Zum Teufel an Weihnachten
Wutentbrannt rauschte Beelzebub, in eine dampfende Schwefelwolke gehüllt, zur Türe herein und knallte diese mit einer Vehemenz zu, daß der Rahmen zitterte und die alten Mauern außenrum gleich mit.‘Was zum Teufel stinkt denn hier so?’ brüllte er erbost. ‘Man riecht es fast bis nach oben! Hast du schon wieder das Essen anbrennen lassen, Oma???’
Keine Antwort.
Hm.
War sie etwa ausgegangen? In ihrem Alter? In diesem Augenblick war deutlich weibliches Gekicher zu vernehmen und da außer ihnen beiden momentan niemand hier wohnte ... mißmutig stapfte er durch die Küche und betrat die dahinterliegende Wohnlandschaft. Seine Großmutter wälzte sich kreischend vor Lachen in den Polstern, auf dem Bildschirm lief irgendwas Kulturelles, ein Schauspiel?
‘Oma was soll das!’ schimpfte er vorwurfsvoll. ‘Ich komm hungrig heim und anstatt daß du mich mit was Leckerem empfängst und mir den Rücken kraulst, jaulst du vor dem Fernseher umeinander und verstinkst die ganze Bude!’
‘Hihiiiii, Belzi das ist sooooooooooooooooo cool,’ japste die Großmutter,’ich guck grad den ‘Jedermann’ und da spielt einer den Teufel sowas von akkurat, ich hab so an dich denken müssen, hihihiiiiii ...’
Der Teufel ließ sich genervt neben ihr in ein Fauteuil fallen: ‘Und mein Essen? Was ist mit meinem Essen? Ich hab HUNGER’ raunzte er. ‘Du hast doch sonst den ganzen Tag nix zu tun, ist es denn zuviel verlangt, daß du mir am Abend ein bissl was kochst, ohne dabei die Bude abzufackeln? Und nenn mich nicht immer Belzi. Mein Name ist Beelzebub E. Hagner! Das weißt du genausogut wie ich und wenn du bereits komplett vertrottelt bist und es dir nicht merken kannst dann kannst du es jederzeit an der Türklingel nachlesen, HIMMELarsch und Zwirn!’
Bei seinen letzten Worten war die Großmutter zusammengezuckt, ihr Lachen verstummte schlagartig und sie blickte starr auf die Wand neben dem gnadenlos weiterblökenden Fernsehgerät. Der Teufel rutschte unruhig in seinem Fauteuil umeinander, zupfte sich an den Nasenhaaren, und nahm dann ihre Hand.
‘Hör mal Oma, es tut mir leid, ich hätte das böse H-Wort nicht sagen sollen, es tut mir wirklich leid! Vielleicht hat dieser komische kleine Kerl mit dem verstümmelten Oberlippenbart doch recht: Rassen soll man nicht vermischen. Mit mir und der Menschin hat es nicht hingehauen, und du damals mit dem blöden Flügelheini ...’
‘Der war nicht blöd,’ flüsterte die Oma heiser, ‘der war alles andere als blöd. Sonst hätt ich mich ja nicht so verknallen können. Und daß du die Haushaltshilfe verjagt hast mit deinen trampeligen Annäherungsversuchen ist nun wirklich nicht irgendwelchen bescheuerten Theorien zuzuschreiben sondern allein deiner Flegelhaftigkeit. ICH habe dich nicht so erzogen Junge, es ist mir ein Rätsel nach wem du geraten bist, deine Mutter selig würde sich im Grabe umdrehen so sie denn eins hätte! Und daß ich nicht kochen kann ist auch nix Neues. Ich versuche es ja, immer wieder versuche ich es, aber Herrschaftzeiten, ich bin nun mal keine Hausfrau! Wir hatten für so etwas immer Personal.’
