Einladung zum Dinner
Natürlich wisse seine Frau Bescheid, hatte er mir ernsthaft versichert. Bald würde man Goldene Hochzeit feiern und es habe für ihn immer nur diese eine Frau gegeben. Aber leider sei er trotz seines fortgeschrittenen Alters sexuell noch sehr aktiv, während seine Frau ...
Begeistert sei sie natürlich nicht darüber, daß er sich immer wieder einmal eine kleine Freundin aus den unzähligen Models herauspicken würde, die ihm im Laufe seines Fotografenlebens vor die Linse kämen, und es sei ihr auch klar, daß er mit den Mädels nicht nur ins Kino oder ins Theater ginge, sondern daß es sich hierbei um die zumindest geplante Befriedigung beiderseitig vorhandener Erregungszustände handle. Aber, so erzählte er weiter, seine Frau habe somit immerhin einen zufriedenen Mann zuhause, daher habe sie sich mit seinen Verhältnissen arrangiert. Allzu oft käme es sowieso nicht vor, das letzte Mal sei nun schon 12 Jahre her.
Tja, und zack waren meine Vorsätze, mich von verheirateten Männern fernzuhalten, den Bach hinunter. Reißender Gebirgsbach, sozusagen.
Das erste Fotoshooting lag bereits hinter uns, wir hatten uns phantastisch verstanden, viel geredet und gelacht, man merkte ihm sein fortgeschrittenes Alter tatsächlich nicht an, er war fitter als die meisten Männer die ich bisher kennengelernt hatte, obwohl diese erheblich jünger waren, teilweise sogar jünger als ich selbst. Wahrscheinlich die gesunde Bergluft im Voralpenland.
Kurz darauf stand die nächste Verabredung an, dieses Mal eine gemeinsame Fototour in Garmisch, wo er in der Früh einen Arzttermin hatte und wir den Rest des Tages mit unseren Kameras in der Gegend umherstreifen wollten. Wie das Wetter in den Bergen nun einmal ist, zogen unversehens dicke, graue Wolken auf, die fetteste unter ihnen schien direkt über uns zu hängen, und während ich noch besorgt nach oben blickte brach plötzlich ein Platzregen los, daß es nur so spritzte.
Den Göttern sei Dank befand sich direkt gegenüber ein kleines Lokal, welches auch bereits geöffnet hatte und in das wir uns flüchten konnten. Bei Käseplatte, Oliven und Nüssen saßen wir lange in vertrauter Zweisamkeit, ich hatte mittlerweile nicht nur das Höschen ausgezogen und der Großteil meiner Kleidung dampfte auf den Heizkörpern vor sich hin. Es herrschte eine seltsam erotisch aufgeladene Stimmung, mein Oberteil war völlig absichtslos, praktisch selbständig, verrutscht, und als er in weinseliger Stimmung vorschlug, ich könne mich ja bei ihm zuhause duschen und umziehen, damit ich mir keine Erkältung holte, auf dem langen Weg nach München in den noch immer feuchten Kleidern, stimmte ich erfreut zu. Schließlich wußte seine Frau ja Bescheid.
Der Empfang bei ihm zuhause fiel dennoch etwas frostig aus, ich wollte mich daher lieber nicht lange aufhalten, doch die Frau des Hauses, ganz die Dame, bestand darauf, daß ich mit ihnen noch zu Abend äße, bevor ich mich auf den Heimweg machte. Sie hätte erst dieser Tage auf dem Friedhof frischen Bärlauch geerntet und daraus Pesto und auch Brotaufstrich bereitet, den MÜSSE ich einfach probieren und es würde schließlich daheim niemand auf mich warten, oder?
Sorgsam bestrich sie die Brötchenhälften und achtete auch darauf, daß ihr Gemahl nicht zu kurz kam.
Was mir nicht auffiel war, daß sie den Aufstrich aus verschiedenen Gläsern entnahm. Das weiß ich erst jetzt, wo ich selber auf Wolken reite und mich an dem Regen erfreue, der aus ihnen herab auf die Welt purzelt und alles reinwäscht. Alles, bis auf die Mörder und Mörderinnen. Die tragen ihre Schuld für den Rest ihrer Existenz mit sich herum. Auch wenn man ihnen niemals draufkommt, so wie damals, im Voralpenland, wo praktischerweise jeder hinter dem Haus einen eigenen Komposthaufen hat in dem er alles vergräbt, was an Hausmüll so anfällt.
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