Das achtzehnte Türchen
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Xania
Waren wirklich schon wieder 100 Erdenjahre ins Land gegangen? Xania kratzte sich am Rumpf des rechten Horns an der Stirn. El Diablo, ihr Herr und Meister, hatte ihr ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk versprochen. Wieder einmal würden die Rollen getauscht werden und für ein Höllenjahr hätte sie nun das Sagen. Unwirsch schüttelte sie die mächtige schwarze Lockenmähne. Wie naiv die Menschen doch waren, dachten sie doch allen Ernstes, es gäbe einen Teufel, der in der Hölle regiert. Auf die Idee, dass eine Frau es war, die das Höllenfeuer am Brennen hielt, war bis heute keiner gekommen. Traute man es einer Frau nicht zu? War die Vorstellung gar zu verwegen? „Wehe dir, wenn du in die Hölle kommst, da wird das Weib dir zeigen, wo sie den Most holt. Da wirst du wahrlich nichts mehr zu lachen haben. Elender! Und für deine Sünden büßen.“
Xania war zu Lebzeiten auf Erden schon eine etwas andere Frau gewesen. Weder nahm sie am Kirchgang teil noch bekreuzigte sie sich mit Weihwasser. Stattdessen fand sie Gefallen daran, zu herrschen und gewissen gutzahlenden Geschäftsleuten Freuden zu bereiten, für die jene Kunden gutes Geld berappten. Mit ihrem goldblondem Haar und den entzückend liebreizenden blauen Augen hatte sie die Männer zu Lebzeiten scharenweise um den Finger gewickelt und rasch auch ihre Profession gefunden. Sie streifte im engen Lederoutfit und hohen Stiefeln durch die Clubs und fand zielsicher ihre Beute. Männer, die es mochten, sich einer Femdom zu ergeben und ihren Flogger und auch die Peitsche mit Wonne auf dem nackten Hintern und Rücken zu spüren.
Als sie nach einem tragischen Unfall in einem SM-Club ihr sittenloses Leben ausgehaucht und vor dem Himmeltor gestanden und weder Reue noch Einsicht gezeigt hatte, war sie von Petrus ohne lange zu fackeln in die Hölle geschickt worden. Er hatte nur stumm und ohne weiteren Kommentar den Daumen gesenkt und somit war ihr Schicksal besiegelt worden. Mit einigem Spektakel war sie nach unten gerauscht.
Im Höllenschlund angekommen hatte sie eine Weile gebraucht, um sich zurecht zu finden, doch ihre schwarze Seele und ihr noch immer recht herrisches Auftreten ließ sie bald schon Bekanntschaft machen mit dem Herrn der Hölle. El Diablo nannte er sich, nix Satan oder Deibel oder so. Der Herrscher fand rasch Gefallen an der Neuen und ernannte es zur Chefsache, sich ihrer anzunehmen und sie auszubilden. Fast ein Jahr am Stück nahm er sie ohne Unterlass ran, bestieg sie in allen möglichen und unmöglichen Positionen, raste mit ihr a tergo von einem Ende der Hölle zur anderen, so lange, bis ihre Fingernägel blutrot geworden waren, sodass sie fortan weder ein Kosmetikstudio noch Nagellack benötigen würde. Und … bis sich ihre Haare von goldblond zu pechschwarz verfärbt hatten; ihre Augen nicht mehr leuchtendblau schimmerten, sondern braunschwarz funkelten. Er beritt sie so lange, bis das Weiß in ihren Augen verschwunden war und stattdessen das rote Feuer in ihnen loderte. Bis Xania es gelernt hatte, mit ihren Augen Blitze zu schleudern. Blitze, die sie an den männlichen Jungteufeln ausprobierte, die tatsächlich bald schon sichtbare Narben davon trugen, die El Diablo aber lediglich kitzelten und erheiterten. So ließ er noch immer nicht von ihr ab, sondern ritt weiter mit ihr den heißen Höllentanz, eng umschlungen, denn Xania empfand wahre Wollust an dem Miteinander – endlich so viel Sex, wie sie wollte – solange, bis er eines Tages eine erste Wölbung auf ihrer Stirn entdeckte und – zu seinem ganz besonderen Vergnügen – einen ersten dunklen, zarten Flaum auf ihrem noch immer alabasterweißen Rücken. Überrascht hielt er inne, zog sich aus ihr zurück und strich vorsichtig über die kleinen, schwarzen Federchen.
