Kurz vor dem Ruhestand - eine Kriminotiz
Hier ein erstes Kapitel eines Krimis … Vielleicht gefällt Euch der Ansatz und meine Frage wäre, ob dieser Ansatz zum Weiterlesen motiviert. Wenn ja, gut … wenn nicht, worüber seid ihr gestolpert? Der Tag, an dem Theo zu Tode kam
Ein philosophischer Krimi zum Untergang des Abendlandes
1. Kapitel
Worin Frau Sophie kurz vor ihrer Pensionierung und am frühen Morgen einen Anruf von Herr Sokrates erhält und mit einem neuen Fall betraut wird, der angeblich die Welt ist, weil ihr Vorgesetzter Urlaub machen möchte.
Frau Sophie mochte keine Leichen. Schon gar nicht am frühen Morgen während der Stille ihrer Kaffeemeditation, wenn der Tag noch unschuldig in ihre Küche flutete. Ihr schien zu diesem Zeitpunkt der Tod das Unwirklichste des Lebens zu sein und die Anforderungen der Zeit als etwas zutiefst Ungerechtes. Nicht das Ende des Lebens als Tatsache empfand sie als ungerecht, sondern, dass es immer zum falschen Zeitpunkt kam. Deswegen wurde sie in ihren jungen Jahren Kriminalbeamtin, hatte es nach vielen Jahren gründlich satt, Tätern hinterher zu jagen und freute sich auf ihre Pensionierung in zwei Wochen. Sie war scharfsinnig und scharfzüngig. Daher hatte sie schnell Karriere gemacht, war aber auch schnell unbeliebt geworden in den Reihen der Kollegen. Schnell, das hieß wie das Schwert eines japanischen Samurai. Ihr Verstand konnte Fakten zerschneiden, bis die Konstruktion des Beweises hieb- und stichfest war.
Sie hasste es, wenn in die Stille des Morgens hinein, ihr Handy plärrte. Sie verspürte keine Neugierde und keine Lust, den Anruf ihrer Dienststelle entgegen zu nehmen. Warum konnte diese nicht ihre Meditationszeit respektieren - zwei Wochen noch bis zu ihrer Pensionierung. Ist das zu viel verlangt? Sie war jetzt eine ältere Lady und hatte genug geleistet. Aber das Plärren des Handys dachte nicht daran, aufzugeben. Frau Sophie hatte sich nie um einen angenehmeren Klingelton gekümmert. Sie mochte kurz vor ihrer Pension keine Leiche mehr sehen und keine möglichen Täter und den wirklichen Täter erst recht nicht. Und sie ahnte nicht im Geringsten, dass dieser Fall zwar nicht ihr schwierigster, aber ihr kuriosester werden würde.
Ärgerlich nahm sie den Anruf an. Die Stimme ihres Vorgesetzten Eugen Sokrates meldete sich.
»Ich weiß, dass sie in zwei Wochen in den Ruhestand gehen. Aber wir haben eine Leiche.
»Sie wissen nichts«, sagte Frau Sophie schnippisch.
»Ja, ich weiß«, sagte Herr Sokrates und seufzte. »Deshalb brauche ich sie ja. Und sie wissen, dass ich den Sommerurlaub in Griechenland gebucht habe. Jedes Jahr dasselbe, meine Frau will das so. Bis dahin muss der Fall von meinem Tisch. Meine Frau sagt, dass wir jetzt gerade die Griechen unterstützen sollten ...«
»Ach?«
»Ja! Darum beeilen sie sich!«
Bevor sie sich auf einen ellenlangen Dialog mit ihrem Vorgesetzten einließ, drückte sie die Taste. Den meisten würde das unhöflich erscheinen, aber Herr Sokrates war es gewohnt, von seiner ältesten Beamtin dermaßen behandelt zu werden. Er hatte dies im Laufe der letzten Jahre akzeptiert, denn Frau Sophie arbeitete schnell und präzise. Ohnehin neigte ihr Vorgesetzter zu Dialoge, die nahtlos übergingen in Monologe, weshalb insbesondere junge Nachwuchsbeamte, die den Chef noch nicht so gut kannten, nach einer solchen Suada ernsthaft überlegten, entweder den Dienst zu quittieren oder sich die Kante zu geben (was der hauseigene Pathologe übrigens regelmäßig tat, aber dazu später.) Die Betriebsfeierlichkeiten der Abteilung waren darum berühmt und berüchtigt, weil der Chef eine, nein mehrere Reden zu halten pflegte, wobei der Belegschaft auffiel, dass die alkoholischen Getränke innerhalb kurzer Zeit zu neige gingen. Einige von Frau Sophies Kollegen befanden, dass bei diesen Feiern eigentlich die Anwesenheit eines katholischen Geistlichen von Nöten wäre, nicht wegen der Notfallseelsorge, sondern wegen der eventuellen Fähigkeit, Wasser in Wein zu verwandeln. Sophie war der einzige Mensch, die ihren Chef unterbrechen konnte, indem sie schlicht demonstrativ mit dem nächstbesten Gerät des Buffets schepperte - je nachdem, wie sie gelaunt war. Sie meinte auch ihren Kollegen überzeugend darlegen zu können, dass die Dialoge, Monologe und Reden von Sokrates über die Jahre nur deshalb ausuferten, weil sich besonders in den Abendstunden der Dienstschluss nahte und ihr Chef nicht nachhause wollte.
Sie würde sich sofort zum Fundort der Leiche begeben, obgleich sie wusste, dass der Tote nun alle Zeit der Welt hatte. Ihm würde so etwas wie Zeit nicht mehr kümmern. Frau Sophie trank in Ruhe den Kaffee aus. So viel Zeit musste sein.