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Profis

********tenx Mann
331 Beiträge
Themenersteller 
Profis
Ich stelle diesen Text einfach mal hier rein. Einfach weil ehrliches Interesse habe, wie ihr meine „Schreibe“ seht. In Anbetracht des Inhaltes geht es mir dabei weniger um moralische Bewertungen. Eher um Stilistisches und meine Zeichnung des Protagonisten.

Udo Sperling sitzt nun seit einer halben Stunde in der Raucherlounge eines Hotels in einem wirklich bequemen und sehr breiten Clubsessel. Er trägt blank geputzte Budapester, gepflegte Jeans, ein weißes Hemd und eine graue Weste mit Einstecktuch. In seiner rechten Hand liegt ein Zippo, mit dem er beiläufig spielt, ohne es allerdings zu zünden. In seiner Linken hält er ein schweres Glas, gefüllt mit sehr altem irischem Whiskey, Typ „alter, geräucherter Indianer“. Die Flüssigkeit gleitet zwischen den Glasrändern im Takt seiner gemächlichen Handbewegungen sachte hin und her. Udo betrachtet die Spiegelungen des gedämpften Lichts in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit und befindet, dass diese farblich recht passabel zum Rest der holzvertäfelten Einrichtung passt. Wobei sicher auch ein grüner Smoothie ebenfalls zum grünen Teppichboden gepasst hätte. Doch zum einen würde Udo niemals einen Drink passend zu Farbe eines Teppichbodens, oder auch einer Wandvertäfelung auswählen, das an sich entzieht sich schon seiner Vorstellungskraft. Zum anderen, wer zieht denn gequirlte Küchenabfälle einem destillierten Indianer vor? Wer auch immer so etwas tun würde, für Udo ist das keine Option.

Beiläufig schwenkt sein Blick über seine glänzenden Schuhspitzen zu der jungen Kellnerin, die sich gerade bückt um einen dieser kleinen Loungetische abzuräumen. Wie alt mag die wohl sein? Wenn überhaupt, ...zwanzig, ziemlich wahrscheinlich noch in der Ausbildung. Und so, wie sie sich eben bückt, ist sie sich ihrer Wirkung sehr bewußt. Nicht direkt augenfällig, eher dezent und unaufdringlich, aber forsch genug um in diesem Raum diesen erotischen Charme junger Frauen zu versprühen, der ältere Männer an die Zeiten erinnert als sie selbst noch unverdorbenen Sex hatten. Udo kennt das. Alles Illussion. Unverdorbener Sex, das hatte er als junger Kerl, wenn er in seinen jungen Jahren überhaupt welchen hatte. Und heute, dreißig Jahre später? Nein, unverdorbenen Sex auf der Blumenwiese, das will und das kann er sich überhaupt nicht vorstellen. Genauso, wie er sich Sex mit jungen und unverdorbenen Frauen vorstellen will. Zu junge Frauen machen ältere Männer zu sehr alten Männern. Zu großer Abstand. körperlich und mental. So was erinnert ihn zu sehr an seine eigene Vergänglichkeit. Darüber nachzudenken bereit ihm keine Freude, also lässt er das. Genauso wie er eben auch keine gequirlten Küchenabfälle trinken möchte. Er gestattet sich nicht weiter darüber nachzudenken, oder grundsätzlich zu junge Frauen anzugraben. Einfach lächerlich. Gut, er grenzt das nun in seiner Gedankenwelt ein wenig ein. „Zu junge“ Frauen. Ein wenig relativieren, das gestattet er sich dann doch.

Mit einem leichten innerlichen Grinsen, dem er nicht gestattet seine Mundwinkel zu umzingeln, bemerkt er, dass wohl auch der Rest der anwesenden Männer die Reize der jungen Dame bemerkt haben. Die meisten der im Raum anwesenden Herren sind irgendwo in seinem Alter. Ein paar etwas darüber, ein paar etwas darunter. Ausnahmslos tragen sie in ihren Gesichtern die Bürde von Hypotheken, studierenden Kindern und anspruchsvoller Ehefrauen. Ihre Bäuche zeigen die Spuren zu vieler Geschäftsessen und mangelnder körperlicher Bewegung. Zweifellos, Udo gehört da nicht dazu. Er ist da in jeder Beziehung anders. Keine Hypotheken, keine angetraute Frau, keine Kinder und auch keine Genußmitteldeformation in der Leibesmitte. Für sein Alter ist er noch echt gut in Schuß. Bei diesem Gedanken gestattet er seinen Mundwinkeln ein kurzes, aber breites, vor allem ehrliches Grinsen. Die wenigen anwesenden Frauen weichen von Ihren männlichen Pendants weniger im allgemein getragenen Business-Look ab. Eher zeigen sie in Ihren Gesichtszügen die Qualen bei besagten Geschäftsessen offensichtlich ausnahmslos Salat essen zu wollen und sich regelmäßig in Fitnesstudios zu quälen. Manche mit mehr, manche mit weniger Erfolg. Bei einigen kann er sich durchaus vorstellen, daß sie gequirlte Küchenabfälle mit mehr oder weniger Genuß zu sich nehmen. Echte Freude strahlt in diesem Raum für ihn niemand aus.

