Das einunddreißigste Türchen
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Culture-Clash
Man hatte Develuna aus der Anstalt entlassen, bevor sie losgeflogen war, und nun stand sie mit ihrer abgeschabten Aktentasche aus Leder auf dem Vorplatz des immerwährenden Jahrmarktes der Eitelkeiten und suchte in dem Schaulaufen nach Juckma - ihrem diensthabenden Hausfreund, während unzählige Beutelratten auf ihren Hinterpfoten über die Freifläche schlenderten und entweder allerlei bunt erleuchte Fahrgeschäfte besuchten oder aber sich die leeren Bäuche mit Pappmaché aus Junk-Food vollschlugen, weil sie etwas Wärme fühlen wollten.
Develunas kahlrasierter Schädel ragte mit seinem Mandalatattoo aus der Masse hervor, und ihr gestrickter Mantel mit einer schwarz-gelben Zebramusterung tat sein Übriges. Sie war fast zwei Meter klein und galt als unterdurchschnittlich groß unter ihren Gleichen, den Mentalaasen.
Ihre Laseraugen durchdrangen die Beutelratten bis ins Mark und darüber hinaus und versuchten Juckma - in dem Gewusel ohne Anfang und Ende - zu orten, denn sie sollten längst wieder mit ihrer Untertasse auf dem Weg quer durchs All zum Nebelkopfgebirge, links neben dem Tabalugadreieck des Königs der Schwarzen Löcher, sein. Ihnen war nur die Ziegenmilch, der Treibstoff ihres Gefährtes, ausgegangen, sonst wären sie nicht an einem Freitag, dem dreizehnten, bei Vollmond im Schein der flackernden Neonreklame hinter den Müllcontainern des Hotels „Zu den Dübeln“ auf Schattenseite von Eden gelandet.
Develuna hatte sich einen Gettoblaster besorgt, um mit dessen Hilfe, zum einen die Schwingungen der Edenbevölkerung zu übertönen und zum anderen Juckmas Signale zu isolieren, damit sie ihn leichter ausfindig machen konnte.
Sie spulte gerade den Magneten des einen Lautsprechers ab, um aus ihm eine große Antenne für ihre Alusalatschüssel zu machen, als der König der Beutelratten auf sie zutrat, am Saum ihres Zebramantels zupfte und sie fragte, warum sie nicht an dem Gelage seiner Untertanen teilnehmen wollen würde, es sei ja schließlich in ein paar Tagen Weihnachten,
Develuna zuckte nur mit den Schultern und meinte, dass es da, wo sie herkommen würde, kein Extrafest der Liebe geben würde, weil man sich dort zu jeder Tages- und Nachtzeit und überall lieben könne, wenn man und wen man wolle und dass sie das auch tun würde. Dafür bräuchte sie keine Legitimation, meinte sie noch hinzufügend und runzelte die Stirn, weil die Alusalatschüssel unsinnige Signale von sich gegeben hatte.
Sie sah das Hologramm ihres eifrigen Hausfreundes über die Gläser ihre Schweißerbrille flimmern, wie er nackt am Fuße des Eingangsbereiches einer der Achterbahnen auf dem Platz der Eitelkeiten kniete, vor sich die andere Salatschüssel und mit einem Karnevalskopf des Königs Kanzlers der Beutelratten auf den Schultern.
Das vorbeischlendernde Fußvolk der Untertanen schauten ihn böse aus den Augenwinkeln an, weil er es wagte, des Königs rechte Hand zu verhohnepiepeln, während er nackt vor dieser - in ihren Augen - lächerlichen Salatschüssel hockte und seine große Männlichkeit abmelkte. Dabei faselte er immer wieder etwas von einer Ziegenmilch, die sie (ge)brauchen würden, um mit ihrer Untertasse erneut durchstarten zu können.
Die Beutelratten quiekten ihm etwas vom Schwein ihrer Nation vor und malten ihm ein schwarz-weißes Katzenfell auf den Leib, bevor sie ihm ein zerfasertes Tauende in sein Poloch schoben, um ihn mit Spießruten von dannen zu treiben.
Geistesgegenwärtig ergriff Juckma die halbgefüllte Alusalatschüssel, trug diese eben nicht zu Kreuze, sondern ließ sich lustig, lustig von der grauen(vollen) Masse der Beutelratten über den Vorplatz der Eitelkeiten und die Gassen der Niederungen jagen, bis er vor Develuna neben dem König der Beutelratten zum Stehen kam, den Karnevalskopf von seinen Schultern schleuderte, einen Kniefall vor seiner Herrin tat und ihr auf mentalaasisch: „Zum Teufel mit Weihnachten!“ telepathierte.
Der König missverstand diese Geste und wollte sich schon gnädig zu Juckma hinabbeugen, um mit seiner linken Kralle in der Salatschüssel herumzurühren und zu kosten, wie denn diese ominöse Ziegenmilch schmecken würde, als Develuna den portablen Beam(er)strahl auf sich selbst und Juckma justierte und sie sicheren Strahles auf die nun startklare Untertasse teleportierte, um mit ihrem Hausfreund in ein weiteres Abenteuer auf ihrem Weg hin zum Nebelkopfgebirge zu reisen.
Einige der Beutelratten hingegen verflochten ihre langen Rattenschwänze zu lauter Kränzen der Adventszeit, steckten Kerzen auf diesen fest und zündeten sie an, während der Rest von ihnen auch weiterhin sich auf dem Platz der Eitelkeiten feiern tat …
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