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Geschichtenspiel Teil 45

Lilith
Ihr glaubt, ihr wisst etwas über mich? Dann seid ihr einer der unzähligen Fehlinformationen aufgesessen, die über mich verbreitet wurden. Warum ich das nicht klargestellt habe? Das Spiel war zu unterhaltsam, als dass ich euer Weltbild ohne Not hätte auf den Kopf stellen wollen. Mittlerweile jedoch nimmt das Ganze eine Dimension an, die ich nicht mehr ohne Intervention hinnehmen kann. Nun also die Wahrheit oder zumindest der Teil davon, den ihr zum besseren Verständnis benötigt.

Ich wurde nicht – wie kolportiert wird - von Gott zusammen mit Adam aus Lehm geschaffen. Ich war schon immer da. Ihr wisst, was das bedeutet? Genau! Die Entität, die ihr Gott nennt, ist eine meiner Schöpfungen. Ein frühes Experiment, nicht besonders gelungen, wie ich zugebe. So eine Schöpfung muss sich entwickeln, bevor man ihr wirkliches Potenzial beurteilen kann. Also habe ich Gott eine Spielwiese eingerichtet, auf der er ohne Einschränkungen agieren konnte, und habe aus der Entfernung beobachtet, was passiert.

Der Anfang war vielversprechend. Beschwingt von seiner Macht schuf er ein ganzes Universum mit den unterschiedlichsten Arten von Kugeln, mit denen er wie mit Murmeln spielte. Daran konnte er sich über Äonen ergötzen. Als ihm das langweilig wurde, ging er dazu über, das Spiel interaktiv zu gestalten. Weil sie so schön blau war, wählte er die Erde, um darauf Leben zu schaffen. Nach einer Weile des Experimentierens mit verschiedenen Formen, kam er auf die Idee, ein Wesen nach seinem Ebenbild zu erschaffen, mit dem er sich austauschen konnte. Dieses Geschöpf nannte er Mensch. Das mit dem Ebenbild dürft ihr nicht wörtlich verstehen. Es gibt keine körperliche Entsprechung von Gott. Aber er gab dem Menschen das mit, was ihm an Vorstellungen und Charaktereigenschaften immanent war. Natürlich waren die ersten Versionen recht grobschlächtig, aber über die Jahrmillionen wurde dieses Wesen immer mehr verfeinert.

Drei der schlechtesten Eigenschaften Gottes waren Eitelkeit, Selbstüberschätzung und Kontrollsucht. Ich fürchte, daran bin ich nicht ganz unschuldig, schließlich hat er diese Wesenszüge von einer Version von mir, die noch nicht alle Erfahrungen gemacht hatte. Und natürlich stattete Gott seinen Adam mit diesen Eigenschaften aus, die von dessen Nachfahren bis heute gepflegt werden. Damit die Sache rund wurde, schuf er aus einer von Adams Rippen - genaugenommen war es ein Schlüsselbein - als Ergänzung diese tumbe Eva, die es immer noch nicht geschafft hat, sich als eigenständige Person wahrzunehmen. Um sich ganz zu fühlen, braucht sie einen Adam.

Das Perfideste, was sich Gott in dem Zusammenhang geleistet hat, ist die Sache mit der Fortpflanzung. Es gibt unzählige Möglichkeiten, sich zu reproduzieren, aber dem Menschen hat er ein System oktroyiert, das diesen für immer abhängig macht. Adam braucht möglichst viele Evas, um seine Gene weiterzugeben, und Eva braucht Adam, um ihre hilflose Brut großzuziehen. Das allein birgt schon großes Konfliktpotenzial, aber Gott hat dem noch die Krone aufgesetzt, indem er den Menschen so ausgestattet hat, dass beim Sex Glückshormone ausgeschüttet werden. Das bewirkt, dass sich Sexualität nicht auf die Fortpflanzung beschränkt, sondern davon völlig unabhängig als Droge konsumiert wird, was eine Explosion der Population nach sich zieht.

Gott hatte den Plan, sich durch den Menschen selbst zu erkennen. Der Stolperstein dabei war, dass Gott sich über die Zeit weiterentwickelt hatte, der Mensch ihm aber immer wieder seine ursprünglichen Eigenschaften spiegelte. Wie könnte es auch anders sein. Die Anlagen bei seiner Erschaffung wurden über alle Zeiten bedingungslos weitergegeben. Da half auch keine Evolution. Das ist so, als wenn du nach einer Schönheitsoperation in den Spiegel schaust, und immer nur dein altes, hässliches Ich siehst. Da wundert es nicht, dass Gott sich schon vor langer Zeit von den Menschen abwandte, obwohl er das Dilemma selbst erschaffen hatte.

Der Mensch wurde sich selbst überlassen, und so kam es, wie es kommen musste. Alles Bemühen um Zivilisation war nur Tünche, unter der die alten Anlagen schlummerten, die dem Menschen keine Wahl ließen. Die Katze lässt das Mausen nicht, und der Mensch nicht das Verhalten, das ihm selbst die Lebensgrundlage entzieht. Das Selbstmordprogramm ist in vollem Gange.