„Fortschritte machst du, Xania!“, hatte er gesprochen und ihr eine erste längere Pause gegönnt. Jetzt, 111 Jahre später, besaß Xania das prächtigste schwarze Federgewand, das je eine Frau der Hölle getragen hatte. Wenn sie die mächtigen Flügel aufspannte und entfaltete, wurde es dunkel in der Hölle und der Schatten reichte viele hundert Meter weit. Ein jeder begann zu frösteln und sehnte sich nach dem wärmenden Höllenfeuer. Denn Kleidung gab es keine, man schritt und posierte nackt durch die Hölle, Dämonen, Teufelinnen und Jungspunde. Wer von Petrus in die Hölle geschickt worden war, hatte sich den Regeln zu unterwerfen. Und die lauteten: Völlerei, Unzucht, Verdorbenheit, Ausschweifung. Manch einem wurde klar, dass die Hölle das wahre Leben sei, frei von Zwängen und Geboten, frei von Missgunst, Neid und Eifersucht. Es gab weder Besitzanspruch noch Eigentum. Gold und Silber war in Hülle und Fülle vorhanden, Essen und Trinken satt, und ein jeder konnte sich mit jedem vergnügen, so lange und wo man es wollte. Teufelinnen mit Teufeln und auch andersherum. Die Geräusche, die die Hölle durchzogen, waren alles andere als qualvoll und des Jammers, sondern angefüllt mit Freude. Exzessiver Lärm zügelloser Hemmungslosigkeit wallte allerorts durch die Hölle. Während das Feuer der Gier und der Leidenschaft unentwegt lichterloh brannte.
In einem solchen Umfeld hatte Xania sich bestens entfaltet. Sie war nicht nur El Diablos erste Gespielin, sondern auch ihre Hörner hatten sich höchst eigenwillig entwickelt. Nicht nur in der Länge und Dicke, sondern auch in der Form. Phallusgleich standen sie von ihrer Stirn ab und auch ein wahrlich prächtiger Schwanz war ihr knapp über dem Steiß gewachsen. Drei Meter 80 war er inzwischen lang und besaß am Ende einen feinen, etwas launischen Quast. Hauchdünne, gut einen Meter lange Fasern, mit denen Xania nicht nur fühlen, sondern auch allerliebste Striemen zeichnen konnte auf nackter Haut. Schnell und mit ein wenig Übung hatte sie gelernt, mit ihrem Schwanz Schläge auszuteilen.
Nun aber stand ihr Weihnachtsgeschenk bevor. Wie von El Diablo und dem Lieben Gott abgesprochen, durfte Xania sich einen Erzengel aus dem Himmel ausleihen, um mit ihm das Weihnachtsfest zu begehen. In Reih und Glied standen die Himmelswesen aufgereiht. Uriel, Gabriel, Michael ,Raphael, Suriel, Zedekiel, Zalathiel und Anael. Xania lächelte böse in sich hinein und ihre Schwanzspitze zuckte. Das Rot in ihren Augen funkelte und ein tiefes, dunkles Knurren entwich ihrem Rachen, die weißen, hübschen Zähne blitzten, die vollen Lippen lächelten lüstern und verlangend, als ihr langer Schwanz zu einer blitzschnellen Bewegung ausholte, sich mit lautem Knall um den Hals des Michaels schwang und ihn mit einem Ruck hinunter in die Hölle zog.
„Endlich bist du mein!“, keuchte sie zur Begrüßung, als er vor ihr auf dem Boden landete, das blütenweiße Gewand hochgerutscht und der blanke Po ihrem rechten Horn direkt schon ausgeliefert war. Dem Erzengel Michael schwante nichts Gutes, doch Xania ließ es gemächlich angehen, drei, vier heiße Wischer mit dem Quast gab es als Hallo über Po und Rücken, und sie wünschte ihm ein frohes Weihnachtsfest. „Sieh nur“, sprach sie weiter mit milder, verlockender Stimme. „Deine wahre Göttin steht nun vor dir, verehre sie mit aller Demut und Hingabe, es wird dein Schaden nicht sein. Wahre Freude und höchste Wonnen weiß sie dir zu schenken.“
Irritiert erhob er sich, kam vor ihr auf die nackten Füße, bedeckte rasch den Po und stellte entsetzt fest, dass er all seine gottgegebenen Fähigkeiten, Künste und Gaben verloren hatte, und auch seine mächtigen weißen Engelsflügel verschwunden waren. So wirkte er nun eher wie ein Büßer im weißen Hemd, der Herrin gnadenlos ausgeliefert. Xania aber kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass der Herr Michael durchaus Gefallen daran finden würde, sich in einer solchen Situation wie jetzt zu befinden. Ihren Wünschen und Gelüsten Folge leisten musste, ohne zu widersprechen.
El Diablo aber nahm auf seinen Thron Platz, schlug die Beine übereinander und genoss die freie Zeit, die er nun haben würde. Er war gespannt, was die scharfe Teufelin Xania sich ausgedacht hatte, um ihm das Weihnachtsfest zu versüßen.
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