Der Pirat - Morgengrauen
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anordnen
sandig
greifbar
Felswand
Fimmel
Hormonkoller
gammeln
Büffel
Morgengrauen
Kurz nach Morgengrauen war der Sturm in Richtung der Isla Margarita abgedreht. Die Antigone und ihre Mannschaft hatten sich wacker geschlagen. Ein gebrochenes Bein und ein paar ausgerenkte Gelenke waren kaum der Rede wert.
Schon konnte Kapitän Barrot, der zusammen mit seinem ersten Maat Murgridge an der Backbordreling stand, die Silhouette Tortugas am Horizont ausmachen.
„Was soll ich
anordnen, Käpt'n?“
„Wir werden die Insel von der Leeseite her umfahren. Dort gibt es zwischen den Felsen ein paar kleine Buchten, deren Strand
sandig genug ist, um an Land zu gehen. Da ankern wir und schicken einen Späher an Land.“
„Käpt'n, als Sprecher der Mannschaft, erwarte ich eine Erklärung von Euch. Was geht hier vor sich? Warum ist Pears hinter uns her und wer ist diese Frau?“
„Berechtigte Fragen, Mister Murgridge. Berechtigte Fragen.“ Louis suchte verzweifelt nach einer Erklärung, ohne dabei den Ring erwähnen zu müssen. Doch leider fiel im partout keine ein.
„Und, die Wahrheit, wenn ich bitten darf“, ergänzte der Maat. Schließlich kannte er seinen Kapitän.
„Ja, natürlich!“
‚Immer dieser
Fimmel mit der Wahrheit‛, dachte Louis und gab auf.
„Es geht um einen Ring. Er ist seit vielen Generationen im Besitz meiner Familie. Pears hat ihn mir bei Kartenspielen abgenommen. Gestern hat die Frau, ihr Name ist übrigens Claudette, Pears den Ring gestohlen. Ich habe ihr bei der Flucht geholfen. Leider hat Pears den Verlust zu früh bemerkt und ist nun hinter uns her.“
„Wenn Kapitän Pears so scharf auf diesen Ring ist, ist der ja sicher einiges wert. Oder irre ich mich da, Käpt'n?“
„Nun ...“, begann Louis. „Er ist eigentlich nicht sonderlich wertvoll. Für mich ist es der sentimentale Wert, der zählt. Und Pears, diesem fetten Scheißkerl, geht es um sein Ansehen.“
„Trotzdem muss der Wert des Ringes ermittelt und unter der Mannschaft aufgeteilt werden. So, sagt es der Kodex.“
„Sicher, sicher, alles streng nach den Regeln des Kodex. Ihr bekommt alle etwas von meinem Anteil aus der nächsten Priese. Doch nun müssen wir erst mal ein Versteck finden, bis Pears ausgelaufen ist.“
„Ich befürchte, das ist er schon längst“, sagte der erste Maat und deutete in Richtung der Insel.
Dort umrundete die Golden Crab, das Schiff von Kapitän Pears, soeben die steile
Felswand der Westspitze Tortugas.
Dumpfes Fußgetrappel und laute Rufe ließen Claudette hochfahren. Nachdem sie endlich diesem schrecklichen Sturm entronnen waren, warteten anscheinend schon die nächsten Schwierigkeiten auf sie.
Sie hüpfte aus dem Bett und spähte auf den Gang hinaus. Jetzt drangen die gebrüllten Befehle und Antworten deutlich an ihr Ohr. Das Schiff wurde auf einen Kampf vorbereitet.
„Pears“, hauchte sie und Angst legte sich wie ein seidener Schal um ihren Hals. Schnürte ihr die Luft ab.
Vorsichtig steckte Claudette den Kopf aus der Luke. Überall rannten Männer umher. Die Anspannung war mit Händen
greifbar. Diese Männer, die ihre Tage und Nächte vorzugsweise mit
gammeln, saufen oder herumhuren verbrachten, wuselten herum, wie aufgescheuchte Waldameisen, deren Bau man zerstört hatte.
Sie sah Louis mit seinem ersten Maat vorn an der Reling stehen.
Schnell schlüpfte sie wieder unter Deck und machte sich auf die Suche nach dem Schiffsarzt.
Fündig wurde sie schließlich in der Messe, die in ein provisorisches Lazarett verwandelt worden war. Pip, der farbige Schiffsjunge, verteilte gerade Sägespäne auf dem Boden. An einem Tisch stand Bartholomew Stevens und ordnete seine Instrumente. Mit Grausen betrachtete Claudette die Sägen und Messer, als sie neben ihn trat.
„Claudette, meine Teure, was um Himmelswillen tut Ihr hier?“
„Wir müssen fliehen, Liebster. Pears, dieser Teufel, wird uns in Stücke schießen. Und die, die den Angriff überleben, werden sich wünschen, nie geboren worden zu sein.“
Um die Dringlichkeit ihres Anliegens zu unterstreichen, fuhr ihre Hand in seine Hose und umfasste seinen weichen Mast.
„Spürt Ihr, wie meine Hand zittert vor Angst?“, fragte sie mit rauchiger Stimme. „Bitte, ich flehe Euch an. Lasst mich diesem Scheusal nicht in die Hände fallen.“
Schluchzend warf sie sich an seine Schulter und drückte mit der Hand feste zu.
„Ich kann doch nicht jetzt die Mannschaft im Stich lassen. In Kürze werde ich hier alle Hände voll zu tun haben.“ Er wand sich unter ihrem harten Griff. Inzwischen hatte er einen beachtlichen Großmast in einer viel zu engen Hose.
„Pip, setz noch mehr heißes Wasser auf.“
Kaum hatte der Schiffsjunge die Messe verlassen, ging Claudette auf die Knie und nestelte an der Schiffsarzthose.
„Claudette, nicht doch. Nicht jetzt.“
„Wenn ich heute schon sterben muss, so möchte ich mit Eurem Geschmack auf meinen Lippen dahinscheiden.“
‚Jetzt oder nie‛, dachte sie. ‚Wenn mich dieser Trottel und sein
Hormonkoller nicht bald von diesem Kahn herunterbringen, bin ich erledigt.‛
Also ließ sie dem stöhnenden Schiffsarzt all ihre Raffinesse und Kunstfertigkeit zuteilwerden.
Dazu musste sie sich nicht einmal großartig überwinden, da der Arzt über einen sehr ansehnlichen Freudespender verfügte, auf den er anscheinend auch gut Acht gab. Etwas, was sie von den meisten ihrer Kunden nicht eben behaupten konnte.
„Vielleicht könnten wir das – Stöhn – Beiboot zu Wasser lassen und damit – Stöhn – versuchen an Land zu rudern, während – Stöhn – während die Schlacht tobt und niemand ...“
Stevens grunzte wie ein wütender
Büffel.
„Auf uns achtet“, vollendete Claudette seinen Satz, während sie sich erhob und den Mund abwischte. „Ich kann es gar nicht erwarten, in Euren Armen zu liegen. Doch erst müssen wir unsere Leben retten.“
Sie gab ihm einen sehr feuchten Kuss.
„Wie köstlich Ihr schmeckt“, gurrte sie in sein Ohr. „Ich möchte nie mehr etwas anderes kosten.“
„Oh, geliebte Claudette, ich würde durch die Flammen der Hölle für Euch gehen.“
„Oh, Bartholomew, nichts soll uns mehr trennen. Auf immer werde ich die Eure sein. Nun lasst uns alles für unsere Flucht vorbereiten.“
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