Alles, was der Mensch als gottgegebene Plagen ansieht, hat er selbst erschaffen. Kriege, Hungersnöte, Dürren, Fluten, Feuersbrünste und Seuchen. Viele habe bereits erkannt, dass der Punkt ohne Wiederkehr bald erreicht ist, aber das Verhalten ändert sich nicht schnell genug, um den Niedergang des Planeten und somit auch des Menschen noch aufzuhalten. Allein durch Reden ist nie etwas passiert, ganz nach dem Buddha-Zitat: "Es nützt nichts, nur ein guter Mensch zu sein, wenn man nichts tut!". Der Mensch von heute fühlt sich auf der Erde nicht mehr zuhause und geht dazu über, hauptsächlich in einer virtuellen Welt zu leben, die ihm so etwas wie Kontrolle suggeriert. Auf der Suche nach dem Überleben geht der Trend sogar dahin, mit der Virtualität zu verschmelzen, was technisch schon in Vorbereitung ist.

Im Laufe meiner Beobachtung ist mir die Erde ans Herz gewachsen, und ich kann ihrer vollständigen Zerstörung nicht tatenlos zusehen. Natürlich berührt mich auch das Schicksal der Menschen, die durch Gottes Versagen und damit auch durch meine Schuld so völlig chancenlos sind. Deshalb habe ich mich zu einer Korrektur entschieden, die dem Menschen brachial erscheinen mag, im Gefüge der Zeit aber nicht mehr ist als ein lauer Sommerregen.

In wenigen Jahren – immer zur Zeit des Vollmonds – werden Kinder geboren werden, die völlig anders sind. Den Eltern werden sie schwerbehindert erscheinen, da sie nicht mit dem alten Menschen kommunizieren. Sie werden eine Ernährung mit Fleisch verweigern, ebenso wie alles, was dem Planeten weiteren Schaden zufügt. Aufgrund ihrer vermeintlichen Behinderung werden viele von ihnen in Pflegeheimen landen. Und dort – wenn mehrere von ihnen aufeinandertreffen – wird sich ihr Potenzial entfalten. Dann sind sie keine hilflosen Individuen mehr, sondern Wesen, die ein gemeinsames Bewusstsein haben, das auch das Bewusstsein des Planeten umschließt. Sie werden über Kräfte verfügen, die ihr nicht einmal erahnen könnt. Sobald sie zusammenkommen, brauchen sie keine Hilfe und keinen Schutz von außen mehr. In ihnen sind keinerlei Aggressionen angelegt, aber sie sind in der Lage, sich gegen menschliche Verfolgung, die früher oder später einsetzen wird, erfolgreich zu verteidigen.

Die bisherigen Menschen werden zunehmend unfruchtbar werden, so dass die Weitergabe ihrer schlechten Gene immer mehr abnehmen wird. Für einige Jahrhunderte werden beide Gattungen koexistieren, bis der alte Mensch endgültig ausgestorben sein wird. Ich gebe zu, dass dieser in der kommenden Zeit nichts zu Lachen haben wird, jedoch liegt es an jedem Einzelnen, seine Endzeit bestmöglich zu gestalten. Die neuen Menschen werden sich nicht wahllos fortpflanzen, sondern nur dann, wenn es für den Planeten verträglich ist. So wird sich die Natur die Ruinen der einstigen Zivilisation zurückerobern, und die Erde wird sich von dem Raubbau erholen. Und wer weiß … vielleicht gibt es nach weiteren Millionen Jahren ein neues Experiment mit Lebewesen, die ein individuelles, verbessertes Bewusstsein haben.

Die 8 Wörter

Vollmond
Buddha
Ruine
Katze
glauben
lachen
verstehen
reden

Suche
Stolperstein
Schlüsselbein
Sommerregen
blau
brachial
berühren
bedingungslos
Diese "neuen Wesen" erinnern mich ein wenig an die X-Men *oh*
Puh, das ist ein Hammer, @****na5 *bravo*
Me 2
*********ld63 Frau
8.551 Beiträge
Wow, @****na5, großartige Geschichte - und sehr unterhaltsam geschrieben!! *bravo*

Jetzt macht das alles einen Sinn! *ja* *lol* *zwinker* Sehr sehr schön verdichtet!
****59 Frau
3.156 Beiträge
@****na5
*schock* WOW, was hast du denn da gezaubert?
Ich bin platt. Ich frage mich nur, warum ich von dir nicht mehr Geschichten zu lesen bekomme.
Du schreibst wirklich perfekt. Die Geschichte ist dir grandios gelungen. *zugabe* *bravo*
*****e_M Frau
8.537 Beiträge
@****na5

Kompliment *top*

So könnte es sein… Deinen Weitblick hätte ich gerne *hutab*
Wow geil, geniale Idee Lilith! Schade, daß wir das nicht mehr erleben dürfen ...
*****ree Frau
22.059 Beiträge
Zwei Geschichten die ich heute gelesen habe @*******tia und @****na5 beide gehen unter die Haut und rütteln wach... *hutab*
Vor dem aktuellen Hintergrund geradezu beängstigend nah an der Realität. *top*
******eld Mann
2.191 Beiträge
Ganz ausgezeichnet.
Sowohl die Idee, wie auch die Umsetzung.
Ich bin begeistert.

Chapeau. *hutab*
*******tia Mann
5.162 Beiträge
Oh @****na5 , ich wollte Dir mit der Betrachtung der weltlichen Lage nicht zuvor kommen. *zwinker*

Mondkinder - auch ein schöner Ansatz. Gefällt mir sehr gut. So oder so, Veränderung tut Not.
Toll geschrieben!
@*******tia

Deine Geschichte hat mich inspiriert. Für Lilith hatte ich bisher nur eine halbe Seite geschrieben, dann hat es gestockt. Durch dich konnte ich den Text erst fertigstellen. Danke dafür.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
So, nun hab ich diese Story von sirona5 nochmal in aller Ruhe gelesen (und nicht nur - wie beim ersten Mal - nur rasch überflogen) - und bin schon wieder begeistert.

