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Geschichtenspiel Teil 45

*********trone Frau
901 Beiträge
Der Franz
Heute lädt mich der Franz wieder mal auf ein Glas Wein in die Jazzbar Voglers ein. Wir spazieren nebeneinander die Rumfordstraße entlang. Es gibt nichts zu feiern, aber ich mag das „besondere“ in seiner tiefen Stimme, wenn er mir ins Ohr raunt:
“Spozterl, heit lad i die ein.“

Sein Alter sieht man, aber merkt es ihm kaum an. Leichtfüßig, als wäre er nochmal jung, gehen wir nebeneinanderher. Über uns tröpfelt es und da platzt auch schon ein herbstlicher Regenschauer auf uns herunter. Noch etwa dreihundert Meter aber der Franz tut ganz so als wäre der Himmel sternenklar. Er macht keine Anstalten, mir etwa schützend sein graues Jaquet über meinen Kopf zu halten. Solche Momente machen mir immer wieder Sorgen aber ich lasse es mir nicht anmerken.
Wir betreten mit nassen Haaren das Lokal und Herr Vogler, reicht uns ein blütenweißes Handtuch. Das Licht an der Bar ist schummrig und die ganze Beklommenheit von eben, rieselt an mir herab. Als ich die ersten Takte des Klaviers und er Bassgeige von der kleinen Bühne aus höre, setze ich mich an die Bar und atme hörbar aus.
Diese Momente, wenn ich Franz und München ganz besonders liebe. Es erinnert mich an früher. Ich rubbel meine nassen Strähnen etwas trocken und rücke mein schwarzes mittellanges Kleid zurecht, das noch feucht an meinen Schenkel klebt. Wir trinken Wein, lachen und Franz führt mich auf die Tanzfläche. Wir drehen uns im Tanz und wenn ein langsames Lied gespielt wird, lehne ich meinen Kopf an seiner Brust. Er duftet seit über vierzig Jahren immer nach diesem gleichen Aftershafe, das er heute noch jeden Samstag in ein kleines grünes Fläschen einfüllt. Eine Marotte von ihm. Ich schmiege mich fest an Franz und schnuppere diesen Duft nach Zedernholz ein.

Wir gehen an die Bar und widerwillig schau ich auf die Uhr. Die Zeit ist um. Traurig blicke ich rüber zu Franz. Ich sehe ihn im Spiegelbild von vorne wie er munter mit dem Barmann plaudert. Noch warte ich eine Minute, zwei Minuten und schließlich tippe ich auf seine Schulter.
„Du“, sage ich zum Franz als er lachend mir sein Glas Merlot in die Hand drückte, „es ist wahrscheinlich nichts, aber das Hotel hat angerufen. Kannst Du mal nach dem Rechten sehen?“
„Oh weh, kommt a Bus mit Japaner daher?“ lacht er kopfschüttelnd. „Du bist wunderschön“, sagt er mir und dann streicht er mir sanft eine Strähne aus dem Gesicht. Franz nimmt mich fest in den Arm.
Er sucht noch sein Portemonnaie, um den Eintritt und die Getränke zu zahlen, aber scheint es nicht zu finden. „Mei, ich bin so vergesslich …“. Franz lacht nervös.
„Nicht schlimm.“, antworte ich.
Seinen langen schwarzen Mantel streift er sich schnell über und verlässt hastig das Lokal.

Ich schaue meinem Vater hinterher, als er seine Taxifahrt zurück in die Seniorenresidenz antritt. Die Tochter ist in seinen Erinnerungen schon längst verblasst. Eine kleine Träne rinnt an meiner Backe herab. Ich wähle die Nummer seiner Wohngruppe auf meinem Handy, drücke die grüne Taste, warte bis jemand abhebt und gebe Bescheid, dass er in etwa einer viertel Stunde ankommt. Dort wird er wieder als Hotelmanager begrüßt und in sein Zimmer begleitet. Er wird flirten während ihm sein Schlafgewand angezogen wird. Wie so oft.

Der Franz, ein ewiger Stenz.




München
Feiern
vergesslich
wunderschön
Regenschauer
sternenklar
Taxifahrt
Hotelmanager
*******blau Mann
3.624 Beiträge
Wow, @*********trone ! Schöner Text. Hat mich berührt. Ich hatte schon das Gefühl, dass es sich so ausgeht, weil der Text von Anfang an so schön elegisch war, aber dann hat es mich doch sehr berührt. Danke dafür!
Me 2
*********ld63 Frau
8.544 Beiträge
Die Wiederkehr
Ein goldener Oktobertag in einem kleinen, verwunschenen Dorf in Rheinhessen. Anne nahm einen Schluck Cappuccino und lehnte sich entspannt zurück. Sie schloss die Augen und genoss die unerwartete Sonnenwärme auf ihrem Gesicht. Welch Wohltat nach den grauen, regnerischen Tagen der letzten Wochen! Das Café lag zentral in der Altstadt, inmitten pittoresker Fachwerkhäuser. Es war nicht viel los an diesem Montag. Abgesehen von einem alten Mann, der auf der Bank neben dem Eingang saß, war sie der einzige Gast.

Als sie vor zwei Tagen von München angereist war, hatte sie noch mit sich gehadert, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, zwei Wochen ihres Urlaubs in ihrer hessischen Heimat zu verbringen. Doch schon auf der Taxifahrt vom Bahnhof zu ihrem Elternhaus fiel der Stress der letzten Wochen merklich von ihr ab. Im letzten Jahr hatte sie so viel gearbeitet, dass sie fast taub geworden war für den steten Lärmpegel der Großstadt, in der sie lebte. Selbst das kontinuierliche Hintergrundrauschen der Stadtautobahn hatte sie kaum noch wahrgenommen.

Es war bereits dunkel, als sie endlich ankam. Anne stieg aus dem Taxi und blickte in den sternenklaren, funkelnden Nachthimmel. Nach dem letzten Regenschauer war die Luft würzig und frisch. Plötzlich spürte sie, wie sehr sie das alles vermisst hatte. Ihre Mutter empfing sie an der Tür in Kittelschürze und Pantoffeln. Sie war sichtlich überrascht. „Kind, warum hast du nicht angerufen, bevor du uns besuchen kommst? Ich konnte gar nichts vorbereiten für deinen Besuch!“

Anne stellte ihren Koffer ab und umarmte sie fest. Ihre Mutter wurde immer vergesslicher. Das war auch der Hauptgrund, warum Anne nachhause gefahren war: um nach dem Rechten zu sehen. Seit ihr Vater vor zwei Jahren seinem zweiten Herzinfarkt erlegen war, driftete ihre Mutter immer mehr ab in ihre eigene Welt. Zeitweise vergaß sie, dass er nicht mehr lebte und sprach von ihm, als sei er nur kurz zum Einkaufen gefahren.

Anne hatte beschlossen, sich heute eine Auszeit von ihrer Familie zu nehmen und war mit dem Polo ihrer Mutter losgefahren, um die Gegend zu erkunden. Als Kind war sie oft hier gewesen auf Sonntagsausflügen, doch die Erinnerungen daran waren blass und verschwommen. Das goldene Licht ließ die Weinberge in Rot- und Gelbtönen leuchten. Feiner Nebel lag über den Hügeln und hüllte die liebliche Landschaft in ein mystisches Licht. Anne betrachtete alles staunend, als sähe sie es zum ersten Mal. Eine Burgruine aus dem 12. Jahrhundert lockte sie, die hoch über dem Dorf auf einem Hügel thronte.

