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Geschichtenspiel Teil 45

*******blau Mann
3.625 Beiträge
Freunde entschuldigt. Ich habe mich die ganze Woche nicht gekümmert hier. Ich war kaum on. Hatte ne harte Woche. Bin selbst dazu nicht gekommen was zu schreiben. Ich werde hoffentlich nächstesmal mit 16 Wörtern was schreiben. Vielleicht sind dann bessere 8 dabei, weil diese 8 sind aber auch komisch. Wer denkst sich sowas aus?

@*********ested
hübsche kleine Rififigeschichte. Elegant und leichtfüßig.

@*********ynter
du hattest mich von Anfang an. Dein neues Profilbild, das fünfte Wort gleich "Vorbau". Dann folgt das "Rohr" und ich freu mich schon und wunder mich, dass du so auf's Tempo drückst. Aber ein, zwei Absätze weiter hab ich dann kapiert, dass das ne fiese tease & denial-Nummer wird und die Pointe auf Kosten der Geilheit geht. Raffiniert und witzig. Hat mir außerordentlich gut gefallen.

@*********trone
Der Kernsatz der Aufklärung ist Kants Definition der Aufklärung als "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit".
In deiner wunderschönen Geschichte nimmt die Heldin, buchstäblich und überhaupt, das Heft in die Hand und befreit sich aus ihrer, teils fremd- teils selbstverschuldeten Unmündigkeit. Es gibt nichts Schöneres, als ein Mensch, der sich befreit. Hat mir sehr gefallen.
Also selbstverschuldet ist es sicher nicht, wenn du in eine Familie hineingeboren wirst, die den Zeugen angehört und du so aufwächst. Aber es ist auch nicht so, daß man sich da nicht lossagen dürfte. Darf man schon.

Ich bin mit einer Zeugin befreundet und hab mir aus Neugier auch mal so eine Versammlung angetan. Seltsame Atmosphäre, ich fand sie bedrückend.

Man kann sich durchaus lösen, es wird einem nichts angetan, aber wenn alle, die man kennt, dazugehören und dann auf einmal nichts mehr mit dir zu tun habe wollen/sollen, dann ist das verdammt hart.

Ähnlich wie wenn man mit dem Trinken aufhört.

Man muß schon sehr gefestigt sein und Kontakte 'außerhalb' haben.
Aber hab die mal, wenn du dein Leben lang in so einer abgeschotteten Religionsgemeinschaft gelebt hast, bzw. dein halbes Leben lang getrunken hast. Da kennst doch nur noch Gleichgesinnte.

Um so sehr sind die Menschen zu bewundern, die es dennoch schaffen.

Was ich eigentlich sagen wollte: Tolles Werk @*********trone, man kann so richtig mitfiebern mit der Protagonistin und ihr nur wünschen, daß sie in Köln ein neues Leben anfangen kann, ohne daß man ihr lange nachgepredigt kommt.
*********trone Frau
901 Beiträge
Vielen Dank für die positive Rückmeldeung *blume*
Wenn man hineingeboren wird und damit aufwächst, trägt man lebenslang gewisse Ängste mit sich. Was dort an Methoden angewendet wird ist leider alles andere als harmlos. Es gibt in München einen guten Therapeuten der sich auf Aussteiger spezialisiert hat. Gern PM an mich, falls jemand Hilfe braucht.
Ich bin indirekt betroffen, daher hatte ich das Bedürfnis darüber zu schreiben.
*******ord Frau
800 Beiträge
Aufklärung
Bau
erkennen
gesprungen
gleich
Rock
Tenor
vorstellen


Das Mädchen im roten Rock

Beschwingt sprang sie im Zimmer hin und her, inspizierte ihren Kleiderschrank, riss die Schubladen ihrer Kommode auf und wühlte darin herum. Ein Kleidungsstück nach dem anderen landete auf dem Bett. Heute war der erste warme Tag im Jahr. Die Sonne strahlte zum Fenster herein und die Vögel tirilierten munter im Kirschbaum vor dem Haus. Sie wollte sich heute richtig hübsch machen, schließlich traf sie später ihre Clique beim Eiscafé in der Stadt und ihr Schwarm würde auch dort sein.

Sie wählte einen roten, kurzen Rock mit weißen Pünktchen, ein weißes Top und ihre Jeansjacke aus, dazu weiße Sneakers und rote Söckchen. Darunter trug sie ein weißes Höschen und ein zartes Bustier. Sie hatte auch im Winter leicht gebräunte Haut und dunkelbraune, schulterlange Haare. Sie setzte sich an ihren Schminktisch und legte Make-Up auf. Großzügig verteilte sie hellen Lidschatten auf ihre Augen und tuschte die Wimpern tiefschwarz. Danach zeichnete sie ihre Lippen mit einem kräftigen roten Lippenstift nach. Dann bewunderte sie sich im Spiegel und küsste ihr Spiegelbild. Sie war kaum wieder zu erkennen und wirkte irgendwie älter.