Mit den letzten beiden Geschichten haben die beiden Autoren gezeigt, wie kreativ und zugleich vielsagend man mit acht (oder auch sechzehn) vorgegebenen Wörtern schreiben und wie lohnend dieses "Spiel" mit acht Wörtern sein kann.

Auch hier muss ich sagen: Respekt! Schon wieder eine großartige Geschichte - vielen Dank dafür!

(Der Antaghar)
Mit der freundlichen Hilfe von @****na5 ist heute folgende Geschichte entstanden:

Hinter Glas

Ich bin Lehrer. Für Deutsch, Geschichte und Religion. Und ich bin Idealist. Meistens. Ok, manchmal. Immer seltener. Dabei sind meine Maßstäbe nicht wirklich zu hoch angelegt, würde ich meinen. Aber mittlerweile ist das Niveau so gesunken dass ich mich bereits über Aufsätze wie diesen zum Thema 'Griechenland der Antike' so richtig freuen kann: 'Die alten Griechen waren alles voll die Schwuchteln. Der eine ist zwanzig Jahre mit dem Schiff rumgefahren, nur damit er seine Verlobte daheim nicht zu heiraten braucht. Der nächste hat freiwillig einen Becher mit Gift getrunken, damit er sich die Motzereien seiner Alten nicht mehr länger anhören muss, weil er lieber mit seinen Kumpels abgehangen ist als ihr daheim zu helfen. Wieder ein anderer wurde von seiner Mutter in Frauenkleider gesteckt damit er nicht in den Krieg muss, aber wie sie ihm draufgekommen sind und er doch in den Krieg musste, hat er sich gleich in den Feind verknallt aber weil er das vor sich selber nicht zugeben konnte, hat er ihn gejagt bis in den Tod und darüber hinaus.'

Orthographisch fast einwandfrei, lediglich inhaltlich ... naja. Aber wenn Sie wüssten, was ich mir manchmal anhören darf. 'Ey Lehrer, leck misch am Arsch mit deine Scheiße Grammatik, brauch isch keine Grammatik wenn isch Zuhälter bin wie meine Bruder!' Und das meinte Mehmet durchaus ernst. Saß mit seinen 16 Jahren fett grinsend wie Buddha im Klassenzimmer unter lauter 13-jährigen und guckte frech.

Beim letzten Elternsprechtag saß der kleine Rudolf Kramer aus der ersten Klasse mit seinen Eltern vor mir (unüblich, ich weiß, aber sie wollten beide gerne kommen und der Babysitter war krank geworden). Herr Kramer erzählte von einem Nachbarn, mit dem es neulich gewaltig Ärger gegeben hatte. Seine Erzählung war etwas wirr und ich fragte nach: 'Wer ist jetzt dieser Herr Matthes?' Ruft der Rudi forsch dazwischen: 'Des is der Zipfiklatscha der wos in unsara Wiesn parkt hod!'

Zipflklatscher. Ich bitte Sie! Ich musste diesen Begriff erst einmal nachschlagen. Woher kennt das Kind solche Schimpfwörter?

Meine Frau fragte immer öfter: 'Warum gehst du nicht einfach in Pension?' und betonte dabei das Fragezeichen wie ein vor hilfloser Wut verkrümmtes Ausrufezeichen. Bisher hatte ich immer abgewunken. Ich liebe meinen Beruf, das muss sie doch verstehen dachte ich, weiters hatte ich durchaus den Anspruch an mich selbst, Schlimmeres verhüten zu wollen. Die jungen Lehrer haben doch selber schon 'keinen Bock mehr' und machen lediglich Dienst nach Vorschrift. Obwohl man mir immer öfter nahegelegt hatte, zu gehen, bin ich daher weiter aktiv im Dienst geblieben.

Aber nun, nun habe ich endgültig genug. In Bayern wurde voriges Jahr ein neues Schulfach eingeführt. Gesundheitserziehung. Da denkt man zuerst: Na klasse! Endlich mal mehr Sport, weniger Handy, gesünderes Essen, mehr Gemüse statt immer nur Pommes und Cola, aber denkste. Es handelte sich vielmehr um die Fortsetzung der Gehirnwäsche, die bereits im Jahre 2020 begonnen hatte, als sich dieses neuartige Virus zu verbreiten begann. Den Kindern wird nun eingebläut, sich 'verantwortungsvoll' zu verhalten, in den Pausen nicht mit den Schulkameraden zu spielen sondern, wann immer möglich, Abstand von ihnen zu halten. Auf dem Schulgelände sind stets die Masken zu tragen. Diese dürfen nur zum Essen oder nach der Pause, wenn die Schüler wieder am Platz sitzen, abgenommen werden, falls der Landeshauptmann und die Inzidenzen dies erlauben. Ansonsten müssen sie auch im Unterricht getragen werden. Ich kann so nicht arbeiten! Wie soll ich meine Schülerinnen voneinander unterscheiden, wenn die Hälfte Kopftuch trägt und nun auch noch Gesichtsmaske?

Händedesinfektion und täglicher Selbsttest sind Selbstverständlichkeiten geworden. Auch außerhalb der Schule sind die Kontakte einzuschränken. Wer jemanden sieht, der sich nicht an die Regeln hält, soll dies unbedingt der Lehrkraft seines Vertrauens mitteilen, gerne auch anonym. Miteinander reden oder gar lachen? Fehlanzeige. Bei Aldous Huxley gab es wenigstens noch Soma, wenn die Menschen allzu traurig wurden. Bei uns? Nichts dergleichen. Alles was Freude macht, wurde verboten und wer aus dem Fenster springen wollte - bitteschön!