Der Ausblick auf die Rheinebene bis in die benachbarte Bergstraße war wunderschön. Als sie zwischen den moosbewachsenen Steinen und den Mauerresten umherschlenderte, tauchte sie tief ein in die Geschichte dieser Burg. Einst war sie der Sitz von Königen und Kurfürsten gewesen, war vielen Angriffen ausgesetzt und wurde im Dreißigjährigen Krieg endgültig zerstört. Bis auf die Grundmauern brannte sie nieder, nur die meterdicken Außenwände hatten das Feuer überstanden. Der Innenhof der stattlichen Ruinen wurde noch immer für Freiluftspiele und besondere Feiern genutzt. Auf einer Tafel sah Anne eine Zeichnung der ursprünglichen Festung aus dem 14. Jahrhundert. Vor ihren Augen erwachte die Burg zu neuem Leben. Was für ein magischer Ort!

Anne griff nach ihrem Handy und betrachtete die Aufnahmen der Burgruine, die sie gemacht hatte. Dieser Ort hatte eine morbide Schönheit, die sie völlig eingenommen hatte. Bei einem der Fotos stutzte sie. War dort ein Schatten neben der riesigen Erle, deren dicke Äste weit über die Mauern ragten? Sie konnte es nicht genau erkennen. Auf der Burg waren nicht viele Besucher gewesen und Anne hatte es sehr genossen, ungestört alle Winkel und Erker zu erkunden. Sie hatte völlig die Zeit vergessen und ihr Magen knurrte vernehmlich. Sie winkte dem Wirt und bestellte selbstgemachten Apfelkuchen mit Sahne. Der alte Mann hatte seine Hände auf den Gehstock gestützt und starrte neugierig zu ihr hinüber. Anne zog ihr Schreibheft aus der Tasche und begann, ein paar Eindrücke und Bilder zu notieren, die sich ihr aufgedrängt hatten während ihres Rundgangs durch die Ruinen.

Als der Wirt ihr den Apfelkuchen brachte, hob sie den Kopf. Rechts am Tisch neben ihr saß jetzt ein elegant gekleideter Mann im weißen Hemd und Lederwams. Er nickte freundlich ihr zu und tippte sich an seinen Hut. Er sah sehr zufrieden aus, während er über den Platz blickte, gerade so, als würde alles, was er sah, ihm gehören. Seltsam, dachte Anne, sie hatte ihn gar nicht kommen sehen.
Zwei Tische weiter saß nun eine junge Frau im langen, taubenblauen Kleid. Sie trug eine weiße Haube auf dem Kopf und starrte mit düsterem Blick auf ihre gefalteten Hände. Von ihr ging eine tiefe Traurigkeit aus, als habe sie etwas unwiderruflich verloren.
Wie aus der Zeit gefallen, dachte Anne und sah sich irritiert um. Gab es hier eine Kleinkunstbühne? Waren das vielleicht Schauspieler, die ihre Mittagspause hier verbrachten? Neben dem alten Mann hatte sich noch ein weiterer Gast auf der Bank in der Sonne niedergelassen. Eine reichlich ramponierte Gestalt in abgewetzter Uniform und Lederstiefeln. Die wirren Haare standen in allen Richtungen von seinem Kopf ab. Anne betrachtete ihn stirnrunzelnd. Der Mann saß vornüber gebeugt, als sei er unendlich müde.

Der Wirt und Hotelmanager erschien wieder in der Eingangstür und begann, mit dem alten Mann zu plaudern. Von den neuen Gästen nahm er keine Notiz, auch schien er keinen Anstoß an dem Landstreicher zu nehmen, der in unmittelbarer Nähe neben dem Alten auf der Bank saß. Die Gäste wiederum rührten sich nicht auf ihren Stühlen.

Als der Wirt in seine Küche zurückkehrte, wurde es plötzlich sehr still im Café. Die Kirchturmuhr schlug dreizehnmal. Als habe sie auf dieses Zeichen gewartet, erwachte das Mädchen im taubenblauen Kleid aus seiner Trance und sah Anne eindringlich an. Ihre blauen Augen wirkten seltsam starr wie gesprungenes Glas. Auch der Kavalier neben ihr drehte sich zu Anne um. Der Blick aus seinen dunklen Augen war nun fordernd, eine stumme Aufforderung, wozu auch immer. Wie auf Kommando hob jetzt auch der zerlumpte Soldat den Kopf und sah in ihre Richtung. Sein rechtes Auge war blutunterlaufen. Anne bemerkte mit Entsetzen, dass seine gesamte linke Gesichtshälfte eine einzige klaffende Wunde war.

Das ist jetzt nicht real! Panisch schloß sie die Augen und atmete ein paar Mal tief aus und ein. Oder ich bin schon so überarbeitet, dass ich wirklich anfange, durchzudrehen! Anne schüttelte heftig den Kopf, wie um diese Trugbilder abzuschütteln. Sie musste sich wieder beruhigen! Etwas streifte kurz ihre Hand wie ein eisiger Luftzug. Sie erschrak, riss die Augen auf und sah sich hastig um. Die Tische rechts und links von ihr waren leer.

Der Alte, der nun wieder allein auf der Bank in der Sonne saß, glotzte sie mit zusammengekniffenen Augen an. Anne nahm all ihren Mut zusammen und fragte ihn: „Sagen sie, wo sind die anderen Gäste hin? Sie haben sie doch auch gesehen, oder nicht?“
Der alte Mann antwortete nicht und starrte sie nur weiter schweigend an. Schließlich legte er den Kopf in den Nacken und begann, lauthals zu lachen. Anne sprang auf, legte einen Schein auf den Tisch und verließ fluchtartig das Café. Das schrille, geckernde Greisenlachen verfolgte sie den ganzen Weg zurück bis zu ihrem Auto.

IntoTheWild, 10.2022

München
Feiern
vergesslich
wunderschön
Regenschauer
sternenklar
Taxifahrt
Hotelmanager

**********silon
6.624 Beiträge
wunderbar @*********ld63 du hast mich aber voll mitgenommen und wir haben doch noch gar nicht samhain. ^^ danke für diese grusel-geister-geschichte. *smile*
*********ynter Frau
9.807 Beiträge
Gruselig liebe @*********ld63
Vorallem dieses geckernde Greisenlachen.
*angsthab*
*****e_M Frau
8.532 Beiträge
Die neuen Acht
Buchpreis
knitternd
Etikettierung
Würfel
unterheben
Sünde
chamois (d.h. gelbbräunlich, gämsfarben)
Null


…während hier die Welt im Gewitter untergeht…

Schönen Abend überall!
erhebende 11 Zentimeter...
*****a99 Frau
3.555 Beiträge
@*********ld63
Ich glaub ja, dass da was im Cappuccino war... *hexhex*
*****e_M Frau
8.532 Beiträge
Kriterien
Wenn der Buchpreis knitternd vor Betroffenheit um die Ecke kommt? Was? Muss man das aushalten?
Etikettierungen werden heute beim Würfeln entschieden?

Klar sind Kriegsländer zu unterstützen und ich möchte damit auch keinen Schlenker an Überheblichkeit unterheben. Nein! Im Gegenteil!

