Unter den Hecken
Stoßgebet
Kristall
hinken
Hexenwerk
jammern
glasig
unsterblich
rosablassblau
Gartengnom
Spargel
Untertasse
pummelig
untreu
Schlauberger
Marshmallows
Feuer
Frau Heckenmaid war äußerst ungehalten. So konnte das wirklich nicht weitergehen und wenn doch, dann sähe sie sich gezwungen ihrem Gatten untreu zu werden. Kurz nach ihrem 100. Hochzeitstag hatte es angefangen, dass sich Herr GuckdurchdenZaun, seines Zeichens der Zwerg an ihrer Seite, vor seinen ehelichen Pflichten immer öfter zu drücken begann. Zunächst fiel es ihr nicht weiter auf, da Frau Heckenmaid mit der Erziehung der kleinen Gartengnome mehr als beschäftigt und abends zumeist von heftigen Kopfschmerzen geplagt war. Doch mit der Zeit und dem fortschreitenden flügge werden des Nachwuchses kehrte eine gewisse Lust in ihren Schoß zurück und fand keine Befriedigung mehr. Sein Jammern, dass er so viel Arbeit in der Silbermiene und gerade eben mal (welche Untertreibung!) keine Lust hätte, hörte sie sich tatsächlich eine Weile an und akzeptierte diese notgedrungen – schließlich war sie eine vorbildliche Zwergenehefrau. Und sie kannte die Erzählungen ihrer Freundinnen dazu, bei denen es auch nicht viel besser lief – es sei denn, diese hatten sich einen außerehelichen Stecher zugelegt. Noch kam das für Frau Heckenmaid natürlich nicht in Frage. Allerdings stieg der Neidfaktor exponentiell an, wenn ihre Nachbarin, Frau Donnerkraut, bei Kaffee und Kuchen vom unglaublichen Stehvermögen ihres aktuellen Lovers schwärmte, dessen Namen sie um keinen Preis verraten wollte.
Vor lauter Verzweiflung über die Flaute im zwerglichen Schlafgemach begann sie eine strenge Marshmallows-Diät und was sollte man meinen – da hatte dieser "Schlauberger" von Ehezwerg schon wieder eine neue Ausrede parat, nämlich die, dass sie ihm nun viel zu pummelig geworden war. Sie wüsste doch, dass er eher auf Elfen, denn auf Brummer stand.
Ehrlich jetzt – Herr GuckdurchdenZaun hatte wohl nicht mehr alle Untertassen in seinem Schrank! Jetzt reichte es ihr!
Zunächst bewarf sie den uncharmanten Gatten mit allerlei Porzellan, welches noch aus den Beständen ihrer ungeliebten Schwiegermutter stammte und das sie los haben wollte. Danach stellte sie ihn zur Rede - in einem hochnotpeinlichen Verhör, warum sich seine rosablassblaue Nudel standhaft weigerte, sich in ihrer Gegenwart aufzurichten und ihre natürliche Bestimmung zu erfüllen.
Seine gestotterten Antworten sowie seine vorgebrachten Vergleiche, mit dicken Schweißperlen auf der Stirn, hinkten gewaltig – irgendetwas verbarg der Herr Gemahl vor ihr. Nun denn – wenn er es so wollte, bitte sehr. Zum Teufel mit der ehelichen Treue. Doch woher nehmen?
Die zum Glück technisch bewanderte Frau Heckenmaid begab sich, nachdem ihr Gemahl mal wieder nachmittags ohne Erklärung den Bau verlassen hatte, ins Wald-World-Web, das war zum Glück in der heutigen Zeit kein Hexenwerk mehr. Wenn sie noch daran dachte, dass sie ihren Gatten seinerzeit mit Hilfe einer Kristallkugel gefunden hatte...
Ein Klick aufs Datingportal (von dem hatte Frau Gundelrebe ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit mit diesem „Ich bin ja so befriedigt-Grinsen“ erzählt) und schon hatte Frau die volle Auswahl: bärtige Zwerge in allen Größen, vollbehaarte, rasierte, potente und gutaussehnende mit fantastisch ins Bild gesetzten Schwänzen, die an pralle Spargel erinnerten. Da konnte einer schon das Wasser im Mund zusammenlaufen. Von den top gestählten Körpern und sonstigen Vorzügen wie kommunikativ, willig, experimentierfreudig nicht zu reden. Nur gut, dass sie in letzter Zeit fleißig Sport getrieben und gefastet hatte, die überflüssigen Pfunde wieder einigermaßen runter waren. Die Zwerginnenkonkurrenz um die attraktiven Mannsbilder war schon gewaltig.
Doch war es wirklich das, was sie wollte? Ja klar endlich mal wieder nach allen Regeln der Lust richtig durchgenudelt werden, aber ging das eigentlich ohne unsterblich in ihr Gegenüber verliebt zu sein? Sex zu haben wie ein Mann, pardon wie ein Zwerg – Gefühl dabei nicht weiter wichtig? Vorstellen konnte sie es sich nicht wirklich, aber warum nicht mal ausprobieren? Offensichtlich hatte ihr Gatte kein Interesse mehr an ihr. Vermutlich hatte er jemanden. Verdächtige Zeichen nährten ihren Verdacht, mal ein Barthaar auf der Jacke, welches nicht von ihr stammte oder Gänseblümchenduft an seiner Unterhose, wo sie doch stets Rosenwasser verwendete.
Roch Frau Donnerkraut nicht immer nach Gänseblümchen? Hm! Dieser Schurke war anscheinend versorgt. Warum also sollte sie ungewollt enthaltsam leben? Es war Zeit für etwas Neues.
Frau Heckenmaids Blick wurde glasig als sie bei ihrer Suche auf ein Profil stieß, welches sie sofort bei ihrer Libido packte. Was für ein unglaublich ansprechendes Foto – ohne jegliches Genital, dennoch mit solcher Anziehungskraft, dass ihr förmlich die Spucke wegblieb. Diesen einen - und nur diesen - wollte sie für sich gewinnen.
Ein Stoßgebet an Mutter Natur begleitete ihre Nachricht an den Zwerg ihrer Träume, ein Herr Gundermann. Leise wiederholte sie immerzu seinen Namen, träumte des Nachts von seinen heißen Küssen auf ihrer Haut, wurde feucht, wenn sie nur an dachte und schaute gefühlt alle fünf Minuten in ihr Postfach, ob einer Antwort von ihm.
Endlich – eine Nachricht von ihm. Lange Rede, kurzer Sinn – nach einer Weile des Schreibens auf diesem Portal telefonierten sie. Das Timbre in seiner Stimme verzückte sie und auch sie schien ihm immer mehr zu gefallen. Sie beschlossen es zu wagen sich zu treffen, und zwar im „Hummelnest“, einer Baumhöhle der besonderen Art, mit gewissen Themenzimmern für Experimentierfreudige. Wenn schon, denn schon!
Aufgeregt wie ein Teenager war Frau Heckenmaid vor diesem ersten Treffen, ihr Mann bemerkte es nicht einmal. Und als sie und Herr Gundermann einander in die Augen sahen war es um beide geschehen. Ein Feuer der Leidenschaft entfachte sich in ihren Köpfen, Körpern und Seelen und wuchs bei jedem Gespräch, bei jedem Treffen. Jedoch keines aus Stroh, sondern eines, das noch lange brennen würde.
Denn ihrer beider Brennstoff war Liebe.