Nachdem genug Impfstoff verfügbar war für alle, und dieser auch für die Kinder zugelassen worden war, wurden die Tests kostenpflichtig, was sich viele Familien nicht mehr leisten konnten. Der gut vernetzte Untergrund stellte alternative Schulformen zur Verfügung, welche von der Verpflichtung zum Präsenzunterricht entbanden. Im Prinzip eine gute Sache, wenn dort wirkliche Pädagogen zu Werke gegangen wären und nicht irgendwelche Eso-Fuzzies, die bei Vollmond in der alten Ruine oben seltsame Rituale mit einer toten Katze vollzogen. Waldorfschule Hilfsausdruck. In diesen Etablissements wurde nicht der Name getanzt, da wurden satanische Verse gelehrt, und ich war dabei, Sie können mir also unbesehen glauben, dass ich weiß, wovon ich spreche. Immer wenn man meint, es könne nicht noch schlimmer kommen, setzt die Menschheit kalt lächelnd einen drauf.

Nachdem also auch in diesen Stätten meines Wirkens nicht mehr länger war, habe ich mich schweren Herzens entschlossen, meinen Beruf an den Nagel zu hängen. Wer braucht schon Bildung. Selber denken ist schon lange unerwünscht, und um einfach nur nachzuplappern, was Lehrer, Chef oder Minister vorsagen, bedarf es keiner besonderen Intelligenz.

Seit voriger Woche arbeite ich als Tierpfleger bei den Menschenaffen im Frankfurter Zoo. Dort wird noch gelacht und rumgealbert, und die Kunst der Konversation ist ebenfalls noch nicht völlig ausgestorben, sie findet lediglich auf einer anderen Ebene statt. Ich bin zufrieden. Guten Abend!

**************
****59 Frau
3.156 Beiträge
Dankeschööööön, liebe @*********rlan, für deine Geschichte *top* .
********iler Mann
767 Beiträge
Hallo zusammen,

ich habe heute die Ehre euch die acht neuen Wörter vorzugeben, die ihr dann alle hoffentlich in wunderbare Kurzgeschichten integriert.

Die Wörter der Woche sind:

Reifen
Pferd
Spaziergang
Sonnenschein / Sonnenstrahlen
faulenzen
Gänseblümchen
Reise / reisen
Genuss

Viel Spaß euch allen *g*
******eld Mann
2.191 Beiträge
Dank eines platten Reifens, wurde aus der Fahrradtour ein Spaziergang.
Als links des Weges eine grüne Wiese auftauchte, entschloss ich mich spontan
ein wenig in ihr zu faulenzen.
Ich streckte mich in ihr aus und pflückte mir eines der vielen Gänseblümchen,
die dort wuchsen und genoss die warmen Sonnenstrahlen.
Ach, welch ein Genuss.
Dann schloss ich die Augen und meine Gedanken gingen auf die Reise.
In der Ferne wieherte ein Pferd.

Das Leben kann so schön sein.
Me 2
*********ld63 Frau
8.551 Beiträge
Die vierte Welle
Seit zwei Wochen prangt vor unserer Station ein großes rotes Stoppschild: „Zutritt verboten!“. Gleich hinter der Eingangstür haben wir drei schwere Tische aneinander gruppiert, die verhindern sollen, dass unsere Läufer unbemerkt die Station verlassen. Demente Menschen haben kein Bewusstsein für das Weltgeschehen, für Pandemien oder sonstige Unwegsamkeiten. Man kann ihnen nicht begreiflich machen, dass es jetzt einen Virus gibt, der sich genauso schnell und unaufhaltsam verbreitet wie die Windpocken. Unsere Bewohner leben in ihrer eigenen Welt, haben ihre eigene Art und Weise, sich auszudrücken. Und ihre Gehirne sind äußerst kreativ dabei, die Lücken zu überbrücken, die verschiedene Demenzformen geschlagen haben.

Im Umkleideraum steht ein schmales Regal mit grüner OP-Kleidung in allen Größen. So gewandetet, betrete ich die Station. Fr. M ist schon wach und kommt mir laut singend entgegen. Sie ist barfuß und das Nachthemd ist ihr über die linke Schulter gerutscht. Es ist viel zu groß für ihren kindlich schmalen Körper. Als sie mich erkennt, streckt sie mir ihre Arme entgegen. Ich reiche ihr die Hand und schon verschwindet sie unter meiner Achsel und umarmt mich einige Augenblicke lang. Trotz ihrer fortgeschrittenen Demenz hat sie ihre Höflichkeit und ihre Umgangsformen nicht verloren. „Ich danke ihnen sehr“, sagt sie, „Ich freue mich so sehr, dass sie hier bei mir sind. Sie machen das alles sehr gut! Jetzt muss ich nach den Pferden sehen, die Reifen sind jetzt nur noch halb.“ Sie löst sich von mir und geht nickend davon. Ich kenne sie jetzt schon fast zwei Jahre und konnte bis heute nicht herausfinden, ob die „Pferde“, von denen sie so oft spricht, eine Erinnerung von ihr sind oder ein Synonym für etwas ganz anderes, was sie auszudrücken versucht.

Fr. M geht davon, langsam und mit schiefem Gang, doch ihre Energie ist unermüdlich. Sie bleibt niemals länger als fünf Minuten sitzen, außer, ihr Lieblingsessen wird serviert oder sie ist so müde, dass sie im Sitzen einschläft. Wenn sie nicht spricht, singt sie und ihre hohe kindliche Stimme ist auf der ganzen Station zu hören. Es gibt Mitbewohner, die davon genervt sind und manchmal kommt es zu Tätlichkeiten, aber Fr. M. läßt sich davon nicht beeindrucken oder gar vom Singen abhalten. Sie ist mein Sonnenschein, den ich nicht missen möchte. Sie bringt mich immer wieder zum Lachen mit ihren Wortschöpfungen.