Udo stellt sein Glas auf den niedrigen Tisch vor ihm, entnimmt einem silberfarbenen Zigarettenetui ein Filterzigarette, entlockt mit einer geübten Bewegung seiner Rechten seinem Zippo eine kleine Flamme und zündet sich die Zigarette an. Kleine Rauchringe entweichen ihm, die sich sogleich im Luftzug der Belüftung in kleine Wölkchen auflösen. Udo schaut auf seine Uhr, Viertel vor Acht, abends. Da seine Lieblingsuhr etwa fünf Minuten nachgeht, ist er sich dessen bewußt noch gut zehn Minuten Zeit zu haben. Acht Uhr haben Sie vereinbart, heute früh. In einer Pause einer dieser ewig langwierigen Besprechungen, die am Ende doch nie auf den Punkt kommen. Udo hasst diese studierten Langweiler, denen es an Praxis und Pragmatismus mangelt. Acht Semester Power Point und langweilige Krawatten. Um ihn herum herrschte als Kernkompetenz reine Infantilität. Einer der Gründe warum er sich gestattet, sich die Hemdsärmel in diesen Besprechungen umzukrempeln. Einfach nur um sich abzugrenzen. Er wußte schon sehr früh, dass sich dieser Tag nur ertragen lässt, wenn er sich auf etwas freuen kann. So hat er sich in einer dieser Kaffeepausen zurückgezogen, um einen Escort Service anzurufen. Udo hat ausführlich seine optischen Vorstellungen geschildert, seine sexuellen Präferenzen und den gewünschten Zeitraum benannt. Die Dame am anderen Ende der Leitung war kompetent, höflich und zuvorkommend und hat ihm versichert, dass ihn eine passende Dame zum gewünschten Zeitpunkt besuchen würde. Dazu hatte sie ihm auch die Höhe des passenden Honorars genannt, das er mit dem Gedanken: „Zur Hölle, was soll’s... deswegen nennt ihr euch auch „City-Premium-Escort“ zur Kenntnis nahm. Endlich mal mit Profis arbeiten.

Nicht, dass Udo nun Schwierigkeiten hätte sich hier, oder in einer anderen Bar, die Zeit zu vertreiben. Wenn er will, kann er durchaus eloquent und charmant sein. Wenn er es darauf anlegt, kann er regelrecht unterhaltsam und witzig sein. Nur haßt Udo solcherlei belanglose Smalltalkrunden noch mehr als unrasierte Frauenbeine, oder krawattengeschmückte Schwätzer. Ein Niveau, auf das er sich freiwillig nur bewegen begeben würde, wenn ihm statt dessen ein Zahnwurzelbehandlung drohte.

Udo schätzt an Profis, dass sie ehrlich bestrebt sind gute Arbeit zu leisten. Dabei zuvorkommend, höflich und verbindlich bleiben. An guten Escorts schätzt er vor allem, dass sie pünktlich kommen und auch wieder pünktlich gehen. Keine Liebesschwüre, keine verlogenen Komplimente, nichts von alldem was das Leben unnötig kompliziert macht, wenn es nicht ehrlich gemeint ist. Und da ein gutes Callgirl für viel Geld vor allem eine Illusion verkauft, warum soll er sich nun darüber Gedanken machen? Udo freut sich auf die kommende Illusion, einfach weil er sich das leisten kann. Nicht unbedingt aus finanziellen Gründen. Wenn dem so wäre, würde er das sicher nicht tun. Udo betrachtet sein Leben eher nüchtern. Ihm ist die gekaufte Illusion lieber, als eine die er für das wahrhafte und ungeschminkte Leben tauschen müßte.

Und siehe da, sie erscheint! Genau so, wie sie von der Dame des „City-Premium-Escort“ beschrieben wurde. Ganz großer Auftritt! Sie schreitet aufrecht, mit strahlendem Lächeln auf ihn zu. Lange Beine, schmale Taille, passable Oberweite und ist dezent geschminkt. Sie trägt elegante Pumps, Jeans und eine weiße Bluse unter einer Wildlederjacke. Und wenn sie seine Wünsche beherzigt hat, trägt sie weder Unterwäsche noch Büstenhalter. Udo liebt Profis!
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Für mich eine gelungene Beschreibung des Protagonisten. Sie hat mich gleich abgeholt und mit zu dem Punkt geleitet, an dem ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. *top*
Udo betrachtet sein Leben eher nüchtern.

Wenn es dein Ziel war, das dem Leser zu vermitteln, dann ist dir das gut gelungen.

Beim Lesen der ersten Sätze dachte ich mir, aha ... eine Beschreibung. Ich darf darüber lästern, weil mir diese Art zu schreiben immer vorgeworfen wird. *zwinker*
Vermutlich hast du aber diesen Schreibstil bewusst gewählt.
In mir hat
der Text zweierlei ausgelöst:

• Ich bin mitgegangen
• trotz des "Adjektiv-Gewitters"

War immer zwiegespalten, weil einerseits eine dichte Stimmung entsteht und die Spannung darauf, was dieser "Udo Sperling" (m.E. ein völlig unpassender Name für den beschriebenen Typ) wohl so erleben wird immer mehr zugenommen hat - andererseits aber die abgeklärte Stimmung und die beinahe lakonische Erzählweise durch "wirklich bequem", "sehr breit", "blank geputzte", "gepflegte", "beiläufig", "schweres Glas", "sehr altem Whiskey", "alter, geräucherter" (8 fragwürdige Adjektive in vier Sätzen) schwer leidet.

Eine schöne Idee sind die "gequirlten Küchenabfälle", wobei sich bei mir die erste Spontan-Assoziation bei "gequirlt" auf etwas anderes als Küchenabfälle bezieht *gg* ... vielleicht wären "geschredderte Rohkost-Abfälle" treffender und assoziativ besser zu schlucken? *zwinker*

Wie gesagt, der Text nimmt mich mit, hat eine eine eigene Dynamik und eine Grundstimmung, die mir gefällt. Und er baut eine Spannung auf, auf einen dezenten "Knalleffekt" am Schluß - der mir persönlich dann aber zu dünn ausfällt: Ich kann die Dame noch nicht als "Profi" erkennen, dafür ist ihr Auftritt zu schmal, zu unspektakulär (will sagen: Der Erwartung, die im Text aufgebaut wurde, nicht angemessen).

Ich hoffe, auch kritische Anmerkungen sind willkommen? *g*
********tenx Mann
331 Beiträge
Themenersteller 
Vielen Dank bisher
Ich hoffe, auch kritische Anmerkungen sind willkommen? *g*[/Quote
Natürlich, nett gemeinte Lobhudelei bringt mich ja nicht weiter. Wer kennt das nichr, wenn er vor eigenen Texten sitzt. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr...
Ist das Adjektiv Gewitter zu heftig? Zu unangenehm? Das wäre mir so auch nie aufgegangen...
Vielen Dank auch dafür...
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich schließe mich den Anmerkungen von TheHidden an.