Sie griff nach ihrer roten Baseballkappe und ihrem Haustürschlüssel und wollte gerade zur Tür raus, da rief die Mutter ihr nach: „Schätzchen, könntest du Oma wohl den Kuchen bringen und nach ihr schauen? Und ein wenig Holunderbeersaft habe ich auch noch hier. Der ist gut für ihre Abwehrkräfte. Oma kränkelt in der letzten Zeit doch so. Ich muss gleich zur Arbeit und meine Präsentation vorstellen. Ich schaffe es nicht mehr.“

„Ja, klar, gib her.“ Mit diesen Worten kam die Tochter fröhlich in die Küche gesprungen. Omas Häuschen lag ohnehin auf dem Weg und bestimmt würde ihr die Oma noch einen Geldschein für einen leckeren Eisbecher zustecken. Die alleinerziehende Mutter musterte ihre zierliche Tochter kritisch von oben bis unten. „Bist du in den Farbkasten gefallen?“ „Ach Mama, das trägt man doch heute so.“ erwiderte sie. Die Mutter mahnte „Du gehst aber nicht durch den Wald, hörst du? Nimm bitte den Weg durch die Stadt. Es ist nur ein kleiner Umweg und außerdem ist das Wetter schön für einen langen Spaziergang.“

„Ja, ja!“ Mit dem Beutel in der Hand verließ sie das Haus und lief schnurstracks in Richtung Wald. Sie sog die frische, sauerstoffreiche Luft mit der Nase ein, erschnupperte die Gerüche des Frühlings und lächelte zufrieden. Sie nahm ungern den ausgetretenen Waldpfad mit den Hinterlassenschaften der dort ausgeführten Hunde, sondern ging lieber ein paar Meter querfeldein, jedoch stets parallel zum Pfad. Sie liebte das grüne, weiche Moos des Waldbodens und die hohen Laubbäume, mit den jungen, lindgrünen Blättern. Jetzt im Frühling raschelte das alte, vertrocknete Laub der Buchen so schön unter ihren Füßen und die trockenen Zweige knackten, wenn man darauf trat. Sie sah ein Eichhörnchen rasch einen Baum hinaufhechten und ein graues Kaninchen hüpfte erschreckt zurück in seinen Bau, als es die junge Dame erblickte.

Sie hörte den Specht, der geräuschvoll in der Nähe eine Rinde beackerte, aber IHN hatte sie nicht kommen hören. Mit festem Griff drückte er ihr brutal seine Hand auf Mund und Nase und umgriff mit der anderen Hand ihre Taille. Mühelos stemmte er das 45kg leichte Mädchen in die Höhe und schleppte sie ein paar Meter weiter vor sich her und legte sie hinter einem Busch ab. Die Hand weiterhin auf ihren Mund gepresst, legt er sich auf ihren Rücken. Sie versuchte sich zu wehren und strampelte mit den Beinen, aber er ließ ihr keinen Raum in dem ungleichen Kampf. Hektisch schob er ihr den Rock hoch und riss an ihrem Höschen herum. Schließlich zog er es ein Stück herunter.

Innerlich schrie sie verzweifelt, aber kein Ton drang durch seine Hand. Sie hörte, wie er seinen Gürtel löste und den Reißverschluss der Hose herunter zog. Ihre Sinne waren geschärft. Sie spürte etwas Hartes an ihrem Po. Er versuchte in sie einzudringen, aber es gelang ihm nicht. Sie war noch Jungfrau. Sie versuchte sich ihm zu entziehen, aber er hatte sie fest im Griff und rieb sich an ihr. Sie schloss verzweifelt die Augen und stellte sich tot. „Bitte lieber Gott, mach‘, dass es aufhört.“ betete sie im Stillen. Er keuchte und stöhnte, biss in ihre Schulter. Seine Spucke lief ihr Ohr hinunter. Immer lauter und schneller stöhnte er bis zu einem lang gezogenem „Uhhhh“. Plötzlich wurde es unangenehm nass zwischen ihren Beinen. Mit einem Seufzer ließ der Mann von ihr ab. Instinktiv blieb sie mucksmäuschenstill liegen und rührte sich nicht. Sie hörte, wie er den Reißverschluss hochzog und seinen Gürtel schloss. Er stupste sie kurz mit dem Fuß an, hielt einen Moment inne und entfernte sich mit schnellen Schritten.