Ich treffe alle Vorbereitungen und teile die Zuständigkeiten für die Bewohner auf unter meinen Helfern und Schülern. Einige Bewohner sind im Krankenhaus, es sieht nicht gut für sie aus. Wir bekommen kaum Auskunft, erfahren Aktuelles nur über die Angehörigen und Betreuer. Kollegen sind krank, andere im Urlaub. Irgendwie muss es gehen, mit Aushilfen und Freiwilligen, die oft überfordert sind von der Situation. Solange die Quarantäne andauert, sind wir im Ausnahmemodus. Die Batterien ständig leer. Es ist alles andere als ein Spaziergang für uns, auch, wenn die Symptome bei den meisten hier milde ausfallen.

Schutzkleidung an, Schutzkleidung aus, so geht das die ganze Schicht lang, bei jedem Zimmer muss sie gewechselt werden. Die Haut meiner Hände ist rau und aufgesprungen von Desinfektionsmitteln und dem ständigen Wechsel der Einmalhandschuhe. Wir alle schwitzen unter den zusätzlichen Kitteln und die Schutzbrillen laufen ständig an und vernebeln mir den Blick. Alle zwei Stunden wechsle ich die Maske, weil sie nass vom Schweiß ist.
Die Stimmung auf Station und in den Zimmern ist so schwer und gedrückt wie die Luft in den Zimmern. Ich reiße die Fenster und Terrassentüren auf und versuche, die Isolierten zum Lächeln zu bringen. Es muss sehr deprimierend sein, nur noch die Aussicht auf einen Zimmerausschnitt zu haben. Nicht mehr draußen bei den anderen sein zu können, keinen Besuch zu bekommen. Alle sind geschwächt, haben keinen Appetit und sind nur schwer zu motivieren. Diese Schwere, diese Stockung zu ertragen, ist letztlich anstrengender für mich als alles andere.

Im Flur neben dem Zimmer von Fr. K. hat jemand ein Mosaik aus Gänseblümchen und Kieselsteinen drapiert. Das kann nur Fr. A. gewesen sein, sie liebt es, im Garten Blumen, Steine und Blätter zu sammeln und auf Beistelltischen und Nischen zu Mustern anzuordnen. Sie kann nicht wissen, dass Fr. K. sich aufmacht, auf ihre letzte Reise zu gehen: Sie liegt im Sterben. Sie wird diese kleine Aufmerksamkeit nicht mehr sehen können. Ihr Ehemann hat eine Ausnahmegenehmigung und sitzt fast die ganze Zeit an ihrem Bett. Seine Frau ist schon seit Tagen nicht mehr ansprechbar. Es wird nur noch das Allernötigste und mit größter Vorsicht getan, damit sie nicht leiden muss. Ich bringe ihm Frühstück und wir unterhalten uns leise. Er ist ruhig und gefasst, schon länger hat er sich auf diese Situation vorbereiten können. Dass seine Frau bald gehen würde, war absehbar.

Neun Uhr, es ist Frühstückszeit. Ich bin bei Fr. S., die seit ein paar Tagen Fieber entwickelt hat. Ich nehme ihre Hand in meine und sage leise: „Elli, möchten Sie etwas essen? Schaun sie mal, was ich ihnen mitgebracht habe.“ Fr. S. schlägt ihre Augen auf und sieht mich mit an mit strahlend blauen Augen. Dann zieht sie meine Hand an ihr Gesicht und legt sie an ihre Wange. Sie spricht kaum noch, aber sie zeigt sehr deutlich ihre Zuneigung und sie reagiert ebenso vehement, wenn sie etwas nicht will, zum Beispiel beim morgendlichen Waschen.

Während ich bei ihr sitze, lässt sie mich nicht aus den Augen. Ihr fiebriger Blick aus rotgeränderten Augen hat etwas Verzweifeltes, Zwingendes. Sie spürt genau, dass etwas vor sich geht und dass sie krank ist. Sie nimmt immer wieder meine Hand und drückt sie an ihre Brust, lässt mich die ganze Zeit über nicht los. Mir schießen die Tränen in die Augen, während ich ihr das Frühstück reiche. Mich berührt ihre Not und gleichzeitig bin ich dankbar dafür, dass sich Elli die Nähe und Unterstützung nehmen kann, die sie jetzt so dringend braucht.

14 Uhr und Dienstende. Ich sehne mich nach einer Dusche und meinem Bett. Als ich auf den Parkplatz komme, hat sich die Sonne gerade durch die Wolken gekämpft. Spontan entschließe ich mich zu einem kleinen Spaziergang durch den Park. Frische Luft und blühende Rosen, welch Genuss für die Sinne und die Seele! Und so gar nicht selbstverständlich.
******eld Mann
2.191 Beiträge
@*********ld63
Guten Morgen,

ich war zwölf Jahre mit einer ex. Altenpflegerin zusammen und kenne euren Arbeitsalltag aus ihren Erzählungen.
Die körperliche und seelische Belastung, besonders jetzt durch Corona.
Manchmal war ich genervt, dass sie so erschöpft heimkam und das keine Energie mehr war für mich/uns.
Ihr habt meinen größten Respekt und ich finde es sehr bedauerlich, dass, außer leeren Phrasen und Versprechen, von den Entscheidungsträgern nichts unternommen wird, um die Situation zu verbessern oder auf die Zukunft vorzubereiten.

