( Aus einer, als zu dunkelblau verworfenen, Variante meiner vorletzten Geschichte hier und den letzten 16 Wörtern)
Leben aus Sicht einer Fahrradnabe
Herr Nebochant führt ein Leben aus Sicht einer Fahrradnabe.
Das ist die Sache. Mehr muss man dazu nicht sagen. Damit ist alles besprochen. Leben. Fahrradnabe. Tod.
Aber das hier ist noch nicht das letzte Kapitel, auch wenn es gleich kritisch wird. Im Moment nämlich ist Herr Nebochant dabei einen letzten, mutmaßlich folgeschweren Fehler zu begehen. Den zweiten des Tages. Eine ganz wilde Nummer! Er ist dabei wieder einmal nachzugeben und das Schwarze rosarot zu heißen.
Herr Nebochant steht an seinem Küchentisch, wie bei einem mitleidlosen Vorsprechen, und spielt mit seinem Leben. Genauer gesagt spielt er mit seiner Frau um den eigenen Abort aus seinem Leben und es sieht nicht gut aus. Gar nicht gut. Der erste Fehler war, überhaupt hier zu sein und zu "reden". Diese Art von Gesprächen führt man nicht am Küchentisch und schon gar nicht mit einer Ehefrau, die zum Abendbrot ein Steingesicht aufgetragen hat und in unangebracht kühler Aufregung Ultimaten stellt. Die Flitterwochen sind vorbei. Das schonmal klar.
„Woher soll ich wissen, was du wolltest, Schatz?“, fragte Theo Nebochant, nicht wirklich verdutzt, sich mit der einen Hand an der Rückenlehne seines Stuhls festhaltend und mit der anderen Hand, das Getränk reichend, von dem sie gesagt hatte, dass sie es wolle. Nahm er zumindest an, dass sie das gesagt hatte oder wollte. Theo Nebochant ist ein verwunschener Frosch, der bei einer Prinzessin gelandet ist, die, wie sich herausgestellt hat, komischerweise dann doch einige andere Träume hatte für ihr Leben.
Er hatte sie vergöttert früher. Auf der Zehnfingerskala hätte er beide Arme gegeben. Sie war die Schönste weit und breit. Jeder wusste das. Jeder wollte sie haben. Eine Droge mit dem Suchtpotenzial Gott anzufixen und ihr gänzlich verfallen zu machen, wie einen Junkie, der in Unterführungen um Kohle für Schore bettelt.
Sie war eine Trophäe und Theo Nebochant war ihr stolzer Besitzer geworden; mit dem Namen graviert. Damals, als der Rücken noch hielt, als er Geselle bei Auto Hahn war und sie im Rathaus arbeitete und alle Köpfe dort verdrehte. Jeder kannte die beiden. 'Das Paar'. Wie Stars erschienen sie auf Feiern und alle luden sie ein. Local Heroes im Zenith ihrer Apotheose. Damals, als Herr Nebochant noch Hans-Dampf-in-scheiß-allen-Gassen war und sie "die Eine", „die Schöne“, in deren Nähe jedes lebende Wesen sein wollte und die es galt zu gewinnen. Und das tat er, bravourös, vor aller Welt Augen. Und sie fing erleichtert den Platzhirsch ein - vor aller Welt Augen. Und sie führte ihn auf ihre immergrüne, saftige Weide und machte ihn zum glücklichsten Ochsen von allen - vor aller Welt Augen.
Nicht schnell. Das ging ganz langsam. Der Weg vom Wald auf die Weide ist weit und langwierig. Die Minutensoldaten sind klein, aber eben scheiß viele!
Während die Minutensoldaten vor seinen Augen auf und ab gingen und ab und an salutierten, geschah es im Hintergrund beiläufig. So wie ein Baum wächst.
Während des ewigen Wiederkäuens der Vergangenheit geschah es nebenher, ob daheim auf dem Sofa mit Gattin oder in den nicht enden wollenden Weißt-du-noch?-Gesprächen mit den Kumpels bei Bier und Erdnüssen. Es geschah und geschieht unbemerkt.