Eine Weile blieb sie noch liegen und lauschte verzweifelt. Als sie sicher war, allein zu sein, rappelte sie sich mühsam auf und schleppte sich zum Pfad. Sie sah noch, dass sich eine alte Dame mit einem Pudel näherte. Dann schwanden ihre Sinne und sie sank ohnmächtig auf den Weg.

In wilder Hast raste der Mann aus dem Wald heraus auf die Straße. Dabei übersah er einen Radfahrer von rechts und stieß hart mit ihm zusammen. Augenblicklich ging er zu Boden und sein Kopf schlug auf das Pflaster auf. Aus einer Stirnwunde rann das rote Blut auf die Straße und vor seinen Augen wurde es tiefschwarze Nacht. Er erwachte im Krankenzimmer mit einem dicken Verband um den Kopf. Am Kopfende saß ein Polizist. Stöhnend fasste der Verletzte sich an den Kopf: „Was ist passiert?“ „Sie werden beschuldigt, ein minderjähriges Mädchen im Stadtwald missbraucht zu haben. Sie haben zur Tatzeit in der Nähe einen Unfall gehabt. Wir haben Ihre DNA auf der Kleidung des Mädchens gefunden.“

Ein paar Monate später saß das Mädchen mit ihrer Mutter stumm im Gerichtssaal. Sie hatte die Augen gesenkt. Es fiel ihr schwer, ihrem Peiniger in die Augen zu blicken. Auch über die Vergewaltigung konnte sie wenig aussagen. Da der Täter sie hinterrücks überfallen hatte, konnte sie nicht einmal beschreiben, wie er aussah. Zur schnellen Aufklärung der Tat führte im Grunde nur, dass der Täter zur Tatzeit in der Nähe war und einen Unfall hatte. Eine aufmerksame Kommissarin hatte einen Zusammenhang vermutet und glücklicherweise den Abgleich mit der DNA angeordnet. Ansonsten hätte man den Täter wohl nie gefunden.

In seinem Plädoyer beschrieb der Anwalt den Täter: Er sei ein bisher unbescholtener, junger Bürger, der in einem Augenblick der Schwäche den weiblichen Reizen der Klägerin verfallen war. Der Anwalt betonte, wie aufreizend das Mädchen in ihrem kurzen roten Minirock abseits des Waldweges spaziert war, noch dazu so grell geschminkt. Sie sei immer wieder stehen geblieben und habe sich umgesehen. Das Verhalten habe sich für seinen Mandanten wie eine Aufforderung angefühlt. Außerdem habe er sie ja gar nicht penetriert. Das Mädchen sei immer noch Jungfrau.

Das war zu viel für das Mädchen. Die Tränen schossen in ihre Augen und mit einem tiefen Schluchzer rannte sie aus dem Gerichtssaal.

Der Richter verlas indessen den Tenor, also die Benennung der Rechtsfolgen, die das Gericht in diesem Verfahren anordnete:

Der Angeklagte ist schuldig der sexuellen Nötigung in einem minderschweren Fall nach § 177, Abs. 1 StGB, da der Täter lediglich auf die Klägerin ejakuliert hatte. Er wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Strafmildernd wirkt sich aus, dass der Täter geständig ist.

© Manja_Nord, 16.05.21

Nachtrag:
Was mir bei dieser Story am Herzen liegt: Auch heute gibt es leider immer noch Vergewaltigungsmythen und das sogenannte „Victim Blaming“. Betroffene von sexueller Gewalt sollen zum Beispiel erklären, warum sie sexy Kleidung trugen oder einen bestimmten Weg genommen haben oder sich nicht ausreichend gewehrt haben. Es findet also eine „Täter-Opfer-Umkehr“ statt und nicht selten eine Retraumatisierung des Opfers. Auch Männer werden hierbei dargestellt als leicht erregbare, triebhafte Opfer aufgrund weiblicher Reize. Männer werden nicht aufgrund von sexuellen Bedürfnissen zum Täter, sondern oftmals - diese These wird durch verschiedene klinische Studien gestützt - durch ein Streben nach Macht und Dominanz. Die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung des Opfers dient zur Befriedigung dieses Strebens.

Ein Jahr auf Bewährung? Und das ist ALLES??? *schock*
*******blau Mann
3.625 Beiträge
Harte Geschichte, hart erzählt. Distanziert und objektiv, aber genau das macht es so hart. Unfassbar, dass man mit ner Bewährungsstrafe davon kommt. Das darf einfach nicht sein.
Vor allem minderschwerer Fall, nur weil er sie nicht penetriert hat? Den Richter hat's doch. Die Gewalt bleibt doch dieselbe. Minderschwerer Fall würd ich sagen wenn jemand einer Frau die er eh kennt im Vorbeigehen auf den Po tätschelt. Oder sowas. Aber doch nicht so ein gewalttätiger Überfall im Wald!
*******ord Frau
800 Beiträge
Frauen-gegen-gewalt.de
Ich stosse immer wieder auf Dinge, die mich fassungslos machen. Kann man ja auch mal drüber schreiben...
Quelle: frauen-gegen-gewalt.de
*****ree Frau
22.066 Beiträge
Leider sind die Gesetze so *traurig*, die seelische Verletzung wird dabei komplett außer Acht gelassen.