Und ich möchte mir zu den Adjektiven einen hoffentlich hilfreichen Hinweis erlauben:
Kurzgeschichten: Kampf den Adjektiven

(Der Antaghar)
eyes002
******ace Mann
15.986 Beiträge
Gruppen-Mod 
Um ehrlich zu sein,
mich hat hier nichts abgeholt. Adjektiv-Gewitter fand ich jetzt weder posi - noch - nega-tiv, die kurze Abandlung hat mir nur gezeigt: Ein Mann, den ich dennoch nicht vor Augen habe, bestellt sich eine Nutte und findet sie bei der ersten Inaugenscheinnahme okay. Das ist wohl genau so nüchtern, wie der Protagonist sein soll, aber ich bin ehrlich: Ich schreie nicht gerade nach Fortsetzung. Im Kopf passiert das "Pretty Woman-Syndrom": Er verliebt sich, sie will nicht, er will daraufhin nicht, sie will doch, er geht, sie kommt hernach und er holt sie auf einem weißen Schimmel ab.
Das MUSS ja nicht so sein, aber bei dem Intro drängt sich mir das einfach auf.

Tom
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Hm..
Für mich klang das jetzt eher nach einer Charakterbeschreibung, bei der das Escort-Girl lediglich ein Stilmittel sein sollte. Sie muss nicht unbedingt eine Hauptprotagonistin werden, ebenso wie die Kellnerin ja auch nur kurz als Statistin die Ansicht des Udo Sperling zu wesentlich jüngeren Frauen spiegelt.

Das mit dem Adjektiven fand ich auch nicht so arg. Zugegebenermaßen mag ich allerdings auch Adjektive. ich empfinde sie nicht als schwach, im Gegenteil: Sie helfen meinem inneren Auge, das Geschehen deutlicher und tiefer zu erfassen. (Das allerdings ist mein persönlicher Geschmack und soll jetzt nicht zur *offtopic*-Diskussion anregen. *g*)
Was ich schon immer über Attribute sagen wollte
Danke, lieber @********tenx, dass du mir Gelegenheit dazu gibst.

Meine Vorredner haben alles gesagt, was auch ich dazu sagen würde. Ein Thema davon, das mir persönlich am Herzen liegt, möchte ich gerne noch etwas vertiefen – die Attribute. In der Fachliteratur gibt es Hinweise wie Sand am Meer dazu, doch meistens wird ein Aspekt nur wenig beleuchtet – welche Gefühle Attribute auslösen. Nach meiner Erfahrung sind es meisten nicht die, die der Autor mit der Verwendung erzeugen will. Das trifft vermutlich auch auf viele Schriftsteller zu.

Da haben wir ein Adjektiv: vermutlich. An dieser Stelle ist es korrekt, weil es meine Einschätzung des Sachverhaltes ist. Und da haben wir auch gleich des Pudels Kern: Attribute sind im günstigsten Fall Wertungen, im schlimmsten Fall Belehrungen des Autors dem Leser gegenüber. Das ist ein doppelter Fauxpas – zum einen enttarnt der Autor sich mit jedem Attribute, das nicht in wörtlicher oder gedachter Rede steht und zum anderen drückt er mit diesem Attribute dem Leser seine persönliche Meinung aufs Auge.

Beispiel 1: „Rudi Ratlos sagte: ‚Bodo Ballermann, du bist blöd.‘“ Das ist in Ordnung, es gibt die Meinung der einen Figur über eine andere Figur wieder.

Beispiel 2: „Rudi Ratlos dachte, dass Bodo Ballermann blöd war.“ Auch in Ordnung, wenn auch nicht schön.

Beispiel 3: „Bodo Ballermann war ein blöder Idiot.“ Wenn nicht aus der personalen, sondern aus der auktorialen Perspektive erzählt, haben wir hier die Meinung eines ziemlich großkotzigen Erzählers. Und falls das noch nicht allen klar ist, was dabei herauskommt – ersetzt doch einfach Bodo Ballermann durch Angela Merkel. *grins*

Oftmals können wir Attribute recht einfach mit Hilfe von „show, don’t tell“ eliminieren. Hier würde mir einfallen: „Bodo Ballermann gehörte zu den Leuten, die sich die Hose mit der Kneifzange anziehen.“ Oder irgendetwas in dieser Richtung.

Wenn ich in einem Verlagsroman regelmäßig Sätze wie diesen Anfang lese: „Er ging schnell die Straße entlang ...“, weiß ich, dass ich da schon nicht mehr weiterlesen muss. Die deutsche Sprache hat mehr als achtzig Verben für die menschliche Fortbewegung. Eine Erkenntnis, die dem Autor offenbar nicht vergönnt war.
Natürlich gibt es Autoren, die das ihren eigenen Stil nennen. Chandler oder Thackery zum Beispiel. Allerdings waren sie auch Meister und ihre Attribute immer sehr speziell.

Welcher Mensch mag es, belehrt zu werden? Nicht nur das hat mir übrigens in den letzten Jahren die Tagesschau und die meiste Tagespresse vergällt, weil immer mehr Journalisten Attribute aus der Berichterstattung nicht mehr heraushalten wollen oder können. Beispiel: „rechtspopulistische AfD“. Unabhängig davon, ob das richtig oder falsch ist (ich will hier keine Politikdiskussion beginnen) ist dieses völlig nichtssagende, aber negativ belastete Attribut eine Wertung der Macher der Nachrichten und eine Belehrung des dummen Lesers, wie er die AfD zu werten hat. Genau genommen ist es sogar ein Pleonasmus wie ein schwarzer Rappe für die Leser, die bereits so über diese Partei denken und für die, die es (noch) nicht tun, ist es eine Keule: „So hast du gefälligst über diese Partei zu denken!“

