Das einundzwanzigste Türchen
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Zum Teufel mit Weihnachten
20. Dezember
Der Hausherr, mit Namen Hermann, sitzt in seinem Sessel. Mit geschlossenen Augen lauscht er dem Chor vom Weihnachtsoratorium aus dem Radio. Ihm gegenüber sitzt Dorothea, seine Frau. Vor ihr, auf dem kleinen Teetisch, liegt eine aufgeschlagene Bibel.
Nachdenklich blickt sie ihren Mann an und meint:
“Glaubst Du, dass eines unserer Kinder anrufen wird?“
„Warum sollten sie das tun?“
„Na, es ist doch Weihnachten!“
„Na und? Die haben doch alle nur noch mit sich selber zu tun. Die interessiert doch kein Weihnachten mehr.“
„Aber sie haben doch selber Kinder. Da müssen sie doch wissen, wie bei uns früher gefeiert wurde.“
„Nein meine Liebe, wir haben zwar Enkelkinder, aber sag‘ selbst, kennst Du sie? Hast Du sie schon einmal gesehen?“
Dorothea schüttelt stumm den Kopf.
„Ja Doro, so ist das heutzutage. Da ziehen sie in die Welt hinaus und vergessen ihre Herkunft. Bei unserer Nachbarin ist es doch auch so.“
„Stimmt, vielleicht sollten wir sie zu uns einladen?“
„Mach das, dann ist sie am Heiligen Abend vielleicht nicht so traurig.“
800 km weiter in einem anderen Land
Der Mann sitzt am Schreibtisch und kontrolliert die eingegangenen Zahlungen.
‚Mist, wieder sind 6 Rechnungen nicht bezahlt worden. Ich habe doch auch Unkosten. Ich muss doch auch meine Rechnungen bezahlen. Und dann die Forderungen der Arbeiter, mehr Lohn und weniger Arbeitszeit.
Wäre schön, wenn ihre Alten bald abkratzen würden. Dann könnte ich das Erbe ins Geschäft stecken und richtig ausbauen.‘
In dem Moment geht die Tür auf und Maria kommt, mit ihrem Sohn auf dem Arm, herein.
„Kannst Du bitte für 3 Stunden auf den Kleinen aufpassen?“ Mit diesen Worten setzt sie ihn auf den Schoß des Mannes. Der antwortet unwirsch:
„Muss das sein?“
Maria antwortet nicht, sondern sieht ihn nur sehr traurig an.
„Was ihr alle immer habt. Regelmäßig dieses ganze Getue im Dezember. Zum Teufel mit Weihnachten, das kostet nur Geld aber bringt mir nichts ein.“
Weinend schließt Maria die Tür hinter sich zu.
500 km weiter auf einer Insel
Hanna kontrolliert die Flaschen und die Ausrüstung. Mit den Worten:
„Es haben sich schon wieder 12 Leute angemeldet“, kommt ihr Mann in den Schuppen.
„Bist Du fertig, ist alles okay?“
Sie nickt schweigend.
„Hast Du etwas? Ist Dir nicht gut? Bist Du krank?“
„Nein, es ist nur, …… wegen Weihnachten.“
„Na und? Das ist doch prima. Schau doch mal, die ganzen Ferien über sind alle unsere Kurse ausgebucht. Obwohl wir die Preise erhöht haben. Ist doch toll!“
„Ja, aber,“
„Nix, ja aber, denk einfach nicht dran. Mach ich doch auch nicht.“
„Denkst Du nie an unsere Tochter? Wie es ihr wohl geht in dem Kloster?“
„Das ist kein Kloster, sondern eine ganz normale Schule, in dem die Kinder auch schlafen. Es heißt nicht Kloster, sondern Internat. Und für diese Schule muss ich sehr viel Geld bezahlen, denke auch mal daran. Sie wird dort schon Weihnachten feiern, glaube mal. Wir haben dafür leider keine Zeit. Zum Teufel mit Weihnachten. Komm jetzt, wir wollen die Leute doch nicht warten lassen.“
24.Dezember
Der Hausherr Hermann sitzt in seinem Sessel. Als aus dem Lautsprecher der Choral:
‚Wir singen dir in deinem Heer,
aus aller Kraft, Lob, Preis und Ehr,
dass du, oh lang gewünschter Gast,
dich nunmehr eingestellet hast.‘
zu hören war, schrillte die Türglocke.
Dorothea stand schnell von ihrem Sessel auf, um die Tür zu öffnen.
Vor ihr stand nicht die erwartete Nachbarin, sondern ein Mädchen von ca. 12 Jahren:
„Bist Du meine Oma?
Ich bin Katharina, und aus dem Internat abgehauen.
Darf ich bei Dir bleiben?“
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