Toll geschrieben, *top* hat mich etwas an Rotkäppchen erinnert am Anfang. Leider ohne den letztendlich guten Ausgang des Märchens.
*********ested Mann
435 Beiträge
Die 8 für heute, ein paar Minuten früher

Alpenglühen
Begeisterung
erfreulich
hochglänzend
schnell
ausführen
verlassen
Geigerzähler
*******tia Mann
5.162 Beiträge
Tolle Geschichte, @*******ord, schwieriges Thema gut umgesetzt.

Und der Vergleich mit Rotkäppchen ist gar nicht so verkehrt, @*****ree.

Auch die Märchen einer patriarchalen Gesellschaft sind geprägt von männlichen Mythen und dem „Victim Blaming“. Ist der Wolf nicht das sabbernde Tier, welches nichts kann für die Triebe, die ihn treiben? Den Hunger? Die Lust, zu verschlingen? Die Lust auf Macht?

Und ist Rotkäppchen nicht das dumme Gör, welches nicht auf die Mutter hört und den Wolf mit ihrem Leichtsinn herausfordert?

Jedenfalls hatten die Brüder Grimm die pädagogische Botschaft ihrer Geschichten nicht immer komplett durchdacht.
Doch haben sie. Erstens haben die beiden die Geschichten nur gesammelt, nicht selber geschrieben, zweitens sind die Originalgeschichten noch viel grausamer. Bei den Grimm Brothers überlebt immerhin das Mädel, es muß seine Oma nicht aufessen und es kommt auch ein Jäger der den Wolf umbringt. Quasi entschärfte Version. Ende gut, alles gut.

Der Wolf steht für das Egozentrische im Mann, der Jäger für das Väterliche, Soziale.
Daß für das junge Ding der Wald, also das Gefährliche im Leben, interessanter ist als das wohlbehütete Zuhause, kennt wohl jedes Mädel aus seiner Jugend. Also nicht dumm sondern vorherbestimmt. Frauen war damals keine aktive Rolle zugedacht, sie hätte es nicht verhindern können.
Im Original wird sie dafür dennoch bestraft (aufgefressen) und zwar ohne Happy End.
*******ord Frau
800 Beiträge
Freue mich sehr über das positive Feedback zu meiner Story.
Danke Ihr Lieben, das motiviert mich sehr, auch mal diese Themen in Angriff zu nehmen und darüber ins Gespräch zu kommen.

Puh, @*********ested, da hast du dir ja 'feine' Wörter für die Woche ausgeguckt... war nicht einfach... *zwinker*
*******ord Frau
800 Beiträge
Alpenglühen
Begeisterung
erfreulich
hochglänzend
schnell
ausführen
verlassen
Geigerzähler


Systemsprenger*innen


„Ja, ja, so blau, blau, blau blüht der Enzian, wenn beim Alpenglühen wir uns wiedersehn.
Mit ihren ro-ro-ro-roten Lippen fing es an, die ich nie vergessen kann.“

„Mensch, Kalle, leg doch mal `ne andere Platte auf!“ nervös schnippte Doreen die Glut exakt neben den Aschenbecher, während sie mit der anderen Hand die Tabakkrümel von ihrem dünnen Knie fegte. Ihre Füße, die in bekritzelten Springerstiefeln steckten, stellte sie auf den Stuhl vor sich und zupfte mit spitzen Fingern ein grünes Haar aus ihrer schwarzen, löchrigen Strumpfhose. „Lass ihn doch, er kann ja nicht dafür!“ sagte Biggi am anderen Ende des Tisches versöhnlich und schenkte sich einen weiteren Tee ein. „Dann sing wenigstens etwas von den Scherben“, maulte Doreen genervt und pustete sich eine grüne Haarsträhne aus der Stirn.

„Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ mit Begeisterung wienerte Kalle singend den Küchentresen und rückte die Kräuterpflanzen zurecht. Doreen, Kalle und Biggi bildeten schon seit den 90ern eine WG. Kennengelernt haben sie sich in der autonomen Hausbesetzerszene in Berlin.

