Der Pirat - Ein überraschendes Angebot
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mediterran
jammerschade
Fernweh
Gedankenflugverkehr
tüfteln
festquatschen (sich)
querbeet
sattelfest
Ein überraschendes Angebot
‚Was hat dieser durchtriebene Deutsche mit uns vor?‛, fragte sich Claudette.
Sie kannte seinen Ruf auf der Insel. Durchaus ehrbar – ein Mann, der zu seinem Wort steht. Aber ebenso jemand, dem es zuallererst um sich und seinen ohnehin schon prall gefüllten Geldbeutel ging. Sie hatten nun wirklich keine Zeit, sich hier
festzuquatschen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Pears mit der Golden Crab zurückkehren würde. Und es wäre wirklich mehr als
jammerschade, wenn sie dem Schwein, nach ihrer geglückten Flucht, doch noch in die schmierigen Hände fallen würden.
Die Bilder, die bei der Vorstellung, sich in der Gewalt dieses unsäglichen Scheusals zu befinden, in ihr aufstiegen, ließen sie schaudern.
Mitten in diesen
Gedankenflugverkehr klopfte an der Tür.
Jitu, der noch immer unbeweglich und stumm neben der Tür stand, öffnete.
Herein trat eine wunderschöne Frau. Das Haar so schwarz wie Ebenholz, die Haut so weiß wie Schnee und die Lippen, rot wie Blut.
Sie war sicherlich
mediterranen Ursprungs. Ihre stolze Haltung, ließ darauf schließen, dass sie einer wohlhabenden Familie entstammte.
‚Wie ist denn dieses hübsche Täubchen hier gelandet?‛, fragte sich Claudette.
Als sie den Blick bemerkte, den ihr neuer Beschützer der Eingetretenen zuwarf, flammte Zorn in ihr auf. Und auf die Sorge, dass ihre Position in seinem Herzen, vielleicht doch nicht so
sattelfest war, wie sie angenommen hatte.
Schon stand Bartholomew Stevens auf und verbeugte sich, während der Kaufmann sie vorstellte.
„Darf ich bekannt machen? Signorina Bellacani. Tochter eines Kaufmannes aus Genua und seit einiger Zeit, Gast in meinem bescheidenen Haus.“
Er rückte ihr einen Stuhl zurecht und die soeben Vorgestellte nahm anmutig Platz. Ein angedeutetes Nicken, war alles, was sie Claudette und dem Schiffsarzt an Aufmerksamkeit zukommen ließ.
„Und dies hier, meine Teure“, Lüpertz zeigte in Richtung der beiden, „sind Mr. Stevens, seines Zeichens Schiffsarzt und seine Verlobte, Madame de Villefort.“
Claudette hätte dem kleinen, arroganten Täubchen, am liebsten den langen Hals umgedreht, als sie das süffisante Lächeln sah, dass sich bei der Nennung ihres vermeintlichen Namens, über deren Gesicht stahl.
„Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Signorina Bellacani“, sagte Bartholemew. Claudette neigte lediglich den Kopf etwas zur Seite.
„Kommen wir zur Sache“, begann Lüpertz.
„Wie steht es um Ihr
Fernweh, Doktor Stevens?“
„Ich verstehe nicht ganz.“
„Nun, es ist so. Seit heute Morgen, bin ich im Besitz einer Quersegelkaravelle, die ich baldmöglichst nach Europa segeln lassen möchte. Und nun beschäftige ich mich mit der Frage der möglichen Besatzung.“
„Und wie kann Ihnen dabei behilflich sein?“
„Sehen Sie, ich beabsichtige Signorina Bellacani, zurück zu ihrer Familie nach Genua zu schicken.“
Francesca glaubte kaum, was sie da hörte. Sie würde ihre Familie wiedersehen und diese verfluchte Insel doch noch lebend verlassen.
„Dazu natürlich Waren aus meinem Lager“, fuhr der Kaufmann fort. „Ein wenig von allen.
Querbeet, sozusagen. Kapitän wird ein Holländer namens Japp van Doorn sein. Er ist der ehemalige Besitzer des Schiffes. Da ich mir etwas Sorgen um seine Zuverlässigkeit mache, wird Jitu Euch begleiten. Ihr, Mr. Stevens, werdet, als gebildeter Mann von Welt, dafür sorgen, dass es Signorina Bellacani nicht an Unterhaltung mangelt und Euch um das Wohl der Mannschaft kümmern. Kapitän van Doorn hat dies während der letzten Fahrt aufs Übelste vernachlässigt.“
Am Tisch herrschte Schweigen und Verwunderung.
Francesca konnte ihr Glück nicht fassen und war in Gedanken schon im Schoße ihrer Familie.
Stevens sah die Möglichkeit, nach all den Jahren endlich in seine Heimat Kent zurückzukehren.
Nur Claudette
tüftelte bereits an einem Plan, sich der möglichen Nebenbuhlerin zu entledigen.