Wem tue ich einen Gefallen, wenn ich nur auf geographische Herkunft oder andere nicht literarische Kriterien als Begründung für Preise abhebe. Den Leser:innen, der Politik?

Da gäbe es aber weit mehr als solche zu erwähnen, die sich gerne im Fokus der Öffentlichkeit suhlen.

Ist es schon Sünde einfach mal nur literarische Aspekte zu würdigen, oder Ausblicke auf und in die Welt? Gut, ich höre schon ja, darum ging es doch auch diesmal. Ging es? Oder nicht?

Manchmal schiebt sich auch nur im grellen Chamoiston der Beliebigkeit eine angesagte Nullnummer um die Ecke. Und wenn man das denkt, darf man es auch sagen, ohne gebranntmarkt zu werden? Oder?
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
8-Wörter-Spiel
Buchpreis
knitternd
Etikettierung
Würfel
unterheben
Sünde
chamois
Null

Frage

Wenn du einem knitternden chamoisfarbenen Seidenwürfel eine Nullsündenetikettierung unterhebst, ist dies schon eines Buchpreises würdig?
Aufgeschlagenes Buch (Quelle: Fotocommunity)
*******tia Mann
5.162 Beiträge
Schöne Geschichten mal wieder hier. *top*
So nach und nach komme ich auch mal wieder zum Lesen.
*les*
*********ynter Frau
9.807 Beiträge
Das Beinhaus
Buchpreis
Knitternd
Etikettierung
Würfel
Unterheben
Sünde
Chamois
Null


Die Münze drehte sich ein paar Mal, bevor sie klimpernd auf das steinerne Pflaster fiel und direkt vor ihren Füßen zum Halten kam. Almut stoppte aus vollem Lauf. Sie glaubte, dass sie ihr aus der Tasche gefallen war, ging in die Hocke und hob sie auf, betrachtete sie von allen Seiten und wusste, dass dieses Stück Metall nicht ihr gehörte. Diese Münze schien sehr alt zu sein, sie wirkte abgegriffen. So - als wäre sie schon durch unendlich viele Hände gegangen. Auch lastete sie mit deutlich mehr Gewicht in ihrer Hand als die „normalen“ Euromünzen in ihrem Geldbeutel. Ehrfurchtsvoll wog sie sie in ihrer Hand, sie war auf jeden Fall etwas Besonderes.
Was Almut irritierte, war, dass die Münze mit jedem Moment schwerer zu werden schien. Und sie verspürte ein seltsames Gefühl, als würde jemand direkt hinter ihr stehen und sie vom Rest der Welt abschirmen. Jedoch war niemand zu sehen. Und doch war da diese gefühlte unsichtbare Mauer, die sie umgab.

Dieses Stück Metall wurde außerdem immer kälter, im selben Maße wie auch die Haut ihrer Handfläche immer kühler wurde, obwohl Almut eher das Gegenteil erwartet hätte. Die Zeit um sie herum schien nun still zu stehen. Noch immer befand sie sich in der Hocke auf dem Kopfsteinpflaster. Sie war völlig in den Anblick dieser Münze in ihrer Hand versunken, so dass sie nichts mehr um sich herum wahrnahm. Nicht die vorbeifahrenden Autos, nicht die anderen Fußgänger, die an ihr vorbeihasteten und nicht das bereits völlig knitternde Kostüm, das sie eigentlich für die Buchpreisverleihung angezogen hatte, zu der sie als Laudatorin geladen war und die sie nun verpasste – ohne, dass es sie berührte, denn auch in Almut wurde es vollkommen still.

Die Leere in ihrem Kopf wurde mit einem Mal durch fernes Rufen durchbrochen. Zuerst verstand sie die Worte nicht und versuchte, den Ursprung zu lokalisieren. Nach einer Weile begriff sie, dass sie beim Namen gerufen wurde. Sie erhob sich und folgte der Stimme, die merkwürdig klang. Nicht wirklich wie von einem Menschen, aber von wem oder – eher gesagt was - sollte sie denn sonst stammen? Wie hypnotisiert passierte die das steinerne Labyrinth der Gässchen, immer höher den Berg hinauf. Sie durchschritt ein schmiedeeisernes Tor und einen üppig blühenden Garten. Dabei bemerkte Almut nicht, dass die prächtigen Blüten in dem Moment zu welken und sterbend auf den Boden zu sinken begannen, als sie an ihnen vorbei ging.

Immer näher klang nun die Stimme und erst jetzt wurde Almut bewusst, dass es sich um eine männliche handelte. Sie hatte null Ahnung, wie sie an diesen seltsamen Ort gekommen war, stand nun vor einem verschlossenen Gitter und blickte in einen offensichtlich uralten gemauerten Raum, der ein wenig tiefer lag als der Grund auf dem sie stand. Drei ausgetretene Sandsteinstufen führten in das diffuse Dunkel, aus dem die Stimme sie rief, die sie offensichtlich nur in ihrem Kopf hörte. Almut schaute sich um, entdeckte eine Art Schalter neben dem Gitter und bestätigte ihn. Ein funzeliges Licht enthüllte Erschreckendes.

Almut stand vor einer meterhohen Mauer aus fein säuberlich aufgestapelten Gebeinen und blanken Schädeln, deren leere Höhlen sie unverwandt anstarrten. Zuerst war sie wie gelähmt, dieser Anblick von so vielen Skelettteilen schockierte sie zutiefst. Im nächsten Moment gewann die Neugierde in ihr. Sie begann sich zu fragen, wer wohl all diese Menschen gewesen und wie sie gestorben waren. Überhaupt – vor wie vielen Toten stand sie hier? Ihr Kopf arbeitete wieder und sie erinnerte sich, irgendwo gelesen zu haben, dass man früher die Toten nur temporär auf dem Friedhof bestattet hatte. Sobald das Fleisch vergangen war, grub man sie wieder aus und schichtete die Überreste in sogenannten Beinhäusern, um wieder Platz auf dem Totenacker zu haben. Angeblich lagen in diesem Beinhaus die Überreste von nahezu 20.000 Menschen.
Instinktiv suchte sie nach einer erkennbaren Schichtordnung. Vielleicht gab es eine Art Etikettierung? Wie sie so schaute, fiel ihr ein Schädel besonders auf, denn er war nicht so strahlend weiß wie die anderen. Der Farbton erinnerte sie an chamois. Als ob diesem jemand übel mitgespielt hatte. Etwas in seinem Inneren schien plötzlich zu glühen wie Kohlen in einem Herdfeuer vergangener Zeiten. Almut dachte sofort an Jack O'Lantern und es erfasste sie neues Grauen, denn sie sah, wie sich ein schlangenähnliches Gebilde aus dem lippenlosen Mund durch eine Zahnlücke schob und das bislang fest verriegelte Gitter wie durch Zauberhand aufsprang.

„Gib sie mir zurück, sonst bringt mich der Fährmann nicht über den Acheron.“ Die Stimme kam nun fordernd und eindeutig aus dem gelblich-bräunlichen Schädel.

Almut schaute auf die Münze in ihrer schmerzenden Hand, denn die eisige Kälte biss mehr als unangenehm in ihre Haut. Den ganzen Weg lang hatte sie es nicht gespürt. Mit Entsetzen bemerkte sie eine kleine dunkle Gestalt auf der Oberfläche des Metalls, die in eine Art schwarzen Nebel gehüllt, unaufhörlich zu wachsen begann.