Was bleibt am Schluss? Attribute sind Keulen, ohne die ein Autor nicht immer auskommt. Leichte Schläge erhöhen bekanntlich das Denkvermögen. Doch wer will schon immer Prügel beziehen? Noch dazu, wenn er Geld für das Buch bezahlt hat?
*****ine Mann
912 Beiträge
Halbwegs durch den Beitrag war ich noch soweit, dass ich ihn recht interessant fand, aber das Ende hat mich enttäuscht. Ich mag einen zynischen, schnodderigen Schreibstil und abgebrühte Charaktere. Aber letztlich habe ich mich gefragt, was der Text bewirken oder aussagen soll, was der Verfasser damit beabsichtigt hat. Und der Protagonist scheint in seinem Denken und seiner Überzeugung zumindest zwiegespalten, so dass hier auch keine Pointe zu erwarten steht.
********tenx Mann
331 Beiträge
Themenersteller 
Zunächst mal... vielen Dank an alle! Das hat mir dann schon mal sehr weitergeholfen.

Adjektive... ganz ehrlich, so war mir das nicht bewußt. Bei näherer Betrachtung, besonders nach den Anmerkungen von CChristian, kann ich das jetzt aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten. Man lernt ja nie aus. Ich war bis heute immer der Meinung: „...erklär das richtig, nimm bunte Fraben, pack die dick drauf, dann merkt das auch jeder wie du es meinst.“, so kann man echt fett daneben liegen. Ich gelobe meine Leser nicht mehr mit der Adjektivkeule verdreschen zu wollen.

Das Ende... Jupp, ist schwach. Da hätte ich mehr draus machen können.

Die Story... kann man mögen, muß man nicht. Definitiv ist da aber keine Fortsetzung mit Julia Dingens geplant gewesen. Auch wenn mir das Ende jetzt wie ein vergeigter Cliffhanger erscheint. So war es nicht gemeint. Das wär dann auch mir zuviel Klischee.

Ich schau mal, was ich mit dem Text noch anfangen kann *g*

Ein freundlicher Gruß an die Runde

*hutab*
Respekt
Dafür, wie du mit Kritik umgehst. Ist nicht immer so.
********tenx Mann
331 Beiträge
Themenersteller 
Aber genau so wollte ich das doch... *g*

Wie mein Lehrmeister schon gesagt hat:

Meister ist, wer was ersann,
Geselle ist, wer was kann,
Lehrling ist jedermann.
********tenx Mann
331 Beiträge
Themenersteller 
ich habe mich nochmals über den Text hergemacht, meinen Hang zu Adjektiven gebremst und mir auch über das Ende so meine Gedanken gemacht. Der Verzicht auf Adjektive in dem Maß, wie ich sie für gewöhnlich verwende, war für mich zunächst ungewohnt. Dabei habe ich festgestellt, dass die Sätze kürzer, und auch etwas „knackiger“ werden. Aber das mag ich selbst jetzt aus meiner Innensicht auch nicht bewerten. Ich bedanke mich nochmals für die erfolgten Hinweise. Nachfolgend mein überarbeitet Text.

Udo Sperling sitzt seit einer halben Stunde in der Raucherlunge seines Hotels. Er hat sich einen Clubsessel ausgesucht, um sich an diesem Abend einem Glas Wiskey zu widmen. Er trägt Budapester, Jeans, Hemd und Weste mit Einstecktuch. In seiner rechten Hand liegt ein Zippo, das er durch seine Finger gleiten lässt. Udo mag dieses Gefühl des Metalls in der Hand. In seiner Linken hält er ein Glas, gefüllt mit irischem Whiskey, Typ „alter, geräucherter Indianer“. Die Flüssigkeit gleitet zwischen den Glasrändern im Takt seiner Handbewegungen sachte hin und her. Udo betrachtet die Spiegelungen des Lichts in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit und befindet, dass diese farblich recht passabel zum Rest der holzvertäfelten Wände passt. Wobei sicher auch ein grüner Smoothie ebenfalls zum grünen Teppichboden gepasst hätte. Doch zum einen würde Udo niemals einen Drink passend zu Farbe eines Teppichbodens, oder auch einer Wandvertäfelung auswählen. Nein, das an sich entzieht sich schon seiner Vorstellungskraft. Zum anderen, wer zieht denn geschredderte Rohkostabfälle aus der Küche einem destillierten Indianer vor? Wer auch immer so etwas tun würde, für Udo ist das keine Option.

Beiläufig schwenkt sein Blick über seine glänzenden Schuhspitzen zu der jungen Kellnerin, die einen Loungetisch abräumt. Dafür geht sie in die Hocke. Er betrachtet dabei ihren Hintern. Der Stoff ihres Rockes zeigt die Konturen zweier dicht aneinander liegender Äpfel. Der Rocksaum rutscht über die Knie und gibt den Blick auf ihre Oberschenkel frei. Wie alt mag sie wohl sein? Wenn überhaupt, ...zwanzig, ziemlich wahrscheinlich noch in der Ausbildung. Ihrer Pose wohnt eine Provokation bei, die Anmut und Erotik verspricht. Ihre Bewegungen fluten diesem Raum mit dem erotischen Charme junger Frauen, der ältere Männer an die Zeiten erinnert, als sie selbst noch unverdorbenen Sex hatten. Udo erinnert sich. All das ist Illussion und Produkt seiner Vorstellungskraft. Unverdorbenen Sex, das hatte er als junger Kerl, wenn er in seinen jungen Jahren überhaupt welchen hatte. Und heute, dreißig Jahre später? Nein, Sex auf der Blumenwiese, das will und das kann er sich nicht vorstellen. Genauso, wie er sich Sex mit jungen Frauen vorstellen will. Zu junge Frauen machen ältere Männer zu noch älteren Männern. Zu großer Abstand. Körperlich und mental. So was erinnert ihn an seine eigene Vergänglichkeit. Darüber nachzudenken bereit ihm keine Freude, also lässt er das. So wie er eben auch keine geschredderte Rohkostabfälle trinken möchte. Er gestattet sich nicht weiter darüber nachzudenken. Das ist einfach lächerlich. Gut, er grenzt das in seiner Gedankenwelt ein wenig ein. „Zu junge“ Frauen. Ein wenig relativieren, das gestattet er sich dann doch.