Ich wünsche dir einen erholsamen, sonnigen Sonntag.
Me 2
*********ld63 Frau
8.551 Beiträge
Lieber @*******_HB, ich danke dir. *blume*

Ja, es ist wirklich anstrengend, jetzt fast mehr psychisch als physisch.
Ich habe allerdings das große Glück, einen wirklich guten Arbeitsplatz zu haben.
@*********ld63

Ein sehr intentsiver und berührender Einblick in den Alltag des Pflegepersonals im Rahmen von Corona. Ihr habt meine Hochachtung! Das ist ohne persönliches Engagement und Liebe zum Beruf nicht zu bewältigen. Ich hoffe, dass dieser Einsatz auch einmal belohnt werden wird.
*****e_M Frau
8.537 Beiträge
@*********ld63

Grossen Respekt und ein ebensolches Kompliment. Wir alle sind aufgerufen, für ein Mehr an gesellschaftlicher Anerkennung der Pflegeberufe uns immer wieder einzubringen!

Und natürlich, wie immer, toll geschrieben!
Keine Beschreibung angegeben.
**SK
7.791 Beiträge
@*********ld63

Danke. Der Text geht mir sehr nahe.
*********ynter Frau
9.811 Beiträge
@*********ld63
Dein Text ist so berührend, so liebevoll und so erschütternd.

Ich wünsche dir, deinen Kollegen und Schutzbefohlenen, dass ihr das alles gut übersteht.
Gut, dass es Menschen wie dich gibt.
*spitze*
Sodala, guten Abend alle miteinander. Ich hoffe mal, daß nicht noch jemand eine Last-Minute-Story reinsetzt, ich wollte nämlich die neuen Wörter schon reinsetzen. Bissl early, aber ich bin so müde *muede* *gaehn* ich muß unbedingt ins Hapferl.

Krähen
Morgendämmerung
Hochschaubahn (am Prater)
Tachinierer (= arbeitscheuer Geselle, Drückeberger)
wesentlich
blühen
vorzeigen
Erweiterung
******eld Mann
2.191 Beiträge
Der Pavel
In der Mitten letzter Nacht,
bin ich plötzlich aufgewacht.
Die Muse hatte mich geküsst,
als ob sie nicht um Uhrzeit wüst´.

Jetzt? In der Nacht um vier.
Klopfst du in Träumen an die Tür.
Was denkst du dir, hab ich gefragt,
schön schlafen ist jetzt angesagt.

Doch nun, mit Ruhe und auch Zeit,
beginnen kann die Tätigkeit,
des Reimers ohne große Hast,
damit auch Wort zum Worte passt.

Die neuen Worte – es sind acht,
und gewählt wohl mit Bedacht.
Ich weiß noch nicht wohin es führt,
im Kopf wird fleißig umgerührt.


Der Pavel

Der Pavel ist ein schlimmer Finger
und dreht gern üble, dreiste Dinger.
Hier am Prater, wo die Tulpen blüh´n,
recht unverschämt und auch sehr kühn.

Dort wo die Hochschaubahn sich leise dreht,
er täglich auf die Runde geht.
Wie Krähen in des Morgen Dämmerung,
kommt er für die Erweiterung.

Seiner Portokasse. Die ist für ihn ganz wesentlich,
denn die Arbeit schätzt er nicht.
Ist ein Tachinierer, ein Schlawiner.
Ja, so nennen ihn die Wiener.

Viel kann der Tropf euch nicht vorzeigen,
doch nennt er flinker Finger zehn sein Eigen.
Sie schlüpfen flugs in Manteltaschen,
und kriegen manches dort zu fassen.

Uhren, Schmuck, ein Portemonnaie,
den reichen Leuten tut's nicht weh.
Dann geht’s ins Wirtshaus, um zu prassen,
so lebt er halt – kann es nicht lassen.

Er lupft auch manchen Frauenrock,
beglückt sie lang mit seinem Stock.
Doch auch bei dieser Bettes-Lust,
geht es nicht nur um den Genuss.

Mit klingender Münz sie ihm vergelten,
den forschen Ritt in Eros Welten.
Doch komm sie immer wieder gern,
zu unserm gut bestückten Herrn.

Es kommen auch mal zwei am Stück,
da hat der Pavel wirklich Glück.
Und neulich gab's nen wilden Vierer,
für den potenten Tachinierer.
*********ynter Frau
9.811 Beiträge
Von Feen und weißen Mäusen
„He`s away with the fairies.“ (Er ist unterwegs mit den Feen) raunten die Stimmen mit einer Spur von Bedauern.
Eine schönere Umschreibung seines Vollrausches hatte er noch nie gehört. Das klang viel besser als „Du total besoffenes Arschloch“. Den Ausdruck, den er öfters von Angehörigen des weiblichen Geschlechts zu hören bekam. Diese schönen Worte klangen sphärisch, wie durch Watte, als seien sie in zarten Farben auf eine Leinwand gemalt, unwirklich und doch seltsam vertraut. Träumte er? Er spürte noch ein wohltuendes zärtliches Streicheln über seine Wange, dann war er allein.
Hart fühlte sich auf einmal der Untergrund an, auf dem er saß und unangenehm nass. Die Hoffnung, es möge irgendwann in der durchzechten Nacht, unbemerkt von ihm geregnet haben, durchzuckte ihn wie ein scharfer Schnitt. Die andere Möglichkeit mochte er sich lieber nicht ausmalen. Auch die Wand der Bretterbude, an der er mit dem Rücken lehnte, brachte kein wirkliches Entzücken. Wie hatte er nur so tief sinken können? Die Einsamkeit und das Elend seines Daseins schrien ihn förmlich an und ihr hämischer Ruf Versager, Nichtsnutz, Säufer hallte von den Wänden der anderen Buden wider. Schon wieder war es geschehen, dass er total versackt war und komplett die Kontrolle über sich verloren hatte. Die besseren Zeiten hatte es gegeben, aber wie lange war das schon her?

