seltsame Tage
(an denen ich normalerweise lieber nicht schreibe)Seltsame Tage sind das, an denen man wohlweislich den Blck in den Spiegel vergisst.
Ob das wohl auch Andere kennen?
Du steigst in den Bus, den Zug, die U- oder S-Bahn und egal wo du hinschaust, überall häßliche Menschen.
Hervorquellende Augen, wie Litschis, da.
Backen wie Nachbars Boxerhündin dort.
Augenringe bis zum Bauchnabel, Ohrläppchen wie Tellerschnitzel,
strichdünne Lippen unter einem Felsvorsprung, Blicke, stumpf wie ein drei Wochen nicht geputztes Waschbecken.
Pupillen in Höhlen wie Kohlebergwerke.
Ein relativ hübsches Mädchen lächelt dich an und zeigt Dir strahlend ihr Pferdegebiss.
Überall schnell wieder wegschauen.
Es wär mir noch unangenehmer, direkt peinlich, wenn sie auch noch meinen Abscheu bemerken würden.
Wenn Du nicht schon mechanisch morgens aufstehen, in den Zug steigen und deine Hirnzellen erst nach der ersten Tasse Kaffe im Geschäft langsam ihren Dienst begännen, könntest Du an solch einem Tag ja einfach den Wecker ins Eck schmeissen und die Decke über den Kopf ziehen.
So wirst Du gemeinerweise unfreiwllig früher klar im Kopf und nimmst das ganze Elend auch noch deutlicher wahr.
Na toll!
Zu der Frage, ob die Welt heute wirklich nur aus potthässlichen Menschen besteht und der Einsicht, dass es wahrscheinlich weise war, heute nicht in den Spiegel geschaut zu haben, kommt dann unnötigerweise das schlechte Gewissen und hebt kopfschüttelnd den Moralfinger!
Wer braucht solche Tage?
Doch dann wieder gibt es Tage, da wach ich vom Vogelgezwitscher auf, pfeif schon beim Gang zur Toilette ein Liedchen.
Schimpfe grinsend mit meiner Morgenlatte, von wegen falschem Timing und nehm auf der Treppe fünf Stufen auf einmal.
Was soll ich sagen - an solchen Tage seh ich nur schöne Gesichter.
Menschen tanzen und lachen an mir vorbei.
Die Kontrolleurin winkt schnippisch mit dem Zeigefinger: "Du böser Bube du!", weil ich noch nicht abgestempelt habe.
Und mindestens zehn Miss-Anwärterinnen schenken mir ihr strahlendstes Lächeln.
Der Fahrstulh kommt gerade an, statt abzufahren, wenn ich im Geschäft einlaufe und statt dem Saurer-Apfel-aus-dem-Maul-stink- an-Allem-rummoser-Hausmeister steht die kleine Süsse aus dem achten Stock in der Kabine. Wo ich dann natürlich auch hin muss!
Und - nicht zu glauben, am gleichen Abend bei ihr zu einem Fest eingeladen bin.
Anundfürsich ist das ja klasse!
So dürfte die Welt immer sein.
Wenn ich nur herausfände, wie ich das mache.
Doch sobald ich dem Zauber auf der Spur bin - wach ich morgens auf - und schau wohlweislich lieber nicht in den Spiegel.................