Endlich Frühling
Endlich Frühling
Carlos kam und brachte uns den Frühling.
Nein, Carlos ist kein unterbezahlter Amazonknecht. Und noch kann man selbst bei Herrn Besoz kein Wetter bestellen.
Carlos war die erste Hochwetterlage des Jahres und ebenso willkommen, wie eine Paella auf einer spanischen Hochzeit.
In Hochstimmung – ein dreifach Hoch auf diesen Tag – schlendern wir über den Findorffer Wochenmarkt.
Heute werden wir draußen essen. Endlich wieder.
Die Verkäufer in ihren Verkaufsständen sind ebenfalls bestens gelaunt. Überall sehen wir fröhliche Gesichter. Einige noch hinter Masken verborgen.
An vielen Ständen werden Häppchen angeboten. Käsewürfel hier, Salamischeiben dort. Oliven und marinierte Artischocken. Sogar der sonst so grummelige Fischhändler, der immer extra aus Cuxhaven hierherkommt, spendiert etwas Räucherfisch. Wir greifen freudig zu.
Nach dem Fisch, der ja bekanntlich schwimmen muss, genießen wir zwei Gläser frisch gepressten Orangensaft mit etwas Minze. Über den Rand deines Glases schaust du mich vielsagend an.
Ich leere mein Glas und stelle es auf den schmalen Tresen. Dabei komme ich dir sehr nahe und flüstere in dein Ohr: „Ja, ich auch.“
Du lächelst und die Sonne scheint plötzlich noch heller zu strahlen.
Wir drehen weiter unsere Runden über den Markt. Kaufen etwas Hühnerbrust beim Cuxland-Schlachter. Oliven, Humus und einen Frischkäse-Dip haben wir schon zuvor mitgenommen. Nun noch Salat und ein paar Tomaten.
Dann noch einmal Schlange stehen beim Steinofen-Bäcker. Das Brot ist einfach der Hammer. In der Schlange stehe ich hinter dir, umschlinge deine Hüfte mit den Armen und lege mein Kinn auf deine linke Schulter. Ich kann es zwar nicht sehen, weiß aber, dass du auch jetzt lächelst.
Eine vorbeigehende Frau wirft uns einen missbilligenden Blick zu. Wir kichern.
Etwas in mir wurde gerade getriggert.
„Wenn wir gleich zu Hause sind, fick ich dich erst mal schön durch“, sage ich so beiläufig, als würde ich dich daran erinnern, dass wir noch den Rasen nähen müssen.
Ich sage es gerade so laut, dass unklar bleibt, ob die anderen in der Schlange es gehört haben. Du prustest vor Lachen laut los.
Diesmal ein böser Blick von dem älteren Mann vor uns. Ich tue völlig unbeteiligt. Du greifst mir kurz in den Schritt und drückst einmal fest zu. Jetzt kichern die zwei jungen Frauen hinter uns.
Kurz darauf sitzen wir im Auto und küssen uns leidenschaftlich. Dass das Dach offen ist und die anderen Marktbesucher uns dabei zusehen können, stört uns nicht im Geringsten.
Ein kleines Mädchen ruft fröhlich: „Guck mal Mama, die knutschen!“
Wir winken ihr ebenso fröhlich zu. Mama ignoriert uns. Das Mädchen winkt enthusiastisch zurück.
Auf der Rückfahrt liegt dein Kopf an meiner Schulter und der Fahrtwind bläst mir dein blondes Haar ins Gesicht. Deine rechte Hand streicht über meine Schenkel. Paul Weller singt. „You do something to me.“
Als ich später in die Küche komme, kümmere ich mich zuerst um das Hühnchen. Nachdem ich es gewaschen und Fett, Haut und Sehnen entfernt habe, schneide ich es in mundgerechte Stücke. Aus Olivenöl, Knoblauch, Kräutern der Provence, geräucherten, spanischen Paprika und etwas Limettensaft bereite ich eine Marinade.
Gerade als ich damit fertig bin, das Fleisch damit zu überziehen, kommst auch du herein. Dein Haar ist noch etwas feucht und verwuschelt. Der Geruch von Duschgel eilt dir voraus. Du trägst ein dünnes, weißes Sommerkleid mit kleinen, roten Rosen darauf. Ich sehe gleich, dass du auf einen BH verzichtet hast. Sofort schießt mir das Blut zwischen die Beine.
Du kommst zu mir, drängst dich an mich und schiebst mich an die Anrichte zurück. Deine Hände halten mein Gesicht und du gibst mir einen langen Kuss. Da meine Hände noch voll Marinade sind, halte ich sie etwas linkisch in die Höhe. Ölige Tropfen laufen kitzelnd über meine Unterarme.
„Was soll ich machen?“, fragst du aufgekratzt, nachdem du dich von mir gelöst hast.
„Wie wäre es mit Tabbouleh?“
„Oh ja, wenn du mir nur noch kurz erklärst, was das ist“, sagst du in einem sehr sachlichen Tonfall. Auch so eine Art von dir, die ich mag.
„Das ist ein Bulgur-Salat. Kommt aus dem Libanon, aber es gibt davon viele Variationen. In der Türkei sagen sie zum Beispiel Kisir dazu.
Meistens wird er aus glatter Petersilie und Bulgur oder Couscous zubereitet. Dazu kommen kleingeschnittene Tomaten und Zwiebelwürfel. Das wird mit Olivenöl, Zitronensaft angemacht und dann mit Salz, Pfeffer und etwas frischer Minze gewürzt. Je nachdem, ob er als reiner Salat oder eher als Sättigungsbeilage gereicht wird, variiert man die Zutaten.“
„Das hört sich prima an. Wo finde ich den Bulgur?“
„Der steht drüben in der Speisekammer oben links auf dem ersten Bord."
