Das neunzehnte Türchen
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Das Seelentreffen
Es war das alljährliche Treffen der Seelen, Anfang Dezember, kurz vor Weihnachten.
Dieses Jahr hatten sie ein hübsches Waldschlösschen in einem verwunschenen kleinen Wald gefunden. Es waren diesmal ungewöhnlich viele Seelen anwesend und die meisten freuten sich einander zu sehen, kamen sie doch selten genug alle zusammen.
Ihr wichtigstes Thema war dieses Jahr Weihnachten und was die Menschen daraus gemacht hatten. Aus einem einst ruhigen und besinnlichen Familienfest hatten die Menschenkinder einen riesigen, glitzernden Zirkus gemacht. Wo war die Ruhe geblieben, die Besinnlichkeit und Zufriedenheit?
Die Versuchung sprach zuerst und erklärte den anderen, dass es kein Wunder wäre, dass die Menschen mit Weihnachten immer unzufriedener würden. Das Angebot von September bis Dezember sei viel zu lang und zu groß und die wenigsten verstünden noch den wahren Sinn. Alles gäbe es im Überfluss, egal wohin man schaute. Überbordende Weihnachtsmärkte und überfüllte Geschäfte, überall Klingeling und "Oh du fröhliche Weihnachtszeit". Termine zu Weihnachtsfeiern in Hülle und Fülle, keine Zeit für Besinnlichkeit.
Die Freude warf ein, dass es den meisten Menschen Spaß machte andere zu beschenken und ihnen eine Freude zu machen.
Der Neid erzählte von seinen Erlebnissen, dass schon die Kinder neidisch auf die Geschenke der anderen wären.
Die Harmonie fand es sehr traurig, dass sich so viele Erwachsene zerstritten und Krieg gegeneinander führten. Und der Jähzorn meinte, das wäre kein Wunder, da die Menschen kaum noch Rücksicht aufeinander nähmen und sich nur noch um sich selbst kümmerten.
Die Gier sagte, dass die Menschen immer mehr von allem wollten, nach dem Motto:
-schneller, höher, weiter-.
Dem stimmte die Zufriedenheit vollumfänglich zu. Sie könnten sich einfach nicht mehr an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen.
Die Resignation rief, sie hätte es schon aufgegeben und glaubte nicht mehr daran, dass sich die Menschheit nochmal besinnen würde.
Es war eine hitzige Diskussion und ein jeder fand Argumente dafür, Weihnachten zum Teufel zu wünschen.
Angst und Vertrauen saßen traurig auf ihren Stühlen und wiesen zaghaft darauf hin, dass man ihnen noch eine Chance geben sollte, noch wäre es nicht zu spät, die Schönheit des Weihnachtsfestes wiederzuentdecken.
Die Vernunft erhob sich mit hoch erhobenen Zeigefinger.
„All unser Lamentieren hilft nicht. Wir müssen die Menschen an die Hand nehmen und ihnen zu Weihnachten etwas Besonderes anbieten, etwas was sie längst vergessen haben und das nur noch in ihren Herzen zu finden ist.“
Die Begeisterung war ganz entzückt und fing direkt an Vorschläge zu machen und die Unvernunft stimmte ihr heftig nickend zu.
Die Sehnsucht, das Glück und die Freude setzten sich zusammen und überlegten, leise flüsternd, was die Erdenbürger wieder versöhnen würde mit Weihnachten.
Der Hass, der Zorn, die Missgunst und die Unzufriedenheit merkten sehr schnell, dass sie schlechte Karten hatten, Weihnachten zu einem Jahrmarkt der Eitelkeiten verkommen zu lassen und verschwanden schnell auf ihre Zimmer. Es fiel auch keinem auf, dass sie nicht mehr da waren.
Viel eher kehrte eine lange nicht gekannte Ruhe ein.
Zum Schluss saßen die Liebe, die Freude, die Reinheit, die Ehrlichkeit und das Glück noch zusammen und stellten fest, dass es doch eigentlich ganz einfach wäre, Weihnachten wieder zu einem besonderen Fest zu machen.
Gebt den Menschen mehr Bescheidenheit, mehr Reinheit, Ehrlichkeit und Liebe, dann haben wir Hoffnung, dass sich Weihnachten erholen wird und wieder zu etwas Besonderem wird.
Zum Teufel mit Weihnachten sagen die Einen - die Anderen sagen zum Teufel mit Stress und Hektik, mit Neid und Gier, mit Hass und Überfluss.
Frohe Weihnachten!
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