„Schnell - leg sie auf meine Zunge, sonst nimmt er dich statt meiner.“ Rief es äußerst eindringlich und irgendwie auch flehend.

Almut stolperte mehr denn das sie lief und stand nun direkt vor dieser schaurigen Mauer aus unzähligen Gebeinen. Mitleid mit der armen ruhelosen Seele regte sich in ihr und sie konnte es nicht lassen zu fragen:
„Warum bist du denn noch hier? Und nicht schon längst fort?“ Und fand es selbst verrückt.

„Weil ich zu Lebzeiten ein schlimmer Sünder war, der hasste anstatt zu lieben. So treibt der Teufel seit Jahrhunderten seinen grausamen Schabernack mit mir und stahl mir schon vor langer Zeit den Obolus für Charon. Ohne sie kann ich keinen Frieden finden. Du bist die Einzige seit ewigen Zeiten, die es bisher geschafft hat. Ich denke, du bist nicht auf deinen eigenen Vorteil aus, sonst hättest du meinen Ruf gar nicht gehört.
So will ich dir einen Rat geben, gutherzige Almut Unterheben: Hass ist der direkte Weg in die Verdammnis, nur Liebe kann dich retten! Teil es den anderen Menschen mit, denn zu viele schon büßen hier mit mir, wir sind Legion. Nun bring es zu ende. Schnell jetzt!“
Die Stimme wurde hochfrequent.

Der Nebel begann bereits Almut einzuhüllen. Unendliche Kälte begann sie zu lähmen, ihr Atem in der Luft gefror schon. Mit letzter Kraft legte sie die verfluchte Münze auf die sich windende Zunge. Die Würfel waren gefallen, Leben oder Tod – was würde nun geschehen? Ein ohrenbetäubendes Donnern hallte durch die Luft und ein zuckender Blitz spaltete draußen einen der Bäume im Garten, Regen prasselte sintflutartig vom Himmel. Der Schädel mit der Münze in seinem Inneren glühte noch einmal – wie zum Abschied – auf. Der schwarze Nebel ließ von Almut ab und hüllte den Schädel ein. Ein höllischer Windstoß erfasste Almut und schleuderte sie unsanft aus dem Beinhaus hinaus. Das Gitter fiel krachend zurück ins Schloss.

Sie fand sich auf dem Boden vor der kleinen Kapelle wieder. Die Sonne blinzelte vorsichtig durch die schwarzschweren Wolken und ein einzelner Vogel begann zu zwitschern. Ein Gefühl wie in der Pastoralen von Beethoven kam in Almut auf - das schöne Gefühl, uneigennützig geholfen zu haben. Ihr Blick fiel nochmals auf die schauerliche Knochenwand.
Der dunkle Schädel war verschwunden und an seiner Stelle klaffte ein Loch.
„Ruhe in Frieden unbekannter Mahner.“ Dachte sie gerade als etwas Glänzendes mit hellem Klang zu Boden fiel. Wolken schoben sich erneut vor die Sonne und verbreiteten Finsternis, Donnerschläge krachten. Die nun neu und silbern glänzende Münze schien sich aufzurappeln und wie von übernatürlicher Energie getrieben, die Stufen hinauf und direkt auf Almut zuzurollen.

Almut raffte ihren Rock und begann zu rennen als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her. Der Regen prasselte auf sie nieder. Sie verlor einen ihrer Pumps, egal, sie kickte den zweiten weg und rannte barfuß weiter. Erst in der vermeintlichen Sicherheit ihres Autos wagte sie, sich umzudrehen.
Nicht weit von sich entfernt, sah sie einen Mann, der sich auf dem Kopfsteinpflaster nach etwas bückte, es aufhob, sich rechts und links umschaute und es einsteckte. Eine blutrote Abendsonne spiegelte sich hundertfach in den Pfützen des Kopfsteinpflasters, blendete potentielle Beobachter nur nicht Almut, während eine feinstoffliche dunkle Gestalt mit leeren Augenhöhlen hinter dem Mann sich anschickte, eine Art Mantel zu öffnen.
Almut sah in diesem unendlich weiten Raum ein Höllenbild, welches der schaurigen Fantasie eines Hieronymus Bosch entsprungen zu sein schien.
Sie wollte aussteigen und den Mann warnen, doch die Wagentür ließ sich nicht öffnen. So sehr sie es auch versuchte. Hilflos musste sie mitanschauen, wie der geldgierige Mann unter dem Mantel verschwand. Gevatter Tod grinste in ihre Richtung, mit dem knochigen Zeigefinger an den nicht vorhandenen Lippen.
Das Beinhaus in Oppenheim
*******d18 Frau
7.187 Beiträge
Schaurig- gut! Liebe @*********ynter , es ist erstaunlich, wie manche Ideen sich entwickeln …
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Sehr eindrucksvoll, deine Geschichte, liebe @*********ynter! Und „Unterheben“ als Nachname zu verwenden - genial! *roseschenk*
****59 Frau
3.150 Beiträge
*****e_M Frau
8.532 Beiträge
@*********ynter

Lange bevor ich das Photo sah war ich in der Geschichte schon in Oppenheim mit meinen Gedanken!

Oha! Das setzt Massstäbe für unser Ratespiel. Mein Kompliment *bravo*
Me 2
*********ld63 Frau
8.544 Beiträge
Wow, ein alptraumhaftes Szenario grandios in Szene gesetzt, liebe @*********ynter! *hypno* *zugabe*
**********silon
6.624 Beiträge
boah fuck, @*********ynter das ist unheimlich gut. aber in lese das morgen nochmal im ausgeschlafenen zustand.
*******ord Frau
800 Beiträge
@*********ynter
Sehr gute Unterhaltung und auch noch passend zur Jahreszeit! *hutab* spooky
******eld Mann
2.191 Beiträge
Der Pirat - Ein Geschenk
Buchpreis
Knitternd
Etikettierung
Würfel
Unterheben
Sünde
Chamois
Null

15 - Ein Geschenk

Georg Lüpertz saß über Abrechnungen gebeugt, in der Schreibstube und war alles andere, als zufrieden. Die letzten Monate waren nicht gerade gewinnbringend ausgefallen. Wenn er all seine Ausgaben gegenrechnete, ging der Gewinn eher gegen null. Viele seiner verderblichen Waren, hatte er weit günstiger abgeben müssen, als er kalkuliert hatte. Etwas, dass in seinen Augen einer Sünde gleichkam.
'Nun ja, Buchpreise, sind noch lange keine Verkaufspreise', dachte bei sich.


Mürrisch klappte er das Rechnungsbuch zu, erhob er sich und ging hinüber in das angrenzende Lagerhaus.
Er inspizierte die gestrige Lieferung. Drei Dutzend große Würfel Baumwolle stapelten sich an der Hallenwand. Sein Vorarbeiter, Raymondo del Vegas, war gerade dabei, die Etikettierungen für den Weitertransport nach England vorzunehmen.

„Raymondo, wo ist die Truhe mit den Kleidern, die wir von Kapitän Bradshaw gekauft haben?“
„Gleich hier drüben“, antwortete der Gefragte. „Ich bringe sie euch.“
Lüpertz öffnete die gebrachte Truhe und besah sich den Inhalt. Es handelte sich um feinste Ware. Bestimmt für die Garderobe der noblen spanischen Damen von Santo Domingo. Die Kleider waren aufwendig verpackt, sodass sie die Überfahrt nicht knitternd überstanden.
Seine Wahl fiel auf ein Kunstwerk aus chamoisfarbener Seide.
Es würde Francesca sicher gefallen.

