Der Pirat - Hisst die Segel
Stakkato
medial
Menschenrecht
herb
herablassen
Luftnummer
erregen
kleinkariert
13 - Hisst die Segel.
Die Verwünschungen, die Kapitän Pears ihnen nachgebrüllt hatte, klangen noch immer in Louis-Eugène Barrots Kopf, als die vier Flüchtlinge die Antigone erreicht hatten. Und so, wie er Pears kannte, würden sie sich beileibe nicht als
Luftnummern herausstellen.
Louis Männern an Bord hatten bereits mit dem
Herablassen einer Jakobsleiter begonnen. Als sie bereit war, ergriff Louis als Erster die rauen Hanfseile und stieg hinauf. Claudette folgte ihm nach und sie stellte sicher, dass der schmucke Schiffsarzt die Möglichkeit hatte, ihr Hinterteil in Augenschein zu nehmen.
Sie musste nicht
medial begabt sein, um zu erkennen, dass er scharf auf sie war.
Aber um auf Nummer sicher zu gehen, tat sie auf halben Wege so, als würde sie den Halt verlieren. Schon legte sich ein kräftiger Arm um ihre Taille. So gehalten drückte sie ihrem auserkorenen Ass im Ärmel, ihr Gesäß mitten ins Gesicht.
„Halt dich fest, Weib!“, ertönte es zwischen ihren Schenkeln.
„Ich versuche es ja“, gab sie mit zittriger Stimme sie zurück.
Von der Reling über ihnen ertönte das schallende Gelächter der anderen Matrosen.
Nachdem sie alle wohlbehalten oben angekommen waren, fiel Claudette ihrem vermeintlichen Retter um den Hals und gab ihm zum Dank einen Kuss auf die Wange. Dabei ließ sie für eine Sekunde ihre Zungenspitze vorschnellen. Sie trat einen Schritt zurück und überzeugte sich von der Wirksamkeit ihrer kleinen Finte.
Ach, wie einfach es doch war, diese Männer zu
erregen und zu umgarnen.
Dieses Exemplar jedenfalls hatte sich schon im Netz ihrer Reize verfangen. Ein nächtlicher Besuch in seiner Kajüte würde ihn vollends zu ihrem Werkzeug machen.
Louis, der von all dem nichts mitbekommen hatte, gab gerade einem beeindruckend finster wirkenden Mann den Befehl, die Segel zu setzen. Der Mann nickte kurz und begann sofort ein
Stakkato von Befehlen abzufeuern. Auf dem eben noch ruhigen Deck herrschte im Nu, geschäftiges Treiben. Ein paar Männer sprangen an eine große Winde und begannen damit, den Anker einzuholen. Andere erklommen, flink wie Affen, die Wanten und machen sich an den gerefften Segel zu schaffen. Wieder andere kümmerten sich um das Beiboot, das ihnen die Flucht vor dem Zorn Kapitän Pears ermöglicht hatte.
Schon blähte sich, mit einem Fauchen, das erste Segel. Schnell folgen weitere und Claudette spürte, wie das Schiff langsam Fahrt aufnahm.
In diesem Augenblick ertönte ein fernes Grollen. Die Sturmfront kam schnell näher.
Louis trat zu ihr und lud sie ein, ihm in seine Kabine zu begleiten. Der Schiffsarzt schloss sich ihnen an.
Sie saßen in der ausladenden Kapitänskabine und ein junger, farbiger Bursche, von höchstens dreizehn Jahren, brachte ihnen Wein und etwas zu essen.
Bei gebratenem Hühnchen, frischem Früchte und Wein, unterhielten sie sich munter und ausgelassen. Claudette erzählte ihnen, wie es sie nach Tortuga verschlagen hatte und Bartholomew berichtete von seiner überstürzten Flucht aus der englischen Heimat. Und auch Louis gab ein paar Anekdoten zum Besten.
„Pip, schenk uns nochmal ein.“
Eilfertig kam der Junge, der die ganze Zeit über still an der Tür gestanden hatte, angesprungen und füllte ihre Becher nach.
„Wie schmeckt ihnen der Wein?“, fragte Stevens.
Für Claudette war seine betont höfliche Anrede, eine weitere Bestätigung dafür, dass sie sich seiner Gunst sicher sein konnte.
