Einmischen
Hör auf damit! Der kleine Junge strahlt mich an, zerzauster Blondschopf, blaue Augen:
Hallo!
Ich lächle zurück, erschrecke vor der Heftigkeit und der schrillen Stimme der Frau.
Du sollst ruhig sein.
Die dicke, hässliche Frau zerrt an seinem Arm.
Wer gibt sein Kind in die Obhut einer solchen Tagesmutter oder Oma?
Der goldige Knirps strahlt mich unvermindert an, zieht, wie als Ausdruck eines Bedauerns, ein wenig die Schultern hoch. Sie reißt ihn weiter, zwischen den Regalen des Supermarktes entlang. Ihr Keifen steigert sich.
Ich hab doch gesagt Du sollst damit aufhören.
Der Kleine plappert immer weiter mit seinem netten, lieben Kinderstimmchen, kein Quengeln, kein Weinen. Er hat eine Baseballkappe auf, eine Kindergartentasche umhängen.
Im nächsten Gang begegnen wir uns wieder, er zeigt ins Regal und fragt seine Begleiterin etwas.
Du sollst endlich aufhören! keift sie erneut.
Nun mische ich mich ein, es reicht!
Lassen sie das Kind doch, er macht doch überhaupt nichts, er ist doch nur freundlich und neugierig.
Mit verzerrtem Gesicht giftet sie:
Der nervt mich aber und außerdem geht das Dich überhaupt nichts an!
Ich bin sprachlos, hilflos, der Mann an der Theke der Metzgerei wendet sich vom Geschehen ab.
Doch, das geht mich etwas an und wenn sich jeder so früh einmischen würde, wie ich, gäbe es weniger misshandelte und tote Kinder!
Ich bin jetzt echt sauer, werde laut und drohe ihr damit, sie dem Jugendamt zu melden.
Na, mach doch!
Ist das Deine Mama? Der Kleine nickt traurig, senkt den Blick.
Ich erledige, zitternd vor Wut und Hilflosigkeit den Rest meiner Einkäufe. Die Frau begibt sich mit dem Kleinen in Richtung Kasse, zetert hinter mir her:
Das geht Dich nix an, kümmer’ Dich um Deinen eigenen Dreck!
Als ich kurz darauf in Richtung Kasse gehe, verliere ich sie aus den Augen, ihre lautes Organg verstummt.
Ich lasse meinen Einkaufswagen stehen, eile hinaus, um ihr zu folgen. Sie ist spurlos verschwunden. Die Verkäuferin reagiert gleichgültig, meine Fragen sind ihr lästig.
Nein, die kenne ich nicht weiter, nur als Kundin.
War mein Verhalten falsch, übertrieben? Was hätte das Jugendamt unternommen? Mit bleibt die Hoffnung auf liebevolle Erzieherinnen im Kindergarten und dass der Kleine trotz allem sein sonniges Gemüt behält…