Seit er die schöne Genueserin in sein Haus geholt und damit vor einem schlimmen Schicksal bewahrt hatte, war er unverzagt darum bemüht, ihre Gunst zu erlangen. Doch sie blieb ihm gegenüber unnahbar. Höflich und offensichtlich auch sehr dankbar, aber distanziert und kühl.
In den letzten Tagen jedoch hatte sich ein paarmal ein scheues Lächeln auf ihren wundervollen Lippen gezeigt.
Natürlich hätte er sie sich mit Gewalt nehmen können. Immerhin hatte er sie rechtmäßig erworben. Was man in diesen Breitengraden eben so rechtmäßig nennen konnte.

Mit seinem Geschenk auf dem Arm, ging er zu ihrem Gemach, das er jedoch verlassen vorfand. Er legte das Kleid auf das frisch gemachte Bett. Dann machte er sich auf die Suche nach seinem Schneewittchen. In der Küche wurde er fündig.

„Hier schau, du musst den Eischnee vorsichtig unterheben.“
Antonella, seine langjährige, italienische Köchin, gab Francesca Anweisungen und überwachte deren Ausführung mit Argusaugen. Auch Antonella hatte er damals aus misslicher Lage befreit.
Sie dankte es ihm mit allerlei leiblichen Vergnügungen. Seit einigen Jahren beschränkten sich diese aber nur noch auf kulinarische Genüsse.

Georg beobachtete die grazilen Bewegungen, mit denen Francesca den Holzspatel schwang.
Sie hatte die Ärmel hochgekrempelt und beim Anblick der schneeweißen Haut und ihrer zarten Hände, wurde Georg der Mund trocken.
‚Nur Geduld‘, mahnte er sich.

„Francesca, meine Teure, wenn ihr hier fertig seid, kommt doch bitte zu mir herauf. Ich möchte euch etwas zeigen.“
„Geh nur, mein Täubchen“, sagte Antonella. „Ich mache hier weiter.“
Francesca wusch sich die Hände und folgte Lüpertz in das obere Stockwerk.
Als er in ihr Zimmer ging, blieb sie unsicher im Türrahmen stehen.
„Seid unbesorgt. Ich habe ein Geschenk für euch.“
„Ihr solltet mir nicht so viele Geschenke machen, Sire“, sagte sie leise und kam näher.
„Schlisst die Tür und kommt her.“
Sie tat, was er verlangte.
Georg hob das Kleid hoch. „Gefällt es euch?“
„Es ist wunderschön.“
„Dann probiert es doch gleich einmal an“, sagte Georg und hielt es ihr hin.
Sie nahm es entgegen und stand zögernd da.
„Was ist?“, fragte Georg.
„Wollt ihr mir dabei etwa zusehen?“, fragte sie ungläubig.
„Verzeiht, natürlich nicht“, sagte er und kehrte ihr den Rücken zu.
Auch sie drehte sich um, legte das Kleid über eine Stuhllehne und begann ihr eigenes Kleid zu öffnen.

Georg trat vorsichtig einen kleinen Schritt zurseite, sodass er sie in dem Spiegel über ihrem Waschtisch sehen konnte.
Fasziniert beobachtete er ihre geschmeidigen Bewegungen. Sah, wie sich ihre festen Brüste unter dem dünnen Baumwollhemdchen abzeichneten. Den Streifen unbedeckter Haut zwischen den Strümpfen und ihrer Unterwäsche.
Er spürte, das Blut in seine Lenden schießen und die unangenehme Enge seiner Hosen. Da es ihm peinlich gewesen wäre, wenn sie seiner Erregung ansichtig werden würde, trat er an das Fenster.

„Was für ein herrlicher Tag nach dem Sturm heute Nacht“, sagte er so beiläufig wie er konnte. „Wie wäre es mit einem Spaziergang später?“
„Sehr gerne, wenn ihr es wünscht, Sire.“
„Sagt doch nicht immer Sire zu mir. Ich habe euch schon mehrfach gebeten, mich Georg zu nennen.“
„Ich bin fertig“, sagte Francesca, ohne auf seine Aufforderung einzugehen.
Lüpertz drehte sich um.
„Es steht euch ausgezeichnet. Kommt her und betrachtet euch im Spiegel.“
Sie kam zu ihm und warf einen Blick hinein.
„Wie praktisch so ein Spiegel doch ist“, sagte sie. Dann drehte sie den Kopf zu ihm und fixierte seinen Blick. „Nicht wahr?“
Me 2
*********ld63 Frau
8.544 Beiträge
@*******_HB, es sieht ja nun nicht so aus, als kämen sich die beiden bald näher! *ggg*

Schön geschrieben! Es bleibt spannend! *bravo*
*******ord Frau
800 Beiträge
Buchpreis
Knitternd
Etikettierung
Würfel
Unterheben
Sünde
Chamois
Null


Happy Halloween

„Nicht knitternd“ stand auf dem Preisschild, als Antigone das glänzend-grüne Etuikleid aus Viskose im Schlussverkauf erwarb. Sie hätte es besser wissen sollen. Viskose knitterte doch immer. Sie strich, so gut es ging, die Sitzfalten des Kleides über Po und Schoß glatt und prüfte flüchtig im Spiegel den Sitz ihrer rotgelockten Frisur. Es klingelte. Das werden die ersten Kinder sein.

„Jahaaa, ich komme ja schon“ flötete sie und riss mit einem Ruck die Haustür auf. Es war niemand da. „Nanu, wo seid ihr denn?“ Ihr Blick streifte suchend durch den Vorgarten. War da ein Schatten?
„Hey, ich sehe dich! Komm heraus!“ rief sie mit fester Stimme. Nein, es war nur der Ast eines kleinen Nadelbaums, der sich gespenstisch im Wind bewegte. Ich glaube, mir hat jemand einen Klingelstreich gespielt, dachte sie bei sich und wollte gerade wieder hineingehen, als ihr Blick auf den chamoisfarbenen Umschlag fiel, der vor ihr auf der Fußmatte lag. Sie griff nach dem Umschlag, sah sich nochmals suchend um und ging nachdenklich ins Haus zurück.

Hinter ihr knarrte die Bodendiele aus Holz. Sie drehte sich um. „Booooh!“ machte es laut und Antigone fasste sich erschrocken ans Herz. Sie schaute direkt in die bleichen Gesichter von zwei Zombies in Collegeklamotten, die ihnen in dreckigen Fetzen vom Körper hingen. Schneeweiße Pupillen fixierten sie aus den schwarz umrundeten Augen und bleiche, leichenartige Hände mit schwarzen, langen Fingernägeln griffen nach ihrem Arm.