Ein innerlichen Grinsen beschleicht ihn. Udo erlaubt es seinen Mundwinkeln nicht, dies zum Ausdruck zu bringen. Auch der Rest der anwesenden Männer haben die Darbietung der jungen Dame bemerkt. Die meisten der im Raum anwesenden Herren sind irgendwo in seinem Alter, ein paar etwas darüber, ein paar etwas darunter. Ausnahmslos tragen sie in ihren Gesichtern die Bürde von Hypotheken, Kindern im Studium und Ehefrauen mit Ansprüchen. Ihre Bäuche zeigen die Spuren zu vieler Geschäftsessen und einer negativen Bewegungsbilanz. Zweifellos, Udo gehört da nicht dazu. Er ist da in jeder Beziehung anders. Keine Hypotheken, keine Frau für die er zu sorgen hätte, keine Kinder und auch keine Genußmitteldeformation in der Leibesmitte. Für sein Alter ist er noch recht gut in Schuss. Bei diesem Gedanken umzingelt seine Mundwinkel ein ehrliches Grinsen. Der Anblick, der im Raum befindlichen Damen langweilt ihn ebenso, wie der ihrer männlichen Gegenüber. Der Dresscode ist uniform. Alle haben wohl nur Garderobe eingepackt, die für geschäftliche Anlässe taugen. Ihren Gesichtszügen sind die Anstrengungen bei besagten Geschäftsessen offensichtlich ausnahmslos Salat zu essen und sich in Fitnesstudios zu quälen, anzusehen. Manche haben damit mehr, andere weniger Erfolg. Bei einigen kann er erkennen, dass sie geschredderte Rohkostabfälle vor sich stehen haben. Echte Freude strahlt in diesem Raum für ihn niemand aus.

Udo beugt sich vor und stellt sein Glas auf den Tisch vor ihm. Er entnimmt einem Metalletui ein Filterzigarette, entlockt mit einer Bewegung seiner Rechten seinem Zippo eine Flamme und entzündet die Zigarette. Beim ausatmen formt Udo mit dem Rauch Ringe. Sie schweben kurz vor seinem Gesicht, bevor sie sich auflösen.

Ein Blick auf seine Uhr. Viertel vor Acht, abends. Seine Uhr geht fünf Minuten nach. Er hat also noch zehn Minuten Zeit. Auf acht Uhr am Abend haben sie sich heute früh vereinbart. Er hatte dazu eine Pause genutzt. Den Tag verbrachte er in einer dieser Besprechungen ohne Ende und Resultat. Udo hasst Verschwendung von Zeit. Menschen, die nicht auf den Punkt kommen können, und dabei ohne Punkt und Komma reden, bringt er nichts weniger als Verachtung entgegen. Langweiler, denen es an Praxis und Pragmatismus mangelt. Um ihn herum herrschte als Kernkompetenz Bedenkenträgerei. Wo sind denn eigentlich die Profis hin? Sind die alle schon in Rente, oder bei der Konkurrenz? Einer der Gründe warum er sich in solcher Gesellschaft die Hemdsärmel umkrempelte. Einerseits um sich abzugrenzen, aber auch um zu provozieren. Diese Verletzung des Dresscodes hielt ihm zumindest die Feiglinge auf Abstand. Zumindest mit denen brauchte er sich nicht mehr abgeben. Er brauchte etwas, auf das er sich freuen konnte. Das wußte er heute schon sehr früh. Nur so ließ sich der Tag ertragen. Sein Entschluß dazu war plötzlich und konkret. So hat er sich in einer Kaffeepause zurückgezogen, um einen Escort Service anzurufen. Udo hat ausführlich seine optischen Vorstellungen geschildert, seine sexuellen Präferenzen und den gewünschten Zeitraum benannt. Die Dame am anderen Ende der Leitung war kompetent, höflich und zuvorkommend. Sie hat ihm versichert, dass ihn eine passende Dame zum gewünschten Zeitpunkt besuchen würde. Nachdem sie ihm auch die Höhe des Honorars genannt hatte, quittierte er das er mit dem Gedanken: „Zur Hölle, was soll’s... deswegen nennt ihr euch auch City-Premium-Escort...“.
Endlich mal wieder mit Profis arbeiten.

Nicht, dass Udo nun Schwierigkeiten hätte sich hier, oder in einer anderen Bar, die Zeit zu vertreiben. Wenn er will, kann er durchaus eloquent und charmant sein. Wenn er es darauf anlegt, kann er regelrecht unterhaltsam und witzig sein. Nur haßt Udo Smalltalkrunden ohne Tiefe noch mehr als unrasierte Frauenbeine. Darauf würde er sich nur einlassen, wenn ihm statt dessen ein Zahnwurzelbehandlung drohte.

Udo schätzt an Profis, dass sie bestrebt sind gute Arbeit zu leisten. Dabei zuvorkommend, höflich und verbindlich bleiben. An guten Escorts schätzt er vor allem, dass sie pünktlich kommen und auch wieder pünktlich gehen. Keine Liebesschwüre, keine verlogenen Komplimente, nichts von alldem was das Leben kompliziert macht. Keine Fragen in denen er sich öffnen müßte, kein Geschwafel über Dinge die ihn eh nicht interessieren. Er sagt was er, und wie er es möchte, Punkt. Und da ein gutes Callgirl für viel Geld vor allem eine Illusion verkauft, weiß er woran er ist. Das ist berechenbar, planbar. Worüber sich sonst noch Gedanken machen? Udo freut sich auf die kommende Illusion, einfach weil er sich das leisten kann. Wenn er das Geld nicht übrig hätte, würde er das sicher nicht tun. Udo betrachtet sein Leben eher nüchtern. Die gekaufte Illusion erscheint ihm akzeptabel. Sie passt in seine Sicht auf sein Leben.

