Das vierzehnte Türchen
•
Teuflisches Weihnachten
„Und da hast du nicht an mich geglaubt und dann hast du mich verlassen und dann hast du diesen Unternehmer genommen und dann diesen Privatier und jetzt ist der tot und du stehst hier und willst, dass ich dich zurücknehme?“
Sie öffnete ihren Mund, doch kein Ton entrang sich ihm. Die Augen glänzten. Ob es Tränen waren? Paul war es egal. Vor über zehn Jahren, kurz vor Weihnachten, da hatte sie ihm gesagt, dass sie ihn nicht mehr so sehr liebe. Also dass sie ihn eigentlich nie wirklich…, aber wegen der Kinder, und weil es auch so schön war, wenn er immer zuhörte und er für sie da war. Wie hatte er sich dann doch diesen Moment gewünscht, und den Wunsch verflucht, weil er ihn von den anderen Frauen fernhielt und jetzt, wo sein Traum… da wollte er nicht mehr. Oder doch?
„Hör zu, du kannst auf dem Sofa pennen heute Nacht und es ist sicher ganz schrecklich und ein schlimmes Weihnachten für dich, jetzt, wo dein geliebter kautabakkauender Friedgund ins Gras gebissen hat, aber du bist es gewesen, die das Tischtuch zwischen uns zerschnitten hat. Nein, du ziehst dich im Bad um und ja, ich rufe die Polizei, wenn du in mein Bett krabbelst.“
Paul gab die Tür frei und wow, sie duftete noch wie früher, und sie war so schlank wie damals. Trotzdem! Er versuchte es, aber er hatte keine Gefühle mehr für sie. Also keine Herz- oder Bauchgefühle oder noch weiter zur Wurzel hin. Höchstens Kopfgefühle. Logische Gefühle. Wenn er ihre wenigen geschluchzten Worte richtig verstanden hatte, dann hatte der Tunichtgut eines Sohnes von ihrem Mann ihr sofort nach dessen Tod die Wohnung gekündigt, sie heute mit Hilfe von fünf Schlägern auf die Straße expediert und das Schloss ausgewechselt. Der Dezemberregen hatte sie durchnässt, wo sie doch nur ihr Bürokostümchen und so einen affigen Trenchcoat zum Autofahren trug. Woher wusste sie eigentlich seine Adresse?
„Handtücher sind im Bad, du kannst meinen Bademantel nehmen und ich nehme an, dass du noch Teetrinkerin bist?“
Ein tonloses „Ja“ stimmte Paul ein wenig gnädiger. Nachdem im Bad die Ausziehstille dem Duschrauschen gewichen war, polterte er erst den Topf in die Spüle, und dann, halb voll Wasser, auf den Herd. Das Gas fauchte, als er die große Flamme aufdrehte. Waren die Crevetten noch da? Er warf die ganze Packung ins Kochwasser, so konnten sie auftauen und heiß werden, während die Spaghetti gar zogen, würde er sie zur Seite stellen und anschließend mit Knoblauch in Olivenöl schwenken. Dazu gab es den Bardolino und frischen Oregano…
Die Dusche schwieg und er wusste, dass sie jetzt im Wohnzimmer stand und sich nicht traute, irgendeinen seiner Stapel von Sofa oder Sessel zu nehmen. Er rief über die Schulter aus der Küche in die Stube: „Schieb den Buchhaltungskram auf das Notenzeug, das ist nur Recherchematerial für meinen neuen Roman.“
Dieses Mal kam ein fast schon lockeres „Okay!“ zurück und Paul fand, dass die Spaghetti al dente waren. Er goss sie ab, schüttete Olivenöl in Topf, warf die Knoblauchscheibchen hinterher, schwenkte die Crevetten an und gab die Spaghetti auf das Ganze. Den Oregano streute er lässig darüber. Er würde ihn am Tisch unterheben. Nach dem Entkorken der Flasche stellte er den Topf, die Flasche, zwei Gläser, Teller und Besteck auf das große Tablett. Als er ins Wohnzimmer trat, dachte er nur: „Teuflische Weihnachten!“
*