„Spinnt ihr? Ihr habt mich zu Tode erschreckt.“
Antigone schnappte noch immer nach Luft, während die Zwillinge, Romy und Remus, in den bereitgestellten Korb griffen und sich einen Schokoriegel stibitzten.
„Finger weg. Die sind für die Kinder!“
„Wir sind doch deine Kinder!“ protestierten beide lachend.
Sie begleitete die Zwillinge, die zu einer Halloweenparty bei Freunden eingeladen waren, noch bis zur Haustür und drohte gespielt mit dem Zeigefinger.
„Ihr wisst genau, was ich meine. Macht endlich, dass ihr wegkommt! Um 2 Uhr seid ihr spätestens zu Hause, sonst…!“
„Tschüß, Mutti! Bis später!“
„Viel Spaß, ihr zwei!“
Sie stand auf der Auffahrt und winkte den beiden nach, die mit ihren Fahrrädern die Straße hinunter fuhren, bis die Dunkelheit sie verschluckte.

Die Familie wohnte erst seit kurzem in dem hübschen Haus, 1005 Gainsville Drive in Lexington, Kentucky. Sie und ihr Mann Phileas waren beide angesehene Wissenschaftler und Experten für Altgriechische Schriften. Sie wurden an die Universität in Kentucky berufen, um weiter an den Papyri von Herculaneum zu forschen. Die Papyri sind die einzige, aus der Antike erhaltene zusammenhängende Sammlung von literarischen und wissenschaftlichen Schriftrollen. Durch die Verschüttung der Stadt Herculaneum durch den Ausbruch des Vulkans Vesuv im Jahr 79 wurden sie wie durch ein Wunder konserviert. Die völlig verkohlten Papyri beinhalten vor allem Schriften des Epikur und des Philodemos von Gadara. Zum Großteil sind sie bis heute nicht entziffert. Erst durch moderne Computertechnik, an der unter anderem die Universität in Kentucky forscht, wurde es möglich, Teile der verbrannten Schriftrollen zu entschlüsseln.

Phileas war heute nach New York geflogen, um einen bedeutenden Buchpreis in Empfang zu nehmen. In den letzten Jahren hatte das Forscherpaar an der Fortsetzung des Buches über die „Papyri Graecae Magicae“, zu Deutsch „Zauperpapyri“ gearbeitet, nachdem weitere Papyri entziffert werden konnten.

Antigone wollte nicht mit nach New York. Ihr wurde der Rummel schnell zu viel. Sie fand, dass es ein amüsantes Buch geworden war. Weil die Schriften Anleitungen für allerlei Zauberei und okkulte Techniken beinhalteten, hatten sie beim gemeinsamen Forschen selbst viel Spaß dabei, sich gegenseitig zu necken und zu „verhexen“.

Es gab allerlei Zauberei, Anleitungen zur Beeinflussung von Träumen oder Menschen, Hypnose, Wahrsagerei mittels Kugeln, Lampen, Leichen oder Skeletten, Schutzzauber vor dem Tod oder Dämonen und Exorzismen. Außerdem fanden sie darin zahlreiche Rezepte für den alltäglichen Gebrauch: Unsichtbarkeit, Wunscherfüllung, Gedächtnismittel, Herstellung von Glücksbringern und Schutzamuletten sowie die magische Öffnung verschlossener Türen.

Es wurde bei den Schriftrollen auch eine gut erhaltene Voodoopuppe aus Ton gefunden, die mit dreizehn Nadeln durchbohrt wurde, sowie einem Begleittext auf einer Lederrolle:

„Nimm Wachs [oder Ton] von einer Töpferscheibe und knete zwei Figuren […] Schreib auf das Gebilde des Weibes, das du heranzwingen willst […] und nimm dreizehn eherne Nadeln und steck eine in das Hirn und sprich dazu: ‚Ich durchbohre dir […] die Ohren […] die Augen […] den Mund […] die Eingeweide […] die Hände […] die Schamteile […] die Sohlen […] auf dass sie an niemanden denke, außer an mich.“

Am häufigsten fanden sie Liebeszauber und Liebestränke. Sie schienen überwiegend von Männern ausgeführt worden zu sein, zum Teil nicht nur mit Liebesersuchen, sondern auch sexuellen Wünschen. So heißt es in einem der Zauberpapyri:

„Sie soll nicht Beischlaf üben von vorn oder hinten, nicht zur Lust mit einem anderen Mann verkehren […] zwinge die Geliebte, untertan zu sein mir […] dass du sie mir herführest […] dass sie Kopf mit Kopf vereine und Lippen mit Lippen verbinde und Leib mit Leib vereine und Schenkel dem Schenkel nahebringe und das Schwarze an das Schwarze füge und ihr Liebeswerk erfülle.“

Antigone lächelte versonnen. Ihr Blick fiel auf den dicken Kürbis, der auf der Eingangstreppe thronte. Die Zwillinge hatten ihn heute Nachmittag ausgehöhlt und ihm eine schreckliche Fratze geschnitzt. Das warme, gelbe Kerzenlicht darin flackerte leicht im Wind. Schön, dass die Zwillinge so schnell Anschluss auf der nahen Tates Creek High School gefunden hatten. Sie kamen wohl eher nach ihrem extrovertierten Vater Phileas, befand Antigone. Sie und ihr Mann Phileas waren beide mutterlos aufgewachsen und fanden es amüsant, die Zwillinge Romy und Remus nach den römischen Stadtgründern zu nennen, obwohl in ihren Familien bisher überwiegend griechische Namen für Neugeborene ausgewählt wurden.

Sie zupfte das Plastikskelett, dass in dem halb vertrockneten Hortensienbusch steckte, zurecht.
„Ach, du lieber Himmel!“ Sie stieg die Stufen zum Haus hastig zurück. Sie musste noch schnell den Eischnee unterheben. Hoffentlich hatte sie den Biskuitboden nicht vollkommen verhunzt. Mit einem Rumms fiel die Eingangstür vor ihr ins Schloss. „Mist, verdammter!“ fluchte sie. Sie lief um das Haus herum und betrat die Küche durch die Hintertür.

Sie wollte Phileas heute Abend mit einer Birnentorte und Champagner überraschen, wenn er zurückkam. Eilig füllte sie den fertigen Teig in die Kuchenform und schob ihn bei 160 Grad Umluft für 20 Minuten in den Backofen. Dann nahm sie die Dose Birnenkompott in Augenschein. An die komische Etikettierung in den Staaten hatte sie sich noch nicht gewöhnt. „Nicht abgelaufen, kein Zucker zugesetzt, sehr gut.“ murmelte sie, nahm die Birnen heraus und begann sie in Würfel zu schneiden.

Als das Festnetztelefon an der Wand neben der Terrassentür plötzlich laut klingelte, schrak sie zusammen. An das durchdringende Schrillen hatte sie sich auch noch nicht gewöhnt.
Sie nahm den Hörer ab. „Hello?“ Keine Antwort. „Hellooo?“ Nichts. Sie, ungeduldiger: „Hello, who’s there?“ Sie vernahm nur ein leises Atmen. Entschlossen hängte sie ein. „Du kannst mich mal!“ empörte sie sich und fuhr fort, die Würfel mit dem großen Messer zu schneiden.

Nach ein paar Minuten klingelte wieder das Telefon. Antigone wartete kurz. Das Telefon schrillte beharrlich weiter. Sie nahm ab und rief energisch: „HELLO!!“
Nichts.
„Hello? Helloooo!!!“ Wieder Schweigen am Ende der Leitung. Auf dem Display erschien keine Nummer. Dann atmete der Anrufer plötzlich laut und, wie ihr schien, vulgär. Ihr schauderte vor Entsetzen. Erschrocken legte Antigone auf. Das Herz pochte wie wild. Da erlaubt sich sicher einer einen Scherz, beruhigte sie sich. Schließlich war Halloween. Da kommen solche Streiche vor. Unruhig blickte sie durch das Küchenfenster in die dunkle Nacht. Täuschte sie sich oder stand da jemand und beobachtete das Haus. Mit einem Ruck zog sie das Rollo hinunter.