Kalle war vor 30 Jahren bei der Häuserräumung in der Mainzer Straße in Friedrichshain ein Stein auf den Kopf gefallen. Seitdem tickte er nicht mehr ganz sauber und sein Denkapparat hing gedanklich irgendwo zwischen den 60er und 70er Jahren fest. Am liebsten sang er alte Heile-Welt-Schlager mit eingängigem Refrain. Er hatte einen Minijob als Hausmeister in dem Altbau, in dem sie wohnten. Für das Ausführen von Hunden bekam er hin und wieder ein Taschengeld von der „Briefkasten-Oma“ von nebenan. Wer schnell einen Rat brauchte, ging einfach zu ihr. Sie steckte tagsüber den Kopf aus dem Fenster, sah auf die Straße hinaus und wusste von allem Bescheid.

Doreen lebte offiziell von Hartz IV und verdiente sich in einer ehemaligen Sponti-Bar etwas dazu, schwarz natürlich. Mit dem „System“ fremdelte die mittlerweile 50jährige immer noch. Sie schnorrte sich lieber mal ein paar Euros zusammen oder ging Containern oder Flaschensammeln, als jeden Tag roboten.

„Wie ich sie hasse, diese poshen, milchgesichtigen Hipster mit ihren affigen Vollbärten und die Prenzlauer Ökomuttis, mit ihren vor den Bauch gebundenen Blagen! Die stolzieren hier schon wieder durchs Viertel und glotzen in die Fenster. Nicht lange, und die machen uns hier auch platt wie `Liebig34`. Dann müssen wir auch unsere geliebte Bude verlassen.“ moserte Doreen.

Das befürchtete Biggi auch im Stillen, sagte aber lieber nichts. Sie konnte diese ständigen Diskussionen einfach nicht mehr ab. Die Gentrifizierung in Berlin schritt weiter voran und ergriff ein Viertel nach dem anderen. Hochglänzende Häuserfassaden für Begüterte entstanden und der bezahlbare Altbau musste weichen. Da nützte auch eine Mietpreisbremse nichts.

„Noch schlimmer als die braunen Pisser sind die! Den Arschlöchern konnte man früher wenigstens einen auf’n Kopp hauen. Aber die Scheiß-Hipster kommen mit Kohle!“

Im TV lief „Systemsprenger“. Die Hauptdarstellerin erinnerte Biggi an früher. In den 70er Jahren hatte Biggi als Erzieherin in einem ‚Kinderladen‘ gearbeitet. Antiautoritäre Erziehung hatte sie seitdem für sich abgehakt. Und so manche andere Idee auch. Klar, nach der Wende verlassene Häuser instand besetzen, das hatte sie für eine gute Idee gehalten. Der Wohnraum in der DDR stand ohnehin leer nach der Wende. Da haben sie sich halt in Gruppen um die Häuser gekümmert, renoviert, verputzt, gestrichen, mit der Aussicht auf einen legalisierten Mietvertrag. Aber sie waren auch bewaffnet bis an die Zähne und verbarrikadierten sich mit fiesen Fallen. Der Ost-Bürgermeister hatte es damals gerade halbwegs auf der Kette mit der Legalisierung und wurde prompt abgesägt.

Kalle riss sie aus ihren Überlegungen: „Systemsprenger, ja das waren wir damals auch,“ feixte er.
„Und dann räumten die mit Wasserwerfern und 3000 Polizisten einfach die ganze Straße. Und jetzt ‚Liebig34‘.
„Das war schon im Oktober, Kalle!“ „Ja, weiß ich doch, Biggi!“

Biggi verabscheute Gewalt. Der gewalttätige Straßenkampf hatte ihr damals sehr zugesetzt und sie verabschiedete sich aus der autonomen Szene. Heute arbeitete sie als Erzieherin in einer unabhängigen, kleinen Kindertagesstätte für Kinder von alleinerziehenden Müttern und Vätern und engagierte sich bei der Tafel und einem sozialen Kaufhaus. Sorge bereiteten ihr die Pandemie und die psychischen Auswirkungen, vor allem auf die Kinder. „Wie viele von diesen Kids werden wohl dadurch später zu Systemsprengern?“ überlegte sie.

Seitdem ihre Mutter, gerade noch quietschfidel, in einem Berliner Pflegeheim an dem Virus verstorben war, sah sie manches anders. Für die Querdenker und ihre Demos ohne Schutzmasken hatte sie seither wenig Verständnis. Dass die Verschwörungsideologen zunehmend Kinder für ihre Sache instrumentalisierten, ging ihr entschieden gegen den Strich.
„Lag die Kanzlerin denn so verkehrt mit ihrem Ansatz, alle Menschen schützen zu wollen? Aber alle gleich, ist auch nicht gerecht. Es war ein Dilemma.“

Und an den Klimawandel dachte sie, wie erfreulich schnell nach Fukushima der Atomausstieg kam. Und an die Hipsterfamiien mit ihren E-Bikes und den Elektro-Autos und dem Bio-Vegan-Fairtrade-Avocado-Chiasamen-Matetee-Hype und den waschbaren Stoffwindeln und an Flugscham.

