Auf dem Weg zum kleinen Glück
Langsam und unsicher geht er die Straße entlang. Es ist mehr ein
Stolpern denn ein Gehen.
An der Sielwallkreuzung, die hier im Viertel jeder nur „Das Eck“ nennt, biegt er nach links ab.
Vor dem Steintor heißt die Straße und hier beginnt das Steintor-Viertel. Der etwas abgerocktere Teil des Bremer Viertels.
Die Pizzeria di Quatro, hat schon zugemacht. Aus dem Späti „Que pasa Amigos“ nebenan, kommen drei junge Frauen. Sie halten grüne Bierflaschen in den Händen und lachen viel zu laut.
'Ja,
amüsiert euch ruhig. Scheiß Yuppi Weiber.'
Der Geruch der Hamburger, der aus dem Loch in der Wand neben ihm auf die Straße wabert,
lässt ihn kurz innehalten. Vielleicht sollte er mal wieder etwas essen.
Da fällt sein Blick auf einen Riesenfleck frischer Kotze.
Er ist zwar nicht sonderlich
sensibel – aber hey. Frische Kotze!
Nur ein paar Schritte weiter, säuselt eine tiefe Baritonstimme
vertraulich: „Hey Maan, erverything okay?“
Er weiß, dass die Übersetzung lautet: „Hi, willste Drogen kaufen?“
Nein, will er nicht.
Seine
Selbstmedikation ist der Bruder Alkohol. Rum, um genau zu sein.
Früher war er mal zur See gefahren. Damals, als die Schiffe noch für einige Tage in den Häfen lagen. Als die Ladung noch mit dem
Netz aus dem schwarzen Bauch der Frachter gehievt wurde.
Rau ging es zu in den Kaschemmen und Bordellen der Hafenviertel. Wo war er nicht überall gewesen? In Südamerika hatte es ihm immer am besten gefallen.
Maracaibo, Fortaleza, Suape, Rio, Montevideo, Valparadiso, Buenaventura.
Das waren noch Zeiten gewesen. Da war er noch jung und seine Muskeln waren hart wie
Granit.
Er schleppte sich weiter seinem Ziel entgegen.
Von der anderen Straßenseite hörte er, wie jemand seinen Namen rief. Er schaute hinüber. Vor einer Kneipe mit Namen „Zum Haltepunkt“, stand Klausi. Der Arsch brauchte gar nicht so freundlich zu winken. Sollte mal lieber bald mit der Kohle rüberkommen, die er ihm noch schuldete. Das Motto über der Tür versprach „Betreutes Trinken für Jedermann“.
Genau. Frauen gab es da auch keine.
Ein paar Meter nur noch und er wäre endlich da, wo er hin wollte.
Er konnte schon die Totenschädel an der Hauswand ausmachen.
Die Schänke war zwar keine richtige
Piratenschänke, kam den Kneipen seiner Jugend aber doch recht nahe.
Obwohl es schon fast drei Uhr war, dröhnte die laute Rockmusik durch die offenen Fenster auf die Straße.
Zu den letzten Akkorden von Stairways to heaven trat er in das schummrige Dunkel der Bar. Der Geruch von Marihuana, Zigaretten und Bier legte sich wie ein wärmender Mantel um ihn.
Am Tresen war sogar ein Platz frei.
Heute war echt sein Glückstag.