Es klingelte an der Tür. Sie lauschte. Jemand kicherte. Sie hörte eine Stimme: „Benimm dich, Kevin.“
Antigone öffnete die Tür und vor ihr stand ein süßer, kleiner Teufel mit seiner Mutter, die als Engel verkleidet war, und sagte mit grimmiger Miene: „Trick or treat!“ Na, wenn du mich so nett fragst, lächelte Antigone und ließ 2 Schokoriegel in den Beutel des Teufelchens wandern. „Thank you!“ erwiderte der kleine Mann strahlend und die beiden zogen weiter. Sie schloß die Tür.

Warte, da war doch noch was. Sie hatte den chamoisfarbenen Umschlag vergessen, den sie achtlos auf den Küchentisch gelegt hatte, während sie mit dem Kuchen beschäftigt war. Sie nahm den Umschlag in die Hand und betrachtete ihn von allen Seiten. Weder Anschrift noch Absender. Seltsam. Sie nahm ein schmales Küchenmesser aus dem Block und schlitzte den Umschlag auf. Ein Zettel fiel heraus und segelte auf den Boden. Sie hob den Zettel auf. Darauf stand mit krakeliger Schrift:

„Komme um Null Uhr. MANN.“

Sie musste sich setzen. Was hatte das zu bedeuten. Wollte ihr jemand Angst machen? War das ein dummer Streich? Sie erwartete Phileas gegen 20 Uhr. Er würde sie beschützen, wer auch immer der anonyme Schreiber war. Der kann sich auf was gefasst machen. Wer schrieb ihr bloß? Die Gedanken kreisten in ihrem Kopf und sie bekam eine Gänsehaut.

Nun läutete es im Minutentakt an der Tür und Clowns, Prinzessinen, Geister, Monster und Gesponster ließen sich mit Süßkram von gemeinen Streichen abhalten.

Es klingelt erneut. Antigone öffnete die Tür und ihre Nachbarin Mrs. Scarborough und ihr 9jähriger Sohn John, kostümiert als Ritter, standen vor der Tür. „Trick or treat!“ sagte er herausfordernd. „Sie sind unser letztes Haus.“ lachte Mrs. Scarborough und tätschelte ihrem Sohn den Helm.
Antigone gab ihm einen ordentlichen Schwung der restlichen Süßigkeiten in die Tüte. Es war bereits kurz vor 20 Uhr. Dann war der Spuk vorbei und die Kinder zogen sich in ihre Häuser zurück.

„Sagen Sie, den Umschlag mit dem Zettel haben Sie doch erhalten, oder? Mrs. Scarborough sah sie fragend an. „Wissen Sie, John hat ihn geschrieben und ihn rübergebracht. Ich hatte gerade keine Hand frei. Hoffentlich konnten Sie ihn entziffern. Ihr Mann hat bei uns angerufen und gesagt, dass er den Flug verpasst hat und wohl erst gegen Mitternacht nach Hause kommt. Er konnte sie telefonisch nicht erreichen. Weder auf dem Festnetz noch per Handy, hat er gesagt. Er wollte nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machen, weil doch Halloween ist.“

Antigone fiel ein Stein vom Herzen.
„Ach du warst das. Da bin ich aber erleichtert.“
Sie zeigte Mrs. Scarborough, was John geschrieben hat und beiden lachten.
„Puh, ganz schön gruselige Nachricht. Da hätte ich Angst bekommen.“
„Aber nun ist ja alles klar. Mein Telefon spinnt offenbar.“ lachte Antigone erleichtert.
Sie prüfte ihr Handy. „Akku leer, na super!“ Sie würde es gleich aufladen müssen.
„Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, Mrs. Scarborough. Und ich danke dir, lieber John.“ verabschiedete sie die Nachbarn fröhlich.

Antigone ging in die Küche, deckte den fertigen Kuchen mit einem Tuch ab und stellte den Champagner zurück in den Kühlschrank. Als sie die Wohnung aufgeräumt hatte, war es bereits nach 21 Uhr. Bis Phileas kam, dauerte es noch Stunden. Sie beschloss, ein Bad zu nehmen und etwas zu lesen. Hatte sie die Küchentür eigentlich abgeschlossen? Sie kontrollierte den Knauf und verriegelte die Tür. Dann zog sie sämtliche Vorhänge zu und machte in jedem Zimmer Licht an. Sie fühlte sich gleich sicherer.

Sie ließ warmes Wasser in die Badewanne laufen und gab ein duftendes Schaumbad dazu. Sie entzündete ein paar Kerzen am Badewannenrand und legte sich Waschlappen und Handtuch zurecht. Während das Wasser lief, wählte sie ein Buch aus dem Wohnzimmerregal, goß sich ein Glas Rotwein ein und brachte beides ins Bad. Zum Schluss ging sie ins Schlafzimmer, zog sich nackt aus und legte ihre Sachen ordentlich über den Stuhl. Dann nahm sie den seidenen Kimono und kehrte ins Bad zurück. Sie ließ den Bademantel von den Schultern gleiten, prüften mit dem Zeh die Wassertemperatur, stieg in die Wanne und ließ sich wohlig in das warme Wasser hineingleiten. Schaum umhüllte sie, als sie in die Welt des Buches eintunkte und ab und an an ihrem Weinglas nippte.

Irgendwann hatte sie genug vom Lesen. Sie nahm etwas Schaum und verteilte es auf ihren Brüsten. Ihre Nippel richteten sich auf, als sie ihre warmen, weichen Brüste massierte. Sie nahm die Brause, drehte den Hahn auf. Warmes Wasser rieselte ihre Hand entlang. Sie ließ den Wasserstrahl über ihre Brüste laufen, dann schob sie die Brause langsam zwischen ihre Schenkel. Vorsichtig öffnete sie ihre Beine und der warme Wasserstrahl traf ihre Vulva. Sie stöhnte vor Erregung und schloß die Augen. Unwillkürlich dachte sie an einen Vampir. Vor ihrem inneren Auge tauchte Bela Lugosi aus dem Film „Tanz der Vampire“ auf. Er näherte sich lautlos, den Umhang hielt er schützend vor seinem Gesicht. Dann trat er von hinten an sie heran, näherte sich ihrem Ohr. Sie erwartete einen Kuss in die Halsbeuge und neigte erwartungsvoll den Kopf. Sie spürte, wie der Höhepunkt näherkam, als sie plötzlich ein eiskalter Lufthauch erreichte. Was war das? Sie riss die Augen auf und sah sich hektisch um, drehte den Hahn zu und nahm das Handtuch. Dann fiel ihr Blick auf den Spiegel und sie erschrak zu Tode. Im heißen Wasserdampf war deutlich das Wort „SÜNDE“ zu lesen. Ihr Herz klopfte bis an den Hals. Sie stieg aus der Badewanne und zog sich den Bademantel an. „Ist da wer?“ fragte sie beklommen in die Stille.