„Verdammt, diesen ganzen Mist muss man sich finanziell auch leisten können.“ wütete es in ihrem Innern. „Erzähl das mal einer alleinerziehenden Mutti, die im Supermarkt auf Teilzeit ist.“

„Du auf der Feuerwache gab es neulich eine Ausstellung zum Thema 30 Jahre Hausbesetzerszene in Berlin. Da gibt es einen kleinen Film im Internet. Wollen wir uns den nicht zusammen ansehen? Die Musik zum Film kommt von Paul!“ hörte sie Doreen sagen.
„Welcher Paul?“ fragte Kalle.
„Na, Paul Geigerzähler, von Köterkacke, der war doch auch damals dabei.“

© Manja_Nord, 17.05.2021


Inspiriert durch:

https://besetzensowieso.de/
Häuser besetzen sowieso!
Eine Ausstellung im Projektraum alte Feuerwache, Berlin Friedrichshain (Dezember 20 – Mai 21)

Band: Köterkacke, u.a. mit Paul Geigerzähler

Musiktitel:
Macht kaputt, was euch kaputt macht – Ton Steine Scherben
Blau blüht der Enzian – Heino

Alle Personen sind ansonsten völlig frei erfunden. Aber sowas von!
*********ested Mann
435 Beiträge
Allein

Seine Gedanken wanderten immer wieder in den gleichen Bahnen. Ein ums andere Mal erklommen sie die Serpentinen, die zu der steilen Klippe seines persönlichen Abgrundes führten, nur um dort erneut zu scheitern und den beschwerlichen, mit Selbstmitleid gepflasterten Weg ein weiteres Mal zu beschreiten.

Einfach nur daliegen, denken und an die Decke starren. Eine Decke, die ihm inzwischen mehr als vertraut war. Gezeichnet von den Spuren zahlreicher, blutsaugender Insekten, die dort oben ihr Ende gefunden hatten. Gedankenverloren schlug er nach dem Sirren neben seinem Ohr. Er war definitiv nicht allein, aber menschliche Gesellschaft hatte er schon seit bald einem Jahrzehnt nicht mehr erlebt.

Zudem machte ihm die Hitze zu schaffen. Jetzt, morgens um zehn hatte es bereits sechsunddreißig Grad. Früher hätte er sich über das gute Wetter gefreut, doch heute war es eine Qual. München im Februar sollte nicht so warm sein. Sollte, was sollte schon? Es sollte auch keine menschenleere Stadt sein.

Am achtzehnten Mai vor zehn Jahren war es noch eine Stadt voller Leben gewesen. Der Wonnemonat Mai hatte die Einwohner mit einer sanften, föhnigen Brise und bestem Biergartenwetter beschenkt. Bierkasten schleppendes, nacktes und bunt gemischtes Volk hatte sich im Englischen Garten versammelt, um dieses Wetter gebührend zu genießen. Überall lagen, lachten, spielten und spazierten die Menschen durch die grüne Lunge der Stadt und genossen das Leben.
Und am neunzehnten Mai war alles vorbei.

Seit diesem Tag war München eine verlassene Stadt. Und verlassen bedeutet in diesem Fall menschenleer. Einfach so, von einem Tag auf den anderen. Alles war wie am Vortag, die Kirchenturm Glocken schlugen, die Vögel sangen und die Isar floss gemächlich durch die Stadt.
Doch in dieser Stadt befand sich, außer ihm, keine Menschenseele mehr.

Vielleicht besaß auch er keine Seele mehr? Vielleicht war auch seine Seele mit den anderen verschwunden? Nur sein Körper hatte verpasst zu folgen. Doch wohin waren sie entschwunden? Eine Frage die er bis heute nicht beantworten konnte. Aber er konnte auch niemanden mehr fragen, denn es war einfach niemand, wirklich niemand mehr da. Keine Körper, keine Stimmen, keine Autofahrer und, soweit er es in zahlreichen Ausflügen durch ganz Europa erkundet hatte, weltweit.

Alles funktionierte und blieb auch intakt. Es war sogar noch absurder. Alles verhielt sich so, als wären die Menschen gerade noch dagewesen, als wären sie nur kurz seinem Sichtfeld entschwunden. Vor den Cafés qualmten noch die Zigaretten und standen die Getränke auf den Tischen. Der Espresso blieb warm, die Kuchen, die Speisen in den Restaurants, die Lebensmittel verdarben nicht. Jedes Gerät, inklusive des Telefonnetzes, funktionierte einwandfrei und schien auch keinen Strom mehr zu verbrauchen. Doch was nutzt ein Telefonnetz, wenn man niemanden hat, den man anrufen kann?

