Blue Notes - die Geschichte aus Sicht der Exfreundin
Ich stand gerade an der Käsetheke, als ich plötzlich Mike entdeckte. Peters bester Freund, mit dem er vor Jahren mal zusammen in einer Band gespielt hatte. Ich merkte schon, dass er mich entdeckt hatte, denn er versuchte krampfhaft nicht den Blick von den Weichspülern abzuwenden. Es versetzte mir einen Stich, denn ich beneidete ihn darum, dass er Peter jederzeit anrufen konnte, ihm auf die Schulter klopfte und der einfach so aus seiner Bierflasche trinken konnte, wenn er mal wieder nicht mehr wusste, wem welche gehörte. Seinen kalten Speichel vielleicht vom Flaschenhals ablecken konnte.
Ich spürte, wie sich ein Ziehen in meinem Brustkorb ausbreitete. Verdammt! Es war drei Monate her und noch immer versetzte mich die Vorstellung, dass er ihn gerade gesehen haben könnte in Panik.
Peter hatte nie verstanden, dass ich mit seiner Musik, Jazz, nicht wirklich so viel anfangen konnte, ich hatte mich bemüht, aber nach endlosen Trompetensolos verschlechterte sich meine Laune schlagartig. Zum Geburtstag hatte ich ihm Karten für ein Musical geschenkt, doch er ist wohl nur mir zuliebe mitgegangen. Wir hatten sogar noch einen Krach an diesem Abend.
Ich hoffte, dass Mike es mir nicht ansehen konnte, dass ich mich immer noch elend fühlte. Immer und immer wieder sagte ich mir, dass er mich eigentlich gar nicht verdient hatte. Warum nur schoss mir dieses blöde Musical ausgerechnet in diesem Augenblick durch den Kopf?
Mit der Käsetüte in der Hand schlenderte ich langsam auf Mike zu. Innerlich zog ich mir die Schultern nach hintern, plusterte meine Lippen ein wenig zum Schmollmund auf und begrüßte ihn so unbefangen, wie es meine Verfassung zuließ.
Wir plauderten ein wenig über dies und das, als ich ihn beiläufig auf das Konzert am Tag davor ansprach, von welchem Peter seit Monaten geredet hatte und in das die beiden unbedingt zusammen gehen wollten.
Nein, er sei nicht dort gewesen, habe keine Zeit gehabt.
Ich spürte, dass ich darauf gehofft hatte, dass er mir was von Peter erzählte.
Ich gab vor in Eile zu sein und meinte, ich wolle Peter nur noch am Nachmittag seine Jazz CDs vorbei bringen, die immer noch in meiner Wohnung rum lagen. Eile war etwas was ich in diesen Tagen nicht kannte, denn nichts war eilig genug, um mich vergessen zu lassen, dass Peter sich nicht mehr bei mir meldete.
Ich erkannte eine Spur von Mitleid in Mikes Blick, als er meinte, ich solle mir da mal Zeit lassen. Denn, hey! Peter und ich seien ja nicht mehr zusammen.
Meine Hand krampfte sich um meinen Einkaufskorb. 'Wir sind nicht mehr zusammen!', dröhnte es in meinen Ohren. Verdammt, warum sagte er mir das ausgerechnet jetzt? Was sollte das bedeuten?
Ich ließ ihn mit einer knappen Bemerkung stehen und wollte nur noch raus. Ich überholte eine ältere Dame, nur damit ich eher an der Kasse war.
Immer wieder dieser Satz, der so lapidar rüberkam, als sei es Jahre her, das Peter und ich zusammen waren. Als sei es eine Ewigkeit, dass ich morgens neben ihm aufgewacht bin, ihn mit meinen Beinen umschlungen hatte und erst nachgab, wenn er sich auf mich drehte und mir seine Morgenlatte reinschob. Er war immer so schlecht gelaunt morgens.
Meine Ohren hörten nicht auf zu dröhnen, als ich in meinem Auto saß, blind für alles um mich herum war und ferngesteuert den Weg zu seiner Wohnung einschlug.
Die Frage, ob er eine Neue habe, hämmerte in meinem Kopf. Eine Andere? War das möglich? Sollte Mikes Reaktion mir das signalisieren?
Es begann zu regnen, als ich das Auto gegenüber seinem Hauseingang parkte.
Eigentlich wusste ich gar nicht, was ich hier zu suchen hatte. Ich war hier und mein Herz schlug wie wild. Ich überlegte, ob ich einfach klingeln sollte. Einfach so, um mit ihm zu reden. Den Schlüssel zu seiner Wohnung hatte ich ihm damals vor die Füße geworfen. Ich hasste mich in diesem Moment, dass ich das getan hatte.
Plötzlich öffnete sich die Tür und eine Frau kam heraus. Sie sah umwerfend aus, groß, lange Haare, hatte eine tolle Figur. Sie blieb stehen und blinzelte zum Himmel, als müsste sie darüber lachen, dass es in diesem Moment aufgehört hatte zu regnen.
Im Geist ging ich alle Möglichkeiten durch, wen sie in diesem Haus besucht haben konnte.
Etwas in mir sagte mir, dass es Peter gewesen sein musste.
Mit beschwingtem Gang, irgendwie rhythmisch, lief sie die Straße hinunter.
Ich starrte hoch zu Peters Fenster, versuchte krampfhaft einen Schatten oder eine Bewegung zu erkennen.
Mochte diese Frau vielleicht Jazz? Eine brennende Eifersucht begann sich in mir zu regen.
Und mochte sie vielleicht Peter?
Meine Gedanken schossen wie ein Feuerwerk durch meinen Kopf, als ich mir vorzustellen versuchte, was die beiden zusammen gemacht haben könnten. Ich stellte mir vor, wie er ihren Körper berührt haben könnte. Wie er mit der Hand zwischen ihre Beine gegriffen hätte, so wie er es immer mit mir machte, als ich in der Küche stand und er sich von hinten angeschlichen hatte.
Damals.
Dann erst merkte ich, wie mir die Tränen runterliefen.
Ach verdammt! Was tust du hier nur? Vergiss ihn!, versuchte ich mir einzureden.
Ja vielleicht hatte er diese blöde Schlampe gefickt, hatte es mit ihr getrieben, während er diesen Miles hörte.
"Scheiß Jazz!" schrie ich mein Lenkrad an.
Dann fuhr ich nach hause.