Udo schließt die Augen und malt sich die nächsten Minuten aus. Er beginnt sich ein Bild zu machen. Genau so, wie es ihm die Dame des „City-Premium-Escort“ beschrieben hatte. Sie wird auf ihn zuschreiten, der Gang einer Lady. Ihr Lächeln ist ein Versuch ihre Befangenheit überspielen. Sie ist groß und dezent geschminkt. Ihre Figur wird den Raum in Schwingungen versetzen und ihn zu einer Erektion animieren. Sie trägt elegante Pumps, Jeans und eine weiße Bluse unter einer Wildlederjacke. Und wenn sie seine Wünsche beherzigt hat, trägt sie weder Unterwäsche noch Büstenhalter. Udo liebt Profis!

„Herr Sperling?“, Udo öffnet die Augen. Vor ihm steht die junge Kellnerin. „Ja, bitte?“. „Herr Sperling, also da..., da ist Jemand am Empfang. Jemand hat nach ihnen gefragt. Ich weiß aber nicht so recht.“
Udo mag kein Rumgedruckse. Profis behalten immer die Fassung. Profis wissen wie sie mit jeder Situation umgehen. Aber gut, die Dame ist eben noch ...jung. Ihr fehlt noch die Abgebrühtheit echter Profis. Das wird sich mit den Jahren und Erfahrung noch geben.
„Wer ist ...Jemand?“, fragt Udo die Kellnerin.
„Also, wie soll ich sagen? Eine, äh... Dame, würde ich sagen, aber...“, erwidert ihm die Kellnerin.
„Na, dann bitten sie die Dame doch herein, würde ich sagen.“, schneidet Udo ihr den Satz ab.
„Wie sie wünschen, Herr Sperling.“, antwortet sie und geht zum Empfang zurück.

Seltsamer Auftritt, hallt es in Udo nach. Er schließt die Augen und bastelt sich seine eben verlorene Stimmung wieder zurecht. So bemerkt er auch nicht, wie sich die Geräuschkulisse des Raumes absenkt. Wie die Gespräche sich in erstauntes Verstummen verlieren. Erst als ihn eine Stimme in der Tonlage von Amanda Lear anspricht, kehrt Udo ins Jetzt zurück.

“Bist du der Sperling, der einen Escort bestellt hat? Guten Tag ich bin Rita!“

Udos Bild zerbröselt, schon bevor er die Augen öffnet. Irgendwas stimmt hier nicht. Zunächst blenden ihn knallrote Plateaustiefel aus Lack. 20 cm lange Absätze bohren sich in den Teppichboden. Sein Blick folgt dem Verlauf der Stiefel, die erst über dem Knie enden. Darüber Latex in freundlichem Schwarz. Sein Blick bleibt dort hängen, wo die Schenkel der Frau zusammenlaufen. Dies geschieht weniger aus Lust, eher weil sein Blickfeld genau dort endet, wenn er den Kopf in den Nacken legt. Udo versucht dieses Bild mit seinem Plan in Übereinstimmung zu bringen. Es gelingt ihm nicht. Etwas ist hier komplett außer Kontrolle geraten. Es gibt wenige Situationen die Udo überfordern. Wenige bringen ihn an seine Grenze. Udo hat immer ein Ass im Ärmel, einen Plan B. Nur jetzt nicht. Die Sekunden erstarren zu Blei und Udo fühlt sich machtlos. Seine Schläfen verhärten sich, seine Körper ist mit dem Sessel verschweißt. Hilflosigkeit, ein fremdes und für Udo neues Gefühl, lähmt ihn, befördert ihn in die Rolle eines Statisten.

Udo seufzt, ...einmal mit Profis arbeiten...
*****ine Mann
912 Beiträge
Na ja, was soll ich sagen...

Zunächst mal herzlichen Glückwunsch und Anerkennung, dass du deinen Text nochmal überarbeitet hast und bestrebt bist, deinen Stil zu verbessern. Das ist dir zum Teil gelungen, finde ich.

Was mich in der zweiten Version stört, ist das neue Ende. Ich mochte das Ende der Version davor. Das geänderte wirkt irgendwie überzeichnet, als wolltest du unbedingt einen komödiantischen Punkt setzen, indem du die Erwartungen der Leserschaft absichtlich enttäuschst, indem du diese Karikatur einer Escort dort auftreten lässt. Trotzdem halte ich es für unwahrscheinlich, dass eine professionelle Escort in diesem Aufzug in einem Hotel in die Lobby marschieren würde, geschweige denn gegenüber ihrem Kunden auftreten. Die würde sich bei einem ernstzunehmenden Kunden eine verdiente Abfuhr einhandeln. Es sei denn, deine Hauptperson hätte am ziemlich weit unteren Ende der Preisskala bestellt.

Und wenn ich mir die Anmerkung zu deiner Kellnerin erlauben darf: da widerspricht sich auch noch einiges, was ihr Verhalten angeht.

Andererseits hat mich dein Beitrag zum Nachdenken gebracht... mir gefällt das Szenario, dass du zeichnest, und ich frage mich, wie ich selbst sowas wohl aufarbeiten würde. Bekomme ich die Erlaubnis, deinen Beitrag aus reiner Neugier zu "covern"?
*****ine Mann
912 Beiträge
Der Thread-Ersteller hat mir dankenswerterweise die Erlaubnis gegeben, seinen Text zu "covern", also eine eigene Interpretation davon zu erstellen. Hintergrund ist, dass ich die Szenerie anregend fand und mich selber daran erproben wollte. Ich stelle diese hier dazu, wenn es erlaubt ist. Ziel ist nicht, ihm direkte Konkurrenz machen zu wollen. Trotzdem freue ich mich über Vergleiche, Anmerkungen und Kritik, ehrlich gesagt bin ich selber noch nicht vollkommen zufrieden damit.


