen. Dazu würde sie ihre Bundesheerstiefel tragen. Denn offenbar wollte jemand unbedingt Krieg. Den konnte er haben. Sie war bereit!
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Schade, dass der Lieblings-Gruschtelladen zu hat! Bin gespannt, wie es weitergeht. *smile*
@
@ GoldeneZitrone
Ich mag die Zitrone im Abort! *witz* Nee, echt: Genial beschriebener emotionaler Zusatnd der Protagonistin. Und die Knappheit der Beschreibung des Drumrum steigert meine eigene Phanasie! Bravo! *spitze*

@ Berta_Garlan
Auch diese authentische Beschreibung von den Gefühlen der Protagonistin und vom immer unmenschlicher werdenden Zuständen in (nicht nur) Krankenhäusern berührt mich sehr! *top*
D' Abort
"D'abord schreibte man mit eine D, Madmäusele!" lächelnd richtet sich der alte Concierge auf. Als er es auch noch geschafft hat, seine morschen Knie durchzudrücken, um einen wenigstens halbwegs würdigen Eindruck zu machen, hebt er die vergoldete Toilettenbürste und zeigt damit Richtung Schüssel.
"Junge Frau, das hier iste eine Abort. Mit T an die Ende. D'abord sprichte manne ohne diese allerletzte Buchestabe."


Irina wird es ganz komisch zumute. Der Alte wedelt ihr doch tatsächlich mit der Klobürtse direkt unter der Nase herum. Gut das Ding scheint neu und unbenutzt, doch etwas bang wird ihr schon dabei. Nun gut, er ist gerade ihr direkter Vorgesetzter und sie ist froh, die Stelle bekommen zu haben. Doch etwas Respekt und Anstand könnte er ihr gegenüber in dieser Szene schon zeigen. Mademäusele ist schließlich auch nicht gerade der korrekte französische Ausdruck und überhaupt! Sie sind hier in Deutschland und sein Deutsch lässt auch ziemlich zu wünschen übrig. Echt.
Wie gesagt, sie erinnert sich dran,froh sein zu sollen, diese Stelle bekommen zu haben und wegen eines seltsamen Kauzes und skurrilen Settings wird sie nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Außerdem kennt sie den Unterschied, den er gerade so betont und ihr ist klar, dass sie zuerst, also d'abord das Waschbecken und die Kacheln mit dem Wasser putzt und erst danach, also apres die Kloschüssel. Was glaubt der Alte eigentlich? Dass sie gänzlich unbedarft ist?


Sie nickt, nimmt dem Tattergreis die Bürste ab, stellt sie zurück in ihre güldene Halterung an der Wand und fügt dem Putzwasser einen Spritzer Reinigungsmittel hinzu. Erleichter stellt sie fest, dass der ältliche Consierge sich endlich humpelnd vom Acker macht. Allerdings dreht er sich noch einmal um und schaut sie kritisch an, als sie erleichtert aber etwas zu geräuschvoll aufatmet.

"Geh Greis und lass mich diese doofe Arbeit machen!" denkt sie und taucht den Lappen ins heiße Wasser. Rosarot sieht sie ihre Zukunft an diesem Ort wahrlich nicht. Und etwas Aufregung, etwas mehr Pep, hätte sie hier ja auch vermutet. Hmmm.
Sie schaur sich noch einmal nach dem Tattergreis um, der gerade einen der herrschaftlichen Stühle im Speisesaal an der Rückenlehne zurechtrückt.



Wenn das der einzige Mann hier bleibt, weiß sie nicht, warum ihr Agent sie zu dem Vorsprechen geschickt hat. Sie kommt sich vor wie im falschen Film. Wortwörtlich.

Verdammt! Bis jetzt deutet aber auch gar nichts auf das verspochene Pornocasting hin!
****59 Frau
3.150 Beiträge
1001 Nacht ?


