Schokolade
Waffe
Mensch
Genugtuung
open minded
verachten
reisen
vermissen
Gestern Abend:
Ich liege auf dem Bett, surfe unsportlich, mein Kätzlein auf dem Schoß.
Alles gemütlich, alles entspannt.
Aus den Augenwinkeln sehe ich es. Etwas krabbelt auf dem Boden. Eine Spinne!
Dick, fett, schwarz.
So schwarz, wie meine dunkle Schokolade. Die mit den 85% Kakao.
Nun muss man wissen, dass ich eine panische Angst vor Spinnen habe.
In meiner Kindheit hatte eine (wenig sensible) Tante von uns, meiner Schwester den „Erwachsenen - Toilettengang“ beigebracht.
Bei einer dieser Exkursionen fing meine Tante eine Spinne, und ließ sie über den Rücken meiner Schwester krabbeln mit dem Ausruf:
“Die frisst dich jetzt! Die frisst dich jetzt!“
Ich nehme an, dies war der Ursprung meiner Arachnophobie.
Doch zurück zum Tathergang:
Ich sprang aus dem Bett, und rannte in den Flur, wo meine Stiefel standen. Ich brauchte zuerst festes und gut verschlossenes Schuhwerk an meinen Füssen.
Offene Hausschuhe in dieser Gefahrensituation? Ein No go!
Mit einer Sandale als Waffe, kehrte ich in mein Schlafzimmer zurück. Die Spinne hatte sich inzwischen an eine recht unzugängliche Stelle verzogen.
Trotzdem schlug ich zu, mit dem Ergebnis, dass sich das Tier unter meinen Nachttisch gerettet hatte.
Was tun?
In einem Bett schlafen, wo sich noch nicht einmal einen Meter entfernt dieser Acht - Beiner verkrochen hatte?
Undenkbar!
Also sammelte ich mein Bettzeug, nebst Laptop und Katze, ein, und errichtete mir im Wohnzimmer meine neue Schlafstatt.
Um ganz sicher zu gehen, verschloss ich meine Schlafzimmertür.
Sollte sich die Spinne doch über Nacht verkrümeln, am nächsten Morgen wäre sie sicher verschwunden. Im Grunde genommen wollte ich ihr ja nichts antun.
Nassgeschwitzt und mit rasendem Herzschlag (wie hysterisch kann man eigentlich sein?) setzte ich mich im Wohnzimmer auf die Couch und versuchte, zur Ruhe zu kommen.
Gringo, mein Kater, schien aufgrund dieser Situation ebenso verstört und wechselte ständig seinen Liegeplatz.
Bis er ..., ja, bis er in den Angriffsmodus wechselte.
Sie kennen das sicher: Katze sieht Beute, Katze pirscht sich langsam an Beute heran, Katze bleibt versteinert stehen, Katze schlägt im passenden Moment zu.
Ich wusste sofort: SIE ist es!!
Ich griff nach dem Schuh, lief zum Esszimmertisch, und - da war sie wieder!
Dick, fett, schwarz.
Ich schlug dreimal so heftig zu, dass die Tassen im Schrank klapperten.
In der Forensik würde man wohl von einem `Overkill` sprechen.
In diesem Moment kam meine 15jährige Tochter Emma zur Tür herein.
„Mama, was machst du hier? So ein Krach! Und überhaupt – wie siehst du nur aus? Schlafanzug und Winterstiefel?? Cringe!“
„Cri... was?“ Ich verstand nur Bahnhof, klärte sie aber dann über den ganzen Hergang auf.
„Oh Mama, du bist so peinlich! Sei doch mal etwas mehr open minded. Du bist so oft verreist. In alle Herren Länder. Da gab es doch sicherlich größere Exemplare als diese Spinne, die du jetzt ermordet hast. Jawohl, ermordet! Spinnen sind auch Lebewesen. So, wie du! Wo ist nur deine frühere Gelassenheit geblieben? Die vermisse ich schon lange. Nichts ist mehr davon zu spüren! Chill ma, ey!“
„Emma, es ist ja nicht so, dass ich Spinnen verachte. Ich weiß, es sind nützliche Tiere, und ich weiß auch, dass es nicht richtig war, sie zu töten. Aber ich habe einfach Angst vor den Viechern. Angst! Verstehst du? Ich bin halt auch nur ein Mensch!“
„Cringe“, erwiderte Emma, knallte die Tür zu, und ließ mich mit einem Fragezeichen und meinem schlechten Gewissen zurück.
Ich kann nicht verhehlen, dass sich nach einer gewissen Zeit eine Art Genugtuung in meinem Seelenleben ausbreitete und endlich wieder Ruhe in mir einkehrte.
War es Mord oder Notwehr?
Ich entscheide mich für Notwehr.
(c) Devi, 29.10.2021