Der Teufel tätschelte tröstend ihre Hand: ‘Is ok Omi, is ok, gleich morgen geh ich rauf und schau nach einer neuen Köchin, versprochen! So, und nun schmeiß ich uns halt einen von den Lebenslänglichen auf den Grill, der freut sich wenn sein Leiden ein Ende hat, und meine Kegelschädel sind auch schon wieder voll ausgefranst, es schadet ABSOLUT nix wenn ich mir da den einen oder anderen neuen zulege. Wo hammer denn die Liste, hmmmm ja, der zweiunddreißigjährige Vergewaltiger vielleicht, der ist noch nicht so zäh, ach nee, der soll ruhig noch ‘ne Weile büßen ... ahja, hier ... die Ehebrecherin, also die hat ja eigentlich nix falsch gemacht, die können wir guten Gewissens erlösen und schmecken wird sie auch hervorragend, was meinst?’
‘Ach Bel ... zebub,’ seufzte die Großmutter, ‘eigentlich wollte ich uns ja Spaghetti machen, du weißt doch daß ich Menschenfleisch nicht mag, aber irgendwie ... laß ich mich immer ablenken ... und dann vergeß ich drauf ...’
‘Is doch egal Oma, du ißt halt dann den Salat von gestern, der is noch pfenniggut, und wie gesagt, morgen steig ich mal wieder hoch zu den Depperten und schau mich ein bissl um, ich find schon was. Und nun klaub ich mir die Fatma aus dem Pool und du kriegst dein Salätchen ... und dann gucken wir gemeinsam einen hübschen Thriller ... ach, nicht? Na gut, dann halt was Romantisches ...’
Bettina wühlte unentschlossen in der Kramskiste des großen Warenhauses im Norden der Stadt- eigentlich hatte sie weder Zeit noch Geld um ausgedehnte Einkaufsorgien zu veranstalten, aber an Weihnachten bei den neuen Schwiegerleuten ohne Geschenk aufzutauchen - das ging ja mal garnicht, also mußte unbedingt eine Kleinigkeit her. Günstig, aber nicht billig, und obendrein etwas, das den Eindruck erweckte, sie habe sich tatsächlich Gedanken gemacht.
Hatte sie auch, aber weniger über das Geschenk, eher darum, ob sie wirklich noch länger mit ihrem Freund zusammenbleiben wollte. Jemand, der fast jede Woche eine andere Ausrede hatte, um sowenig Zeit wie möglich mit ihr verbringen zu müssen, und der zudem erst nach heftigem Drängen ihrerseits überhaupt dazu bereit gewesen war, sie endlich mal seinen Eltern vorzustellen ... da hatte der Spaß doch schön langsam mal ein Loch.
Aus jeder Ecke, in jeder Abteilung, dröhnte Weihnachtsmusik in migräneerzeugender Lautstärke. Es wurde wegen Weihnachten nach Hause gefahren, es wurde dem im Vorjahr verschenkten Herz nachgetrauert, es wurde geklingelt und gescheppert was nur ging ... und - was war DAS denn? Da saß doch tatsächlich ein riesiger Weihnachtsmann mitten in der Einkaufspassage und verteilte grinsend Gutscheine für ... Bettina kniff ihre Augen zusammen um besser sehen zu können: Kochtöpfe! 50% Rabatt auf Kochtöpfe! Ernsthaft jetzt? Wer kaufte denn an Weihnachten Kochtöpfe!
Hilflos in der Menge eingekeilt und unweigerlich weitergeschoben, näherte sich Bettina unfreiwillig dem teuflisch grinsenden Nikolaus, der weiterhin nach rechts und links seine buntbedruckten Gutscheine anbot ... bis sie selbst so ein Teil direkt unter ihrer Nase fand. Reflexartig langte sie zu, sah dem Weihnachtsmann in die Augen, erschrak vor seinem glutäugigen Blick und fühlte sich mit einem Mal ziemlich schwach. Du meine Güte, was war denn jetzt los? Hatte sie das Frühstück ausgelassen? Auf zittrigen Beinen stakste sie weiter in Richtung Sitzgruppe, spürte wie ihr das Blut aus dem Gehirn wich, griff hilflos ins Leere und sackte inmitten der wogenden Menschenmassen in sich zusammen.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie weich gebettet auf roten Ärmeln und fühlte sich leicht, schwebend, wie auf Wolken ... Wolken? Rote Ärmel? Hastig hob sie den Kopf und ... blickte direkt in die neckisch grinsenden Augen des Weihnachtsmannes.