Clubsessel, das ist Udo Sperlings feststehende Meinung, sind an die meisten Clubs der heutigen Zeit verschwendet, geschweige denn an die meisten Hotellobbies. Dieses Exemplar hier, mit seinem rissigen, gründlich von Gebrauch und Alter polierten Lederbezug, den ausladenden Armlehnen und der hohen Rückenlehne macht seinen Job wirklich großartig und wäre in seinem Wohnzimmer hervorragend aufgehoben – allerdings macht die Raucherlounge, in der er steht, auch einen wirklich guten Job, dem Sessel eine gute Kulisse zu bieten.
Wer hier nicht hereinpasst, ist der Großteil des Klientels. Udo fällt in seinem dezenten, schlicht eleganten Dreiteiler, drei Finger breit teuren Schotten über Eis in der Hand, vor dem Hintergrund der holzgetäfelten Lounge überhaupt nicht auf, seine gelassene Zufriedenheit passt fugenlos in den Sessel, wie der Sessel in den Raum passt. Während seine Augen diskret, aber in beständiger Tätigkeit den Raum durchwandern, regt sich ansonsten an ihm nur gelegentlich die Hand, wenn er gemessen an seinem Whiskey nippt.

Was man von den restlichen Kandidaten hier drin nicht behaupten kann. Die sind relativ schnell in ein und dieselbe Kategorie eingeteilt: Wichser.
Da sind zum einen die ewig hektischen, macchiatoschlürfenden Reserve-Hipster, halbgare, schmächtige Bubis in Synthetik-Anzügen und Turnschuhen mit ihren Kopfhörern und Mobiltelefonen, die Versicherungs-Kevins und Informatiker-Maltes, die unter ihrer modischen Gelfrisur und ihrer Designerbrille tapfer den Versuch eines Vollbarts zur Schau stellen. Dann sind da noch die schlecht gealterten, übergewichtigen Lokalmatadore mit den überquellenden Wänsten und den schlecht gebundenen Krawatten, die zum Mittag schon das erste Bier über ihr Doppelkinn wuchten. Dazwischen schwatzhafte, überschminkte Kolleginnen mit Doppelnamen, Frustfalten um die Augen und Kindernamen-Tätowierungen auf den Unternamen, unter deren rosafarbenen Joggingjacken und pastellfarbenen Leggins Speckröllchen hin und quellen, wenn sie gekünstelt lachen und gestikulieren.

Die Kellnerin erscheint, und Udos Blick heftet sich fast automatisch an sie, während sie den Raum durchquert. Ihre Berufskleidung ist klassisch, fast konservativ: sauber gebügelte, hochgeschlossene weiße Bluse, dunkelgraue Schürze, Bauchtasche aus Leder, ein schwarzer Rock, dessen Saum ein gutes Stück über den Knien endet. Dazu eine dezente Strumpfhose und halbhohe Schuhe. Sie ist noch jung, etwa Anfang zwanzig, Studentin vielleicht, aber ihre aufrechte, straffe Haltung und ihre zügigen Schritte strahlen aus, dass sie weiß, was sie tut. Als sie sich tief bückt, um einen frei gewordenen Loungetisch abzuräumen, rutscht ihr Rocksaum in die Höhe und zeichnet nicht nur die Konturen eines durch viel tägliche Bewegung straff geformten Pos nach, sondern gibt auch den Blick frei auf ebenso straff geformte Oberschenkel. Viel weiter dürfte er nicht mehr hochrutschen, sonst könnte die halbe Lounge erkennen, was sie darunter trägt. Mehrere der übergewichtigen Platzhirsche glotzen ohnehin schon, stillos und aufdringlich wie in einer schlechten Peepshow. Lautstärke und Tonfall einiger Gespräche ändern sich abrupt.

Macht sie es absichtlich? Ist sie sich ihrer Wirkung bewusst, oder ist es die Unschuld der Jugend? Prüfend streift Udos Blick ihr Gesicht, als sie sich wieder aufrichtet und umdreht, und für einen Moment begegnen sich ihre Blicke, als ihre Aufmerksamkeit ihn streift. Schwarze Haare hat sie, und ein schmales, interessant geschnittenes Gesicht. Die Augen blicken ernst, aber nicht unfreundlich, und um ihre geschwungenen Lippen liegt ein fester Zug. Udo lächelt hinter dem Rand seines Glases, während er am Whiskey nippt. Sie weiß es, stellt er fest. Sie weiß, wer sie ist und wie sie wirkt. Im Vorbeigehen versucht er, sich die Konturen ihres Körpers unter der gestärkten weißen Bluse vorzustellen, Form und Größe ihrer Brüste. Ist ihr Freund einer dieser schmächtigen, großmäuligen, durchgestylten Hipster-Bubis in ihrem Alter, an den das Geschenk ihres Körpers verschwendet ist und mit dem sie sich im Bett heimlich langweilt, während sie an andere denkt? Oder windet sie sich stöhnend in den Armen eines Älteren, während ihr Körper auf Anleitung und sanften Zwang reagiert?
Junge Frauen brauchen nicht unbedingt Erfahrung, wenn sie mutig genug sind, zu akzeptieren, was sie sind. Dann überfordern sie gleichaltrige Jungs und halten Männer auf Trab.
Die übergewichtigen Legginsweiber mit ihrer verklemmten, konventionellen Hausfrauenmentalität, die ihrem Auftritt die Kulisse bilden, haben diesen Mut offenbar nie gehabt. Sonst hätten sie nicht diese Frustfalten und Fressrollen, und Fotos von Katzen auf ihren Schreibtischen.
Unter den richtigen Umständen, für den richtigen Mann, können Frauen wie diese Kellnerin ein echtes Geschenk sein. Für Udo muss heute die Vorstellung genügen. Er hat für den Abend bereits Vorkehrungen getroffen. Und die sind durchaus professioneller Art.

