Gartengnom
Spargel
Untertasse
Pummelig
Untreu
Schlauberger
Marshmallow
Feuer
Kiki und die Kobolde
Heute war ich bei Kiki zum Spargelessen eingeladen und ich liebe Spargel.
Kiki liebte ich zwar nicht, aber ich mochte sie. Wir waren seit unseren Schulzeiten befreundet und hatten viel miteinander erlebt. Attraktiv fand ich sie nicht wirklich. Krimhild, wie sie eigentlich hieß, war mit über 1,80 m sehr groß gewachsen und „kompakt“, um es mal charmant auszudrücken, eher mit einer Walküre zu vergleichen als mit einer Prinzessin. So 20 cm kürzer wäre sie noch als pummelig durchgegangen.
Sie hatte sich im Lauf der Jahre verändert, war ein wenig seltsam, jedenfalls von meiner Warte aus gesehen. Nach unserem Abi hatte sie Germanistik studiert und sich zunächst zu einem kritisch denkenden Freigeist entwickelt.
Was dann mit ihr geschehen war weiß ich nicht genau. Sie wurde Heilpraktikerin, landete immer mehr auf der Esoterikschiene und experimentierte mit duftenden Wandfarben, die in jedem Raum ein anderes Wohlbefinden auslösen sollten.
Eine tolle Köchin war Kiki jedenfalls nicht, aber was konnte man bei Spargel schon falsch machen? Offensichtlich einiges wie ich feststellen sollte. Tatsächlich gingen die Spargel nur mit viel Wohlwollen als bissfest durch, die Kartoffeln dazu waren das genaue Gegenteil - eher matschig. Statt mit Butter oder einer Hollandaise serviert, wie ich es eigentlich erwartet hatte, gab es eine kräutergrünliche Soße mit selbst gemachter Dickmilch. Diese geschmackliche Kombination war für meinen Geschmack doch recht gewöhnungsbedürftig. Vegetarierin war Kiki offensichtlich inzwischen auch, jedenfalls gab es weder Fleisch noch Schinken dazu. Trotzdem lobte ich ihre Kochkunst, höflich wie ich war.
Beim Essen ließen wir die guten, alten Zeiten wieder aufleben, lachten viel und tranken das eine oder andere Glas Wein, was mein Herumgestochere im Teller ein wenig übertünchte. Aber Kikis vorwurfsvoller Blick beim Abräumen meines Tellers sprach Bände. Und sah ich da ein gewisses spöttisches Blinzeln?
Krimhild schlug sie vor uns auf die Terrasse zu setzen und die Feuerschale anzünden. Es sei doch ein so schöner lauer Abend. So saßen wir am Feuer und grillten als Nachtisch dicke, weiße Marshmallows auf zurechtgebogenen Kleiderbügeln und tranken einen Kaffee.
Unser Gespräch entwickelte sich immer mehr zu einem dozierenden Monolog in eine Richtung die mir gar nicht gefiel. Dieses salbungsvolle Geschwurble über esoterisch-alternative Themen machte mich schier wahnsinnig. So reagierte ich oft mit ironischen Bemerkungen, was Kiki aber gar nicht störte, da sie weiter auf Missionierungskurs war.
Hin und wieder nahm sie einen der fertig gegrillten Marshmallow und warf ihn weit in den Garten hinaus bis fast unter die Hecke.
„Was machst du da?“ fragte ich nach den dritten Mal verwundert.
„Weißt du“, erwiderte sie, „bei mir leben Gartengnome!“
Jetzt fiel ich vor Überraschung bald vom Klappstuhl. Ernsthaft - konnte ich meine Freundin noch für voll nehmen?
„Siehst du sie denn nicht? Sie sind meine Freunde und leisten mir Gesellschaft, wenn ich alleine bin. Ich überlege auch ein Buch zu schreiben: Kiki und die Kobolde.“ Verkündete sie stolz. „Meine Gnome sind richtig lustig, können aber auch böse werden.“
Mein Kaffee schwappte in die Untertasse, erst vor Lachen, dann vor Schmerz. Etwas hatte mich voll an der Stirn getroffen.
„Na du Schlauberger, glaubst du mir jetzt, dass die Kobolde real sind? Wenn du ihnen einen Marshmallow gibst, sind sie wieder versöhnt und zeigen sich vielleicht.“ Belehrte sie mich.
Wahrscheinlich war mir nur ein dickes Insekt mit voller Wucht ans Hirn geflogen. Aber aus freundschaftlichen Gründen und weil ich sie nicht ärgern wollte, wurde ich mir selbst untreu, machte den Spaß mit und warf ein braunes, geschmolzenes Marshmallow weit in den Garten hinaus.
Plötzlich sah ich grünlich leuchtende Augen aus dem Gebüsch blitzen, die starr auf uns blickten. Es dauerte nicht lange bis ein Schatten herbeihuschte und sich den Leckerbissen schnappte.
Ich meinte nur trocken: „In der Nacht sind alle Katzen grau…“
Doch ein wenig verunsichert war ich jetzt schon.
© Bertl 3.5.2023