Goethe oder was?
Zur Faust-Inszenierung im Schauspiel Frankfurt/M.
Man kennt ihn oder meint zu kennen,
und spielt man ihn, dann alle rennen,
Theaterplätze ausverkauft,
so jetzt gescheh‘n, mon Dieu: verschnauft!
Es ist der Faust, der dieses schafft,
liegt das nun an des Stückes Kraft?
Oder vielmehr am Klassiksog?
Weh dem, der sich da selbst betrog.
Allein der Text, okay, bekannt,
wird rezitiert im ganzen Land,
auch hält er her zum Schülerquälen,
Lyceen bergen ihn in Sälen,
die manchmal noch getäfelt sind,
mal muffig, mal mit frischem Wind.
Doch nun, was regt mich an zu schreiben?
Es ist gerade Bühnentreiben,
in Frankfurts morschem Schauspielhaus
lässt man den FAUST aus Büchern raus.
Mit Jahrmarktklängen bunt und blinkend
sitzt in der Geisterbahn, stets winkend,
ein Wolfram Koch mephistolike,
plus Faustgeripp‘ aus altem Teig.
Dann wird in einer Windeseile,
Faust 1 Text ausgespukt, der geile
macht sich mit seinen ganzen Recken
ja immer gut, auch beim Derblecken.
So kommt es wie es kommen muss,
erst will man Grete, dann ist Schluss
und nach der Kindermordsequenz
ist frei vom Eise man und glänzt.
Das Hin und Her ist wohl bekannt,
Mephisto triumphiert galant,
spielt Heinrich Faust sehr oft ins Aus,
der stets gedoppelt blass! Pardauz!
Mit plakativen Überschriften dann
der Start ins zweite Faust-Gewann,
um Frankfurt recht zu inszenieren
diesmal im Freien vor den Türen,
hier tummeln zwischen U und Bahnen
sich Kaiser, Kanzler, sonstge Ahnen.
Am Golde hängts zum Golde drängts,
ein Riesenpudel kommt schon längs,
oft Lacher aus dem Publikum,
zustimmend stets, ja, gar nicht dumm.
Faust 2, der Text ist, Gott bewahre,
ja literarisch eine Ware,
die selbst von Goethen mal vergessen,
dann rausgeholt und neu vermessen.
Inszenatorisch hat dies Grösse,
denn niemand gibt sich eine Blösse,
wenn in der Jetztzeit neu gemischt,
das was schon damals unterm Tisch.
So kommen in den drei, vier Stunden,
nach dem Teil 1 dann unumwunden
alle Gestalten auf die Bühne,
von Helena zur Hexensühne.
Man spielt mit Freude, lässt es krachen,
mal Stroboskop, mal andre Sachen,
führt Dialog im Publikum,
der Kommissar reist weit herum.
Er ist so überaus präsent,
dabei stets offen und behänd,
und stielt dem armen Faust die Schau,
nun ja, niemals dem Teufel trau!
Der Sound, die Bühne: sagenhaft!
Hier hat die Inszenierung Kraft,
holt aus dem trocknen Bücherstoff
Amusement und Culturezoff.
Bringt auch Verweis auf Krieg und Frieden,
politisch also viel zu bieten,
entmietet dann noch alte Leute,
gesabbert Kapital macht Beute.
Das Publikum sehr gut durchmischt,
es brüllt und tobt bis dann im Licht
nach dem Applaus die Bühn‘ ist leer,
vom Sitzen sind manch Beine schwer.
Summa summarum: sehenswert,
mit Faust macht man nicht viel verkehrt,
denn biegsam ist der Text wohl immer,
trotz vordergründgem Bildungsschimmer.
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Die Bühne wird nun frisch gefegt,
Mephisto muss auch das noch machen,
die Kittelschürz, unaufgeregt,
verführt erneut zu grossem Lachen.