„Etwas zu
herb, wenn ihr mich so fragt.“
„Wenn du mich fragst, ist das, für jemanden wie dich, ziemlich
kleinkariert“, empörte sich Louis. „Ich habe dem Kaufmann Lüpertz einen Wucherpreis für diesen Barolo gezahlt.“
„Dann seit ihr vielleicht kein so guter Geschäftsmann wie der Lüpertz. Aber macht euch nichts draus, es gibt bestimmt irgendetwas in dem ihr richtig gut seid.“
„Das muss ich mir doch nicht von einer wie dir sagen lassen.“
„Ach, ich mache doch nur Spaß. Und ich habe mich noch gar nicht für meine Rettung bei euch bedankt.“
Mit diesen Worten stand sie auf und setzte sich auf den Schoß des verdutzten Kapitäns. Sie legte ihm die Hand in den Nacken und küsste ihn heftig auf den Mund. Dabei schob sie ihm ihre Zunge tief hinein und ließ sie wild kreisen.
Ihre Augen aber waren auf den Schiffsarzt gerichtet, der ihrem Treiben mit offenem Mund zusah.
Als sie die zu erwartende Reaktion des überraschten Kapitäns an ihrem Hintern spürte, erhob sie sich langsam und presste eine Hand fest auf die Beule in seiner Hose.
„Also, vielen Dank“, flötete sie und setzte sich wieder auf ihren Platzt.
In die Stille, die sich im Raum breit gemacht hatte, fragte sie wie beiläufig: „Ist es nicht ungewöhnlich für ein Piratenschiff Sklaven an Bord zu haben?“
„Haben wir auch nicht“, entgegnete Louis mit belegter Stimme.
„Es sind die hochwohlgeborenen König und Königinnen, die sich nimmermüde auf ihren christlichen Glauben berufen, die die
Menschenrechte mit Füßen treten. Ob nun die der Sklaven oder ihrer eigenen Untertanen.“
„Und natürlich die Handelsgesellschaften, die sich daran bereichern“, fügte Bartholomew, der ja ebenfalls den höheren Ständen entstammte, hinzu.
„Bist du ein Sklave, Pip?“, fragte Louis den Jungen an der Tür.
„Nein, Kapitän, Sir“, sagte dieser mit fester Stimme. „Ich bin die rechte Hand des Schiffskochs und bekomme den einhundertsechsundvierzigsten Anteil jeder Priese“, fügte er mit stolzgeschwellter Brust hinzu.
„Und sehr süß bist du“, säuselte Claudette und warf ihm einen Luftkuss zu.
Die weißen Augen in dem schwarzen Gesicht weiteten sich so sehr, dass sie herauszuspringen drohten.
„Danke, Mylady“, stammelte er.
Dann wollte Claudette endlich wissen, was überhaupt das Ziel dieser Reise war.
„Wohin segeln wir eigentlich?“
„Nach Basse-Terre“, antwortete Louis. „Haiti. Da sind wir erst mal sicher. Und nun denke ich, es ist an der Zeit, mir meinen Ring zu geben.“
„Ihr faselt immerzu von eurem Ring. Dabei habt ihr ihn an das fette Scheusal Pears verloren. Und jetzt habe ich ihm. Bezahlt mich und ihr könnt ihn haben. Doch vorher ...“
Der letzte Satz blieb unvollendet, denn jemand hämmerte gegen die Kabinentür.
Pip erschreckte sich so sehr, dass er in eine Ecke flüchtete.
„Ja, was ist denn?“, rief Louis.
Die Tür flog auf und der grimmig dreinblickende Pirat, der zuvor die Kommandos gebellt hatte, trat ein.
„Der Sturm holt uns ein. Wir werden es nicht bis Basse-Terre schaffen, bevor er über uns kommt.“
Erst jetzt bemerkte Claudette, wie sehr sich das Schiff in den Wellen bewegte.
„Ist gut, ich komme gleich nach oben“, gab Louis ihm zur Antwort.
Mit einem finsteren Blick auf Claudette, verließ der Mann die Kabine.
„Mein Gott“, hauchte sie, „wer ist dieser Kerl?“
„Das? Das ist Murgridge. Mein erster Maat und Sprecher der Mannschaft. Denk dir nichts bei seinem Aussehen, er ist okay.“
Louis leerte seinen Becher, setzte seinen Hut auf und erhob sich, um an Deck zu gehen.
„Ich schau' mal nach dem Rechten. Und ihr beide könnt euch weiter unterhalten.“
Kaum hatte er das gesagt, ertönte ein ohrenbetäubender Donnerschlag, der das Schiff erzittern ließ. Gleichzeitig erleuchtete ein gewaltiger Blitz die Butzenfenster der Kabine.
Die Sturmfront hatte sie eingeholt.
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