Der Ton der Gespräche im Hintergrund ändert sich abermals, als seine Verabredung eintrifft. Sie ist pünktlich, das muss er ihr ohne Neid zugestehen, und sie hat offensichtlich vorher recherchiert: ihr Kleidungsstil ist augenfällig, aber er passt in die Umgebung, ohne aufdringlich zu wirken. Ihre Haltung ist aufrecht und selbstbewusst, den Kopf erhoben erforscht ihr Blick mit kühnem Schwung den Raum, bevor sie nach unauffälligem Zögern auf ihn zu schwenkt. Stoffhose, Bluse und dunkle Abendjacke schmeicheln ihrer schlanken Figur. Ihr Kleidungsstil passt zu einer Geschäftsfrau, und genau genommen ist sie das auch. Ihre selbstbewusste Ausstrahlung, ihr prüfender Blick und ihr anerkennendes Lächeln versprechen Fachkenntnis und die Abgebrühtheit, davon Gebrauch zu machen. Darin sind gute Escorts übrigens guten Polizisten sehr ähnlich.
Udo erhebt sich zur Begrüßung, und sie neigt den Kopf, ohne ihre Augen von seinen zu lösen, lässt ihn wortlos wissen, dass sie die Geste und deren Geist zu würdigen weiß.
Der Abend fängt gut an. Udo liebt es, mit Profis zu arbeiten.
Was mir gefällt
sind Sätze wie dieser:

********tenx:
Die meisten der im Raum anwesenden Herren sind irgendwo in seinem Alter, ein paar etwas darüber, ein paar etwas darunter. Ausnahmslos tragen sie in ihren Gesichtern die Bürde von Hypotheken, Kindern im Studium und Ehefrauen mit Ansprüchen.

Diese Gedanken charakterisieren Herrn Sperling treffender als ausufernde Beschreibungen.

Ja, und durch die rigorose Streichung vieler Adjektive hat der Text zweifellos gewonnen (für meinen Geschmack).

Das neue Ende? Vielleicht einen Tick zu ausführlich, aber deutlicher, klarer.

Frage: Womit schreibst Du? Hoffentlich nicht auf einem Smartphone *gg* Weil die

********tenx:
Udo Sperling sitzt seit einer halben Stunde in der Raucherlunge seines Hotels.

Raucherlunge hier ganz nach dem Produkt einer vorwitzigen Autokorrektur klingt *zwinker*

Also, m.E. hat der Text deutlich gewonnen. Und auch von mir *hutab* dafür, dass Du Dich zu einer Überarbeitung entschlossen hast (somit hat man das Gefühl, dass die geäußerte Kritik ein wenig wergeschätzt wird *g* )

Bin gespannt, was andere Mitglieder der KG dazu sagen...
Du hast es nicht anders gewollt
Also die brutale Variante. Mit ein bisschen Bewegung und ohne Attribute.

Clubsessel sind Verschwendung, an Hotellobbies sowieso. Das ist mal ein Fakt, dachte Udo Sperling und ließ seinen Kopf gegen die Rückenlehne sinken. Allerdings machte der hier, mit seinem von Hintern und Zeit poliertem Lederbezug, seinen Job großartig. Noch besser hätte er sich nur in Udos Wohnzimmer gemacht – wenn auch ohne die Kulisse der Raucherlounge.

*****ine Mann
912 Beiträge
CC, was genau möchtest du uns sagen? Und vor allem, wem von uns? *lol*
*****ree Frau
22.064 Beiträge
Ich finde durch die ganzen Streichungen verliert der Sessel an Glamouröstät und er verkommt zu einem normalen Clubsessel in einer Hotellobby. Ohne fehlt mir das schillernde! Eines Hauptdarstellers oder Solisten

Nur meine Meinung .
Das weiß ich selbst noch nicht so genau
Da der Wüstenbewohner damit angefangen hatte, habe ich einmal mein Brennglas heraus geholt und ein bisschen Schärfe eingestellt. Am liebsten hätte ich noch ein paar Kraftausdrücke eingebaut, aber dann hätte ich andere Wörter als in eurer Vorgabe verwenden müssen. Der Grund sind zwei Bauchgefühle:
1. Der liebe Udo kommt bei mir rüber wie ein weichgespülter Softie, der gerne ein böser Junge sein möchte, aber der seine Eier zu Hause gelassen hat.

2. Ich bin zu weit weg von ihm. Ich sehe das, was da abgeht, nur wie durch ein Fernrohr - oder durch ein Sprachrohr, nämlich das des Erzählers. Ich will aber riechen, wie der Typ schwitz, den Whisky schmeckten und das Leder des Sessels unter meinen Händen fühlen.


Das sind die beiden Hauptgefühle, die mich bei dem Text bewegen. Die beiden Sätze waren ein Versuch, es nah anzugehen, ihn näherheranzurücken.
Eine gar nicht so
schlechte Idee: Wenn hier einfach ein paar mehr Leute das Grundkonstrukt nehmen und auf eigene Art interpretieren? (so wie bei "Sing my Song")

So ein bisschen "Stil-Prägung" reinbringen... das kann doch nur Sichtweisen erweitern, oder?

Finde ich nicht schlecht, CChristian, was Du da gemacht hast. Das inspiriert.

Natürlich geht das nur, wenn der Urheber sein Okay dazu gibt *zwinker*
********tenx Mann
331 Beiträge
Themenersteller 
Meinen Segen dazu habt ihr. *hutab*
Gelungene Unterhaltung
Nun, was ist der Zweck einer Kurz-Geschichte? Natürlich die Leser zu unterhalten. Bei mir ist Dir das gelungen. Die Variationen des Endes finde ich absolut amüsant, das gibt der Geschichte die besondere Note.

Wie schon erwähnt, ist die Handlung einfach: Gelangweilter Geschäftsmann mit Geld bestellt Nutte! Doch das unterschiedliche Erscheinen der Dame und die daraus entstehende Wirkung auf die anderen Anwesenden gibt der Geschichte die Würze.

Du hast meine Fantasie dazu angeregt mir verschiedene Enden auszudenken. Auch wäre interessant die Beobachtungen der anderen Anwesenden zu sehen bzw. zu lesen. Das wäre dann der Grundstein für eine Kurzgeschichtensammlung.
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