Warmduscher III
Willkommen, meine sehr Geehrten, aus der Nähe und der Ferne,
schön, dass meine erste Fotoausstellung ihr Interesse gefunden hat. Oder war es der Titel, der in der ganzen Stadt höchst präsent plakatiert ist?
Mein Name ist Deo Nyme, ich war bisher bei einer Tageszeitung in der Bretagne. Quasi die Tidenspezialistin im Departement Finistére dort wo sich die Salzgärten türmen und nörgelnde Fischer mit Wonne zuckende Austern schlürfend ermorden.
Seit Anfang dieses Jahres bin ich nun hier beim Nordboten als Leiterin des Bildresorts.
Warmduscher! Sicherlich hat dieser Begriff so einen vorauseilenden Peak, deutet auf etwas geheimnisvoll Intimes hin. Man könnte vermuten, es sei ein Präliminarium und würde in eine weit grössere Sache ausstrahlen.
Meine Damen und Herren, so ist es! Die grössere Sache lieferte mir Hubertus H., dessen Bretterwandexzess ich ihnen in einigen Bildern vorstellen möchte.
Ich darf sie deshalb bitten mit mir durch die Ausstellung zu gehen und bei dem jeweiligen Foto in einem lockeren Halbkreis sich aufzustellen.
Bild 1
Hier sehen sie die Grossbaustelle der neuen Rathausgarage. Es ist 11 Uhr vormittags, einige Passanten laufen zum nahegelegenen Wochenmarkt. Der Bauzaun umschliesst die Nordseite und daran anschliessend ist das Bauareal mit einigen Absperrgittern dicht gemacht.
Bild 2
Hubertus H. betritt den Platz von der Westseite. Er ist mit einer Trainingshose mit FC St Pauli Emblem und einem ebensolchen St-Pauli-Hoody bekleidet. Zielgerichtet steuern seine Schritte auf den Holzbauzaun zu.
Bild 3
Völlig überraschend entledigt sich Hubertus seiner Hosen, streicht sich, ähem, sie gestatten eine direkte Benennung, ähem, an seinem Schwanz entlang und ruft, dass er etwas Besonderes könne… mehr habe ich nicht verstanden, ich war weit weg und musste dann das Objektiv wechseln.
Bild 4
Jetzt mit Teleobjektiv halte ich voll drauf. Hubertus ohne Hose, versucht sein edles Teil in ein Astloch des Bauzaunes zu schieben, besser zu rammen.
Bild 5
Er hat es geschafft, klebt jetzt förmlich an dem Holz und schreit wild mit den Armen wedelnd Zeter und Mordio.
Um mich herum sammeln sich immer mehr Menschen. Zwischen entsetzem Aufschreien hört man auch immer wieder etwas von Moral und Zucht und Ordnung. Ein Rennradfahrer kommentiert das Ganze und hier taucht er das erste Mal auf der Begriff: Warmduscher.
Bild 6
Hubertus schwankt verdächtig und es ist zu erwarten, dass er gleich umkippt, aber warum?
Bild 7
Ich wechsele die Perspektive und bin jetzt direkt am Bauzaun, der in diesem Moment von einem Arbeiter mit Säge geöffnet wird.
Bild 8
Sofort bin auch ich mit der Kamera hinter dem Zaun und sehe das Astloch mit Hubertus edlem Teil.
Dieses hat sich an dem rauhen Holz völlig verkeilt und wird wohl noch dazu von Splittern festgehalten.
Bild 9
Blitzartig nimmt der Bauarbeiter die Säge und schiebt diese in einem quadratischen Bogen durch das weiche Holz. Dabei löst es sich vollends, hängt aber noch an Hubertus, der auf der anderen Seite in die Knie sackt.
Bild 10
Doch dank der Aufmerksamkeit eines Passanten nähert sich schon ein Krankenwagen.
Bild 11
Hubertus wird mit einer Wärmedecke umwickelt und in den RTW gebracht.
Bild 12
Da ich sofort mit meinem Rad losfahre, einige Abkürzungen kenne, bin ich an der Notaufnahme des Krankenhauses als Hubertus eingeliefert wird. Er hat die Wärmedecke weggerissen und hält seinen rotgeschwollenen Penis mit dem Holzstück fest.
Bild 13
Plötzlich rauscht ein weiterer Krankenwagen heran und auch der Rennradfahrer, der wohl gestürzt war, und eine grosse Wunde am Knie hat, wird noch an Hubertus vorbeigerollt. Dabei wechseln die Beiden einige Worte. Auch hier fällt wieder der Begriff Warmduscher.
Bild 14
Hubertus soll in den Schockraum 1, ich versenke meine grosse Kamera in einem Wäscheberg, reisse mir einen Kittel vom Haken, ziehe den Mundschutz über und betrete mit einem jungen Assistenzarzt den Schockraum.
Bild 15
„Sie sind?“ herrsche ich den jungen Arzt an, der mir kleinlaut seinen Namen sagt. „Na dann befreien sie den Patienten mal von seiner Pein, ich werde den Vorgang dokumentieren.“ Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und knipse was das Zeug hält.
Bild 16
Der junge Arzt versucht nun mit einer Zange das Holz zu knacken. Hubertus schreit und windet sich vor Angst. Die Aktion misslingt.
Bild 17
Mittels einer Fräse, die üblicherweise zur Schädelöffnung dient, gelingt es nun endlich.
Bild 18
Das Holz ist ab. Mit einer Pinzette werden die Splitter entfernt. Hubertus ist ohnmächtig.
Bild 19
Der Klinikleiter, ganz nebenbei mein Verlobter, betritt den Schockraum.
Bild 20
Er kümmert sich persönlich um den Verband und tätschelt Hubertus den Kopf. Der allerdings ist noch immer ohne Bewusstsein.
Bild 21
…einige Stunden später, nach dem Essen in der Kantine.
Hubertus kommt zu sich, blickt auf den Verband am Unterleib und beginnt sofort zu randalieren.
Da ich noch immer diesen Kittel trage und der Herr Professor mich niemals verraten würde, ziehe ich eine Spritze auf und stelle Hubertus erstmal für weitere Stunden ruhig.
(Soll sich nicht so anstellen der Kerl, der ewige Warmduscher, schliesslich könnte man noch ganz andere Dinge mit seinem Gemächt veranstalten…)
Meine lieben Ausstellungsbesucher, ich spüre eine gewisse Unruhe in ihrem Kreis. Fotojournalismus muss hart am Geschehen sein, das ist nichts für schwache Gemüter oder gar Warmduscher. Auch meine Redaktion wird entsetzt reagieren. Doch da muss sie durch. Schliesslich bin ich der Wahrheit verpflichtet und mache nicht irgendeinen Carla Columna Job.
Doch bitte entschuldigen sie mich jetzt. Ich muss zu einem Anschlusstermin!
——
Und sie rennt so schnell sie kann zur Tür…
Im Hintergrund sieht man zwei Gestalten in dunkelblauer Uniform.
Das Gebäude ist bereits an allen Ausgängen gesichert.
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Später wird der Nordbote berichten er sei einer Betrügerin aufgesessen, die sich als Fotografin ausgegeben und nebenbei noch ihre Fotomotive vorher mit Geld geschmiert habe, damit sie sich für kompromittierende Fotos hergaben. Der Auftritt im Krankenhaus, sowie auch die Verlobung mit dem Klinikleiter werde auch noch von der Polizei untersucht.
Hubertus aber erfreut sich wieder bester Gesundheit. Mit dem Schmiergeld von Deo Nyme liess er sich eine neue Dusche einbauen, wo er doch so gerne warm duschte!