Das zehnte Türchen
•
Zum Teufel mit Weihnachten
Protokoll von Purgatorium24.de
„Purgatorium24 – Guten Abend, ich bin Schwester Apocalyptica, was kann ich für Sie tun?“
„Äh … ja, Geier mein Name, Peter Geier … aus Bottrop … ich hab jetzt alle Geschenke für die Familie, nur nicht für meine Schwiegermutter … und ich bin pleite …“
„Ja, und wie kann ich Ihnen da weiterhelfen …?“
„Ja … ich dachte mir, ich könnte Ihnen meine Seele verkaufen … an den … äh, Teufel und so … bin da richtig?“
„Moment, bitte, Herr … Geier, ich brauche Ihre Sozialversicherungsnummer … „
… Er nennt seine Nummer …
„Ah ja … Herr Geier … zuvor noch: sind sie mit der Weiterverarbeitung Ihrer Daten einverstanden und dass dieses Gespräch auf Band aufgezeichnet wird?“
„Ja … okay“
„Gut, ich ermittle durch unsere Datenbank gerade Ihren Seelen-Score. Ahhhh … ich sehe gerade – Ihr Wert beträgt 35 Punkte …“
„Ja, und was heißt das – was bekomme ich für meine Seele?“
„Moment … das macht genau … 110 Euro und 93 Cent.“
„Wasssss? Nur so wenig … für meine Seele?“
„Tja, Herr Geier, sie sind doch von Beruf Steueranwalt, da stehen sie bereits schon mit einem Bein bei uns in der Hölle … und sie wissen auch die Zinspolitik der EZB – und heute wollen eine Menge Leute gerade vor Weihnachten ihre Seele bei uns verticken, äh … verkaufen … das Seelengeschäft ist nicht mehr so einträglich und glauben Sie mir, die Mieten steigen für einen Platz an einem Feuerchen hier … und die Energiekosten erst …“
„Ja, ich verstehe … kann man denn da nicht mehr … so ein paar Hundert Euro …“
Apokalyptica rollt mürrisch mit ihrem einen Auge, ein zweites wurde ihr in diesem Jahr von der Versorgungskasse Diabolo GmbH verwehrt mit der Begründung, dass sie schließlich im Callcenter arbeite, wo jeder hässlich aussieht und eine adrette Erscheinung ohnehin nicht nötig ist.
„Ich schaue gerade, was noch in Frage kommt, Herr Pleite, äh … Herr Geier …
Haben sie in diesem Jahr irgendwelche Steuern hinterzogen?“
„Oh Gott, nein!“
„Lassen Sie bitte den Namen des Allmächtigen aus im Spiel. Das hören wir hier nicht so gerne …; ich sehe gerade, sie hatten eine Affäre mit der Praktikantin und dem Pudel ihres Geschäftspartners … zur gleichen Zeit … eigentlich müsste ich ihnen dafür 10 Euro abziehen …“
„Oh … Gott!“ (weinerliche Stimme)
„Heeerrrr Geier … etwas Contenance! … Gib es irgendetwas in Ihrer Welt Positives, für unsere Firma Negatives zu berichten?“
„Wie meinen?“
„Na … irgendeine gute Tat …, dass Ihren Seelen-Score verbessert?“
„Äh … ich habe mit dem Rauchen aufgehört ...“
„Unerheblich, Sie werden ohnehin an Krebs sterben …“
„Himmel …!!!“
„Den können Sie sich abschminken!“
„Ich habe meinem Chef zu Karneval meine beste Krawatte überlassen …“
„Und? Hat er sich daran am Aschermittwoch erhängt?“
„Nein! …“
„Ich sehe schon, wir kommen da nicht weiter … vielleicht irgendwelche sexuelle oder perverse Neigungen … wie Blümchensex?“
„Äh … ein bisschen Sado … ein bisschen BDSM … ein Besuch im …“
„Das macht jeder heute, ist nichts Besonderes …"
„Okay … Mastubieren vor dem Hamsterkäfig meiner Kinder, wenn sie in der Schule sind …“
„Bingo! Herr Geier … na geht doch … das ist originell – dafür gibt es 10 Euro mehr, und die Hamster sind, wie ich sehe, auch nicht mehr auf Erden und weil die Kinder in der Schule sind und währenddessen nicht vor dem TV rumlungern … super!“
„Hach, da bin ich aber froh … Schwester Apokalyptica …“
„Okay … ich schicke Ihnen ihren Seelenkontrakt zu – und weil sie so ein guter Mensch sind, legen wir von Purgatorium24 noch 5 Euro drauf – na, ist das ein Angebot? Es ist ja bald Weihnachten …“
„Oh … vielen Dank! Das ist sehr nett … auch im Namen meiner Schwiegermutter …“
„Moment, Herr Geier … überlegen Sie sich das mit dem Geschenk … Ihre Schwiegermutter … erwarten wir in den kommenden Tagen hier … das muss aber unter uns bleiben …“
„Wasssss? … ehrlich?“
„Ganz ehrlich!“
Ein Sektkorken knallt im Hintergrund … und Apokalyptica hört das befreite Auflachen einer männlichen Stimme und laute Musik … we are the champions von Queen.
Das gibt wieder einen fetten Bonus vom Chef … freut sich Apokalyptica und fährt mit ihren Gichthänden durch die Lockenwicklerpracht ihrer verkohlten Blondmähne.
*