Das Einzige, das Theo bemerkt hat, ist das Grummeln, das dem Gefühl gleicht, dass du hast, wenn du weißt, dass du gleich kotzen musst. Wenn der Magen krampft und unmissverständlich spricht und du tust, wie wenn du die Sprache nicht verstehst. Wenn du weißt, dass es kommen wird, du aber versuchst dich selbst zu betrügen und dir einzureden, dass das Atmen frischer Luft irgendwas verändern würde.
Die Minutensoldaten hatten ihm zu verstehen gegeben, ja mit den eigenen Augen sehen lassen, dass ein Ochse ein Tier ist, das ein Joch trägt und Hörner auf dem Kopf, aber eben kein Geweih. Er hatte verstanden warum das so ist. Er hatte es mit eigenen Augen sehen müssen und sich damit erst abgefunden, als es sich herumgesprochen hatte und er die Hörner auf seinem Kopf auch in den Augen der Anderen sehen konnte.
Jetzt, mit mehr als drei Jahrzehnten auf dem kaputten Buckel und einem Bäuchlein, welches das Diminutiv nicht mehr rechtfertigt, steht Theo auf seiner kleinen Weide fast achtlos herum, während sie immer noch von allen umgarnt wird und ihr das offensichtlich gefällt. Sie wird mit Worten gegrüßt und mit Augen ausgezogen. Er wird gegrüßt, aber nicht mehr gesprochen. Das ist die Sache. Er wird gesehen von aller Welt, aber irgendwie auch nicht. Theo wird nicht mehr richtig wahrgenommen. Das ist der Dorn in ihm und er steckt schon ne Weile.
Übersehen - wie ein gelber Sack an der Haltestelle. Abgestellt von irgendwem, der seinen Plastikmüll auf elegante Weise loszuwerden gedenkt und hofft, dass irgendjemanderine sich schon darum kümmern würde.
Was uns zurück zum Anfang bringt, denn das ist haargenau das Thema des Küchentischtribunals zwischen Herrn Nebochant und Gattin. Das ist auch der Kern des folgenschweren Fehlers, den Herr Nebochant gleich mit einem Handstreich begehen wird.
Aus Sicht einer Fahrradnabe ist das Leben eine runde Sache.
(c) 2021 Leo Himmelsblau
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Leben aus Sicht einer Fahrradnabe
Herr Nebochant führt ein Leben aus Sicht einer Fahrradnabe.
Das ist die Sache. Mehr muss man dazu nicht sagen. Damit ist alles besprochen. Leben. Fahrradnabe. Tod.
Aber das hier ist noch nicht das letzte Kapitel, auch wenn es gleich kritisch wird. Im Moment nämlich ist Herr Nebochant dabei einen letzten, mutmaßlich folgeschweren Fehler zu begehen. Den zweiten des Tages. Eine ganz wilde Nummer! Er ist dabei wieder einmal nachzugeben und das Schwarze rosarot zu heißen.
Herr Nebochant steht an seinem Küchentisch, wie bei einem mitleidlosen Vorsprechen, und spielt mit seinem Leben. Genauer gesagt spielt er mit seiner Frau um den eigenen Abort aus seinem Leben und es sieht nicht gut aus. Gar nicht gut. Der erste Fehler war, überhaupt hier zu sein und zu "reden". Diese Art von Gesprächen führt man nicht am Küchentisch und schon gar nicht mit einer Ehefrau, die zum Abendbrot ein Steingesicht aufgetragen hat und in unangebracht kühler Aufregung Ultimaten stellt. Die Flitterwochen sind vorbei. Das schonmal klar.
„Woher soll ich wissen, was du wolltest, Schatz?“, fragte Theo Nebochant, nicht wirklich verdutzt, sich mit der einen Hand an der Rückenlehne seines Stuhls festhaltend und mit der anderen Hand, das Getränk reichend, von dem sie gesagt hatte, dass sie es wolle. Nahm er zumindest an, dass sie das gesagt hatte oder wollte. Theo Nebochant ist ein verwunschener Frosch, der bei einer Prinzessin gelandet ist, die, wie sich herausgestellt hat, komischerweise dann doch einige andere Träume hatte für ihr Leben.