Das Einzige, was sich bewegte waren Tiere, doch auch von diesen konnte er bis heute nicht sagen, was sie wirklich machten. Sie waren lebendig, doch schienen sie kein Futter zu benötigen. Sie gingen nur dem nach, was sie immer taten, außer fressen, sich Fortpflanzen und altern. Das galt leider auch für die Insekten und das mit dem Altern auch für ihn.

Eigentlich hatte er in der Nacht schlecht geschlafen. Er wusste noch, dass er von einer wilden E-Bike-Fahrt durch das nächtliche München geträumt hatte, denn daran hatte er noch denken müssen, als er dem Grummeln seiner Espressomaschine lauschte, die ihn mit seiner morgendlichen Koffein-Ration versorgt hatte. Beim Trinken war sie ihm dann aufgefallen, diese ungewöhnliche Stille. Kein Autolärm, nichts von all den Geräuschen einer lebendigen Stadt. Nur die Vögel hatten gezwitschert und gesungen. Fast so wie bei der ersten Morgendämmerung an einem Sonntagmorgen, nur eben ohne jedwedes zusätzliches, von Menschen verursachte, Geräusch.

Im Lehel, wo er wohnte, war um diese Uhrzeit normalerweise nicht viel los, aber das vertraute Rauschen und Brummen der Prinzregentenstraße war nicht vorhanden gewesen und hatte auch nicht begonnen, als er sie betreten hatte. Er war auf die Mitte der Straße gelaufen und hatte sich umgeblickt. Er war und blieb das einzig bewegliche Teil in einem absurden Stillleben.

Was nicht ganz gestimmt hatte, denn eine Krähe war auf dem Dach eines auf der Straße stehenden BMW X5 gelandet. Das Tackern ihrer Krallen auf dem Blech war ebenso deutlich gewesen, wie ihre Hinterlassenschaft auf dem hochglänzenden Lack. Vielleicht war es gerade diese Markierung gewesen, die ihn veranlasst hatte zu genau diesem Auto zu gehen und die Tür zu öffnen. Der Schlüssel hatte gesteckt und er war losgefahren. Durch eine Stadt ohne Menschen, mit offenen Fenstern und AC/DC aus dem überlaut eingestelltem Soundsystem.

Die anfängliche Begeisterung, mit einem Luxus SUV durch die verlassene Stadt zu cruisen, hatte sich schnell an der irrealen Stimmung totgelaufen. Selbst als er mit dem Auto quer über den menschenleeren Marienplatz gefahren war. Der Kick blieb aus. Es war nicht halb so erfreulich gewesen wie erwartet. Selbst hupen hatte nichts genutzt und nur ein paar Tauben waren erschreckt davon geflattert als er mit quietschenden Reifen eine Vollbremsung vor dem Rathaus gemacht hatte.

Er hatte im Auto gesessen und sein Hirn hatte langsam ganz langsam begonnen die Situation zu verarbeiten. Dann hatte er versucht jeden einzelnen Eintrag seiner langen Telefonliste anzurufen. Gute drei Stunden später hatte er sie durch. Am Anfang hatte er noch auf Mailboxen gesprochen, die letzten zwei Stunden hatte er sich auch das gespart. Niemand war auf dem Marienplatz erschienen, niemand hatte auf seine Anrufe reagiert. Stille, nichts als Stille hatte ihn umgeben. Die einzige Lärmquelle war er gewesen.

Seine Stimmung hatte sich erst wieder aufgehellt, als er feststellte, dass alle Geschäfte offen hatten. Ein kleiner Abstecher zu Dallmayr, Zechbauer und den Geschäften die Maximilianstrasse hinab, hatte ihn mit eisgekühltem Champagner, frischen Erdbeeren, Zigarren, einem Brioni Anzug, Bally Schuhen und einer Rolex Uhr versorgt. Doch er hatte schnell feststellen müssen, dass weder Luxus noch Zigarren rauchen und Champagner saufen auf die Dauer glücklich machten. Auch nicht, wenn man das bei einer Autofahrt mit einem gestohlenen Geländewagen machte. Eigentlich hatte dieses Zwischenhoch nur wenig Stunden angehalten. Irgendwie war das alles doch lustiger, wenn man es mit jemanden teilen konnte.

Doch diese Gedanken machte er sich erst am Folgemorgen, als er in einer der Suiten des "Vier Jahreszeiten" aufgewacht war und keine Ahnung mehr hatte, wie er dort hingekommen war. Mit brummenden Schädel hatte er beschlossen der Sache auf den Grund zu gehen, eine große Europatour zu unternehmen und all die Plätze aufzusuchen, die er bereits von früher kannte.