Dunkel erinnerte er sich, dass er mit den drei Irinnen im Dirndlverschnitt, die er am Nachmittag zufällig in seinem Stammlokal, der „Grotte“, getroffen hatte, über den Festplatz gezogen war. Wie diese hübschen Wesen sich ausgerechnet in diesen Laden verlaufen konnten, hatte er nicht weiter hinterfragt. Es war sehr lustig gewesen und die Drei waren ziemlich gut drauf.
Das frische Grün ihrer Trachtenkleidchen stand in einem tollen Kontrast zu ihren kupferfarbenen Haaren und der hellen, fast milchigen Haut. Das irische Kleeblatt war der Hingucker des Abends und alle anderen Kerle beneideten ihn – auch wenn er spätestens nach dem halben Duzend alles nur noch doppelt sah. Hier ein Schoppen, dort ein Gläschen und woanders etwas ganz anderes. Wodka, Cocktails, Sekt, Bier – die Karte rauf und wieder runter.

Die Damen waren ganz schön trinkfest, tanzten ausgelassen und schienen ausgerechnet an ihm einen Narren gefressen zu haben. Sie hätten jeden Kerl hier abschleppen können, auch wesentlich Jüngere als ihn in seinen zu Ende gehenden mittleren Jahren und äußerlich schon etwas verlebt. Warum also ausgerechnet ihr Interesse an ihm? Er versuchte sich zu erinnern, ob er mit ihnen allen drein Körpersäfte ausgetauscht hatte? Bestimmt, so glaubte er, so wie sie ihn ansahen und dabei lächelten. Bestimmt hatte er die Ladies mehr als zufriedengestellt. Warum sonst wohl, verbrachten sie mit ihm die Nacht?
Mit einem dümmlichen Grinsen und einem unaufhörlich rinnenden Sabberfaden aus seinem Mundwinkel folgte sein Kinn der Schwerkraft und sackte auf seine Brust. Tiefe Sehnsucht nach etwas nicht greifbaren umhüllte ihn, unbemerkt von ihm löste sich eine Träne aus seinem Auge.
„Jetzt ist er fällig, tiefer runter geht es nicht mehr.“ Flüsterte es. Oder träumte er das schon?

Das Bild der dunkelhaarigen Frau mit dem hinreißenden Schmollmund und ihren vor Zorn funkelnden Augen verschwamm vor seinem inneren Auge und er schreckte hoch. Anscheinend war er in einen kurzen, aber unruhigen Schlaf gefallen, denn als er unter größter Anstrengung versuchte, seine Lider zu öffnen und ihm dies zumindest für einen Spalt gelang, hatte die Morgendämmerung sich angeschickt, sich mit glühenden Bäckchen aus den schwarzen Federn der Nacht zu erheben.
Das Rot des neuen Tages stach ihm grell und schmerzhaft durch die Pupillen direkt in die Stirn und sein Magen fühlte sich an, als wäre er mehrere Runden in der Hochschaubahn gefahren. Quälend und in Schüben entleerte er dessen Inhalt direkt neben sich, weil er keine Kraft fand, sich zu erheben.
Damit war er nun endgültig auf der untersten Stufe der absoluten Looser angekommen. Denn selbst die wenigen Tachinierer, die das Licht der frühen Sonnenstrahlen nun aus ihren dunklen Ecken hier vertrieb, warfen ihm angewiderte Blicke zu.

Unter großer Anstrengung schaffte er es, sich aufzuraffen, nur um fast durch etwas Glitschiges unter seinen Sohlen auszurutschen. Gerade noch eben fing er sich, stützte sich an einem Geländer ab und fragte sich, warum ihm die vielen Pilze auf dem Boden nicht schon eher aufgefallen waren.
Ob die hier wohl wegen der wilden Pinkeleien so gut gediehen?
Ein paar Krähen in der Platane über ihm schienen ihn mit ihrem Gekrächze auszulachen und überwältigt von einer Welle des Zorns zeigte er ihnen seinen Stinkefinger und fluchte laut. Unbeeindruckt davon zeterten die schwarzgefiederten Gesellen weiter und er hatte den Eindruck als schimpften sie ihn aus.
Warum ertönte in seinem Kopf nun gerade im Moment die Arie der Königin der Nacht? Eine ferne Erinnerung streifte ihn, etwas vertrautes, nerviges und zugleich wunderschönes. Doch bevor er den Gedanken festhalten konnte, hatte dieser sich bereits verflüchtigt. Wieder erfüllten ihn ein tiefes Sehnen, dass es fast sein Herz zerriss und die Einsicht, dass er endgültig ganz unten angekommen war.