Ich schaue dir nach und kann mein Glück kaum fassen.
Als du zurückkommst, stehe ich noch immer so da.
„Alles okay?“ „Ja klar, ich bin nur etwas überglücklich.“
Noch einmal schenkst du mir einen langen Kuss. Nicht ganz so lang wie der letzte, dafür feuchter.
Nachdem ich mir die Hände gewaschen habe, beginne ich mit der Zubereitung eines weiteren Dips. Dafür röste ich zuerst eine Handvoll Erdnüsse. Als sie leicht gebräunt sind, gebe ich sie zum Abkühlen in eine Metallschüssel. Ich vermenge eine Portion Ziegenfrischkäse mit Ayvar - einer Paprikapaste - und rühre noch etwas Granatapfelmelasse unter.
Ich bemerke, wie du zum wiederholten Male unauffällig ein paar der gerösteten Nüsse stibitzt.
„Jetzt ist aber genug!“, schimpfe ich mit dir. „Meinst du, ich sehe das nicht?“
„Es waren doch nur ganz wenige“, gibst du kleinlaut zu.
„Du hältst dich wohl für ein ganz raffiniertes Eichhörnchen.“
„Jaaa! Und ich interessiere mich für zwei ganz besondere Nüsse.“
„Ja sicher. Die bekommst du aber erst später. Und diese hier werden jetzt gehackt und nicht genascht.“
Du ziehst übertrieben die Mundwinkel nach unten und ich bemerke, dass ich dich selbst dann noch schön finde, wenn du Grimassen schneidest.
„Was macht denn eigentlich das Tabbouleh?“
„Der Bulgur dafür ist fertig und muss jetzt abkühlen. Ich schneide jetzt die Tomaten und Zwiebeln, Chef.“
„Sehr gut, Smutje. Glatte Petersilie und Minze sind noch drüben im Tiefkühler.“
Wieder folgt dir mein Blick.
Konzentration!
Ich nehme das Holzbrett mit der Mulde und das dazu gehörende Wiegemesser. In kleinen Portionen zerkleinere ich die gerösteten Nüsse und gebe sie dann zu dem Ziegenkäse-Dip.
Es ist eine Abwandlung des als Muhammara bekannten Dips, der ursprünglich aus Aleppo in Syrien stammt. Dort wird eine Paste aus gerösteter Paprika, Kräutern und gerösteten Walnüssen hergestellt und als Vorspeise, Brotaufstrich oder Beilage gereicht.
Du bist fast fertig damit, eine Tomate und eine rote Zwiebel in kleine Würfel zu schneiden. Ich stelle mich neben dich und streiche dir mit der Hand über deinen süßen Po. Dabei bemerke ich erfreut, dass du nicht nur auf den BH verzichtet hast. Meine Hand fährt zwischen deine Backen, die du sogleich zusammenkneifst.
„Na na, jetzt wird hier nicht herumgespielt“, ermahnst du mich mit übertriebenem Ernst. „Was ist denn mit dem Hühnchen?“
„Mach ich jetzt“, sage ich und gehe die Pfanne holen, die sich in der Speisekammer befindet. Dort steht auch der Kühlschrank, in dem zwei Flaschen Wein auf ihre Bestimmung warten.
Unser neuer Favorit ist ein Rivaner / Riesling, der von einer Firma hier in Bremen vertrieben wird. Unter dem Markennamen „Am Meer“ vertreiben sie sieben verschiedene Weine in veganer Bio-Qualität.
Um meine geschätzte Beiköchin wieder milde zu stimmen, bringe ich auch eine der beiden Flaschen mit.
„Gläschen Wein gefällig?“
„Oh ja!“
Ich schenke uns zwei Gläser ein und bemerke, dass du inzwischen schon bei der glatten Petersilie angekommen bist. Fehlt nur noch etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer und das Tabbouleh ist fertig. Wir stoßen an und tauschen ein paar Zärtlichkeiten.
„Der Wein ist wirklich köstlich.“
„Ja, du auch.“
Zeit, den Gasherd zu entfachen.
Als die Pfanne etwas Temperatur hat, gebe ich ein Stück Ghee - geklärte Butter - hinein. Ghee hat eine schöne nussige Note, und da sie kein Wasser mehr enthält, spritzt es auch nicht beim Erhitzen.
Nach und nach, gebe ich die Fleischstücke hinein.
In nur wenigen Minuten sind sie gar und etwas angebraten. Ich lösche sie kurz mit ein wenig Wein und etwas Marinade ab und gebe sie in eine kleine Schüssel, die ich zuvor in heißem Wasser angewärmt hatte..
Fehlt nur noch der grüne Salat. Wir hatten uns für einen Romanesco entschieden.
Er bekommt nur ein wenig Dressing aus einer Mischung aus Olivenöl, das ich direkt über eine spanische Kooperative beziehe, Salz Pfeffer und Himbeer-Essig.
Schnell noch das Steinofenbaguette aufschneiden und wir sind fertig.
„Deckst du den Tisch draußen? Ich räume schnell auf.“
Statt einer Antwort küsst du mich auf die Wange und beginnst ein Tablett mit Tellern, Besteck und Essen zu beladen.
Kurz darauf sitzen wir im Garten und alles, was uns trennt, sind die gemeinsam zubereiteten Köstlichkeiten.
Wir halten noch einen Moment inne, sehen uns an und auch ohne Worte wissen wir beide, dass wir gerade glücklich sind.
Wer sich über veganen Wein informieren möchte, kann dies hier tun:
https://www.neunweine.de/inf … -weinliebhaber-kennen-sollte