Zweiundfünfzig Monate später hatte er auch das getan. Er hatte die großen Städte wie Rom, Paris, Stockholm, Lissabon oder Mailand, genauso wie Zermatt oder Salzburg besucht. Er hatte die Zeit genutzt Kite-Surfen zu lernen, sich das Alpenglühen am Matterhorn und die Polarlichter am nördlichen Wendekreis anzusehen. Er war alle Autos und Loks gefahren, die er schon immer mal fahren wollte und hatte sich nur bei Fluggeräten nicht getraut. Er hatte mit Schutzanzug und Geigerzähler bewaffnet ein Atomkraftwerk abgeschaltet und mit einer Panzerfaust auf einen Panzer geschossen. Er hatte wirklich viel Blödsinn gemacht, doch am Ende hatte es ihn wieder nach München gezogen.

Seitdem war er hier und sehr allein. Was würde er für die Normalität geben? Für einen einzigen Gesprächspartner, oder noch besser für eine Gesprächspartnerin die er zum Essen ausführen könnte? Er wusste es nicht. Und irgendwie wollte er es auch nicht wissen. Das war bei dieser Hitze einfach viel zu anstrengend.

Dr. Sophia Berg zog den Schal um ihre Schultern ein wenig enger. Dieser Mai Abend war doch kühler als erwartet und sie schauderte ein wenig. Vielleicht auch, weil sie an Andreas Jung dachte, ihren Komapatienten von Station drei. Morgen, am achtzehnten, würden es zehn Jahre werden, seit er nach seinem Radunfall ins Koma gefallen war. Ein interessanter Fall, maximale Hirnaktivität trotz Koma. Manchmal würde sie wirklich gerne wissen was in ihm vorging.
Wow. Wie sagt man heutzutage? Übelst geil!!!
Me 2
*********ld63 Frau
8.552 Beiträge
Wow, @*********ested, Chapeau!! *hutab* *bravo*
red
*******tee Frau
7.203 Beiträge
@*********ested das ist schon ziemlich gruselig.
****59 Frau
3.156 Beiträge
@*********ested
Zum Schluß bekam ich Gänsehaut. Sehr beeindruckend geschrieben *spitze*
*******tia Mann
5.162 Beiträge
@*******ord
Du, ich bin dabei, das Ganze voll basisdemokratisch auszudiskutieren ...

*ggg*
*******tia Mann
5.162 Beiträge
@*********ested
Tolle Idee, toll umgesetzt! Respekt!
**********Engel Frau
25.870 Beiträge
Gruppen-Mod 
@*********ested
Wow. Da lese ich gerade mal quer, um manches nachzuholen und lande als erstes bei Deiner Geschichte. Ich kann nur sagen: Wow! Genial.

Und das in einer Zeit, in der wir uns alle wie im Koma fühlen und darauf warten, endlich wieder aufzuwachen.
**********Engel Frau
25.870 Beiträge
Gruppen-Mod 
@*******ord
Auch Deine Geschichte habe ich noch gelesen. Klasse dargestellt!
Keine Beschreibung angegeben.
**SK
7.791 Beiträge
Tod dem Kitzel - Druckvolle Notation
Frei nach Charlie "gelöst". *rotwerd*

Tod dem Kitzel

Das Gemetzel des Schlitzels im Britzel der Reaktorsonne, wenn der Geigerzähler auf Anschlag steht und die Hitze mir die Kopfhaut brutzelt, weil ich die Sonnencreme mal wieder vergessen habe und mir niemand das Glühen der Alpen im Feuer des tobenden Herzens erklärt.
Da stehe ich in kindlicher Begeisterung und pinne hochglänzende Abziehbilder an die Voodoopuppe meiner selbst, nur um meinem Schatten eins auszuwischen.
Damit er nicht mehr die Nornen verschreckt. Damit er meine Sohlen und Fußspuren des gegangenen und noch zu gehenden Weges schnell wieder verlässt. Und damit er nicht mein Schicksal ausführt, so dass es nicht doch noch das Gegenteil von erfreulich für mich wird auf der Sonnenseite meines Reaktors.
So stehe ich unter dem heißen Wasserstrahl, und der Druck massiert mir den Kitzel im vernähten Schlitzels fort, auf dass ich die Welle reite, die meine Sinne umspült und ich ab gleite in den Nebel aus Regen.

© CRK, G, 05/2020

P.S. zu The Prodigy geschrieben. Energetische Bauchnabelmassage mit Verwerfungen im Verstand.
*****ree Frau
22.066 Beiträge
@*********ested
Was für eine Vorstellung *hutab* gruselige Vorstellung.
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