Still und leise
Ernst und Farah saßen sich schweigend gegenüber, als hielten sie Mahnwache, für ihre, in die Jahre gekommene, Ehe.
Der Wein, den Farah ausgewählt hatte, mochte zum Essen passen, doch gemessen an ihrer Situation, war er zu lieblich, vielleicht hätte sie besser ein trocken-herbes Tröpfchen geordert.
Der Eheberater, der ihre Ehe retten sollte, hatte ihnen geraten, klärende Gespräche außer Haus und in der Öffentlichkeit zu führen, das sollte das Ausufern der Emotionen verhindern und für Beherrschung sorgen.
In Farah aber, brodelte es und sie malte sich aus, wie es wäre, wenn sie dieses Parkverbot, für ihre Gefühle, ignorieren und hier mitten im Lokal ausrasten würde ... wie sie Ernst ihren Teller ins Gesicht drücken und ihre Spaghetti Diabolo in seinem penibel gepflegten Bart hängen würden, wie Wildwuchs ... Herr Saubermann wäre als das Schwein geoutet, welches er inzwischen für sie war.
Nach außen immer korrekt, verletzte er sie seit Jahren, indem er sich durch die Betten diverser Damen vögelte.
Es schien ihr, als würden sie seither über ein Drahtseil balancieren, stets um Haltung bemüht und starr vor Angst, ob des fragilen Gleichgewichts, links, wie rechts, nur Abgrund.
Plötzlich spürte Farah überdeutlich, dass sie dessen müde war und ihr die düstere Tiefe aus Existenzangst und Einsamkeit, inzwischen verlockender schien, als noch einen weiteren Tag, mit Ernst zu leben.
Sie konzentrierte sich einen Moment auf ihren Atem und suchte dadurch, die nötige Ruhe zu erlangen, dann hob sie ihre smaragdgrünen Augen, sah Ernst, sehr ernst, an und wartete darauf, bis er ihrem Blick nicht länger ausweichen konnte und ihm fast widerwillig begegnete, während seine Fassade bröckelte und Unsicherheit verriet.
Langsam nahm sie ihren Ehering vom Finger, schob ihn über den Tisch, erhob sich und ging, um dem unerträglichen Schweigen ein längst fälliges Ende zu bereiten.
Erst jetzt fiel ihr auf, wie lebhaft es an allen anderen Tischen zuging und dass ihr stiller Fall, in all dem Trubel, wohl untergegangen war.