Mit schweren Schritten, Meter um Meter, kämpfte er sich vorwärts – ohne Ahnung, wie er nachhause kommen sollte, geschweige denn, wo sich selbiges überhaupt befand.
Dass ihm ziemlicher Ärger blühten würde, war ihm klar. Doch von wem eigentlich?
Wieder erschien dieses Bild einer vorwitzigen schwarzgelockten Strähne in seinen Gedanken, rote volle Lippen, zarte Brüste, von der jede in einer seiner Hände Platz fand, sowie dunkel blitzende Augen in einem feenhaften Gesicht.
War das seine Frau oder zumindest eine Ex?
Bestimmt letzteres, denn mit ihm war es ja nicht auszuhalten. Diese verdammte Sauferei und die vielen Affären – er wollte das alles nicht mehr. Er verfluchte sich und seine schlechten Angewohnheiten. Diesem Wesen in seinen Gedanken gebührte vermutlich ein Orden und tiefster Respekt. Reue erfüllte ihn und der unbedingte Wunsch, den Weg nachhause, zu ihr, zu finden und Besserung zu geloben. Damit alles wieder gut und so wie einst würde. Ein Gedanke gleich einem Hilferuf.

Diese seltsamen Pilzringe wurden ihm allmählich unheimlich, denn sie schienen plötzlich vor ihm, wie aus dem Nichts, aufzutauchen. Er spürte einen stetigen Windhauch als bewege sich jemand in seiner unmittelbaren Nähe. Und es kam ihm so vor als zöge jemand immer wieder an seiner Kleidung bzw. neckend an seinen Haaren und schiebe ihn recht unsanft von hinten vorwärts. Ab und zu vernahm er ein helles Sirren, welches in seinen Ohren schmerzte. Diese Worte von irgendwann in der Nacht kamen ihm in den Sinn, hoffentlich waren aus diesen zauberhaften Feen nun keine weißen Mäuse geworden.

Ein feuchter Dunst entstieg dem Boden und waberte sich rasch zu einem dichten Nebel. Die Kühle ließ ihn frösteln, während aus dem unerträglichen Sirren hohe Stimmchen wurden, die er von irgendwoher kannte und Worte, die er nun deutlich verstand.

„Jetzt komm endlich von deinem Gsupi runter und hilf uns, Puck! Schick uns mehr Feen, die tanzen und Feenringe bilden. Damit wir ihn auf dem rutschigen Boden besser vorwärts schieben können. Oder noch besser: Schick die Kürbiskutsche mit den weißen Mäusen, dann können die sich abplagen. Bis zur magischen Pforte im Hügel ist es noch ein Stück und es wird mit jedem Schritt härter. Wir zarten Wesen sind für solche Schufterei nicht geschaffen und obendrein ist er eine olfaktorische Zumutung. Sag den anderen auch, sie sollen mehr Blüten und Kräuter für sein Bad sammeln. So können wir ihn bei der Frau Königin Titania doch nicht vorzeigen! Hörst du das?!“

Von Ferne kam ein genervtes „Jaja, noch eine Runde. Oder zwei oder drei.“

Zu ihren Gefährtinnen gewandt ergänzte sie: „Da schickt sie ihn ja gleich wieder zurück. Und uns mit. Ehrlich – ich brauch mal eine Pause für mein Blümchen. Ihr etwa nicht? Hoffentlich besänftigt Oberon sie diesmal richtig und wird nicht gleich wieder rückfällig. Damit Frau Titania ihren Fluch gegen ihn aufhebt. Wobei – noch tiefer sinken kann er ja nicht. Möge sein Horizont in Sachen Sex und Alkoholexzessen nun genügend erweitert sein und er sich mit seiner Frau und Feen-Met zufrieden geben. Ich hab es so satt, mich in diese sexualisierten Gewänder zu pressen und die ganze Nacht aufzupassen, dass er …“

„Jetzt komm schon Maliure – wenigsten ein bisschen hast du es schon genossen, den Sex, die Verführung, den Champagner und die wilden Spielchen. Wenn ich mich recht erinnere, warst du den Handschellen gegenüber nicht sonderlich abgeneigt. Oder etwa doch?“ Kicherte Melusine.

„Pst Mädels!“ Esterelle legte ihren Zeigefinge an die Lippen. „Schweigen und genießen, sonst versohlt uns Titania die hübschen Popos. Gut, dass unser Casanova sich an unsere gemeinsamen Eskapaden nicht erinnern wird.“

Die Drei kicherten, zogen und schoben einen Oberon vorwärts, der längst von dem Gehörten ausgenüchtert und hellwach war. Das war ja höchst interessant, was er gerade erfahren hatte und seine Erinnerungen waren schlagartig zurück, auch sämtliche Ausflüge in die Erotik mit den drei Feen, die übrigens im Dienste seiner Frau standen.
Nachdem seine eifersüchtige Gemahlin ihn mit einer Menschenfrau im Ehebett erwischt hatte, hatte sie ihn in die Welt der Menschen verbannt und verflucht. Erst, wenn er nicht mehr tiefen sinken könnte und wirklich bereute, was er ihr angetan hatte, sollte er zurückkehren dürfen. Und wenn er so an sich herunterschaute und roch, dann war dies nun eingetreten. Er, der mächtige Feenkönig, nach Alkohol und Kotze stinkend, in zerlumpter Kleidung (woher eigentlich?) und - als Sahnehäubchen - eingenässt. Am liebsten wäre er aus Scham augenblicklich im Boden versunken. Wie sollte er seinen Untertanen jemals wieder in die Augen sehen? Doch auch sein Zorn regte sich. Seine Frau war in ihrer Rache eindeutig zu weit gegangen.

Das schrie nach einer Bestrafung für seine werte Gattin, die bezaubernde Titania mit dem schwarzgelockten Haar. Von außerhalb des Nebels ertönte plötzlich ein laut schepperndes „Iiiaaaahh“. Oberon wurde ruhig und sein Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, er wusste nun genau, was zu tun war.
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