Marokko, das Land der 1001 Nächte, schien mir das perfekte Land meiner Träume zu sein.
Es war meine erste größere Reise in ein fremdes Land und ich sollte es als wahrhaft fremd in Erinnerung behalten.
Mein damaliger Freund war von meinem Reiseziel nicht wirklich begeistert, fügte sich aber meiner Euphorie, und so flogen wir beide in den 90er Jahren nach Agadir. Von dort aus wollten wir unsere Ausflüge starten, und der Höhepunkt unserer Reise schien mir der Besuch in Marrakesch zu sein.
Um das Land und die Leute „hautnah“ zu erleben, beschlossen wir, mit dem Bus von Agadir nach Marrakesch zu fahren.
Nun weiß man, entweder aus Erzählungen, oder aus eigener Erfahrung, dass die fremde Küche bei Europäern gewisse Dissonanzen im Verdauungstrakt verursachen kann.
Am frühen Morgen suchten wir also den Busbahnhof in Agadir auf. Trotz der frühen Morgenstunde, es dürfte so kurz nach 5 Uhr gewesen sein, herrschte dort schon Aufregung und die Menschen wuselten alle, egal ob Mann oder Frau, in ihren langen Gewänder und Kopfbedeckungen kreuz und quer durcheinander.
Das Stimmengewirr dieser unbekannten Sprache und das Gebaren der fremdländischen Menschen ließ das Treiben surreal erscheinen. Der Himmel färbte sich von der dunklen Nacht in ein zartes, helles Rosarot und verkündete den bevorstehenden Tag.
Kaum hatten wir unseren Platz im Bus ergattert, fuhr dieser auch schon los. Nachdem wir Agadir passiert hatten, kam alsbald eine bergige Landschaft. Ziegen saßen auf Bäumen, oder aus dem Nirgendwo tauchten plötzlich Hunde auf, die eine Weile bellend und Zähnefletschend unseren Bus begleiteten.
Waren es die Schlaglöcher, die meine Übelkeit hervor riefen, oder das Couscous vom vorigen Abend? Vermutlich war es die Kombination aus Beidem. Jedenfalls rumpelte es verdächtig in meinen Gedärmen und ich flüsterte Philipp zu:
“ Ich glaube, ich muss auf den Abort!“
„Was? Abort? Abort ist ein Schwangerschaftsabbruch. Was soll denn jetzt der Scheiß?“
Philipp war genervt. So, wie er schon seit Urlaubsbeginn genervt war. Er konnte mit meinem Urlaubsziel einfach nichts anfangen und das ließ er mich jede Minute spüren.
„Mann, nein, ich muss auf's Klo!“
„Und was soll ICH da jetzt machen?“
„Geh bitte zu dem Busfahrer und sag ihm, er soll anhalten.“
„Geh doch selber“, raunzte er mich an, und mein Druck im Bauch wurde schlimmer.
„Ich soll mich da jetzt durchzwängen durch diese ganze Menschenschar und beim Busfahrer vorsprechen? Manchmal bist du ja wirklich komisch, Philipp!
Es half alles nichts, der Bus musste einfach stoppen, wenn ich nicht in die Hose machen wollte!

Gezwungenermaßen drängelte ich mich durch die Menschenmassen, die den Gang belagerten und erreichte schließlich den Busfahrer.
„Do you speak english?“
Er zuckte mit den Achseln.
„Toilette, WC, Kacka!“ Mein schwarzer Humor ging mit mir durch.
„STOP! Ich muss KACKA!“ Vielleicht verstand er ja deutsch?
Mit Gesten und dem entsprechenden Gesichtsausdruck verstand er schließlich, was mein dringendes Bedürfnis war. Und er bedeutete mir, dass er jetzt nicht halten könne, sondern erst im nächsten Ort.
Nicht nur Philipp war verstimmt, auch der Busfahrer schien nicht bester Laune zu sein.
Mit zusammen gekniffenen Pobacken suchte ich wieder meinen Platz auf. Ich krallte mich in der Rückenlehne meines Vordermannes fest, der Schweiß stand mir auf der Haut und meine Magenkrämpfe kamen in immer kürzeren Wellen unbarmherzig angerollt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, und Sturzbächen an Schweiß ärmer, erreichten wir endlich ein Bergdorf. Der Bus hielt vor einer Art Teestube und der Fahrer bedeutete mir, dass ich dort hinein gehen solle. Ich rannte quasi aus dem Bus, riss die Tür auf, und stand in einem dunklen Raum, in welchem sich nur Männer befanden. Tee trinkend und Wasserpfeife rauchend.
Es war mir egal.
In Windeseile fand ich das stille Örtchen und war heilfroh, mir endlich Erleichterung verschaffen zu können. Dass ich das halb stehend in ein Erdloch, und ohne Toilettenpapier erledigen musste, war mir in diesem Moment egal. Tempos hatte ich immer dabei. In vielen Ländern reinigen sich die Menschen mit Wasser, und nicht mit Papier. Das sollte ich auf meinen späteren Reisen noch öfter erleben.
Endlich konnte die Fahrt nach Marrakesch fortgesetzt werden, aber fragt nicht, welche Blicke der Mitreisenden mich trafen...



7. 1. 21 © Devi59
*******blau Mann
3.624 Beiträge
*bravo* @****59
Sehr erfrischend und unverklemmt
Gebückt, doch nicht gebeugt
*********Joe62 Mann
184 Beiträge
Liebe Devi59,

da hat Himmelsblau schon Recht: unverkrampft herzhafte Erzählung einer Situation, die jeder kennen dürfte. Gut gemacht.
*******blau Mann
3.624 Beiträge
*bravo* @***ve
In einem klassischen Pornocasting scheint Mademäusele nikkt Gefangene su sein
@****59
*wow* *wow* Marokko, Marrakesh, Busfahrt, Übelkeit.... Bis auf ein paar Kleinigkeiten und die Tatsache, dass ich alleine war, hab ich genau das erlebt!
Ich musste *wuerg*, das war leichter zu handhaben... *goofy*
****59 Frau
3.150 Beiträge
@ oralia
Oh weia *lol*
*****e_M Frau
8.533 Beiträge
Komplimente an alle Schreiberinnen und Schreiber für die tollen Geschichten und die irre Inspiration!

Ich steige auch wieder ein, bin nur gerade noch in einem etwas gedämpften Schreibgefühl, das höchstens zu meinen gereimten Ausbrüchen führt.

*lach*

Schönen Tag überall!
*****ree Frau
22.056 Beiträge
Gute Geschichten zu einem Thema was wohl jedem Mall trifft *g*

@****59
Genauso erging es mir in Agadir, deswegen habe ich Marrakesch erst gar nicht gesehen 😳
****59 Frau
3.150 Beiträge
Oha, die nächste im Bunde *hi5* *schock*
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