Unten klappte die schwere Haustür zu.
„Hallo Liebling, wo bist du denn? Boah, das war vielleicht ein Ritt. Hab‘ den verfluchten Flieger verpasst. Aber nun bin ich ja da.“ Im Flur warf sich Antigone Phileas in den Arm und hielt ihn fest umschlungen. „Was ist denn mit dir, Liebes? Du zitterst ja wie Espenlaub. Hat dich jemand erschreckt? Ist doch nur Halloween.“ Antigone berichtete von ihrem Tag und beruhigte sich langsam. Letztendlich war wirklich nichts geschehen und die Kinder hatten sicherlich auf den Spiegel herumgemalt.

„Wo warst du denn den ganzen Tag? Ich hab‘ tausendmal versucht, dich anzurufen.“ Er blickte besorgt.
„Irgendwas stimmt mit dem Festnetzanschluß nicht. Darum kümmern wir uns morgen. Und ich habe vergessen, das Handy aufzuladen.“ entgegnete sie. „Komm mit in die Küche, ich habe Torte und Champagner. Lass uns erstmal deinen Erfolg feiern.“ Sie zog ihn an der Hand in die Küche, fest entschlossen die Vorfälle des Tages zu vergessen.

Am nächsten Morgen ging sie zur Tür und nahm die Zeitung aus dem Briefkasten. „MURDER ON HALLOWEEN NIGHT“ titelte das Blatt.

In Lexington wurde in der gestrigen Nacht ein gesuchter Serienmörder auf frischer Tat ertappt. Nachbarn hatten um Mitternacht Schreie aus dem Nachbarhaus gehört und riefen die Polizei. Der Mörder hatte in der Vergangenheit schon mehrere weibliche Opfer getötet. Besonders abgesehen hatte er es offenbar auf rothaarige Frauen. Sie stünden mit dem Teufel im Bunde und er wollte sie von ihren Sünden erlösen, gestand er den Detectives bei der Festnahme.

Antigone fuhr sich an den Hals. „Oh, mein Gott, Phileas!“ Sie lief in die Küche.
Dort stand Phileas neben dem Kühlschrank und hatte das Ende des Telefonkabels in der Hand.
„Kein Wunder, dass ich dich nicht erreichen konnte. Jemand hat das Telefon ausgestöpselt. Und findest du es nicht ziemlich leichtsinnig, die Hintertür nachts offen zu lassen? Da kann wer weiß was passieren…“




P.S. Die Geschichte enthält ganz viel Dichtung, aber auch Wahrheit - und je merkwürdiger es klingt, desto wahrer ist sie.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Tolle Geschichte, liebe @*******ord, und toll erzählt!

Die altgriechischen Schriften sind ja hochspannend, und das sieht bestimmt auch van Staben so. Also wundere dich nicht, wenn er plötzlich in Kentucky auftaucht … *holmes*
*******ord Frau
800 Beiträge
Das wäre ja wirklich sehr cool, liebe @**********gosto *sonne*
*******blau Mann
3.624 Beiträge
*wow* @*********ynter ! Wahnsinnig gut geschrieben und spannend. Da hast du wieder mal einen rausgehauen! Grandios und so Ninastisch! Ich liebe es, auch wenn Charon eigentlich ein netter Kerl ist. *bravo* *bravo* *bravo* *bravo* *bravo* *bravo*
*******blau Mann
3.624 Beiträge
(aus den letzten 16)

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Mit dem Taxi nach München



Wunderschön betrunken an Freitagnacht!
Null Uhr irgendwas.
Es ist nicht spät genug nach Haus zu gehen. Es ist sternenklar und wir sternhagelvoll. Stinken nach Alkohol wie ethanolovore Tiere auf allen Vieren. Labern Scheiße am Stück und ohne Unterlaß. Zoten, Kalauer und Urmenschlaute. Was ist das Gegenteil von Buchpreis? Das sollte man uns geben. Selbst zu Zeiten des Homo Erectus hätte man uns zum Logopäden geschickt für das Gestammel und Gejohle, gib dir des!

Aber wir sind hier im Taxi und trinken Witwen auf chamoisen Ledersitzen, als wären wir zwei Bourgeoise und garkeiner Sünde gewahr. Verkommene, aber famose Dosenöffner der überkommenen Schule, die nach Alkohol stinken als wären sie Molotows, die man nur noch anzünden muss. Feiern als Selbstzweck und Leugnung von Allem. Umetikettierung verdorbener Früchte, die man einem arglosen Teig untergehoben hat. Zwei alternde Rockstars des knitternden Sessels mit ungerechtfertigten Allüren und noch ungerechtfertigteren Affären. Aber die Würfel sind gefallen und wir haben in den Rubikon gepinkelt, denn wir fahren nach München mit dem Taxi, wie so feine Pinkel, aber scheißegal! Wir ham‘s ja!

Eigentlich haben wir es nicht. Kapitalisten mit P-Konten sind wir. Wir hauen nur alles auf den Kopf, was wir haben. Die Taxifahrt hat uns sechs Hunnis gekostet. Im Voraus. Aber wie sagt man? Ein Muschihaar schleppt ganze Schiffe. Wer sind dann wir wracke Kähne diesem ewigen Drang zu widerstehen. Also fahren wir nach München mit dem Taxi. Nur für eine Nacht. Mit dem Taxi nach München, weil wir München so mögen, was natürlich ein Schmarrn ist. Niemand mag München.

München ist wie der blöde Cousin, dem man auf der Familienfeier ins Glas spuckt, wenn er nicht hinschaut. Der Cousin, den man nur in der Theorie mag. Der, der irgendwo als Chief Executive Scheißdreck schafft oder als Hotelmanager oder so’n Scheiß. Dieser Wichser. Man liebt ihn theoretisch, weil Verwandter und so. Er ist ok, solange er weit weg ist. Aber sonst…

Nein, es ist nicht München, das uns anzieht. Es ist die Tittenilse und ihre Freundin, die irgendwie so ähnlich heißt. Sie ziehen uns und für sie würden wir, jedenfalls in diesem Zustand, überall hingehen. Außer Mordor vielleicht oder Damenbasketball. Niemand will dorthin. Wie hieß nochmal die Freundin mit den smargdnen Augen und den roten Haaren? Irgendwas mit Sternen oder Sternbildern? Ach, ich bin so vergesslich geworden. Mein Gehirn ist ein lommeliger, verratzter Schwamm, der in brackigem Wasser eingelegt war und genauso aussieht.
Neulich war ich Muschelntauchen und als ich meine Sache gut machte und mir die Kleine den Kopf zerquetscht hat, als wäre er ne Walnuß und ihre Schenkel der Nußknacker, da hab ich vergessen wie meine Mutter heißt. Ohne Scheiß. Ich schwör, ich wusste für ne Stunde nicht mehr wie meine eigene Mutter heißt. Kann sein, dass sie mir mein Gehirn beschädigt hat. Oder sie hat ihm den Rest gegeben. Wenigstens hab ich ihren Regenschauer abbekommen, nach dem ich gedurstet hab. Mein Bart hat alles aufgesogen und behalten. Ich glaube er riecht immer noch nach ihr. Aber warum komm ich jetzt darauf? Ich hab‘s vergessen. Ich muss Kuba fragen, wo wir eigentlich hinfahren.

München
Feiern
vergesslich
wunderschön
Regenschauer
sternenklar
Taxifahrt
Hotelmanager
Buchpreis
*knitternd
Etikettierung
Würfel
unterheben
Sünde
Chamois
Null

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