‘Na, gut geschlafen?’ lachte dieser sie an. ‘Sag mal, kannst du kochen?’
‘Kochen?’ fragte Bettina verwirrt. ‘Ob ich kochen kann? Was ist das jetzt für eine Frage. Hilf mir lieber mal auf. Wie heißt du eigentlich? Äh ja, und danke fürs Auffangen. Blöder Kreislauf. Und ich hab keine Banane dabei. Und ja, ich kann kochen. Aber für mich alleine lohnt die Mühe nicht und mein Freund ... naja, der hat nie Zeit ... aber das interessiert sich jetzt sicher weniger. Wie sagtest du war dein Name? Ich heiße übrigens Bettina.’
‘Ich hab noch garnix gesagt beste Bettina’, feixte der Nikolaus, aber das läßt sich nachholen.’ Vorsichtig stellte er sie auf ihre eigenen Beine wobei er seinen Arm länger als unbedingt notwendig um sie geschlungen hielt - sie spürte, wie eine wohlige Wärme von ihm ausging und wünschte sich irrsinnigerweise, er würde sie nie mehr loslassen.
Ihm schien es ähnlich zu gehen. Nur widerwillig löse er sich von ihr und sah sie durchdringend an: ‘Hör zu Bettina, das kommt jetzt sicher etwas plötzlich für dich, aber ich suche dringend eine neue Köchin. Meiner Oma wächst der Haushalt zusehends über den Kopf, und ganz ehrlich, ich hab den Job mit den Flyern nur deswegen angenommen, weil ich hoffte, auf diesem Wege rasch an mein Ziel zu kommen. Und nun, da ich dich getroffen habe, würde ich dich am liebsten auf der Stelle mitnehmen. Nicht nur als Köchin, am liebsten als meine Gefährtin, Geliebte und ... Ehefrau. Bettina ...’ er sank vor ihr auf die Knie und sah sie von unten herauf sehnsuchtsvoll an: ‘Bettina, willst du meine Frau werden?’
Bettina wußte nicht mehr wo ihr der Kopf stand, der Lärm aus dem Einkaufszentrum hatte an Intensität zugenommen, es klang nicht mehr wie Musik, mehr wie ... ein lautes Scheppern? In diesem Augenblick erwachte sie und ja, in der Tat, der Krach kam von ihrem Wecker der lautstark auf dem Nachtschränkchen ratterte und fast von der Kante gefallen wäre, hätte sie ihn nicht im letzten Moment aufgefangen.
Irrer Traum. Ein Weihnachtsmann der einen Heiratsantrag ... du meine Güte! Im nächsten Moment saß sie kerzengerade im Bett. Morgen war doch das Treffen mit den Eltern des Freundes und sie hatte TATSÄCHLICH noch kein Geschenk. Langsam ließ sie sich wieder zurück in die Kissen sinken und spürte genüßlich nach, wie sich die Arme des rotgewandeten Mannes um ihre Taille angefühlt hatten. Leos Arme hatten niemals solche Gefühle in ihr ausgelöst. Ob sie nicht vielleicht tatsächlich mal rauffahren sollte ins Donauzentrum, bissl durch die Geschäfte schlendern, auf der Suche nach ihrem Traum-Weihnachtsmann?
Zeitgleich saß der Teufel zufrieden auf der Kante des Springbrunnens im Donauzentrum und ließ seine Beine baumeln. Er wußte, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er seiner Oma die neue Köchin präsentieren konnte. Was war schon dabei, dem Schicksal ein bissl nachzuhelfen, wenn man schon übernatürliche Kräfte hatte?