Er hatte sie vergöttert früher. Auf der Zehnfingerskala hätte er beide Arme gegeben. Sie war die Schönste weit und breit. Jeder wusste das. Jeder wollte sie haben. Eine Droge mit dem Suchtpotenzial Gott anzufixen und ihr gänzlich verfallen zu machen, wie einen Junkie, der in Unterführungen um Kohle für Schore bettelt.
Sie war eine Trophäe und Theo Nebochant war ihr stolzer Besitzer geworden; mit dem Namen graviert. Damals, als der Rücken noch hielt, als er Geselle bei Auto Hahn war und sie im Rathaus arbeitete und alle Köpfe dort verdrehte. Jeder kannte die beiden. 'Das Paar'. Wie Stars erschienen sie auf Feiern und alle luden sie ein. Local Heroes im Zenith ihrer Apotheose. Damals, als Herr Nebochant noch Hans-Dampf-in-scheiß-allen-Gassen war und sie "die Eine", „die Schöne“, in deren Nähe jedes lebende Wesen sein wollte und die es galt zu gewinnen. Und das tat er, bravourös, vor aller Welt Augen. Und sie fing erleichtert den Platzhirsch ein - vor aller Welt Augen. Und sie führte ihn auf ihre immergrüne, saftige Weide und machte ihn zum glücklichsten Ochsen von allen - vor aller Welt Augen.
Nicht schnell. Das ging ganz langsam. Der Weg vom Wald auf die Weide ist weit und langwierig. Die Minutensoldaten sind klein, aber eben scheiß viele!
Während die Minutensoldaten vor seinen Augen auf und ab gingen und ab und an salutierten, geschah es im Hintergrund beiläufig. So wie ein Baum wächst.
Während des ewigen Wiederkäuens der Vergangenheit geschah es nebenher, ob daheim auf dem Sofa mit Gattin oder in den nicht enden wollenden Weißt-du-noch?-Gesprächen mit den Kumpels bei Bier und Erdnüssen. Es geschah und geschieht unbemerkt.
Das Einzige, das Theo bemerkt hat, ist das Grummeln, das dem Gefühl gleicht, dass du hast, wenn du weißt, dass du gleich kotzen musst. Wenn der Magen krampft und unmissverständlich spricht und du tust, wie wenn du die Sprache nicht verstehst. Wenn du weißt, dass es kommen wird, du aber versuchst dich selbst zu betrügen und dir einzureden, dass das Atmen frischer Luft irgendwas verändern würde.
Die Minutensoldaten hatten ihm zu verstehen gegeben, ja mit den eigenen Augen sehen lassen, dass ein Ochse ein Tier ist, das ein Joch trägt und Hörner auf dem Kopf, aber eben kein Geweih. Er hatte verstanden warum das so ist. Er hatte es mit eigenen Augen sehen müssen und sich damit erst abgefunden, als es sich herumgesprochen hatte und er die Hörner auf seinem Kopf auch in den Augen der Anderen sehen konnte.
Jetzt, mit mehr als drei Jahrzehnten auf dem kaputten Buckel und einem Bäuchlein, welches das Diminutiv nicht mehr rechtfertigt, steht Theo auf seiner kleinen Weide fast achtlos herum, während sie immer noch von allen umgarnt wird und ihr das offensichtlich gefällt. Sie wird mit Worten gegrüßt und mit Augen ausgezogen. Er wird gegrüßt, aber nicht mehr gesprochen. Das ist die Sache. Er wird gesehen von aller Welt, aber irgendwie auch nicht. Theo wird nicht mehr richtig wahrgenommen. Das ist der Dorn in ihm und er steckt schon ne Weile.
Übersehen - wie ein gelber Sack an der Haltestelle. Abgestellt von irgendwem, der seinen Plastikmüll auf elegante Weise loszuwerden gedenkt und hofft, dass irgendjemanderine sich schon darum kümmern würde.
Was uns zurück zum Anfang bringt, denn das ist haargenau das Thema des Küchentischtribunals zwischen Herrn Nebochant und Gattin. Das ist auch der Kern des folgenschweren Fehlers, den Herr Nebochant gleich mit einem Handstreich begehen wird.
Aus Sicht einer Fahrradnabe ist das Leben eine runde Sache.
(c) 2021 Leo Himmelsblau
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